von Michael Winkler |
Zwei Anmerkungen im voraus:
Ein Hallo an alle! Hello everybody!
Beim
vorletzten Mal war ich beim Thema „Cross Border Leasing“ stehen geblieben.
Es gibt heftige Diskussionen über dieses Thema. Das Institut für
Abwasserwirtschaft Halbach (http://www.institut-halbach.de)
beschäftigt sich sehr intensiv mit dem Thema „CBL“. Eine umfassende
Literatur- und Statement-Zusammenstellung ist unter http://www.institut-halbach.de/politik/leasing/litera.htm
zu finden. Auch die Dresdner Presse wird nun langsam auf das Thema aufmerksam (Sächsische
Zeitung, 17.02.03, http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=450205).
Was auch langsam Zeit wurde, denn halb Dresden scheint bereits „cross-border-verleast“.
Mittlerweile unterband das Ministerium einige Geschäfte. Die Stadt Leipzig war
sogar drauf und dran, ihre gesamte Trinkwasserversorgung an einen US-Trust zu
verleasen. Die Kommunen brauchen Geld und manch einer denkt offensichtlich auch
wie Dresdens Finanzbürgermeister Hartmut Vorjohann (parteilos) nur „von Zwölf
bis Mittag“: „Das
Leasinggeschäft hat uns bislang gutes Geld gebracht.“
Wie
gesagt, wir waren bisher nur beim Positiven (dem kurzzeitigen unkomplizierten
Finanzschub), jedoch nicht beim Negativen (dem Kleingedruckten in der Fußzeile),
angekommen. Das bereits angesprochene ZDF-Magazin „Monitor“ (23.01.2003,
20.15 Uhr, http://www.wdr.de/tv/monitor/beitraege.phtml?id=464)
hat dazu folgendes recherchiert:
„Was
passiert z.B., wenn in den USA eine Steuer auf die Mietzahlungen der Stadt
eingeführt wird, eine so genannte Quellensteuer? Dann rechnet sich das
Steuersparmodell nicht mehr, denn in Amerika fallen dann erhebliche Steuern
an...“
Prof.
Thomas Heidorn, Hochschule für Bankwesen Frankfurt: "Tatsächlich
ist die Quellensteuer für die Gemeinden, die Cross-Border-Leasing-Verträge
abgeschlossen haben, ein enormes Risiko. In vielen Verträgen ist geregelt, dass
die Gemeinde, wenn eine solche Steuer eingeführt ist, für deren Zahlung allein
verantwortlich ist. Bei Laufzeiten von 25 bis 30 Jahren kann das bedeuten, dass
Forderungen in Millionenhöhe auf die Gemeinden zukommen. Diese können leicht
deutlich höher sein, als die ursprünglichen Vorteile, die am Anfang erzielt
wurden."
Doch das ist längst noch nicht
alles. Der ebenfalls bereits erwähnte Kölner Autor Werner Rügemer (www.werner-rügemer.de)
hat in zwei Artikeln für die „Junge Welt“ (http://www.jungewelt.de/2002/02-06/007.php
& http://www.jungewelt.de/2002/02-07/009.php)
weitere Haken an der Geschichte festgehalten:
„Die
Anlage muß in vollem Umfang funktionstüchtig gehalten werden. Rechtlich kann
eine längere Betriebsunterbrechung oder die Undichtigkeit eines großen Kanals
seitens des Investors zur Kündigung der Verträge führen. Stillegung einer überdimensionierten
Müllverbrennungsanlage, nicht reparierte Straßenbahnwagen im Depot,
leerstehende Messehallen – all dies sind seitens des »Investors« Kündigungsgründe
– mit der Folge eines hohen Schadenersatzes, der ein Vielfaches des
Barwertvorteils betragen kann.
Darin könnte sogar der Reiz für den »Investor« liegen: die Kommune abzukassieren.“
Denn, so heißt es im Artikel weiter ..
