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alt.country - singer/songwriter - folk
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I've heard about your legendary rants,
what's all about it?
Dear Listener,

let's see, just imagine we're talking about this and that and somehow we would stumble over the issue of the misogynist country culture. Then my typical rant would look like this:
1. das country business ist genau so männlich dominiert wie der rest. Bei ca. 60-70% weiblicher country konsumenten in USA machte ihr Anteil an den Country charts in god’s own country in den 90er jahren so um die 20% aus. Die anzahl neuer verträge für weibliche country künstler war anfang der 90er auf dem niedrigsten stand seit den 60er jahren.

siehe “Frauen-Country” von Sabine Schmidt in Heaven Sent 3/94

2. Frauens dürfen lieder singen, die von männern geschrieben wurden und die eine saubere, harmlos wirkende frische verbreiten. Sobald sie aber selbstbewußter und unkonventioneller auftreten, sind sie nicht wie Willie Nelson die sympathischen Outlaw rebellen, sondern weg vom fenster. Ever heard of künstler wie Charline Arthur? Die war in den 50er jahren anders, nämlich unabhängig und selbstbestimmt. Die A&R leute nannten das “störrisch und unkooperativ”. Übrig blieben für sie nur noch schäbige honkytonks in Idaho.

3. was sich zumindest etwas im alt.country bereich mit bands wie Freakwater geändert hat, ist die ganz gemähliche erweiterung von rollen optionen. Beherschend sind aber immer noch a) die traurige, betroffene liedermacherin, die sich in pathetischem Selbstmitleid ergeht und b) die wütende punkfrau, die das männlichen “cock-rock” muster weiblich zu besetzen versucht. Noch besser im angrenzenden singer-songwriter bereich durch riot girrls / Olympia connections mit künstlern wie Sarah Dougher, Mecca Normal oder Lois Maffeo.

4. Männers singen in ihren lieder über die bösen frauen, die natürlich die alleinige Schuld am elend der männlichen helden haben und die guten frauen, die honky-tonk angels, die leider nirgendwo zu finden sind. Die bösen frauen müssen natürlich tot gemacht werden, das gehörte sich schon so in den guten alten bluegrass stücken: “Falling in love means falling in death”; “Pretty Polly”, “Banks of Ohio”, oder “Barbara Allen”: erst wenn mann frau tötet, besitzt er sie wirklich und ist geschützt vor verlassen werden oder bedrohlicher weiblicher Sexualität.
5. Klassiker im country ist auch der sexistische mythos des abhauens:

Bsp.: Commander Cody and his lost Planet Airmen: Home in the Hand

Hey, hey, hey, der gute alte Rock’n Roll Mythos: Frei sein, ungebunden sein, losgelöst von allen verpflichtungen, alles was ich zum leben brauche, passt in meine hosentasche. Jawohl, das wahre Leben ist irgendwo da draussen und ihr angepassten spiesser, die ihr tagtäglich in eure reihenhäuser nach 8 stunden plackerei einkehrt, was wißt ihr schon von dem aufregenden leben, dem ruhelosen wandern von einem one-night stand zum anderen. Es gibt noch soviel zu entdecken und zu erleben, da reicht der wochenendausflug oder jahresurlaub einfach nicht aus. Wenn ich zulange an einem ort bin, da werde ich einfach viel zu nervös.

Das dies auch ganz anders geht zeigt bspw. Hank Williams mit ramblin‘ man. Auch er erzählt von dem ruf der straße und dem unsteten leben, daß ihn von einem ort zum anderen führt. Was aber ein paar Jahre später von den Beatniks über die Hippies bis hin zur modernen rock musik als die vermeintliche befreiung von den ketten des bürgerlichen lebens präsentiert wird, klingt bei Hank Williams viel gebrochener. Er spricht von schicksal, von einsamkeit, von einem getriebensein, daß auch verletzen kann. Sowohl ihn selber, aber auch den partner. Er sieht keine hoffnung auf änderung, geht aber mit dieser beschreibung meilenweit darüber hinaus, was "uns" später als “befreiung” verkauft wurde.

Und leute wie Freedy Johnston mit “He wasn’t murdered” machen dann nochmal klar, worum’s eigentlich geht: Nicht um die romantischen “hungrigen herzen” sondern das weggehen als flucht vor der beziehung, ein gewissenloses, unheroisches abhauen, mit ein paar hingeworfenen groschen für den verlassenen partner. Der vermeintlich einfache weg, sich von verantwortungen zu lösen und alle brücken abzubrechen.

