von Michael Winkler |
„Das ist der größte Fehler bei der Behandlung von Krankheiten, dass es Ärzte für den Körper und Ärzte für die Seele gibt, wo beides doch nicht getrennt werden kann.“
Plato
(427-347 v. Chr.), gefunden auf einem Informationsblatt einer Heilpraktikerin
„Die
Erforschung der Krankheiten hat so große Fortschritte gemacht, das es immer
schwerer wird, einen Menschen zu finden, der völlig gesund ist.“
Aldous
Huxley (1894 – 1963), zu finden unter www.aphorismen.de
Freies
Radio Dresden
Auf
UKW 99,3 mHz läuft jeden Tag von 18-24 Uhr „radiostadt 1“, welches ein
Projekt im Rahmen von DRESDENPostplatz (www.dresden-postplatz.de)
ist. Vom 12.-14.09.2003 wird der Sender 24 Stunden „on air“ gehen (dann
evtl. auch auf 100,2 mHz). Unter
anderem wird am Sonntag, den 14.09.2003, von 16 bis 17 Uhr eine Sendung zum
Thema „Stottern“ zu hören sein – u.a. moderiert von meiner
Wenigkeit. Näheres auch unter www.freie-radios.de/radionull.html.
11.September
XXXX
Heute
(mittlerweile gestern) jährt sich nicht nur der Jahrestag der Attentate in den
USA zum zweiten Mal, sondern heute ist auch der 30.Jahrestag des
Pinochet-Putsches in Chile. Nachdem ich jahrelang auf einer
Dr.-Salvador-Allende-Straße wohnte, ist es wohl eine besondere Verpflichtung für
mich, an den Tod Allendes und den CIA-unterstützten Militärputsch zu erinnern.
Bis 1989 starben mindestens 3000 Menschen unter dem Pinochet-Regime. Des
Weiteren wäre der deutsche Philosoph, Soziologe und Komponist Theodor W. Adorno
(1903-1969) heute 100 Jahre alt geworden.
Wunderbare
Werbewelt
Nun
wir wissen es nicht, ob sich mit Brad Pitt auch die anspruchsvollen
Rollen für immer von Gwyneth Paltrow verabschiedet haben, aber wie dem
auch sei ... es ist wohl nicht
wirklich wichtig. Wenn ich mir ihren Film „Flight Girls“ (Infos
für Interessierte unter Webadresse siehe rechts) auch kaum anschauen
werde, so hat er mir doch schon vorher jede Menge Spaß bereitet. Konnte
man in Deutschland wirklich keinen besseren Kinostart als ausgerechnet
den „11.September“ finden? Machen wir aus dem „11. September“
jetzt eine Komödie? Ich wäre dabei, das Weiße Haus hat schließlich
mit dem Spaß angefangen, also warum sollte man da nicht mitmachen? Oder
will man nun den krassen Gegensatz des bösen schwarzbärtigen Moslems
– die junge, fesche (christliche?) Blondine – durch die Lüfte
schweben lassen? Oder ist dies etwa der offizielle Hollywood-Film zum
„11.September“, so wie ich ihn in Hinweis
15 schon mal gefordert hatte? Nun
auch diese Fragen werden unbeantwortet bleiben, genau wie Hunderte
Fragen rund um die Terroranschläge am 11.September 2001. |
Besser
geht’s wirklich nicht: „Achtung! Bitte anschnallen und die Rückenlehne senkrecht stellen: Blondinen im Anflug!“(O-Ton,
entnommen http://www.prosieben.de/film/specials/flight_girls/) |
Doch
von Hollywood zurück nach Dresden ...
Die
Wiederkehr der Seuchen – SARS und andere „Terroristen“
Am
28. Mai 2003 – mitten in der SARS-Saison – besuchte der renommierte
Immunbiologe Prof. Dr. Stefan H. E. Kaufmann (geb. 1948) vom Max-Planck-Institut
für Immunbiologie in Berlin das Dresdner Rathaus und hielt vor knapp 150 Zuhörern
einen Vortrag zum Thema „Die Wiederkehr der Seuchen“. Es sind schon wieder
mehr als 3 Monate seit dem vergangen, aber die Erlebnisse sind mir noch so
bildhaft in Erinnerung – weil sie einfach stellenweise so unglaublich waren
– dass ich heute einige Begebenheiten noch einmal schildern möchte. Herr
Prof. Dr. Kaufmann ist also kein unbeschriebenes Blatt, wie ich allerdings erst
nach dem Vortrag erfahren habe, und auch wenn man wissenschaftliche Inhalte
einem nichtwissenschaftlichen Publikum beibringen soll, sagt einem doch
sicherlich die Forscherehre, dass es da gewisse Grenzen und Normen geben sollte.
