von Michael Winkler |
Allen noch einmal ein gesundes neues Jahr.
Die Hinweis-Serie zeichnete sich in letzter Zeit vor allem durch zwei Dinge aus – Verspätung & Unregelmäßigkeit, wobei beides in gewisser Weise miteinander korreliert. Darunter leidet natürlich die Aktualität. Diese ist zwar wichtig, aber viel wichtiger als Aktualität, ist wohl eine anhaltende positive Grundeinstellung betreffs der aktuellen Weltpolitik. Ist man mal ein paar Tage außer Reichweite der Medien wird einem die Welt vielleicht „ganz normal“ vorkommen – als wäre nie etwas gewesen. Schauen wir genau hin, dann sind die Kriegsvorbereitungen der USA (und Teilen der westlichen Welt) natürlich nicht zu übersehen. Der bekannte US-Politologe Noam Chomsky verwies in einem DLF-Interview (Reihe: „Leitkultur USA“, 08.12.2002 – Link: http://www.dradio.de/dlf/sendungen/kultursonntag/usa.html) darauf, dass George W. Bush und seine „Falken“ demnächst quasi „losschlagen müssen“, denn die Präsidentschaftswahlen stehen 2004 ins Haus und den noch wählenden 40 % der Amerikaner soll ein positiver, erfolgreicher Präsident im Gedächtnis bleiben. Laut ND vom 23.12.2002 dürfte ein Kriegsbeginn Ende Januar/Anfang Februar sehr wahrscheinlich sein. Auch Gerhard Schröder hat so seine Sorgen mit dem Irak-Krieg – was im Wahlkampf ganz nach „der USA die Stirn bieten“ ausgesehen hatte, wird Stück für Stück wieder aufgeweicht, modifiziert, verifiziert & falsifiziert und letztlich wohl als „Freundschaftsdienst“ betrachtet werden. Die Situation scheint sich tagtäglich zu ändern (wenn auch nur scheinbar) und in wieweit die derzeitige europaweite Ablehnung eines drohenden Irak-Krieges von Dauer ist, bleibt sicher abzuwarten.
Und was macht Dresden? Die „Jahrtausendflut“ scheint fast vergessen (auch wenn das Wasser gerade wieder die 7m-Marke überschritten hat), wenn da nicht die vielen Hochglanzbildbände wären. Zur bundesweiten Anti-Kriegsdemo am 26.10.2002 fanden sich zwischen 500 und 1000 Mann ein. Im Grunde nicht schlecht für einen Krieg, der noch nicht einmal angefangen hat – ein Fakt den man immer bedenken sollte. Doch seitdem ist es um den Irak-Krieg wieder ruhig geworden in der gemütlichen sächsischen Landeshauptstadt. Am 07.11.2002 wurde gegen den immensen Kultur- und Sozialabbau in Dresden demonstriert – 5000 bis 6000 Menschen kamen. Wenn man diesen Zuspruch zu wirklich wichtigen Fragen unserer Zeit einmal mit der ungleich größeren Begeisterung für die feierliche Semperoper-Lichterinszenierung vom 03.12.2002 mit Zuschauerzahlen zwischen angeblich 30000 und 50000 (http://www.sz-online.de/news/archiv/artikel.asp?id=361089&rubrik=n_archiv bzw. http://www.sz-online.de/news/archiv/artikel.asp?id=360893&rubrik=n_archiv) vergleicht, die sich bei minus 5 °C (!) auf dem Theaterplatz versammelten, dann könnte man sich schon fragen: „Was ist uns denn nun eigentlich wirklich wichtig?“ Der Irak-Krieg ist offenbar für die meisten Bürger in einer solchen Entfernung, dass selbst ein „nuklearer Präventivschlag“ unter der Rubrik „Was sonst noch passierte“ ohne großes Aufsehen durch Sachsen gehen würde. 500 Mann für den Weltfrieden, 5000 für soziale Sicherheit und 50000 zum Feiern. Man kann also nicht wirklich behaupten, dass es uns schlecht ginge!
Hinweis für alle Dresdner und sonstige Interessenden: Am Donnerstag, den 16.01.02, findet ab 17.30 Uhr auf dem Theaterplatz eine Anti-Irak-Kriegsdemonstration statt.
