Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen; Meinungen zu dieser 'verunglückten' Kurzgeschichte sind mir stets hochwillkommen!
Der Felsentempel
von M. Bitt
"Zum allerletzten Mal, Treece, ich werde nicht umkehren. Wenn du gehen möchtest - bitte, ich werde dich nicht aufhalten."
Ceelai starrte ihre ältere Schwester entschlossen an, während sie sich auf den kleinen Felsvorsprung zog, auf dem Treece mit einem besorgten Gesichtsausdruck saß. Treece verzog das Gesicht.
"Du weißt, daß Mutter sich Sorgen macht. Sie..."
"Sie wird uns überhaupt nicht vermissen, daß weißt du genau", unterbrach Ceelai sie scharf. "Unser *Auftrag* sollte uns eine ganze Woche beschäftigen, und wir sind erst drei Tage unterwegs. Wenn du jetzt schon wieder zu Hause auftauchst, und noch dazu mit leeren Händen, machst du sie nur mißtrauisch." Ceelai legte ihre ganze Verachtung in das Wort Auftrag. Sie haßte es, Frauenarbeit zu erledigen, und Kräuter sammeln war ganz eindeutig eine Frauenarbeit. Viel lieber hätte sie ihren Vater und ihre Brüder begleitet, die mittlerweile bestimmt schon den Markt von Chim erreicht hatten.
"Ceelai! Ich hätte nie auf dich hören sollen. Es war von Anfang an nur die dumme Idee eines kleinen Mädchens."
"Ich bin kein kleines Mädchen. Du bist nur zwei Jahre älter als ich, und du hast kein Recht, dich wie meine Mutter aufzuführen."
Ceelai sah ihre Schwester an, bevor sie weiter sprach.
"Vielleicht solltest du wirklich zurückkehren."
Treece stand auf und musterte ihre jüngere Schwester streng.
"Genau das werde ich auch tun."
"Gut."
"Gut. Wie du willst."
Ceelai sah ihr nach, als sie mit dem Abstieg begann. Auf dem nächsten Felsvorsprung blieb Treece stehen und sah nach oben.
"Du hast wirklich nur Flausen im Kopf."
Ceelai streckte ihr die Zunge heraus. Treece schaffte es, genau den vorwurfsvollen Tonfall ihrer Mutter zu imitieren, der in Ceelai immer den Wunsch auslöste, das Gegenteil von dem zu tun, was von ihr erwartet wurde.
"Geh nur zurück nach Hause und sammle Kräuter. Ich werde den Felsentempel entdecken, und dann wird es dir leid tun, du wirst schon sehen!" murmelte sie mit einer Spur von Trotz und jeder Menge Überzeugung in der Stimme.
Ganz egal, was die anderen erzählten, es steckte mehr hinter der Legende des Tempels. Sie wußte es einfach. Und sie, Ceelai von Chim, würde es ihnen beweisen.
Mit einem entschlossenen Nicken stand sie auf und sah an der Felswand empor. Der Aufstieg war nicht besonders steil, und es gab genug Vorsprünge, um ihr Ziel gut erreichen zu können. Sie trat ein wenig zurück, um einen besseren Blick auf das oberste Felsband zu haben, auf dem sich die Überreste eines Steinrutsches befanden. Dort war der Eingang. Zumindest laut der Erzählungen.
Ceelai seufzte leise, als sie erneut den nagenden Zweifel in ihrem Inneren spürte. Wenn Treece recht hatte, dann würde sie mit leeren Händen zurückkehren, als eine nutzlose Träumerin. Sie starrte nach oben und faßte einen Entschluß. Sollte sie wirklich nichts finden, dann würde sie nicht mehr nach Hause gehen. Es gab viele Siedlungen auf Chim, und in einer von ihnen war ein weiteres Paar Hände zum Arbeiten sicher willkommen. Wenn sie schon den Rest ihres Lebens mit *Frauendingen* verbringen mußte, dann wenigstens nicht unter den strengen Augen ihrer Mutter.
Entschlossen schulterte sie ihre Tasche und kletterte weiter nach oben. Was versprach sie sich eigentlich von ihrem Ausflug? Selbst wenn sie den Tempel fand, würde sich ihr Leben dadurch wirklich ändern? Sicher, eine Zeit lang würde sie berühmt sein, aber danach? Dann erwartete sie ein ganz normales Leben. Ceelai schloß kurz die Augen. Schon seit einer Weile war ihr klar, daß sie nicht so leben wollte. Auf diese Weise konnte sie nichts bewirken, nichts verändern. Als sie mit ihrer Schwester darüber gesprochen hatte, bestand Treece' einzige Reaktion aus einem verächtlichen Schnauben. Offenbar hatte sie ihrer Mutter davon erzählt, denn ein paar Tage später mußte sich Ceelai eine lange, eindringliche Rede über ihre Pflichten gegenüber ihrer Heimat und der Gesellschaft anhören. Außerdem hatte sie während der nächsten Woche alle unangenehmen Pflichten übernehmen müssen. Daraufhin hatte sie ihre Ansichten für sich behalten, aber insgeheim hatte sie beschlossen, daß sie nicht so wie ihre Mutter und ihre Schwester enden würde. Sie würde etwas verändern.