6. komplizierter wird es dann, wenn es auch darum geht, wie musik gehört wird, was die hörerinnen/hörer damit anfangen:

Bsp.: Kitty Wells Da war zunächst Hank Thompson mit seinem 52er Hit “the wild side of life”. Es gab zwar einige frauen im Country geschäft vorher, aber produzenten waren der meinung, daß frauen allein beim publikum nicht ankommen würden. Selbst die frauen der Carter Family durften auf den plakaten erst nach dem mann A.P Carter genannt werden. Wie üblich zieht Hank Thompson ziemlich verächtlich über eine frau her, die ihn nicht so richtig zu schätzen weiss, worauf sie logischerweise den flittchen titel an den hals kriegt. Und dann war da plötzlich eine weibliche Stimme, die zwar etwas zurückhaltend, aber doch laut und vernehmlich davon singt, dass so mancher herzschmerz vielleicht auch auch von männern verursacht werden könnte, die abends ihr weibchen zu hause lassen wenn sie räudig um die blöcke ziehen. Hier wurde zum erstenmal ein weiblicher standpunkt artikuliert und es veränderte so einiges. Obwohl dies stück auch von einem mann geschrieben wurde, und die aussage aus heutiger perspektive ziemlich harmlos klingt und von Kitty überhaupt nicht “bös gemeint war”, machte es vielen frauen wie Loretta Lynn oder Dolly Parton mut, ihr ding in der Country musik durchzuziehen.

Kleine Anmerkung noch zum stück von Kitty Wells: zuerst versuchte es das Grand Ole Opry Management, den song zu boykottieren, weil die lyrics so unpassend seien, Roy Acuff verhinderte dies. Dann versuchte es Hank Thompsons plattenfirma selber, die Kitty Wells verklagte, weil sie die gleiche Melodie benutzt hatte. Wurde aber schnell abgewiesen, weil auch das original auf den klassiker “I’m thinking tonight of my blue eyes” zurückgeht. Bsp.: Tammy Wynette in den späten 60er jahren hatten die frauens keine lust mehr auf die weltrevolution zu warten, nach der dann alles ganz anders werden soll. Sie wollten vorher schon mal anfangen, sich nicht mehr ständig von männers verarschen lassen. Dolly Parton machte dazu passende tolle Stücke wie “dumb blond” oder “just because I’m a woman”. Tammy Wynette positionierte sich in diesem zusammenhang zur gleichen zeit als symbol gegen die frauenbewegung, mit songs wie “stand by your man”. Nix is mit veränderung, weil “after all‘ he’s just a man”.

7. der sender “radio flora”, bei dem ich alt.country/singer-songwriter sendungen machen, hat ein redaktionsstatut. Dort steht drin, dass jede sexistische, rassistisch, sozial, weltanschaulich oder anders motivierte diskriminierung von personen oder gruppen auszuschliessen ist. Das kann nicht so einfach aus den songtexten rausgelesen werden. Zudem sind dann die internen spielregeln zu berücksichtigen, die im HipHop andere sind als im country. Der Rock’nRoller hat auch seine probleme, da in den 50er Jahren die rollenvorstellungen und wie man darüber singt doch etwas andere als heutzutage sind. Einordnung hilft da, und überlegen, wie manches draussen ankommen kann.


So habe ich dann weniger probleme bei Leuten wie Will Oldham/Palace, der ab und an sehr krudes zeug loslässt, aber mit einem sehr ausgedehnten weirdness faktor.

Anderes bsp: Jim O’Rourke und seine "halfway to a threeway" ep. Das klingt alles wie Cat Stevens oder Crosby, Stills, Nash and Young. Dabei geht’s textlich um crossdressing am arbeitsplatz, um das ankokeln von babies mit zigaretten und um den nicht-konsensualen geschlechtsakt mit epileptikern im rollstuhl. Wäre in einer Marilyn Manson vertonung problematisch, hier eher musikalisch gebrochen und spielt mit Klaus Kinski / Norman Bates psychotischem Sanftmut.

Zusatz: mit “Okie from Muskogee” habe ich keine probleme. Sehe ich eher als spass von Merle Haggard. Schwieriger dann, dass es mit offenen armen von genau den leuten begrüßt wurde, die dann später in Easy Rider Peter Fonda und Dennis Hopper von der straße pusteten. Sogar der rassistische politiker George Wallace versuchte damals Merle Haggard zu gewinnen, der sich aber weigerte.

schwieriger finde ich dann sowas wie “New Riders of the Purple Sage: up against the wall redneck mother”. Klar, rednecks verarschen gut und schön, warum muss aber die mutter an die wand und nicht der redneck sohnemann oder sein vater?