Prof. Kaufmann kannte offensichtlich andere Normen, als er kurz nach Beginn des
Vortrags den waghalsigen Vergleich hervorbrachte, dass SARS – betrachtet man
einmal die Opferzahlen – gefährlicher als der Irak-Krieg sei, aber weniger
gefährlich als Tuberkulose oder AIDS. Er zählte im Anschluss berühmte
Seuchenopfer wie Karl Marx (ich glaube, es war bei Marx „nur“ Tuberkulose)
oder den Maler Hans Holbein auf. Als er in das 20. Jahrhundert kam, erzählte er
eine Geschichte über Lenin, der nach der Oktoberrevolution 1917 gegen einen der
größten Krankheitsüberträger – der Laus – zu kämpfen hatte. Lenin soll
laut Kaufmann den Ausspruch „Entweder der Sozialismus besiegt die Laus, oder
die Laus besiegt den Sozialismus.“ getätigt haben. Der Immunbiologe ergänzte
diese Anekdote mit den Worten „Naja, wir können uns ja dann hinterher mal
draußen bei einem Glas Sekt unterhalten, was besser gewesen wäre.“ Spätestens
hier wusste man, aus welchem politischen Lager der Virenterrorjäger kam.
Vielleicht ist es kein Zufall, dass Kaufmann ebenso wie Helmut Kohl und Kurt
Biedenkopf in Ludwigshafen zur Welt gekommen ist. Aber es sollte noch besser
kommen ...
Herr
Kaufmann versuchte sein Bestes, dem Publikum die Wichtigkeit seiner Forschung
und der des Max-Planck-Institutes nahe zu bringen. Letzten Endes war sein
Vortrag aber nichts anderes als eine wunderbare Propaganda-Show für die
Pharmaindustrie. Kaufmann zeigte sich überzeugt von der Gefahr, die z.B. von
den Pocken ausgehen. Man erinnert sich vielleicht, dass die Bundesrepublik
Anfang diesen Jahres 100 Mio. Impfdosen gegen Pocken gekauft hatte. Die einzigen
Länder allerdings, die den Pockenvirus angeblich noch besitzen, sollen Russland
und die USA sein. Er wies auf die Wichtigkeit von Impfungen hin und ergoss sich
in solchen wunderbaren Sätzen wie „Der Impfmuffel ist ein größeres Risiko
als der Impffan.“ Er rügte Frankreich, wo Impfungen nur noch fakultativ
seien. Um dem unterbemittelten Zuhörer – in Zeiten des „offiziellen“
Irak-Krieges (Ende Mai) – deutlich zu machen, welchen Gefahren er tagtäglich
ausgesetzt ist, gab er einigen Krankheiten bzw. ihrer Wirkungsweise verständliche
Namen. SARS wirkt wie ein „Blitzkrieg“, Hepatitis ist ein „Grabenkämpfer“
und AIDS ein „Guerilla-Kämpfer“. Wenn ich nicht dabei gewesen wäre, würde
ich es nicht glauben ...
Ab
einem gewissen Punkt wusste ich nicht, was noch kommen konnte. Kurz vor Schluss
seiner propagandistischen Meister-PowerPoint-Show schwang sich dann „Dr. med.
vir. Impf. SARS“ Kaufmann zu seinem besten Satz „Die Natur ist der größte
Bioterrorist.“ auf. Bei soviel Achtung und Respekt vor der Natur fielen seine
Bemerkungen ganz am Schluss fast schon gar nicht mehr auf. Kaufmann ging auf die
Interessen der Industrie ein – kurz und knapp, aber er hatte seinen Job
gemacht. Ja, die Industrie will eine Amortisierung der Kosten. So weit war das
verständlich, denn wenn ein Unternehmen Miese macht, ist es bald Pleite. Ja,
die Industrie will nicht bloß ihre Kosten amortisiert sehen, sie „will Gewinn
machen“. Und da die Industrie sehr selbstlos agiert, fügte Dr. Kaufmann noch
hinzu, dass die Renditeerwartungen der Industrie sehr gering sind. Die USA seien
da viel weiter als Europa, wo es solche Impfmuffel wie die Franzosen gibt. In
den USA gibt es staatliche Finanzierungsprogramme – ja es gibt nicht nur
staatliche Finanzierungsprogramme für weltweite Kriege, nein es gibt noch viel
mehr. Kaufmann anerkannte auch sogleich George W. Bushs Kampagnen für das
Impfen (O-Ton: „Man kann ja halten von dem Mann, was man will, aber ...), denn
auch die Weltbank und die Weltgesundheitsorganisation lobten das weltweite
Impfen. Und noch mehr lobte Kaufmann einen Mann namens Bill Gates, der eine
Stiftung für das Impfen eingerichtet hat. Ja, Bill Gates will vielen Menschen
helfen und wenn man sich die Marketing-Strategien von Microsoft mal etwas näher
ansieht, dann kann man sich vielleicht ungefähr ausmalen, was Bill Gates
eigentlich will ...
Nun,
im Anschluss an diesen wunderbaren Vortrag erwartete ich eigentlich eine öffentliche
Fragerunde – die aber nicht in dieser Art kam. Das Max-Planck-Institut für
Immunbiologie hatte da offensichtlich einen anderen Modus. Man konnte Herrn
Kaufmann dann bei einem Glas Sekt einige Fragen stellen, ungefähr in der Art
„Wie war das eigentlich noch mal mit den Stakokokken?“ Man konnte auch
Fragen der anderen Art stellen, aber das besser beim nächsten Mal ...
In
diesem Sinne, einen schönes Wochenende, Euer Micha.
PS:
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