Eine Weile kletterte sie weiter, bis sie schließlich auf dem Felsband unterhalb des Steinrutsches stand. Vorsichtig zog sie sich auf den Felsvorsprung und sah sich um. Weit und breit war keinerlei Hinweis auf einen Durchgang in der massiven Felswand. Enttäuschung breitete sich in ihr aus. Es mußte einen Eingang geben. Wütend kickte sie einen kleinen Stein, der in hohem Bogen den Berg hinunterfiel. Das sollte alles sein? War sie umsonst hierher gekommen, auf den Verbotenen Berg? Ceelai starrte auf die weite Grasebene, die sich unter ihr ausbreitete. Am Horizont begann die Sonne zu versinken, und der erste von Chims vier Monden wurde am tiefblauen Himmel sichtbar. Sie brauchte einen Platz, an dem sie die Nacht verbringen konnte. In der Dunkelheit konnte sie den Abstieg nicht wagen.
Ihr Blick glitt suchend über den glatten Fels, um irgendwo eine geeignete Stelle zu entdecken. Schließlich entschied sie sich für eine kleine Einbuchtung im Fels, die oben durch einen Vorsprung geschützt wurde. Sie löste die Schnur, die ihre Decke an der Tasche befestigte, und legte sie auf den Boden. Kein sehr bequemes Nachtlager, aber es würde genügen. Die Nächte waren auf Chim nie sehr kalt, und sie hatte die Decke nur mitgenommen, weil Treece darauf bestanden hatte. Sie beschloß, den Felsen am nächsten Morgen noch einmal genauer zu untersuchen und dann mit dem Abstieg zu beginnen.
Ceelai wachte überrascht auf. Irgend etwas hatte sie geweckt. Zwei volle Monde standen am Himmel und tauchten die Landschaft in ein unwirkliches Licht. Verwirrt schaute sie sich um. Ein Geräusch weckte ihre Aufmerksamkeit. Vor ihren Füßen saß ein Wühler und schaute sie aus großen schwarzen Knopfaugen an. Seine Schnurrhaare zitterten leicht, während er prüfend in ihre Richtung schnupperte. Er schien keine Angst vor ihr zu haben. Vorsichtig beugte sie sich etwas vor.
"Na, mein Kleiner, wo kommst du denn her?"
Er stellte sich auf seine Hinterbeine. Das weiße Fell an der Unterseite seines Bauches glänzte silbrig im Mondlicht. Normalerweise mieden Wühler Menschen. Sie lebten in den weiten Grasebenen und besaßen keine natürlichen Feinde. Aus irgend einem Grund ließen die großen Raubtiere sie in Ruhe. Dieser kleine Kerl lebte sicher nicht hier. Auf dem Berg konnte er keine Nahrung finden, und er sah gut genährt aus. Er sah einen Augenblick zu Ceelai auf, dann ließ er sich wieder auf alle Viere sinken und rannte fort.
Ceelai sprang auf.
"Warte! Ich tue dir doch nichts."
Sie verfolgte den Wühler. Er kletterte flink über den Felsrutsch und verschwand in einer kleinen Lücke. Aufgeregt untersuchte Ceelai die Steine. Vielleicht befand sich nur ein Wühlerbau dahinter, aber vielleicht auch mehr. Vorsichtig nahm sie einige kleinere Steine und legte sie zur Seite. Zunächst entdeckte sie nichts, doch dann begann ihr Herz schneller zu schlagen. Licht. Durch eine kleine Spalte zwischen den Felsbrocken drang Licht nach draußen. Aber das war doch unmöglich.
Ceelai arbeitete schneller. Sie warf die kleineren Steine zur Seite und schleppte die größeren Brocken mit einem verbissenen Gesichtsausdruck neben den Steinhaufen. Nach einer Stunde, die ihr wie eine Ewigkeit erschien, hatte sie es endlich geschafft. Zwischen den Felsen befand sich eine Lücke, gerade groß genug für Ceelai, um sich hindurchzuzwängen. Ihr Herz raste, nicht nur wegen der Anstrengung, sondern vor allem wegen der Aufregung, die sie empfand. Sie streckte den Kopf in die Öffnung und sah eine Art Gang, der von einer fernen Lichtquelle erhellt wurde. Einige Meter von Ceelai entfernt saß der Wühler und beobachtete sie. Hin und wieder stieß er ein leises Quietschen aus, das fast wie eine Aufmunterung klang, zumindest in Ceelais Ohren. Sie begann, sich durch das Loch zu zwängen. Einen Moment lang schien sie festzuhängen, doch nach einem energischen Ruck kam sie frei und stolperte in das Innere des Berges. Der Wühler kommentierte ihre Aktivitäten mit einem zufriedenen Zirpen, dann drehte er sich um und verschwand hinter einer Biegung des Tunnels.