Sehenswert war im übrigen auch die Sendung „Die wahre Geschichte des Golfkrieges“ auf ARTE (08.01.2003 – Wiederholung Mittwoch, 15.01.2003). In einer knappen Stunde Sendezeit wurde auf viele Hintergründe des Irak-Krieges von 1990 (und auch des derzeit bevorstehenden) eingegangen. Mittlerweile dürfte bekannt sein, dass die USA Saddam Hussein in den 60er und 70er Jahren nicht nur zur Macht verholfen, sondern auch den Irak-Iran-Konflikt in den 80er Jahren (auf beiden Seiten!) finanziell und rüstungstechnisch unterstützt und in zweistelligen Milliardenbeträgen konventionelle und chemische Waffen u.a. in den Irak geliefert hatten. Die Sendung zeigte auch hochrangige ehemalige US-Politiker (u.a. der ehemalige Justizminister Ramsey Clark), die offen über die wahren Hintergründe der US-Politik sprachen. Warum erhöhte Kuwait 1990 binnen einiger Tage seine Erdölfördermengen um 20 %, was zu 30 % Verlusten bei den irakischen Erdölförderern führte? Warum wurde seitens der USA nichts unternommen, als der Irak den Kuwait daraufhin besetzte? Warum wurde von den USA jegliche diplomatische Regelung des Irak-Konflikts abgelehnt und unterdrückt? Warum wurde Saddam Hussein nicht schon beim damaligen Golfkrieg gestürzt? Stattdessen wurden innerhalb kurzer Zeit wieder irakischen Soldaten unterstützt, um gegen aufständige Rebellen vorgehen zu können. Warum wurde also genau das unterbunden, was jetzt erreicht werden soll – ein Sturz Saddam Husseins?
Nun, vielleicht weil damals die Zeit für eine amerikanische Machtübernahme wichtiger Positionen im Irak noch nicht reif war. Ebenso konnte der Einfluss der Amerikaner im Mittleren Osten gefestigt werden – Tausende GIs sind rundum den Irak in den 90er Jahren stationiert wurden. Der Krieg, das anschließende Wirtschaftsembargo (welches seit 12 Jahren besteht) .. all das hatte nur einen Verlierer – das irakische Volk. Laut Aussage eines ehemaligen UN-Mitarbeiters im Irak hatte die UN-Resolution eine Völkerrechtsverletzung zur Folge, die in der Geschichte ihres Gleichen sucht.
Bitterer Beigeschmack des Golfkrieges von 1991 auch auf Seiten der „Gewinner“ .. die USA setzten zum ersten Mal Uran-abgereicherte Munition ein. Nach Angaben des Filmes haben ungefähr 183.000 der ca. 700.000 am Golfkrieg I beteiligten Soldaten, ein ärztliches Attest beantragt. Knapp 10.000 Soldaten sind bis Mitte 2000 an den Folgen der radioaktiven Strahlung verstorben. Nicht auszumalen sind die Folgen für die irakische Bevölkerung – enorme Krebssteigerungsraten, Erbkrankheiten etc.
Doch zurück in die Zukunft und in die Jahre 2002/03: Das Pentagon macht keine halben Sachen und wirbt nun öffentlich für den Irak-Krieg. Man nimmt dabei kein Blatt vor den Mund und spricht sogar von „Propaganda“-Einsätzen auf alliiertem Einflussgebiet (Link: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,227384,00.html). Was uns da erwartet, kann wohl kaum Positives verheißen. In diesem Sinne .. Adlerauge, sei wachsam!
Mittlerweile
machte auch der britische Außenminister Jack Straw klar gemacht, worum es Großbritannien
im Mittleren Osten wirklich geht: „Vor
150 britischen Botschaftern, die unmittelbar vor Beginn des anglo-amerikanischen
Krieges gegen Irak zur politischen Unterweisung nach London beordert worden
waren, erklärte Außenminister Straw, daß die Versorgungssicherheit mit Öl
derzeit vor allen anderen Zielsetzungen die höchste Priorität in der
britischen Außenpolitik habe.“ (http://www.jungewelt.de/2003/01-09/001.php
)
Kürzlich wurde ich auf ein weiteres Kapitel aufmerksam, welches sich zu untersuchen lohnen würde – Zwangssterilisationen in den USA der 20er und 30er Jahre des 20. Jahrhunderts. In einem Beitrag des Deutschlandfunks (DLF, 05.01.2003, 13.30 Uhr) ging man dort auf die Anwendung derartiger Praktiken ein, die in den 30er Jahren in einem weitaus schlimmeren Ausmaß von den Nazis übernommen wurde. In den USA wurden – nach Angaben des Berichts – zwischen 60.000 und 70.000 Menschen, darunter vorwiegend Farbige, Kranke und Prostituierte, zwangssterilisiert. Eines der schwärzesten Kapitel in der Geschichte des Landes mit der ältesten Demokratie – aus diesem Grunde kommen Details auch erst 70 Jahre später an die Öffentlichkeit.
