Nach der Logik der „runden Jahre“ folgt auf das Zehnjährige gleich die Fünfzigjahrfeier. Insofern wird die Frage, die jetzt anlässlich von zehn Jahren deutscher Einheit so intensiv diskutiert wurde, während der nächsten vier Jahrzehnte keine große Rolle mehr spielen: die Frage, wem die Einheit „gehört“. Unzählige Namen waren im Gespräch, der von Helmut Kohl natürlich in allererster Linie, daneben aber auch die von Willy Brandt, Wolfgang Schäuble, Iwan Rebroff, Egon Bahr, Udo Lindenberg, Hans-Dietrich Genscher, Oda-Gebbine Holze-Stäblein, Franz Beckenbauer und vielen anderen. Bei Ansicht dieses prominenten Personals stellt man fest, dass da wieder einmal Geschichte von oben betrieben wird, dass der kleine Mann fehlt. Auf ihn aber kommt es in dem Fall entscheidend an, denn in Wahrheit gehört die deutsche Einheit Benedikt Hünefeld.

Hünefeld, 1926 in Traunstein geboren, machte zeitlebens nicht viel von sich her, war aber von jener Beharrlichkeit, die in Altbayern oft anzutreffen ist und die ihm auch beruflich (er war Reisender in Kosmetika) sehr zustatten kam. Wenn ihn etwas „fuchtig“ machte, dann die Teilung Deutschlands; dass dies kein leerer Zorn war, bewies Hünefeld, als er während der Berliner Blockade an die Amerikaner herantrat und ihnen anbot, Seifen, Badesalz und Zinksalbe für die „Rosinenbomber“ beizusteuern – SBZ nannte er die Kombination mit feinem Spott. Früh trat er in die CSU ein, um dort gegen die seiner Ansicht nach zu lasche Ostpolitik Adenauers zu agitieren. Dort fand man das entnervend und nannte ihn nur den „Zonen-Bene“; immerhin ließ man ihn, schon um ihn besser kontrollieren zu können, zu Straußens Trinkrunden zu, wo er manches Ceterum censeo zum Abschuss des „Spitzbarts“ ausbrachte. In den siebziger Jahren suchte er Brandts Nähe. Eingeweihte wissen von starken Gelagen, wobei Hünefeld einmal zu später Stunde mit der Faust auf den Tisch geschlagen und vier- oder fünfmal „Ohne Grundlage geht gar nix, Willy!“ gerufen haben soll. Ein paar Monate später war der Grundlagenvertrag fertig. Zufall? Kurz vor seiner vorzeitigen Pensionierung anno 1988 hatte Hünefeld in Leipzig zu tun, wo er in einer Aufwallung jugendlicher Fuchtigkeit eine Wand besprühte, zum ersten Mal in seinem Leben: „Honni, alte Pfeife!“ Erich Honecker, dem das natürlich zugetragen wurde, war noch mehr durcheinander als eh schon und im Staatsrat tagelang nicht ansprechbar.

Der Rest ist Geschichte. Benedikt Hünefeld weiß, wer die Mauer letztlich umgestoßen hat, doch Renommieren ist ihm auch heute noch fremd. Am 3. Oktober 1990 stand er in der Menge vor dem Berliner Reichstag. Das dpa-Foto, das jetzt wieder überall veröffentlicht wurde, zeigt ihn, mit einer Schiebermütze auf dem Kopf, und seine Miene scheint zu sagen: Leicht war’s nicht, Leute!