Ceelai kehrte zum Eingang zurück und zog ihren Rucksack hindurch. Einen Moment lang sah sie unsicher in die mondhelle Nacht. Was erwartete sie hier? Die Legenden über den Felsentempel waren mehr als vage, aber in einem Punkt ließen sie keinen Zweifel entstehen: Es war gefährlich, sich dorthin zu begeben, und deshalb hatten die Ältesten von Chim schon vor langer Zeit beschlossen, den Berg zu verbotenem Territorium zu erklären. Allerdings gab es keine Erklärung, warum dort Gefahr drohte. Ceelai überlegte. Sicher, sie konnte jetzt umkehren, aber alles, was sie dann sagen konnte, war, daß sie den Felsentempel beinahe gefunden hatte. Nein, jetzt gab es kein Zurück mehr. Wenn sie jetzt aufgab, würde sie sich deswegen immer Vorwürfe machen.
Sie wandte sich von dem schmalen Durchlaß im Fels ab und ging ein paar Schritte in die Richtung, in die der Wühler verschwunden war. Ihr Blick glitt über die Wände des Tunnels. Selbst in diesem Halbdunkel fiel ihr auf, daß der Fels merkwürdig glatt wirkte, irgendwie unnatürlich.
Ceelai hob eine Hand und berührte den Fels. Unmittelbar darauf zuckte sie zurück, als ein vertrautes Gefühl sie erfüllte. Bilder formten sich vor ihrem inneren Auge, Bilder aus ihren Träumen, die stets von ganz bestimmten Emotionen begleitet wurden. Seit Wochen beherrschte der Berg ihre Träume. Immer wieder hatte sie undeutliche Szenen gesehen, begleitet von einem quälenden Gefühl der Vertrautheit. Hinzu kam ein undeutliches Sehnen und der Eindruck von einer drohenden Gefahr. Nach dem Aufwachen waren die Erinnerungen an ihre Träume stets verblaßt, aber das Gefühl, auf irgendeine Weise mit dem Berg verbunden zu sein, war geblieben und hatte sie schließlich veranlaßt, hierher zu kommen.
Ein leises Zirpen riß Ceelai aus ihren Gedanken. Der Wühler hockte vor ihr und sah sie mit schiefgelegtem Kopf fragend an. Ceelai mußte unwillkürlich lachen.
"Du bist wirklich ein ungeduldiger kleiner Kerl, weißt du das?"
Der Kleine nickte mit dem Kopf, was Ceelai zu einem weiteren Lachen veranlaßte. Offensichtlich gefiel dem Wühler der Klang ihrer Stimme, und er fügte ihm sein eigenes Quietschen hinzu.
"Du erinnerst mich an meinen Onkel Komo. Er bringt mich auch immer zum Lachen. Wenn du nichts dagegen hast, werde ich dich auch so nennen. Na, was meinst du?"
Der Wühler stellte sich auf die Hinterbeine, die kleinen Ohren aufmerksam nach vorn gerichtet. Ceelai wertete das als Zustimmung.
"Fein, das wäre also abgemacht. Ich bin übrigens Ceelai. Wie wär's, wenn du mich ein bißchen in deinem Heim herumführst?"
Komo schien jedes ihrer Worte genau zu verstehen. Er drehte sich um und lief ein paar Schritte voraus, dann sah er sich nach Ceelai um.
"Keine Sorge, ich bin direkt hinter dir", sagte sie.
Die Anwesenheit des Wühlers beruhigte sie. Bestimmt würde er sich nicht hierher wagen, wenn irgendeine Gefahr drohte. Sie folgte Komo durch den Tunnel. Es wurde immer heller, je weiter sie gingen. Erste Zweifel regten sich in Ceelai. Die Lichtquelle konnte nicht natürlich sein, aber was erhellte das Innere des Berges? Ceelai war sich plötzlich gar nicht mehr so sicher, daß sie das herausfinden wollte.
Komo führte sie zu einer weiteren Biegung, quietschte aufgeregt und rannte davon.
"He, warte doch auf mich!"
Ceelai überlegte nicht lange und folgte dem Wühler. Hinter der Biegung weitete sich der Tunnel und ging in eine riesige Höhle über. Wie angewurzelt blieb Ceelai stehen, während sie versuchte, alle Einzelheiten auf einmal in sich aufzunehmen.
Die Decke erstreckte sich weit über ihr. Ein Stück unterhalb der Wölbung hing eine blendend helle Lichtkugel, fast wie eine winzige Sonne, die mühelos jeden Winkel der Höhle erhellte. Ceelais Mund stand offen vor Staunen. Langsam stolperte sie vorwärts, sah sich dabei überall um. Die Höhle war größer als alles, was sie je gesehen hatte. An den Wänden schlängelten sich Felsbänder wie natürliche Treppen nach oben, führten zu Dutzenden von Öffnungen in verschiedenen Höhen. Aber was ihre Aufmerksamkeit bannte, war etwas, das sich etwa in der Mitte der Höhle befand. Zuerst hatte sie es für einen kleinen Teich gehalten, aber als sie näher kam, erkannte Ceelai, daß es sich um eine unregelmäßige Öffnung im Boden handelte, die von einem durchsichtigen Material bedeckt wurde.