Zusammenfassung
Teil 2: Das Internet als Wegbereiter eines globalen Bewusstseins???
Ich möchte trotz aller scheinbar negativen Entwicklungen versuchen, in der heutige Hinweis-Mail noch einen positiven Kurs einzuschlagen – denn ohne „positives Denken“ sind alle Bemühungen nichtig.
Es ist nicht zu übersehen, dass sich diese Welt in einem ständigen Fluss befindet. Systeme kommen und gehen. Heutige Sieger sehen 20, 30, 40 Jahre später wie Verlierer aus. Die Weltbevölkerung hat sich in den letzten 100 Jahren verfünffacht. Entfernungen scheinen kürzer und kürzer zu werden. Telefone, Faxe, Satelliten, Flugzeuge etc. – innerhalb eines Tages kann man fast jeden Punkt der Erde erreichen bzw. Nachrichten dorthin versenden.
Und was kann das, seit etwa 10 Jahren einer breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung gestellten, Internet für die Evolution leisten??? Es hat die Musik- und Filmindustrie kräftig durchgeschüttelt. Nahezu kein Unternehmen auf dieser Welt, welches einigermaßen überleben will, kann es sich leisten, keine eigene Web-Seite zu besitzen. Ein Fakt der vor 10 Jahren unvorstellbar gewesen wäre. Nachrichten, Bilder und Informationen können an einem Tage 10 mal um die Welt gehen. Und viel mehr noch – sie bleiben permanent im virtuellen Informationsuniversum gespeichert. Die Informationsbereitstellung ist längst nicht mehr nur ein Monopol des Staates oder der herkömmlichen Medien (Zeitung, Radio & Fernsehen) – nein, mehr und mehr Leute suchen sich im Internet ihre „Wahrheiten“. Wahrlich besteht auch derzeit noch vielerorts die Ansicht, dass das Internet wohl hauptsächlich Verschwörungen, Halbwahrheiten und Lügen erzeugen würde. Aber wer nährt denn dieses Vorurteil? Natürlich die meisten offiziellen Medien. Das wird wohl genauso gewesen sein wie damals, als die Schallplattenhersteller gegen das Aufkommen der CD gewettert haben (zugegebenermaßen ein schlechter Vergleich). Keiner lässt sich gern das Wasser abgraben. Und es ist kein Geheimnis, dass die Auflagen der großen Tages- und Wochenzeitungen im Jahr 2002 zwischen 4 und 10 % zurückgingen – was sicher nicht nur auf die gesunkenen Werbeeinnahmen nach dem 11. September zurückgeführt werden kann.
Neben den enormen technischen Entwicklungen, welches das Internet gebracht hat, sollte aber vor allem der evolutionäre Fortschritt betrachtet werden. Im Gegensatz zu den bisher üblichen Informationsübertragungsmedien lässt sich das Internet nicht so recht begrenzen oder kontrollieren, wenn auch vielerorts dahingehend Versuche unternommen wurden (Bsp. Google-Zensur in China: http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/13729/1.html). Informationen aller Art sind – abgesehen von einigen Barrieren (Sprache, Zugang für alle etc.) – vielen Menschen zugänglich. Weltweit, gleichzeitig, permanent (meistens) und in Sekundenschnelle. Könnte das Internet als Wegbereiter eines globalen Wissens und Bewusstseins fungieren?
