von Michael Winkler |
Die besondere Rubrik „Deutschland auf Friedensmission“Am
Samstag, dem 7. Juni strahlte Deutschlandradio Berlin ein Interview mit
Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulf aus, der nebenbei noch
CDU-Bundesvize ist - ein Mann mit Profil also. Nachdem in den
Nachrichten die Meldung, dass in Afghanistan drei deutsche Soldaten
durch einen Bombenanschlag ums Leben gekommen waren, Deutschland
erreicht hatte, wurde Herr Wulf nach seiner Meinung diesbezüglich
gefragt. Er betonte, dass es in Gegenden wie Afghanistan natürlich
immer gefährlich ist und in seinen Ausführungen entrutschte ihm m.E.
ein „Freud’scher Versprecher“. Im Zusammenhang mit den Aufgaben
der deutschen Truppen sprach Wulf zunächst von „Kampfeinsätzen“,
um dann eine Sekunde später daraus „Friedenseinsätze“ zu machen.
Na, Herr Wulf, wir alle machen Fehler. Freuds Neffe, „Schlitzohr“
Eddie L. Bernays, hat zwar seine Aufgabe gut gemacht (Hinweis 16 &
18), aber ab und zu meldet sich auch unser scheinbar totes
Unterbewusstsein. Man mag vielleicht das Bewusstsein „auf Null
runterfahren“ können, aber nicht das Unterbewusstsein. Dass die Jungs da unten ordentlich mitmachen, überprüfte auch Sachsens Ministerpräsident Georg („W.“) Milbradt (Foto rechts). Und dass sich die sächsischen Burschen in der afghanischen Einöde nicht ganz so langweilen, hat er ihnen alle eine „Freie Presse“ mitgebracht. Achja, die Sachsen, ein heimatverbundenes Volk ... Im
übrigen für den alltäglichen morgendlichen Arbeitsstart empfehle ich: |
Abdul*
zu(m) (deutschen) Georg: „Ich
hab gehört, Georg, bei Euch im sächsischen Lande gibt’s Probleme mit
der Russenmafia ... Sollen wir mal ein paar erfahrene Freiheitskämpfer
zu Euch hochschicken?“ (aus
„Freie Presse“, 27.05.2003) *
Name geändert. Abgesehen, davon lag der richtige Name der
Hinweis-Redaktion gar nicht vor. Im Falle dass „Abdul“ wirklich
Abdul heißt, möchte ich mich bei „Abdul“ für die Indiskretion
schon im Voraus entschuldigen. |
Die heutige e-Mail sei ganz dem vermeintlichen Flagschiff des „investigativem“ Journalismus gewidmet: dem SPIEGEL. Den SPIEGEL kann man quasi als Synonym für tiefergehende, enthüllende Recherchen verwenden, zumindest nahm man (bzw. ich) das immer an. Der Werbespruch „Spiegel-Leser wissen mehr“ ging durch Deutschland wie kaum ein anderer Zeitungs-Spruch, vermute ich. Leute, die etwas auf sich halten oder die sich wirklich informieren wollen, lassen ganz unauffällig den SPIEGEL aus der Aktentasche aufblitzen. ‚Aha, der liest SPIEGEL. So, so. Na, dann weiß er ja Bescheid.’
Mediale
„Darm-SPIEGELung“
Aus einigen vorangegangen Mal dürfte meine Meinung über den SPIEGEL hervorgegangen sein. Ich habe mir mal drei Hefte aus den Jahren 2002 und 2003 vorgenommen und habe sie praktisch „invers“ gelesen, d.h. mit dem Schwerpunkt „Werbeanzeigen“. Mittlerweile scheint Deutschland rein medienmäßig amerikanische Verhältnisse zu erreichen, so dass nicht die gedruckte Auflage ausschlaggebend für den Fortbestand einer Zeitung ist, sondern die Werbeeinnahmen. Also, gehen wir wieder auf eine Reise durch die „Wunderbare Werbewelt“.
Ich habe einfach alle Seiten der SPIEGEL-Hefte analysiert, die Werbung aufwiesen. Eingegangen bin ich dabei nur auf ganzseitige (bzw. minimal ¾-seitige) Werbeseiten. Unterteilt wurde zum einen nach größeren Kategorien Banken & Versicherungen (Finanzsektor), Automobilindustrie (incl. Reifen), IT (Computer, Handys etc.) und zum anderen einige kleinere Kategorien (Uhren, Pharma etc.). Hinzu kam jeweils eine Pauschale von 5 Seiten Eigenwerbung (Spiegel-Online, Spiegel-Bücher etc.). Die Auswertung erhebt keinen Anspruch auf Richtigkeit und Vollständigkeit, aber wer Lust hat, kann sich gern mal einen SPIEGEL kaufen und ähnliches durchführen - ist wirklich interessant. Ich vermute, sie/er wird auf ähnliche Ergebnisse kommen. Persönlich interessieren würden mich Analysen aus älteren SPIEGEL-Jahrgängen (Bsp. 1997/98, oder gar 80er Jahre). Wer solche Hefte noch hat und 15 Minuten Zeit – ich wäre an einer solchen Auswertung sehr interessiert!