Ceelai kniete nieder, berührte vorsichtig die transparente Fläche. Sie fühlte sich kühl und glatt an, fast wie Glas. Zuerst zaghaft, dann etwas fester, klopfte sie darauf. Das Material war eindeutig härter als Glas. Um was mochte es sich handeln? Wer hatte es geschaffen? Niemand auf Chim konnte so etwas herstellen, und es war mit Sicherheit nicht natürlich.
Ceelai neigte den Kopf, bis sie durch den künstlichen Boden hindurch sehen konnte. Bisher hatte sie nur eine Reflexion der Lichtquelle gesehen. Ein überraschter Schrei entrang sich ihrer Kehle. Unter dieser Höhle befand sich eine weitere, um ein Vielfaches größere Höhle. Ein See schien sich darin zu befinden, denn Ceelai konnte sehen, wie sich das Licht aus der oberen Höhle auf dem Wasser spiegelte. Fasziniert beugte sie sich weiter vor, um besser sehen zu können. Eine plötzliche Bewegung unter der Wasseroberfläche ließ sie wieder zurückschrecken.
Eine ganze Weile saß Ceelai benommen auf dem Boden. Die Legende war also wahr. Der Felsentempel existierte, und sie hatte ihn gefunden. Sie versuchte, sich daran zu erinnern, was man alles über diesen Ort erzählte. Früher einmal, vor sehr langer Zeit, hatten die Hüter hier gelebt und über Chim gewacht. Doch dann war ein großes Unglück passiert, und danach waren die Hüter verschwunden. Ceelai runzelte die Stirn. Was für ein Unglück war passiert, und wohin waren die Hüter verschwunden? Warum hatten sie Chim und den Tempel verlassen? Und wieso war der Felsentempel in Vergessenheit geraten? Wozu diente er überhaupt?
Ceelai war so sehr in ihre Überlegungen versunken, daß sie das leise Geräusch in der Höhle zunächst gar nicht bewußt wahrnahm. Erst als es etwas lauter wurde, sah sie auf und entdeckte Komo, der nur wenige Meter entfernt von ihr auf dem Boden saß und vor sich hin schnatterte.
"Oh, du bist's. Wo bist du denn gewesen? Du hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Ein schönes Zuhause hast du dir hier ausgesucht, Komo."
Der kleine Kerl sah sie aufmerksam an. Seine Schnurrhaare zitterten leicht, und er wandte immer wieder den Kopf.
"Was ist denn los? Stimmt irgendwas nicht?"
Sie seufzte.
"Wirklich schade, daß du mir nicht antworten kannst. Ich..."
Ceelais Stimme erstarb, als sie den Grund für Komos Aufregung erkannte. Entsetzt sprang sie auf und wich zurück. Zwei Funken lösten sich aus der Lichtkugel unter der Decke und kamen auf sie zu. Ceelai wollte wegrennen, aber die Angst lähmte sie. Die beiden Funken wurden größer, veränderten ihre Gestalt, bis Ceelai schließlich zwei menschenähnliche Wesen erkennen konnte, die über der Öffnung im Boden zu schweben schienen.
Geister, fuhr es ihr durch den Kopf. Die Hüter sind hier, um mich dafür zu bestrafen, daß ich ihren Tempel entweiht habe. Vor Entsetzen noch immer gelähmt, begann sie zu zittern. Eine innere Stimme sagte ihr, daß es keine Geister gab, daß sie nichts zu befürchten hatte. Sie... Ceelai blinzelte. Es war nicht ihre innere Stimme, die zu ihr gesprochen hatte. Sie hatte die Worte gehört, eine der beiden Gestalten mußte etwas zu ihr gesagt haben.
"Du mußt keine Angst vor uns haben, Ceelai. Wir wollen dir nichts tun. Wir sind sogar froh, daß du hier bist. Hab keine Angst."
Ceelai sah überrascht auf. Die Stimme klang nicht wütend oder drohend, vielmehr freundlich und beruhigend. Sie gehörte der kleineren der beiden Gestalten, deren Konturen jetzt deutlicher wirkten als noch vor wenigen Augenblicken. Die beiden Wesen machten keine Anstalten, näher zu kommen. Ceelai entspannte sich ein wenig und begann, die Geschöpfe eingehender zu betrachten. Auf den ersten Blick unterschieden sie sich nur dadurch von Menschen, daß ihre Körper durchscheinend waren, was ihnen ein unwirkliches Aussehen verlieh. Es handelte sich um eine Frau und einen Mann, beide ungewöhnlich groß. Die Frau wirkte feingliedrig, fast zerbrechlich, und sehr elegant. Ein freundliches Lächeln umspielte ihre Lippen. Der Mann war etwas größer als sie und schien ziemlich stark zu sein. Sein Gesichtsausdruck war ernst, aber nicht unfreundlich. Beide hatten ungewöhnlich helle Haut, anders als die Bewohner von Chim. Ceelai strich unwillkürlich durch ihre kurzen dunklen Locken, als sie das lange Haar der beiden Wesen bemerkte. Ihre Mutter hatte ihr verboten, ihre Haare wachsen zu lassen, da das auf einem Planeten mit zwei Sonnen eine unnötige Belastung bedeutete, besonders in den langen, heißen Sommern.
