Badische Zeitung, 23. Juni 1998
FREIBURG (ill/amp). ,,Ich bin schockiert und betroffen über die Exmatrikulation von Doktoranden unserer Universität": Professor Wolfgang Jäger, Rektor der Freiburger Universität, reagierte heftig auf den gestrigen Bericht der Badischen Zeitung, daß seine Hochschule mehr als 40 Prozent ihrer Doktoranden aus der Matrikel gestrichen hat. Begründung: Sie verdienten mehr als 620 Mark im Monat und dürften deshalb nicht mehr Studenten sein.
Auch Jäger hat von diesem Vorgang erst aus der BZ erfahren. Zugleich verwahrt sich der Rektor aber dagegen, daß die Freiburger als einzige der neun Landesuniversitäten den entsprechenden Erlaß des Wissenschaftsministerium umgesetzt habe. Vielmehr sei die Universität ,,mit am liberalsten" mit dieser Regelung umgegangen - bis zur Massenexmatrikulation zu Beginn des Sommersemesters.
In der Tat haben die meisten Universitäten - die einen früher, die anderen später - Studenten, die mehr als 620 Mark verdienen, nicht mehr immatrikuliert. Anders jedoch als die Freiburger haben sie nicht den Bestand der bereits eingeschriebenen Doktoranden per Umfrage durchforstet und anschließend eine Massenexmatrikulation veranlaßt: Darin ist Freiburg einmalig. ,,Wir kennen keine andere Hochschule, die auch nur annäherungsweise eine derartige Aktion gemacht hat", sagt Gunter Schanz, Sprecher des baden-württembergischen Wissenschaftsministeriums. Und weiter: ,,Wir haben zu so einer Aktion nicht den Anstoß gegeben."
Auf der anderen Seite haben Rektorat und Senat der Universität Freiburg zuvor ganz entschieden dem Erlaß des Ministeriums widersprochen, der die Neueinschreibung von Promotionsstudenten von deren Arbeitseinkünften abhängig macht. In der Umsetzung hatte das Wissenschaftsministerium den einzelnen Hochschulverwaltungen einen gewissen Interpretationsspielraum erlassen. So vertritt man im Heidelberger Studentensekretariat, das für Immatrikulationen zuständig ist, die Auffassung: ,,Den Erlaß kann man so oder so auslegen."
Jäger will das nun vom Minister Klaus von Trotha genauer wissen. In einem Brief fordert er eine eindeutige Stellungnahme an: ,,Wenn das Ministerium der Meinung ist, daß der eigene Erlaß nicht gilt, werde ich sofort anordnen, die Exmatrikulationen rückgängig zu machen." Vielleicht ist aber alles auch nur ein Mißverständnis zwischen Freiburg und Stuttgart, wie Ministeriumssprecher Schanz mutmaßt, und die Freiburger können ihre Doktoranden durch einen verwaltungstechnischen Rückzieher wieder in den Schoß der Alma Mater zurückholen.
Auf alle Fälle aber soll der Erlaß, der die Verdienstmöglichkeiten von Promotionsstudenten einschränkt, ganz entfallen oder doch zugunsten der Doktoranden geändert werden, wie es offenbar vom Ministerium geplant ist. Darüber hinaus bekommen die exmatrikulierten Freiburger Doktoranden demnächst Post von ihrem ehemaligen Rektor, in dem er seine Sicht der Dinge erläutert.