Doch zu den Ergebnissen:
36/02
– „11.September“ |
42/02
– „Versenktes Geld“ |
17/03
– „Die Neue Weltordnung“ |
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Sonstige
Werbung 1
x Tabak, 1 x Tetrapack, 1 x RTL, 1 x Klimaschutz,
1 x Gartenbau, 1 x Tankstelle, 1 x Gartenbau, 1 x Arbeitsamt,
2 x Stern,
2 x Degussa, 3 x Mode, 1 x UPS, 2 x Tourismus, 1 x Mon Cherie |
Sonstige
Werbung 2
x Tabak, 3 x Mode, 1 x Aronal/Elmex, 1 x Lufthansa, 1 x Bio-Siegel,
1 x Tankstelle, 1 x Tourismus, 1 x Stahl, 1 x UNICEF, 1 x FAZ,
1 x Arte, 1 x General Electric, 1 x Süddeutsche, 1 x Arbeitsamt,
1 x 1000 Fragen, 1 x Wirtschaftswoche,
1 x DB, 1 x Fluglinie, 1 x Financial
Times, 2 x Musik, 1 x Radio |
Sonstige
Werbung 2 x DB, 2 x Mehrweg, 2 x Metro, 1 x UNICEF Friendship Payback Karte, 1 x FAZ, 1 x Financial Times, 1 x BILD, 1 X Fluglinie, 1 x Gelbe Seiten, 1 x Elmex |
Ergebnisse
Auffallen dürfte, dass der SPIEGEL hochkarätig von seinen Werbekunden abhängig ist (35-40 % der Seiten!). Die Automobilbranche und der Finanzsektor sind mehr oder minder konstant geblieben (±1-2 %). Im Gegensatz zu 2002 verliert der IT-Bereich an Anteilen, die Pharmaindustrie gewinnt hinzu. Uhren bewegen sich um die 2-3 % - das sind bei durchschnittlich 200 SPIEGEL-Seiten also 4-6 Seiten. Der inhaltliche Anteil belief sich auf 59 % (129 von 224 Seiten), 61 % (130/212) und 65 % (123/189). Die Anteile nicht-kommerzieller Werbung (Arbeitsamt, Mehrwegsystem, Bio-Siegel etc.) sind verschwindend gering (ca. 1 %, 2 % Maximum). Unter den sonstigen Werbern befinden sich mitunter „eigentümliche“ Akteure: BILD, STERN, andere Zeitungen.
Hypothetische
Auswertung
1. Die regelmäßige Uhren-Werbung (u.a. Glashütte, Rolex) könnte auf den Leserstamm abzielen – der „gescheite, erfolgreiche Mann zwischen 25 und 65“.
2. Der Einfluss der Pharmaindustrie ist größer geworden von Herbst 2002 bis Frühling 2003, was möglicherweise auf verstärkte Zuwächse schließen lässt. Oder genau das Gegenteil ist eingetreten, so dass sie verstärkt werben müssen (Ich kenne mich in der Werbebranche nicht aus, aber es gibt da sicher „Regeln“ bzw. Gesetzmäßigkeiten, anhand derer man Aussagen ableiten könnte).
3. Allem Anschein nach kennt der SPIEGEL keine „ideologischen Hemmnisse“ beim Auswählen der Werbepartner (STERN, BILD sind vom eigentlich konkurrierenden Axel-Springer-Verlag).
Um uns schon ein bisschen auf die Mail über den Tod von Jürgen W. Möllemann einzustimmen, möchte ich den nächsten Abschnitt eher dem Leser zum Weiterdenken überlassen, denn ab und zu sollte daran erinnert werden, warum es die Hinweise überhaupt gibt. Im Gegensatz zu den meisten Tageszeitungen verstehen sich die „Hinweise“ als Anregung zum Denken, nicht nur als Übermittlung von Nachrichten. Natürlich lässt sich dadurch die Subjektivität nicht immer verbergen, manchmal kommt sie sicher sogar sehr stark zu Vorschein, aber nichtsdestotrotz hoffe ich, dass der gesunde Menschenverstand bei jedem Leser selbst einsetzt. Wie schon häufiger bemerkt: „Jeder soll an das glauben, an was er will.“
Offene Fragen, die man sich selbst beantworten kann (wenn man will) oder die man sich als SPIEGEL-Redakteur bzw. -Journalist sicherlich mal gefragt hat, aber welche mittlerweile aus dem Blickfeld geraten sind bzw. mussten:
1. Kann ein Journal wirklich investigativ sein, wenn es zu mehr als einem Drittel von Werbepartnern unterstützt wird?
2. Inwieweit sind also wirklich kritische Artikel über die Automobil- und Finanzindustrie überhaupt möglich?
3. Warum macht ein investigatives Journal Werbung für vermeintliche Konkurrenten (z.B. STERN)?
4. Wie lässt es sich erklären, dass der SPIEGEL für die BILD-Zeitung wirbt?
5. Welches Klientel erwartet der SPIEGEL unter seiner Leserschaft?
6. Was wären die Konsequenzen, wenn die BILD-Zeitung im Gegenzug Werbung für den SPIEGEL machen würde?
7. Woran könnte es liegen, dass Heft 42/2003 einen derart großen Werbeanteil hatte und das Titelthema „Versenktes Geld“ hieß?
8. ...
Diese Liste ließe sich sicher noch erweitern und einige Fragen mögen vielleicht nicht sonderlich wichtig sein, aber dennoch denke ich, kann sich jeder ein Bild über die Fähigkeiten des SPIEGELs als „wirklich investigatives Journal“ machen.
In diesem Sinne, einen guten Start in die Woche, Euer Micha.
PS:
Diese e-Mail kann wie immer gern weitergeleitet werden.