Die Frau warf ihrem Begleiter einen amüsierten Blick zu, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder Ceelai zuwandte.
"Ich bin Norva, und das", sie deutete auf ihren Gefährten, "ist Kerr. Es tut uns leid, das wir dich so erschreckt haben, aber der letzte Besuch ist schon eine ganze Weile her. Weißt du, warum du hier bist?"
Ceelai öffnete den Mund, schloß ihn wieder, schluckte und begann noch einmal.
"Ich... ich... hatte Träume. Von diesem Ort. Es war, als müßte ich herkommen. Ich..." Sie brach verwirrt ab.
Norva drehte sich mit einem triumphierenden Blick zu Kerr um.
"Siehst du, ich habe dir doch gesagt, daß es funktionieren würde."
Kerr hob skeptisch die Brauen.
"Ja, das hat es. Aber glaubst du wirklich, daß dieses Mädchen geeignet ist? Sie ist ja kaum erwachsen."
Seine Stimme war um einiges tiefer als die Norvas und hallte laut in der Höhle wider. Ceelai zuckte erschrocken zusammen und schalt sich innerlich für ihre Reaktion.
"Sie ist die einzige, die auf unseren Ruf geantwortet hat. Also müssen wir davon ausgehen, daß sie geeignet ist. Außerdem waren wir auch nicht viel älter als sie, als wir unserem Ruf gefolgt sind."
Norva sah wieder zu Ceelai, die dem Gespräch aufmerksam folgte, obwohl sie keine Ahnung hatte, worum es eigentlich ging. Irgendwie schien sie selbst eine Rolle in dieser Diskussion zu spielen, und Norva verteidigte sie gegen Kerrs Bedenken.
"Du mußt ihn entschuldigen, die lange Einsamkeit hat ihn etwas mürrisch werden lassen. Aber er wird sich schon an deine Gesellschaft gewöhnen."
Sie machte eine Pause, während der sie Ceelai eingehend musterte.
"Bestimmt hast du eine Menge Fragen."
Ceelai nickte wortlos. Die jüngsten Ereignisse hatten ihr die Sprache verschlagen.
"Weißt du, du solltest uns schon sagen, was du wissen willst..." Kerr sah sie an, und Ceelai glaubte so etwas wie ein amüsiertes Funkeln in seinen Augen zu erkennen. "Keine Angst, ich beiße nicht. Allein schon, um Norva hier nicht zu verärgern."
Er warf seiner Begleiterin einen undeutbaren Blick zu, den sie mit einem Lächeln erwiderte.
"Es gibt eine Menge zu erklären. Am besten, du gehst in die Kontrollzentrale. Dazu folgst du einfach der Treppe dort drüben und betrittst den Raum in halber Höhe dieser Höhle. Wir werden dich dort erwarten."
Norva deutete auf einen der vielen Eingänge, die von dem Felsband fortführten, lächelte Ceelai aufmunternd zu und... verblaßte, ebenso wie Kerr. Ceelai trat erschrocken einen Schritt zurück. Was waren das für Wesen, die einfach auftauchten und verschwanden wie - Geister, dachte Ceelai unbehaglich. Dann schüttelte sie entschieden den Kopf. Was immer Norva und Kerr auch sein mochten, sie waren bestimmt keine Geister. Geister existierten nicht. Für ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten gab es bestimmt eine vernünftige Erklärung.
Ceelai beeilte sich, den von Norva beschriebenen Raum zu erreichen. Längst hatte die Neugier den Sieg über ihre Angst errungen, außerdem schien von den Beiden keine Gefahr auszugehen. Vor dem Eingang blieb Ceelai kurz stehen und genoß den Blick über die Höhle. Von hier oben wirkte sie sogar noch etwas größer. Nach einem letzten Blick zur Decke betrat sie den Gang, der von dem Felsband weiter in das Innere des Berges führte. Auch dieser Gang war nur schwach erhellt, aber er war kürzer als der Tunnel, der sie in die große Höhle geführt hatte. Er mündete in eine Felskammer, die zwar kleiner als die Haupthöhle, dafür aber um so faszinierender war.
Norva und Kerr befanden sich tatsächlich bereits dort, aber Ceelai nahm sie nur flüchtig wahr. Viel zu aufregend waren all die Dinge, die ihre Aufmerksamkeit hier in Anspruch nahmen. Zuerst bemerkte sie etwas, das wie ein riesiger, dunkler Spiegel wirkte, der die Wand gegenüber des Eingangs dominierte. An den Wänden zu beiden Seiten des Eingangs standen große Schränke, die aus Metall zu bestehen schienen. Ceelai hob die Hand, um einen von ihnen zu berühren, überlegte es sich dann aber anders. Staunend wandte sie sich an Norva.
