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Hinweis Nr. 28 - Cross Border Leasing - Teil 2

von Michael Winkler
gesendet am 19. Februar 2003

 

 

Zwei Anmerkungen im voraus:

  1. Das Attachment schickte mir ein Freund aus Kanada. Der Hitler-Bush-Vergleich, der letzten September in wesentlich abgeschwächterer Form Frau Däubler-Gmelin das Amt gekostet hat, ist sicherlich immer wieder ein Streitpunkt der Kritik. Kann man je einen Menschen mit Hitler vergleichen? Hussein wurde mit Hitler verglichen und andere Diktatoren auch. Wie dem auch sei, man sollte wohl wachsam bleiben, denn dieser Mann (George W. Bush) wird in die Annalen der Geschichte eingehen – mehr als jeder andere US-Präsident vor ihm.
  2. Am heutigen 19.02.2003 wurde der Marokkaner Mounir al-Motassadeq in Hamburg zur Höchststrafe von 15 Jahren Haft verurteilt. Laut dem Urteil war Mounir al-Motassadeq fester Teil der Hamburger Terror-Zelle und ist außerdem der Beihilfe zum Massenmord in 3066 Fällen schuldig.“ (http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,236755,00.html).
    Interessanter Nebeneffekt: Heute Morgen sagte der Nachrichtensprecher im DLF sinngemäß, dass „... die Verteidiger in Revision gehen wollen, da ihnen Beweismaterial vorenthalten wurde, welches die Ankläger einsehen konnten.“ Am Abend lautete der Satz des DLF-Nachrichtensprechers dann nur noch „Die Verteidiger wollen in Revision gehen.“ Das erinnerte mich wieder an die Bemerkung eines Freundes, der meinte, dass im Frühstücksfernsehen häufig mehr Details gesendet werden. Nach 9 Uhr sind die Chefredakteure, „Propaganda“-Abteilungsleiter und PR-Chefs dann wohl auch auf Arbeit und runden die Nachrichten noch etwas „konsumentenfreundlicher“ ab. Mr. Bernays lässt grüßen! Der Mann hat wirklich wertvolle Arbeit für die Demokratie geleistet (siehe auch Hinweise 16 & 18).
  3. Veranstaltungshinweis: 26.2.2003, 19:30 Uhr – Vortrag „Die Machenschaften der Weltkonzerne“, Ort: Dresden, Rathaus, Plenarsaal, Klaus Werner (Wien), Autor des "Schwarzbuch Markenfirmen", Veranstaltung im Rahmen der Städtepartnerschaft Dresden - Brazaville (Kongo), Weitere Infos: www.attac-dresden.de
  4. Korrektur: Beim letzten Mal hatte sich einmal der Copy-Paste-Fehler-Teufel eingeschlichen und des Weiteren war der Link zum Newsticker nicht korrekt – richtig hätte es www.oocities.org/michwink/newsticker.htm heißen müssen.

 

Ein Hallo an alle! Hello everybody!

 

Beim vorletzten Mal war ich beim Thema „Cross Border Leasing“ stehen geblieben. Es gibt heftige Diskussionen über dieses Thema. Das Institut für Abwasserwirtschaft Halbach (http://www.institut-halbach.de) beschäftigt sich sehr intensiv mit dem Thema „CBL“. Eine umfassende Literatur- und Statement-Zusammenstellung ist unter http://www.institut-halbach.de/politik/leasing/litera.htm zu finden. Auch die Dresdner Presse wird nun langsam auf das Thema aufmerksam (Sächsische Zeitung, 17.02.03, http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=450205). Was auch langsam Zeit wurde, denn halb Dresden scheint bereits „cross-border-verleast“. Mittlerweile unterband das Ministerium einige Geschäfte. Die Stadt Leipzig war sogar drauf und dran, ihre gesamte Trinkwasserversorgung an einen US-Trust zu verleasen. Die Kommunen brauchen Geld und manch einer denkt offensichtlich auch wie Dresdens Finanzbürgermeister Hartmut Vorjohann (parteilos) nur „von Zwölf bis Mittag“: „Das Leasinggeschäft hat uns bislang gutes Geld gebracht.“

 

Wie gesagt, wir waren bisher nur beim Positiven (dem kurzzeitigen unkomplizierten Finanzschub), jedoch nicht beim Negativen (dem Kleingedruckten in der Fußzeile), angekommen. Das bereits angesprochene ZDF-Magazin „Monitor“ (23.01.2003, 20.15 Uhr, http://www.wdr.de/tv/monitor/beitraege.phtml?id=464) hat dazu folgendes recherchiert:

 

„Was passiert z.B., wenn in den USA eine Steuer auf die Mietzahlungen der Stadt eingeführt wird, eine so genannte Quellensteuer? Dann rechnet sich das Steuersparmodell nicht mehr, denn in Amerika fallen dann erhebliche Steuern an...“

 

Prof. Thomas Heidorn, Hochschule für Bankwesen Frankfurt: "Tatsächlich ist die Quellensteuer für die Gemeinden, die Cross-Border-Leasing-Verträge abgeschlossen haben, ein enormes Risiko. In vielen Verträgen ist geregelt, dass die Gemeinde, wenn eine solche Steuer eingeführt ist, für deren Zahlung allein verantwortlich ist. Bei Laufzeiten von 25 bis 30 Jahren kann das bedeuten, dass Forderungen in Millionenhöhe auf die Gemeinden zukommen. Diese können leicht deutlich höher sein, als die ursprünglichen Vorteile, die am Anfang erzielt wurden."


