Der Waffenstillstand

Jarod schüttelte staunend den Kopf und versuchte, sein wild klopfendes Herz zu ignorieren. Sie war schön; für ihn war sie immer schön, aber heute war sie einfach atemberaubend. Ihr elegantes schwarzes Abendkleid und ihre hochgesteckten Haare verliehen ihr eine einzigartige Schönheit.

Es überraschte ihn noch immer, daß sie seinen Vorschlag akzeptiert hatte, aber er fragte nicht nach ihren Gründen - zumindest noch nicht. Im Moment genoß er einfach ihr Vertrauen.

Er beobachtete sie weiter, während er sich an ihren Bewegungen erfreute. Gleichzeitig bezähmte er seine Ungeduld, denn er mußte warten, bis ihr Bruder endlich ihr Haus verließ.

***

"Ich verstehe nicht, warum du den Abend nicht mit deiner Familie verbringen willst", sagte Lyle und runzelte mißbilligend die Stirn. Miss Parker erwiderte seinen Blick und unterdrückte ein Lächeln.

"Ich habe schon so viele Weihnachtsfeste allein verbracht, daß ein weiteres für mich auch nicht mehr zählt."

"Gerade deshalb solltest du die Gelegenheit doch nutzen."

Sie schüttelte den Kopf.

"Nein. Außerdem bin ich verabredet."

"Dad wird das nicht gefallen."

"Er wird's überleben."

Wie oft hatte ihr Vater sie in den letzten Jahren versetzt? Viel zu oft, dachte sie. Aber dieses Jahr machte es ihr nichts aus. Dieses Jahr war sie von einer Vorfreude erfüllte, die sie schon lange nicht mehr verspürt hatte, und das konnte ihr niemand nehmen, nicht einmal Lyle oder ihr Vater.

Wie aufs Stichwort klingelte ihr Handy. Der Anrufer war ihr Vater, was sie nicht besonders überraschte.

"Prinzessin?"

"Hallo, Daddy."

Über Lyles Gesicht huschte ein Ausdruck flüchtigen Interesses. Außerdem bemerkte sie den Blick, mit dem er sie musterte. Sie mußte in nächster Zukunft wirklich mal mit ihm über sein... Wohlwollen ihr gegenüber sprechen - allerdings nicht heute.

"Es tut mir leid, aber ich werde es heute abend wohl nicht schaffen."

Das Übliche also, genau wie jedes Jahr. Nur, daß dieses Jahr der Schmerz nicht so unerträglich war wie sonst.

"Ist schon gut, Daddy. Wir werden das irgendwann nachholen. Fröhliche Weihnachten."

"Das wünsche ich dir auch, Kleines."

Miss Parker beendete das Gespräch und legte das Telefon zur Seite. Lyle sah sie fragend an.

"Daddy ist... verhindert. Hör mal, ich will dich nicht rauswerfen, aber ich muß jetzt gehen."

Er hob die Brauen. "Sonst kommst du zu spät zu deiner Verabredung?"

"Du hast es erfaßt."

"Nun, das wollen wir natürlich nicht. Ich wünsche dir viel Spaß - aber verausgabe dich nicht zu sehr, schließlich ist Jarod noch immer nicht gefaßt."

"Deine Sorge ist wirklich rührend." Sie verzog kurz das Gesicht, dann ging sie zur Tür. "Mach's gut, Lyle."

"Wie du meinst. Wir sehen uns morgen im Centre."

Als sie die Tür hinter ihm geschlossen hatte, seufzte sie leise. Langsam ging ihr Lyle wirklich auf die Nerven.

Miss Parker ging zur Couch und setzte sich. Ihre Gedanken schweiften zu dem Gespräch, das sie letzte Woche mit Jarod geführt hatte.

...

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