"Was ist das alles?"
Kerr sah sie aus zusammengekniffenen Augen an.
"Willst du sagen, daß du nichts hiervon kennst?"
Die Antwort in Ceelais verwundertem Gesicht war so offensichtlich, daß Kerr verächtlich den Atem ausstieß.
"Sie haben alles vergessen, Norva. Keine Computer, keine Maschinen, nichts. Sie besitzen keinerlei Technologie mehr."
Sein Tonfall war so niedergeschlagen, daß Ceelai ihn schuldbewußt ansah, aber Norva schüttelte nur leicht den Kopf.
"Es war eine sehr lange Zeit, Kerr", sagte sie sanft. "Chim hat ohne die Hilfe seiner Hüter überlebt, das ist alles, was zählt."
"Wir werden Jahre brauchen, um sie auszubilden. Aber wir haben keine Jahre mehr. Bestenfalls ein paar Monate. Wir haben versagt."
"Nein! Wir geben nicht auf, hörst du? Chim braucht uns, die Menschen brauchen uns, wir dürfen sie nicht im Stich lassen. Bestimmt finden wir eine Möglichkeit. Das ist uns bis jetzt immer gelungen."
Kerr sah sie lange an, dann erschien die Andeutung eines Lächelns auf seinem Gesicht.
"Noch immer die ewige Optimistin, was, Norva? Aber ich bin bereit, dir ein weiteres Mal zu vertrauen. Vielleicht hast du recht, und wenn nicht, dann haben wir es wenigstens versucht. Laß uns beginnen."
Norva berührte ihn kurz am Arm, dann wandte sie sich mit einem Lächeln an Ceelai.
"Was möchtest du wissen?"
Die Antwort auf diese Frage fiel Ceelai leicht.
"Wer seid ihr?" wollte sie wissen.
"Eine gute Frage, wirklich, eine gute Frage" meinte Kerr mit einem leichten Grinsen. "Norva und ich, wir sind die letzten Hüter von Chim. Die einzigen, seit vielen, vielen Jahren. Seit mehr als viertausend Jahren, um genau zu sein."
"Seit viertausend Jahren? Aber das ist unmöglich. Ihr müßtet längst tot sein..." Ceelai starrte die beiden Hüter ungläubig an.
"Das sind wir auch, in gewisser Weise. Unsere Körper haben schon vor langer Zeit aufgehört, lebendig zu sein. Was du hier siehst, ist gewissermaßen nur ein Abbild unseres Bewußtseins, unserer Seele, wenn du so willst." Norva seufzte leise und sah kurz zu Kerr. "Es ist schwer zu erklären. Für den Augenblick muß es dir genügen, zu wissen, daß wir hier sind, um zu helfen. Um Chim zu beschützen."
Kerr kam etwas näher zu Ceelai.
"Können wir irgend etwas tun, um dir zu beweisen, daß du uns vertrauen kannst?"
Ceelai überlegte einen Augenblick.
"Ich weiß nicht... Wir wissen nicht sehr viel über die Hüter. In den Legenden heißt es, daß die Hüter besondere Fähigkeiten besitzen, um Chim vor allen Gefahren beschützen zu können. Wenn ihr mir vielleicht etwas zeigen könntet, das nur ein Hüter tun kann..."
"Nur ein Hüter, hm? Ich dachte, ihr wißt nicht viel über die Hüter. Woher willst du also wissen, wozu nur ein Hüter in der Lage ist?" brummte Kerr.
"Das weiß ich nicht. Aber ich bin bereit euch zu glauben, wenn ihr etwas tut, wozu ein Mensch von Chim nicht in der Lage ist - ich meine abgesehen davon, sich in Luft aufzulösen und woanders wieder zu erscheinen", erklärte Ceelai bestimmt.
"Na ja, wenigstens weiß sie, was sie will", gab Kerr zu und sah zu Norva, die zufrieden lächelte. "Aber das heißt noch lange nicht, daß du recht hast, Norva."
"Wie du meinst, mein Freund. Nun, was wollen wir ihr zeigen?"
Kerr überlegte eine Weile, dann wandte er sich Ceelai zu.
"Wäre ein Mensch von Chim in der Lage, dir diesen Planeten, deine Heimat, vom Himmel aus zu zeigen?"
"Von dort, wo die Sterne sind?" fragte sie ungläubig.
"Ja, von dort."
Ceelai schüttelte den Kopf.
"Nein."
"Also gut. Fangen wir vorsichtig an. Wir wollen dich ja schließlich nicht erschrecken."
Er schloß die Augen. Aus den Augenwinkeln bemerkte Ceelai, daß Norva ihrem Gefährten einen stolzen Blick zuwarf. Gleich darauf wurde Ceelai von einem Geräusch abgelenkt. Ein tiefes Summen erfüllte den Raum, schien seinen Ursprung irgendwo in den Tiefen des Berges zu haben. Sie sah sich aufmerksam um. Das, was sie bisher für einen großen, dunklen Spiegel gehalten hatte, erwachte nun zu gespenstischem Leben. Zunächst flimmerte die Oberfläche, schien für einen Augenblick einen noch dunkleren Farbton anzunehmen, um dann lange Zahlenreihen zu zeigen, die mit hoher Geschwindigkeit an ihrem Blick vorbeizogen. Verwundert sah sie zu Kerr, dessen Gesicht einen Ausdruck höchster Konzentration angenommen hatte.