Doch das ist längst noch nicht alles. Der ebenfalls bereits erwähnte Kölner Autor Werner Rügemer (www.werner-rügemer.de) hat in zwei Artikeln für die „Junge Welt“ (http://www.jungewelt.de/2002/02-06/007.php & http://www.jungewelt.de/2002/02-07/009.php) weitere Haken an der Geschichte festgehalten:

„Die Anlage muß in vollem Umfang funktionstüchtig gehalten werden. Rechtlich kann eine längere Betriebsunterbrechung oder die Undichtigkeit eines großen Kanals seitens des Investors zur Kündigung der Verträge führen. Stillegung einer überdimensionierten Müllverbrennungsanlage, nicht reparierte Straßenbahnwagen im Depot, leerstehende Messehallen – all dies sind seitens des »Investors« Kündigungsgründe – mit der Folge eines hohen Schadenersatzes, der ein Vielfaches des Barwertvorteils betragen kann.

Darin könnte sogar der Reiz für den »Investor« liegen: die Kommune abzukassieren.“

Denn, so heißt es im Artikel weiter ..

„Seine Zugriffsmöglichkeit auf das Vermögen der Stadt ist zusätzlich dadurch gegeben, daß die Verträge amerikanischem Recht unterliegen. Rechtlich verbindlich ist nicht die für Laien vereinfachte, deutschsprachige Kurzdarstellung für die Ratsmitglieder in Köln, sondern der ausführliche englischsprachige Vertragstext, der in New York unterschrieben wird, wo sich auch der Gerichtsstand befindet. Nach amerikanischem Recht können Anwälte vor amerikanischen Gerichten bekanntlich enorme Schadenersatzsummen herausholen. Darauf sind die Verträge angelegt. Auch wenn die deutsche oder schweizerische Kommune darauf besteht, nach ihrem nationalen Recht gehöre ihr die Anlage, so ist dies im Konfliktfall bedeutungslos. Denn dann gilt das Recht der USA. Und danach gehören die Anlagen dem »US-Investor«. „

 

Und da fängt der Spaß erst an, denn neben den eben genannten Risiken enthalten die Verträge ...

„... weitere Nachteile, die den »Barwertvorteil« weit übersteigen können. Die Kommunen sind nämlich für mindestens 24 oder auch 100 Jahre unwiderruflich an das jetzt festgestellte Wertvolumen ihrer Anlagen gefesselt. Die Anlage darf also nicht billiger werden. So müßte etwa die Messe Essen ihre gegenwärtig gerade noch ausgelasteten Messehallen bis zum Jahre 2026 oder gar 2102 im vollen Umfang betreiben, selbst wenn sich herausstellen sollte, daß die Hallen im Jahre 2016 nur noch zur Hälfte ausgelastet sind.“

 

Doch damit sind wir noch lange nicht am Ende, denn hinzu kommt dass die CBL-Verträge als „Technologischer Hemmschuh“ wirken könnten:

„Noch schwerwiegender ist die Lage bei den Abwasserentsorgungsanlagen. Hier steht im Unterschied zur traditionellen Technologie die dezentrale Lösung an, die inzwischen ingenieurtechnisch ausgereift ist: Regenwasser muß nicht mehr vollständig in die Kanäle geleitet werden, wo es dann die Klärwerke überschwemmt und funktionsuntüchtig macht, sondern kann dezentral auf Park- und Wiesenflächen versickern. Die Industrieunternehmen können ihre Abwässer selbst zumindest vorreinigen, statt sie wie bisher in die öffentliche Kanalisation einzuleiten. Privathaushalte mit ausreichendem Grundstück können ihre eigene Reinigungsanlage bauen. Das alles wäre billiger, und es wäre besser für die Regeneration des immer knapper werdenden Grund- und Trinkwassers. Aber der Rat der Stadt könnte eine solche Lösung nicht beschließen, weil der Leasingvertrag das Wertvolumen von 600 Millionen Dollar für die Abwasseranlagen festschreibt. So wird den Kommunen eine hundertjährige rechtliche und technologische Daumenschraube angesetzt.“

 

Interessant erscheint dann auch noch folgendes Detail:

