Albert-Ludwigs-Universität

Freiburg i. Br.

Historisches Seminar


Süddeutsche Zeitung vom 21. Juli 1998:

Von Luft und Liebe

Weil sie zuviel jobbten, flogen Freiburger Doktoranden aus der Uni

Doktoranden sind fast immer knapp bei Kasse. Die wenigsten Eltern sind bereit, eine weitere Ausbildungsetappe ihrer längst erwachsenen Sprößlinge zu finanzieren. Stipendien sind rar, Plätze in Graduiertenkollegs ebenfalls. Und längst nicht alle Doktoranden kommen als Assistent an ihrem Hochschulinstitut unter. Vielen bleibt nichts anderes übrig als intensives Jobben.

In Baden-Württemberg ist auch das unmöglich - jedenfalls theoretisch. Hier können Doktoranden nur dann ,,für die Dauer von höchstens zwei Jahren als Studierende immatrikuliert werden", wenn sie nicht ,,in einem Arbeits-, Dienst-oder sonstigen Ausbildungsverhältnis" stehen. So steht es im 1995 verabschiedeten Universitätsgesetz. Zulässig ist lediglich eine Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft oder Tutor. Wovon die Doktoranden unter diesen Umständen ihren Lebensunterhalt bestreiten sollen, bleibt das Geheimnis des Wissenschaftsministeriums. Die Universität Freiburg hat die lebensferne Bestimmung ernstgenommen und ein paar hundert ihrer insgesamt 1300 Doktoranden kurzerhand an die Luft gesetzt. Wer mehr als 620 Mark im Monat verdiente, wurde im Sommersemester zwangsexmatrikuliert.

Bisher hatten die baden-württembergischen Universitäten den Gesetzestext kaum beachtet und sich nicht darum gekümmert, wieviel ihre Doktoranden verdienen. Erst mit einer Anfrage der Tübinger Universität vor einem Jahr begannen die Kapriolen: In einem Runderlaß an alle Hochschulen stellte das Wissenschaftsministerium klar, daß sogar halbtags als wissenschaftliche Mitarbeiter beschäftigte Doktoranden sich nicht als Studierende rückmelden dürfen. Daraufhin nahm das Unheil seinen Lauf, die Uni Freiburg startete im Februar eine Fragebogen-Aktion. Ergebnis: Etwa 40 Prozent der 1300 Doktoranden verdienten zuviel. Die Massen-Exmatrikulation ließ nicht lange auf sich warten, der wütende Protest der Betroffenen ehensowenig.

Hinter der umstrittenen Gesetzespassage verbirgt sich offenbar der Verdacht, daß manche Doktoranden lediglich eingeschrieben sind, um bei der Krankenkasse zu sparen oder günstig in der Mensa zu speisen. ,,Es geht nicht um eine Ausgrenzung von Doktoranden aus der Universität, sondern darum, eine sozialrechtliche Doppelabsicherung zu vermeiden", so Ministeriumssprecher Gunter Schanz. Wer einer regulären Beschäftignng nachgehe, sei schließlich auf die sozialen Vorteile des Studentenstatus nicht angewiesen und könne auch ohne lmmatrikulation die Uni-Bibliothek nutzen. Der Paragraph sei allerdings ,,nicht mehr zeitgemaß", weil sich die Lebenssituation von Nachwuchswissenschaftlern in den letzten Jahren geändert habe, räumt Schanz ein. Deshalb arbeite das Ministerium bereits an einer Gesetzesänderung. Geprüft wird vor allem eine Lockerung der Einkommensgrenze. Der grüne Landtagsabgeordnete Dieter Salomon plädiert dafür, künftig Einnahmen von maximal 1200 Mark monatlich zuzulassen.

Derweil ist eine kuriose Situation entstanden: Das Wissenschaftsministerium mußte die Hochschulen bitten, den eigenen Erlaß zu ignorieren. Pikanterweise wirft das Ministerium der Freiburger Uni-Verwaltung zugleich vor, über das Ziel hinausgeschossen zu sein. ,,In Freiburg hat man zwar rechtskonsequent, aber mit einem gewissen Übereifer gehandelt", sagt Gunter Schanz. Mittlerweile hat die Hochschule alle herausgeworfenen Doktoranden wieder einge schrieben - und fragt nicht mehr nach ihren Einkünften.

JOCHEN LEFFERS


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