Maritime Meteorologie
Die Rolle des Ozeans im Klimasystem

Die Oberfläche der Erde wird zu 71% vom Ozean eingenommen: Die Erde ist also ein Wasserplanet. Im Klimasystem kommt schon daher dem Ozean eine entscheidende Rolle zu. Im Tages- und Jahresgang der Temperaturen besitzt der Ozean eine ausgleichende Wirkung. Das Klima von Orten in Meeresnähe ist im Sommer kühler und im Winter wärmer als das von Orten derselben Breite im Landesinnern (maritimes und kontinentales Klima). In der Klimageschichte haben die Ozeane aber umgekehrt auch eine Verstärkung von Temperaturänderungen bewirkt. So wird der plötzliche Temperaturabfall und -wiederanstieg am Ende der letzten Eiszeit (in der Jüngeren Dryas-Zeit) auf drastische Veränderungen in der ozeanischen Zirkulation zurückgeführt.

Worin ist die besondere Rolle des Ozeans begründet? Physikalisch grundlegend ist der asymmetrische Aufbau des Wassermoleküls, der die Ursache für die eigenartigen Volumenänderungen des Wassers bei Änderungen der Temperatur zur Folge hat. Bei einer Abkühlung bis auf +4°C bilden die Moleküle von Süßwasser immer dichtere "Packungen", wodurch das Volumen ab- und die Dichte des Mediums Wasser zunimmt. Bei fortgesetzter Abkühlung wird nun aber die Dichte des Wassers wieder verringert. Beim Gefrieren nimmt die Dichte sogar sprunhaft um 9% ab, da die Moleküle einen Kristallgitterverband eingehen. Die Folge ist, daß bei einer Temperatur unter dem Dichte-Maximum von +4°C kälteres (Süß-)Wasser über wärmerem liegt und Eis, das erheblich leichter als Wasser ist, auf dem Wasser schwimmt.

Bei Temperaturen über dem Dichte-Maximum verhält sich Wasser allerdings "normal". In den Ozeanen der niederen und mittleren Breiten treibt daher eine wärmere Deckschicht über kälterem Tiefenwasser. Bei einer Klimaänderung reagieren Deckschicht und Tiefenwasser wie zwei verschiedene Medien auf völlig unterschiedlichen Zeitskalen. Das Oberflächenwasser steht in unmittelbarem Austausch mit der Atmosphäre und nimmt Temperaturveränderungen der Atmosphäre in zeitlicher Verzögerung auf. Bei einer Abkühlung der Atmosphäre kann es eine höhere Dichte als das Tiefenwasser erreichen und absinken und durch wärmeres Wasser von unten ersetzt werden. In diesem Fall wird das Tiefenwasser in die Klimaänderung miteinbezogen. Die beteiligten Austauschprozesse dauern in der Regel sehr lange, wodurch eine klimatische Abkühlung stark gedämpft wird. Allerdings kann eine Eis-Albedo-Rückkopplung den Abkühlungsprozeß auch beschleunigen. Dabei reflektiert eine wachsende Eisschicht zunehmend die Sonnenstrahlung, was zu einer verstärkten Abkühlung und damit zu einem weiteren Anwachsen der Eisschicht führt usw.. Eine ganz andere Rolle spielt der Ozean bei einer extern angetriebenen Erwärmung. In diesem Fall wird nur die Deckschicht einbezogen, die das Tiefenwasser vor der Temperaturveränderung abschirmt, wodurch die klimatische Veränderung viel schwächer durch den Ozean gedämpft wird.

Neben dem asymmetrischen Molekülaufbau weist Wasser noch eine weitere Besonderheit auf: Es ist ein extrem gutes Lösungsmittel. Der Salzgehalt der Weltmeere beträgt im Mittel 34,7o/oo. Durch den Salzgehalt werden nun aber die Dichteeigenschaften des Wassers deutlich verändert. Im Ozean liegt das Dichtemaximum nicht bei +4°C, sondern (theoretisch) unter dem Gefrierpunkt, der aufgrund des Salzgehaltes nicht bei 0°C, sondern bei -1,9°C liegt. Das Dichtemaximum wird also vor dem Gefrieren nicht erreicht. D.h. daß das Oberflächenwasser bei Abkühlung bis zum Gefrierpunkt ständig absinkt und durch wärmeres Tiefenwasser ersetzt wird. Diese bis zur Temperatur des Dichtemaximums ablaufende thermische Konvektion von Meerwasser bedingt, daß zur Eisbildung eine viel stärkere Wärmeabgabe an die Atmosphäre nötig ist als bei Süßwasser. Nicht nur der durch den Salzgehalt bedingte niedrige Gefrierpunkt, sondern auch die thermische Konvektion bietet also einen Schutz vor dem Gefrieren.

Ein wichtiger Klimafaktor sind außerdem die Strömungssysteme der Weltmeere, die entscheidend zum Ausgleich des Strahlungsgegensatzes zwischen höheren und niederen Breiten durch die Sonneneinstrahlung beitragen. Die Oberflächenströmungen der Meere werden durch die großen Windsysteme angetrieben. Wo sich windgetriebenes Wasser an den Küsten staut (z.B. in der Passatregion vor den Ostküsten der Kontinente), kommt es zu einer Anhebung des Meeresspiegels und zu Niveau-Ausgleichs-Strömungen. Wird durch Wind Oberflächenwasser von der Küste weggetrieben (z.B. vor der Küste Perus durch den vom SO-Passat nach Westen getriebenen Humboldt-Strom), wird es durch Auftriebswasser aus der Tiefe ersetzt.

Die direkt windgetriebenen Strömungen tragen allerdings wenig zum Energie-Ausgleich zwischen niederen und höheren Breiten bei, da sie im wesentlichen breitenparallel verlaufen: die O-W-gerichteten Äquatorialströme und die W-O verlaufenden Strömungen um die Antarktis. Nur die Niveau-Ausgleichs-Ströme reihen sich z.T. in jenes weltweite Strömungssystem ein, daß entscheidend am globalen Energieausgleich beteiligt ist: in die thermohaline Zirkulation der Weltmeere, das durch Dichteunterschiede angetriebene "große marine Förderband".