„Seine Zugriffsmöglichkeit auf das Vermögen der Stadt ist zusätzlich dadurch gegeben, daß die Verträge amerikanischem Recht unterliegen. Rechtlich verbindlich ist nicht die für Laien vereinfachte, deutschsprachige Kurzdarstellung für die Ratsmitglieder in Köln, sondern der ausführliche englischsprachige Vertragstext, der in New York unterschrieben wird, wo sich auch der Gerichtsstand befindet. Nach amerikanischem Recht können Anwälte vor amerikanischen Gerichten bekanntlich enorme Schadenersatzsummen herausholen. Darauf sind die Verträge angelegt. Auch wenn die deutsche oder schweizerische Kommune darauf besteht, nach ihrem nationalen Recht gehöre ihr die Anlage, so ist dies im Konfliktfall bedeutungslos. Denn dann gilt das Recht der USA. Und danach gehören die Anlagen dem »US-Investor«. „
Und da fängt der Spaß erst an, denn neben den eben genannten Risiken enthalten die Verträge ...
„... weitere Nachteile, die den »Barwertvorteil« weit übersteigen können. Die Kommunen sind nämlich für mindestens 24 oder auch 100 Jahre unwiderruflich an das jetzt festgestellte Wertvolumen ihrer Anlagen gefesselt. Die Anlage darf also nicht billiger werden. So müßte etwa die Messe Essen ihre gegenwärtig gerade noch ausgelasteten Messehallen bis zum Jahre 2026 oder gar 2102 im vollen Umfang betreiben, selbst wenn sich herausstellen sollte, daß die Hallen im Jahre 2016 nur noch zur Hälfte ausgelastet sind.“
Doch damit sind wir noch lange nicht am Ende, denn hinzu kommt dass die CBL-Verträge als „Technologischer Hemmschuh“ wirken könnten:
„Noch schwerwiegender
ist die Lage bei den Abwasserentsorgungsanlagen. Hier steht im Unterschied zur
traditionellen Technologie die dezentrale Lösung an, die inzwischen
ingenieurtechnisch ausgereift ist: Regenwasser muß nicht mehr vollständig in
die Kanäle geleitet werden, wo es dann die Klärwerke überschwemmt und
funktionsuntüchtig macht, sondern kann dezentral auf Park- und Wiesenflächen
versickern. Die Industrieunternehmen können ihre Abwässer selbst zumindest
vorreinigen, statt sie wie bisher in die öffentliche Kanalisation einzuleiten.
Privathaushalte mit ausreichendem Grundstück können ihre eigene
Reinigungsanlage bauen. Das alles wäre billiger, und es wäre besser für die
Regeneration des immer knapper werdenden Grund- und Trinkwassers. Aber der Rat
der Stadt könnte eine solche Lösung nicht beschließen, weil der
Leasingvertrag das Wertvolumen von 600 Millionen Dollar für die Abwasseranlagen
festschreibt. So wird den Kommunen eine hundertjährige rechtliche und
technologische Daumenschraube angesetzt.“
Interessant erscheint dann
auch noch folgendes Detail:
„Genaues
über den »US-Investor« erfährt die Öffentlichkeit bei keinem dieser Verträge.
Den gibt es nämlich gar nicht, jedenfalls nicht in der Form, wie sich Bürger
und Ratsmitglieder gemeinhin einen Investor vorstellen. Begibt man sich etwa im
Falle der Kölner Klärwerke auf seine Spur, stößt man auf Erstaunliches. Die
First-Union-Bankgruppe als diejenige, die den »Investor bonitätsmäßig
absichert«, läßt sich im Internet leicht finden. Auf der Website lächelt
werbend der US-amerikanische Außenminister Colin Powell. Offensichtlich, so
kann daraus geschlossen werden, haben solche Geschäfte etwas mit Außenpolitik
zu tun. Ansonsten schweigt die Bankgruppe, aber das hat wohl auch etwas mit Außenpolitik
zu tun.“
So
weit, so gut. Fassen wir das Ganze mal etwas zusammen, dann sollten wir wohl
einfach drauf bauen, dass sich in nächsten 100 Jahren nicht so viel verändern
wird, alles in Butter ist und die Sache „Cross Border Leasing“ einfach ’ne
feine Sache ist, die Stadtkassen für ein, zwei Jahre wieder aufzufrischen. 100
Jahre sind offensichtlich keine lange Zeit. Diejenigen, die die Verträge
abgeschlossen haben, sind dann eh alle unter der Erde und was kümmert uns die
Welt im Jahre 2103?
