Brötchen mit Schnitzel

Schalke im Siegesrausch: bellender Trainer, fixer Rückkehrer und ein erstarkter Sorgenknabe


Gelsenkirchen – Falls jemand wissen will, wie es im Schalker Stadion zuging, mag er sich Folgendes vorstellen: Annähernd 60000 Leute singen und rufen jeweils sehr laut, aber jeder etwas anderes und also durcheinander, denn im Taumel über fünf Tore gegen die sogenannten Bazis ist der Menge das Leitmotiv verloren gegangen. Das Ergebnis ist ein wildes, konfuses Brodeln. Alle feiern jeden. Einige lassen den bald ausscheidenen Trainer hochleben; andere bejubeln Emile Mpenza; wieder andere genießen in ihren Chören den schönen Tag, und eine weitere Gruppe schwört: „Ob ich verroste oder verkalke, ich gehe immer noch auf Schalke.“ Man konnte meinen, dieses Stadion sei eigens für diesen Tag gebaut worden.

Hinterher erlebte man Dinge, die einem seltsam vorkamen. Trainer Huub Stevens, zuletzt in Fachkreisen als „lahme Ente“ und in den Debattierzirkeln der Fans oft unpersönlich als der Holländer gehandelt, lachte bellend, scherzte mit Reportern und umarmte sogar einen von ihnen. Mpenza, den Manager Rudi Assauer während der Vorrunde dem Volkszorn preisgegeben hatte, als er ihm den Ferrari wegzunehmen drohte – dieser gewöhnlich schweigsame Mpenza, der den Fragestellern nach der Partie zu entkommen sucht, indem er zwischen den Hosenbeinen der anderen Spieler entfleucht, informierte ausführlich wie nie zuvor über sein Spiel und stellte fest: „Ich war heute im Kopf ganz klar, und meine Beine sind mir gefolgt.“ Schneller als Linke oder Sagnol gucken konnten.

Über Mpenza, 23, sagen Wohlmeinende im Klub, er sei zwar herzensgut, aber ein großer Junge: „Wenn man ihm sagt, er soll fünf Brötchen mitbringen, dann kommt er mit fünf Schnitzeln an.“ Am Samstag, an dem er ein Tor geschossen und zwei vorbereitet hatte, wirkte Mpenza plötzlich erwachsen. Der Effekt seines Comebacks, für das er nach seiner Sehnenoperation in wallonischen und westfälischen Krafträumen viel gearbeitet hat, wurde nur von Jörg Böhme, 28, erreicht. Auch der hatte wegen unerfreulicher Leistungen und Aussagen die Autorität von Assauer spüren müssen: laut Pressemitteilung Nr. 065/01 gipfelte das vor sechs Wochen in einem „Donnerwetter am Dienstagmorgen“. Den Mitspielern sind Böhmes Probleme nicht entgangen, den rapiden Aufstieg in die Nationalelf und die gestiegenen Ansprüche des Publikums zu sortieren, doch blieb er mit seinen Sorgen allein. „Da muss man selbst rauskommen“, findet Verteidiger van Hoogdalem; „schließlich“ fügt Kapitän Waldoch an, „ sind wir erwachsene Leute und Profis“. Van Hoogdalem hat aber beobachtet, wie es zuletzt aufwärts ging, „wie der wieder seine Risikopässe gespielt und seine Außenristbälle reingehauen hat.“ Böhmes bester Risikopass brachte das 1:0 gegen die Bayern; sein bester Außenristschuss das 3:1.

Nicht nur deshalb fühlte sich Andreas Möller „an letzte Saison erinnert“, als Schalke die beste Spielzeit seit 30 Jahren erlebte. „Wir haben eindrucksvoll bewiesen, dass wir eine starke Mannschaft haben – eine bärenstarke Mannschaft“, formulierte Möller wie gedruckt. Ein Problem bleibt dennoch, Huub Stevens wies drauf hin: „Ich glaube nicht, dass wir jedes Spiel so gewinnen.“