„Genaues über den »US-Investor« erfährt die Öffentlichkeit bei keinem dieser Verträge. Den gibt es nämlich gar nicht, jedenfalls nicht in der Form, wie sich Bürger und Ratsmitglieder gemeinhin einen Investor vorstellen. Begibt man sich etwa im Falle der Kölner Klärwerke auf seine Spur, stößt man auf Erstaunliches. Die First-Union-Bankgruppe als diejenige, die den »Investor bonitätsmäßig absichert«, läßt sich im Internet leicht finden. Auf der Website lächelt werbend der US-amerikanische Außenminister Colin Powell. Offensichtlich, so kann daraus geschlossen werden, haben solche Geschäfte etwas mit Außenpolitik zu tun. Ansonsten schweigt die Bankgruppe, aber das hat wohl auch etwas mit Außenpolitik zu tun.“

 

So weit, so gut. Fassen wir das Ganze mal etwas zusammen, dann sollten wir wohl einfach drauf bauen, dass sich in nächsten 100 Jahren nicht so viel verändern wird, alles in Butter ist und die Sache „Cross Border Leasing“ einfach ’ne feine Sache ist, die Stadtkassen für ein, zwei Jahre wieder aufzufrischen. 100 Jahre sind offensichtlich keine lange Zeit. Diejenigen, die die Verträge abgeschlossen haben, sind dann eh alle unter der Erde und was kümmert uns die Welt im Jahre 2103?

Blicken wir heute mal bis zum Jahr 1903 zurück, dann waren die vergangenen 100 Jahre geprägt von zwei Weltkriegen (und Hunderten von Klein- und Großkriegen), einer Bevölkerungsexplosion, mehreren Gesellschaftssystemen und einer Vielzahl technischer Fortschritte. Gehen wir also mal vom „worst of worst cases“ aus, dann könnte man auch folgendes vermuten:

Wenn amerikanische „Investoren“ in Europa kommunale Güter zu Massen (in Deutschland wurden bisher ca. 200 solcher Verträge abgeschlossen) „einkaufen“, ihnen über undurchsichtige Vertragsvereinbarungen technologische Daumschrauben ansetzen und alles doch mehr oder weniger riskant auf dem Rücken der Bürger ausgetragen wird, dann sieht das m.E. alles andere als rosig aus. 10 Mio. € hin, 10 Mio. € her ... könnte man es nicht vielleicht einfach so sehen, dass die CBL-Verträge nur ein weiterer Schritt in Richtung der sogenannten „Globalisierung“ sind. Werden hier nicht reihenweise europäische Kommunen enteignet und an „Investoren“ (wer auch immer diese seien mögen) verscherbelt? Soll Europa nicht evtl. absichtlich in seiner technologischen Entwicklung gehemmt werden? Mit was wird man denn in 100 Jahren handeln? Das Erdöl wird in Anbetracht des jährlich immens steigenden Verbrauchs aufgebraucht sein ... bleiben Wasser, Strom, Abwasser, Infrastruktur etc. etc. Das Kapital ist nicht müde, sich neue Wege zu suchen. Und es wird sie finden.

 

Nun, die Globalisierung hat Europa längst ergriffen, sie beginnt nicht in irgendeinem Dorf in Thailand. Nein, sie fängt auch erst nicht im Fernseher daheim bzw. der Satellitenschüssel an, sondern direkt bei uns zu Hause – direkt unterhalb der heimischen Kloschüssel!

 

Wenn wir also vom „worst of worst cases“ ausgehen, dann denke ich sind wir genau drin in einer „demokratischen Marktbereinigungsmaßnahme“, die mehr Konsequenzen habe könnte, als sich die Unterzeichner der Verträge jemals haben vorstellen können. Und bei dem Gedanken, dass diese Maßnahme von den Europäern nicht ganz so verstanden wurde, wie sie die Amerikaner gemeint hatten, erinnere ich mich wieder an einen Artikel in Spiegel-Online (12.06.2002, http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,200430,00.html  - oops, der Artikel kostet mittlerweile - wer Interesse an der kostenlosen Version hat, einfach bei mir melden) mit dem Titel “US-Kongress droht Niederlanden mit Invasion“ und folgendem Untertitel:
Parlament und Regierung in den Niederlanden sind empört: Beide Häuser des US-Kongresses haben einem Gesetz zugestimmt, das, falls amerikanische Bürger vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag angeklagt werden, sogar die Invasion im Nato-Partnerland vorsieht.“

 

Unwahrscheinlich? Nicht umsonst plant die US-Regierung ihren Militärhaushalt auf demnächst 600 Mrd. $ (pro Jahr!) aufzustocken. Irgendwo muss das Zeug ja auch wieder hin, oder? Ewig rumstehen kann es in den Rüstungshallen nicht.

 

In diesem Sinne, lasst es Euch gut gehen, Euer Micha.

 

PS1: Diese e-Mail kann wie immer gern weitergeleitet werden.

PS2: Demnächst in diesem Theater ... „So einiges über die „Cash Dealer’s Union“.