Blicken
wir heute mal bis zum Jahr 1903 zurück, dann waren die vergangenen 100 Jahre
geprägt von zwei Weltkriegen (und Hunderten von Klein- und Großkriegen), einer
Bevölkerungsexplosion, mehreren Gesellschaftssystemen und einer Vielzahl
technischer Fortschritte. Gehen wir also mal vom „worst of worst cases“ aus,
dann könnte man auch folgendes vermuten:
Wenn
amerikanische „Investoren“ in Europa kommunale Güter zu Massen (in
Deutschland wurden bisher ca. 200 solcher Verträge abgeschlossen)
„einkaufen“, ihnen über undurchsichtige Vertragsvereinbarungen
technologische Daumschrauben ansetzen und alles doch mehr oder weniger riskant
auf dem Rücken der Bürger ausgetragen wird, dann sieht das m.E. alles andere
als rosig aus. 10 Mio. € hin, 10 Mio. € her ... könnte man es nicht
vielleicht einfach so sehen, dass die CBL-Verträge nur ein weiterer Schritt in
Richtung der sogenannten „Globalisierung“ sind. Werden hier nicht
reihenweise europäische Kommunen enteignet und an „Investoren“ (wer auch
immer diese seien mögen) verscherbelt? Soll Europa nicht evtl. absichtlich in
seiner technologischen Entwicklung gehemmt werden? Mit was wird man denn in 100
Jahren handeln? Das Erdöl wird in Anbetracht des jährlich immens steigenden
Verbrauchs aufgebraucht sein ... bleiben Wasser, Strom, Abwasser, Infrastruktur
etc. etc. Das Kapital ist nicht müde, sich neue Wege zu suchen. Und es wird sie
finden.
Nun,
die Globalisierung hat Europa längst ergriffen, sie beginnt nicht in
irgendeinem Dorf in Thailand. Nein, sie fängt auch erst nicht im Fernseher
daheim bzw. der Satellitenschüssel an, sondern direkt bei uns zu Hause –
direkt unterhalb der heimischen Kloschüssel!
Wenn wir
also vom „worst of worst cases“ ausgehen, dann denke ich sind wir genau drin
in einer „demokratischen Marktbereinigungsmaßnahme“, die mehr Konsequenzen
habe könnte, als sich die Unterzeichner der Verträge jemals haben vorstellen können.
Und bei dem Gedanken, dass diese Maßnahme von den Europäern nicht ganz so
verstanden wurde, wie sie die Amerikaner gemeint hatten, erinnere ich mich
wieder an einen Artikel in Spiegel-Online (12.06.2002, http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,200430,00.html -
oops, der Artikel kostet mittlerweile - wer Interesse an der kostenlosen Version
hat, einfach bei mir melden) mit dem Titel “US-Kongress
droht Niederlanden mit Invasion“ und folgendem Untertitel:
“Parlament
und Regierung in den Niederlanden sind empört: Beide Häuser des US-Kongresses
haben einem Gesetz zugestimmt, das, falls amerikanische Bürger vor dem
Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag angeklagt werden, sogar die
Invasion im Nato-Partnerland vorsieht.“
Unwahrscheinlich? Nicht umsonst plant die US-Regierung ihren Militärhaushalt auf demnächst 600 Mrd. $ (pro Jahr!) aufzustocken. Irgendwo muss das Zeug ja auch wieder hin, oder? Ewig rumstehen kann es in den Rüstungshallen nicht.
In diesem Sinne, lasst es Euch gut gehen, Euer Micha.
PS1:
Diese e-Mail kann wie immer gern weitergeleitet werden.
PS2:
Demnächst in diesem Theater ... „So einiges über die „Cash
Dealer’s Union“.