zurück

Hinweis Nr. 6 - Gefahren

von Michael Winkler
gesendet am 24. Juli 2002

 

Die letzte e-mail schien einigen wohl etwas „zu gewagt“ gewesen zu sein. Bei manchen trat eine interessante psychologische Reaktion ein. Nämlich die, dass Menschen bei der Konfrontation mit für sie unverständlichen oder beängstigenden Situationen zu übertriebenen oder ebenso unverständlichen Gegenreaktionen (O-Ton: „...also ich finde es auch bissl nervig, dass da ständig paranoia-mails von dir kommen ;) aber ist schon in ordnung, ich war ja vor 2 jahren auch mal auf dem trip ...“) neigen. Bei Tieren nennt man das wohl auch „Übersprungsreaktion“. Aber um ehrlich zu sein, eigentlich hatte ich ziemlichen Spass mit dieser e-mail.

Und ich möchte auch in der nunmehr 6. e-mail wiederholen, dass es hier NICHT darum geht, jemanden zu bekehren oder zu konvertieren. Sinn des Ganzen ist ausschließlich, dass die, die es wollen, zum Nachdenken angeregt werden. Jeder nimmt sich seinen Teil raus, den Rest kann er wieder vergessen. Wie im richtigen Leben!

Apropo „Richtiges Leben“! Ich frage ich mich ab und zu, wie wir uns Krimis, Thriller, Horror-, Science-Fiction- und Agentenfilme etc. reinziehen können, aber in der Realität darauf hoffen, dass „schlichte Geld- und Machtgier“, „der Wille, über Leichen gehen zu können“, „extreme Kaltblütigkeit“, etc. nur Hirngespinste sind.

Man möge mir den folgenden „kühnen Vorstoss“ im voraus verzeihen – jedoch: liest jeder, was er lesen will:
Befinden wir uns nicht in einer (gehirn-)degenerierten Welt, wenn wir uns Dinge nur noch im Fernsehen vorstellen können, nicht jedoch in der Realität. Ich bin nicht der erste, der so etwas sagt und ich werde nicht der letzte sein, aber es scheint mir, dass man das ab und zu (eigentlich jeden Tag
J) mancherorts wiederholen sollte.

Warum wundern wir uns, dass uns die Realität ständig wieder einholt, wenn wir ihr immer wieder auf’s Neue entfliehen wollen?

Doch zurück zur Sache:
Dass die momentane weltpolitische Situation viele Gefahren verbirgt, dürfte nahezu offensichtlich sein.
Die größte ist wohl die permanente Installierung eines Feindbildes „Islam“. Ich weiß, nicht inwieweit, die „Jagd“ in Europa umsichgreift, aber mir ging es jedenfalls so, dass ich die erste Woche nach dem Anschlägen am 11. September in jedem Türken oder eventuellem Muslim in meiner Nachbarschaft einen möglichen „Schläfer“ gesehen habe. Das „Brainwashing“ hatte hervorragend angeschlagen – wie bei wahrscheinlich 90 % der Bevölkerung, schätze ich. Ich denke & hoffe aber ebenso, dass der Großteil sein Gehirn wieder gefunden hat (es würde mich allerdings auch nicht wundern, wenn dem nicht so wäre).

In den USA sieht das aber schon wieder anders aus (Links diesmal aus dem Spiegel J: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,201827,00.html, http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,206079,00.html ). Tausende von Verdächtigen oder scheinbar Verdächtigen sitzen im Gefängnis. Das wird offensichtlich in der Öffentlichkeit auch so akzeptiert, denn man überprüft besser vorher, „bevor es zu spät ist“. Das man sich dabei weniger an bestehende Gesetze hält, ist offensichtlich auch okay, denn „es geht um Amerika“.
Was bezweckt man mit all diesen Aktionen? Ich erzähle sicher nichts Neues, wenn ich von einem neuen (alten) Feindbild spreche. Wir (ob Ost oder West) dürften das alle noch kennen, oder?

Es ist wahrscheinlich wie bei einem hochdotierten Boxkampf, wenn der Gegner (Kommunismus, Sozialismus – je nachdem auf welcher Seite des „Eisernen Vorhangs“ man aufgewachsen ist, nannte man das „Monster“ oder den „Sieger“ anders), wenn dieser Gegner also völlig unerwartet nach 3 von 12 Runden k.o. geht. Die Massen toben, aber die Fernsehbosse im Hintergrund sind weniger froh über die ganze Sache. Was wird aus den restlichen 8 Werbepausen? Was mit den spektakulären Szenen? Um dieses Ereignis nicht allzu lang Bestand haben zu lassen, wird der Kampf künstlich gepusht oder noch einfacher: man besorgt schnell einen neuen Gegner. Auch wenn der gar nicht unbedingt will – „Das Volk braucht Spiele“. Das wussten schon die Alten Römer. Und die sollen sie doch haben, oder?

Warum erwähnt man denn ab und zu den von Samuel Huntington propagierten, sogenannten „Kampf der Kulturen“ (Links dazu gibt es zu Tausenden im Netz – ich will keinen davon bevorzugen)? Natürlich gibt es extreme Moslems – keine Frage. Aber genau so gibt es ultrafundamentale Christen oder Hindus etc. Nur hat Indien nun mal nicht genug Erdöl.

Und letzten Endes ist Osama Bin Laden ein genauso „guter Moslem“ wie George W. Bush ein „guter Christ“ ist. Beide verbindet, neben geschäftlich-familiären Beziehungen, eigentlich nur der Glaube an die momentane (ewige?) Weltreligion Nr. 1 „Geld“. Aber in keinem Fall der Glaube an irgendeinen Gott.

Sollte die Installierung des Feindbildes „Islam“ in den Köpfen der Massen erfolgreich sein, dann stehen uns wohl ein paar sehr ungemütliche Jahrzehnte bevor. Und zwar solange bis der letzte Tropfen Öl aus der Wüste gesaugt ist.

Aber eigentlich sind wir schon mittendrin in den ungemütliche Zeiten – nur leben die meisten von uns wahrscheinlich noch in der Spaß-Gesellschaft.

Einen schönen, sonnigen Tag noch, Euer Micha.

Diese e-mail kann gern weitergeleitet werden – ich habe überhaupt nichts dagegen.

PS: Beim nächsten Mal – Amerikanische Außenpolitik.