Warum sollte aber das Internet etwas verändern? Es ist ein offenes Geheimnis, dass mehr und mehr Menschen in unserer „entwickelten westlichen Demokratie“ von selbiger enttäuscht sind. Schauen wir auf die vermeintliche Speerspitze unseres Demokratiesystems – die USA – und wissen, dass dort noch knapp 40 % der Bevölkerung zur Wahl gehen, dann dürften sich einige Fragen wohl erübrigen bzw. erst neu ergeben. Das Streben nach einer positiven Entwicklung kann nicht auf Dauer in den Menschen unterdrückt werden. Man kann viele Menschen, lange und oft verdummen – sehr lange und sehr oft. Aber irgendwann strebt der Mensch nach geistiger Entwicklung & Schöpfung. Für einen nicht zu verachtenden Teil der Massen trifft dies freilich weniger zu – aber das ist nichts Neues und wird wohl auch noch eine ganze Weile so bleiben. Wichtig wird allerdings immer der Teil der Masse bleiben, der in der Evolution vorwärts streben will. Und für diese Weiterentwicklung kann das Internet enorme Dienste leisten, denn Erfahrungen und Erkenntnisse können weltweit ausgetauscht und weiterentwickelt werden.
Eine der ersten Voraussetzungen für dieses Weiterentwickeln, dieses Ausbilden des globalen Bewusstseins, ist jedoch sicher auch die schwerste überhaupt: eine politisch interessierte und engagierte Bevölkerung. Gemeinschaftliche Individualisten und keine Schein-Individualisten, die letztlich doch alle das selbe denken und machen. Die Möglichkeit des Internetzugangs korreliert nicht zwangsläufig auch mit der politischen Bildung des jeweiligen Landes. Die USA mit durchschnittlich 61 PCs (und schätzungsweise ebenso vielen Internetzugängen) auf 100 Einwohner (http://home.t-online.de/home/ifkom.lv-hessen/statistik.htm#deutsche) gehören zu den entpolitisiertesten Staaten in der Welt überhaupt. Der renommierte US-amerikanische Kommunikationswissenschaftler Prof. Joshua Meyrowitz (DLF, „Leitkultur USA“, 24.11.2002, http://www.dradio.de/dlf/sendungen/kultursonntag/usa.html bzw. als Textversion: http://www.freitag.de/2002/51/02510701.php) drückt es so aus:
„Es
klingt wie eine Ironie der Geschichte, aber die Einseitigkeit der Medien ist in
diesem Land viel größer als in einem totalitären System. In einer Diktatur
suchen die Menschen nach alternativen Informationsquellen, sie sprechen mit Ausländern
oder lesen Untergrundzeitungen. Hier, wo die Pressefreiheit eine Selbstverständlichkeit
ist, können die Menschen gar nicht verstehen, warum es so wichtig ist, sich
auch aus anderen Quellen als den tonangebenden Massenmedien zu informieren. Sie
wollen solchen Quellen einfach nicht glauben, gerade
weil ihnen der freie Zugang
garantiert ist.“
Nun, wohin geht die Evolution? Wohin gehen wir? Wir haben scheinbar alles, wovon unsere Eltern und Großeltern nur träumen konnten. Und dennoch weiß jeder, der ein paar Minuten am Tag (wirklich) nachdenkt, dass es dieses System in dieser Art nicht mehr allzu lange geben wird. Vielleicht keine Revolution, aber in jedem Falle eine Transformation. In welche Richtung bestimmen wir und zwar zunächst jeder für sich allein.
In diesem Sinne - einen schönen, sonnigen Tag noch, Euer Micha.
Diese e-Mail kann auch gern weitergeleitet werden – ich habe überhaupt nichts dagegen.
PS: Zum Schluss noch zwei passende Kino-Tipps. Wer den Michael-Moore-Film „Bowling for Columbine“ noch nicht gesehen hat, der sollte dies unbedingt nachholen. Woher kommt die Waffenliebe der Amerikaner? Warum werden in den USA jährlich so viele Menschen erschossen? Woher kommt ihre Angst vor Fremden? Moore geht vielen Fragen auf den Grund und das äußerst ernsthaft & augenzwinkernd zugleich.
Neben dem Film „11“09’01 – September 11th“, in dem elf internationale Regisseure ihre persönliche Version vom 11. September zeigen, ist seit Ende Dezember 2002 mit „Ten Minutes Older – The Trumpet“ ein weiteres „All-Star“-Regisseuren-Werk (u.a. Werner Herzog, Wim Wenders, Jim Jarmusch) in den Kinos zu sehen. Neben einigen anderen sehr guten Beiträgen sollte man sich vor allem den Kurzfilm „We wuz robbed“ von Spike Lee genau anschauen – die dubiose Präsidentschaftswahl von George W. Bush im Jahr 2000.