Was Ceelai bisher gesehen hatte, genügte bereits, um sie davon zu überzeugen, daß Norva und Kerr wirklich Hüter waren. Sie kannte niemanden sonst, der so etwas tun konnte. Kerrs Stimme riß sie aus ihren Gedanken.
"Na also", sagte er triumphierend. "Ein paar der Satelliten arbeiten immer noch. Ich wußte doch, daß es eine gute Idee war, das Wartungsprogramm mit einer autonomen Stromversorgung auszustatten. Mal sehen, ob ich einen finde, der noch gute Bilder liefert..."
Der Hüter wirkte sehr zufrieden, und auch Norva freute sich offensichtlich. Ceelai begriff zwar nicht, worum es ging, aber es schien etwas Gutes zu sein.
"Meine Güte, es gibt wirklich eine Menge zu reparieren. Hoffentlich erhalten wir irgendwann die Gelegenheit dazu. So, der hier sieht vielversprechend aus."
Kerr öffnete die Augen wieder und sah zur Wand mit dem Spiegel.
"Ceelai, gleich wirst du auf dem Monitor deine Heimat betrachten können. Du bist seit vielen Jahren der erste Mensch, der Chim wieder von den Sternen aus sehen kann."
"Monitor?"
Für einen Moment wirkte Kerr fast ebenso verwirrt wie sie, doch dann lachte er leise. Ceelai fühlte sich an fernes Gewittergrollen erinnert.
"Ach ja, das habe ich beinahe vergessen. Der Monitor ist diese Scheibe dort an der Wand. Er ist eine Art Fenster, der dir fast alles zeigen kann, was du sehen willst."
Ceelai nickte und folgte Kerrs Anweisung. Als hätte der Monitor nur auf ihre Aufmerksamkeit gewartet, zeigte er nun ein wildes Flackern, das sich allmählich zu einem deutlichen Bild verdichtete. Anfangs glaubte Ceelai, in den Sternenhimmel zu starren, doch dann rückte etwas Neues ins Bild.
Ihr Atem stockte. Vor ihr drehte sich eine riesige Kugel, schimmerte in den schönsten Grün- und Blautönen. Hier und dort sah sie auch bräunliche Schlieren , die sie sofort an Chims weite Steppen denken ließen. War das wirklich Chim? Der Planet, auf dem sie lebte, auf dem sie in diesem Augenblick stand, und auf den sie gleichzeitig herabblickte? Sie holte tief Atem, als sie sah, wie sich eine der Sonnen hinter dem Rand Chims hervorschob und den Planeten in goldenes Licht tauchte.
"Das ist... wunderschön", flüsterte sie, noch immer von dem Anblick gefangen.
"Ja, nicht wahr? Ich habe es schon so oft gesehen, und doch fesselt es mich immer wieder", sagte Norva leise.
Ceelai sah noch lange zu, wie Chim sich in der Schwärze des Alls drehte. Schließlich drehte sie sich zu Norva und Kerr um.
"Danke, daß ihr mir das gezeigt habt. Ich weiß, daß ihr wirklich Hüter seid."
Plötzlich erinnerte sie sich an etwas, das Norva zu Kerr gesagt hatte. Sie ist die einzige, die auf unseren Ruf geantwortet hat. Was hatte das zu bedeuten?
"Ihr habt mich hierher gerufen? Ihr habt mir die Träume geschickt, nicht wahr?"
Norvas Gesichtsausdruck veränderte sich, war nun ernst und besorgt.
"Ja, das stimmt, Ceelai. Wir brauchen deine Hilfe."
Die Hüter brauchten ihre Hilfe? Was konnte sie schon tun, wozu die mächtigen Hüter nicht selbst in der Lage waren?
Kerr schien ihre Gedanken zu erraten.
"Hör zu, Ceelai. Wir sind nicht mehr, was wir früher einmal waren. Die vielen Jahre sind nicht spurlos an uns vorübergegangen. Unsere Macht ist bei weitem nicht mehr so groß wie früher. Wir wünschten, wir müßten dich nicht in diese Sache hereinziehen, aber wir haben keine Zeit mehr, und deshalb bleibt uns keine andere Wahl."
Unruhe erfüllte Ceelai, und eine unbestimmte Angst stieg in ihr auf. Aber da war auch noch etwas anderes. Sie war entschlossen, Norva und Kerr zu helfen. Die Hüter schützten Chim, und Ceelai empfand es als ihre Pflicht, ihnen dabei zu helfen. Schließlich war Chim ihre Heimat. Plötzlich schien es ihr, als sei ihr bisheriges Leben nur ein Traum gewesen, aus dem sie nun erwachte. Endlich gab es etwas, das ihrer Zukunft einen Sinn gab, das ihr Leben mit Sinn erfüllte.
"Was soll ich tun?"
Norva holte tief Luft und runzelte die Stirn.
"Du bist noch so jung, und du weißt nicht, was dich erwartet. Es wird gefährlich werden. Du wirst Dinge sehen und erleben, die schrecklicher sind, als alles, was du bisher erlebt hast. Du wirst dich verändern, und du wirst nie wieder so sein, wie du jetzt bist. Noch kannst du gehen."
Ceelai dachte über Norvas Worte nach.
"Du hast gesagt, daß niemand sonst auf euren Ruf reagiert hat. Wer sonst sollte euch also helfen? Ich weiß, ich bin noch nicht erwachsen, aber ich bin bereit zu lernen. Und wenn ich weiß, daß ihr mich beschützt, werde ich euch gerne helfen."
Kerr sah sie an und lächelte.
"Wir werden bei dir bleiben und dich beschützen, solange wir dazu in der Lage sind, das verspreche ich dir. Doch trotzdem erfordert deine Entscheidung viel Mut. Die Zukunft, die vor Chim liegt, ist dunkel und gefährlich. Es gibt Dinge, vor denen wir dich nicht beschützen können. Du mußt also lernen, dich selbst zu schützen."
"Wie?"
"Normalerweise erfordert unsere Ausbildung viel Zeit, doch wir haben keine Zeit. Aber es gibt noch einen anderen Weg. Dieser Weg ist nicht ungefährlich, und er wird dich verändern."
"Ich bin bereit."
Ceelai staunte selbst darüber, wie ruhig ihre Stimme klang. Plötzlich wünschte sie sich, Treece könnte sie nun sehen.
"Was ist mit meiner Familie?"
Norva schüttelte den Kopf.
"Du kannst jetzt nicht zurückkehren. Es tut mir leid."
"Werde ich sie irgendwann wiedersehen?"
"Möglicherweise. Aber vielleicht werden sie dich dann nicht wiedererkennen", sagte Kerr leise, und seine Stimme klang ungewöhnlich sanft.
"Ich... verstehe", brachte Ceelai hervor. Ihr Herz krampfte sich beim Gedanken an ihre Familie zusammen. Sie schüttelte den Kopf, versuchte den Gedanken von sich zu schieben.
"Komm mit uns", forderte Norva sie leise auf. Ceelai nickte und folgte den Hütern aus dem Raum.
"Was ist das?"
Ceelais Neugier hatte wieder die Oberhand gewonnen. Die Hüter hatten sie zurück in die große Höhle geführt, und sie dann in einen relativ kleinen Raum gebracht, der außer einer großen, horizontalen Metallröhre nichts enthielt.
"Es ist ein Interface. Ich weiß, das sagt dir nicht viel. Wie erkläre ich es dir am besten?" Für einen Moment wirkte Kerr ratlos, dann zuckte er mit den Schultern. "Laß es mich so ausdrücken: Es ist eine Verbindung zwischen zwei verschiedenen Welten, deiner Welt und der Welt, aus der wir kommen. Mehr kann ich dir nicht sagen, es würde zuviel Zeit kosten. Du wirst bald alles besser verstehen. Vertraust du uns?"
Die unmittelbare Frage überraschte Ceelai ein wenig, dennoch nickte sie. Sie vertraute den Beiden tatsächlich. Die Hüter hatten die Menschen von Chim immer beschützt.
"Ja, ich vertraue euch."
Norva sah zur Decke. Eine Öffnung tat sich auf, und Licht flutete herein. Gleichzeitig schwang die obere Hälfte der Röhre zur Seite. Ceelai sah sich das Innere neugierig an. Es erinnerte sie an ein Bett, wirkte allerdings nicht sehr gemütlich. Sie schluckte.
"Soll ich... mich da rein legen?"
Kerr lächelte angesichts ihres Widerwillens.
"Ich fürchte schon. Das heißt, wenn du uns immer noch helfen möchtest."
"Natürlich möchte ich das", erwiderte Ceelai sofort. Trotzdem stellte sie erleichtert fest, daß die Hüter ihr die Gelegenheit gaben, ihr Angebot zurückzunehmen.
"Dann wird es jetzt Zeit. Du wirst eine Weile dort drin bleiben, aber keine Sorge, wir passen auf dich auf."
Norva lächelte beruhigend. Ceelai nickte und sah kurz zu Kerr, bevor sie sich hinlegte.
"Auf Wiedersehen, tapfere Ceelai. Wir werden hier sein, wenn du bereit bist."
Der Deckel begann sich langsam zu schließen, und Ceelai kämpfte einen Moment lang gegen aufkeimende Panik. Doch dann gewann ihr Vertrauen zu den beiden Hütern die Oberhand, und sie entspannte sich wieder. Während es um sie herum dunkel wurde, begann Ceelai ein inneres Licht wahrzunehmen, das sie nie wieder verlassen würde.
...
© 2001 Miss Bit