KOMÖDIE, USA 1996 Regie: Hugh Wilson,
Buch: Robert Harling, nach Olivia Goldsmith,
Kamera: Donald E. Thorin,
Schnitt: John Bloom,
Darsteller: Bette Midler (Brenda), Diane Keaton (Annie Paradisee), Goldie Hawn (Elise), Maggie Smith (Gunilla Goldberg), Sarah Jessica Parker (Shelly), Dan Hedaya (Morty), Bronson Pinchot (Duarto), Jennifer Dundas (Chris), Eileen Heckart (Catherine), Stephen Collins (Aaron), Victor Garber (Bill), Elizabeth Berkley (Phoebe), Marcia Gay Harden (Dr. Leslie Rosen), Philip Bosco (Onkel Carmine), Stockard Channings, Rob Reiner, Ari Greenberg, Aida Linares, Ivana Trump, Christopher Burge, J. Smith-Cameron, Timothy Olyphant, Edward Hibbert Kinostart: 13/12/1996
Drei lockere Ladies tun sich zusammen, um ihren Männern das Wasser abzugraben. Nachdem die, allesamt Top-Manger, ihre Ehefrauen jüngeren Geliebten geopfert haben, sinnen die Betrogenen auf ausgleichende Gerechtigkeit. Sie treiben ihre Ex-Männer in den finaziellen Ruin, ziehen daraus für sich neues Selbstbewußtsein, Zufriedenheit und Glück. (Verleihprogramm)
Dem Vernehmen nach unglaublich viel Spaß hatten Goldie Hawn, Diane Keaton und Bette Midler, als sie The First Wives Club drehten, jene Komödie, die zuletzt in den USA in der Marktschiene "verärgerte Ehefrauen" aus dem vollen schöpfte. Etwas weniger Spaß hat man hierzulande zuerst mit dem Synchrontitel Der Club der Teufelinnen, der ein wenig auch auf Leserinnen von Fay Weldons Die Teufelin schielt, aber was soll’s. Im Bereich "glatte Komödien" gab es zuletzt sehr viel Ärgerlicheres. Wir wünschen den drei Ladies, die hier etwas forciert beschwingt ihre Emanzipation tanzen und zerkalauern in Hinkunft wieder bessere Drehbücher. (cp - DER STANDARD)
Großaufnahme für einen Filmstar: Goldie Hawn sitzt in einem Sessel, leicht zurückgelehnt, schwer lasziv, um Zuwendung bettelnd. Der Herr gegenüber ziert sich ein wenig, es ginge nicht, es mache keinen Sinn. Goldie will trotzdem, hier, jetzt, sofort: eine weitere Injektion in die Lippen, mehr Kollagen rein, viel mehr, verstanden? Sie habe ein Treffen mit einem Produzenten, da müsse man doch nach was ausschauen. Ende des Gags, ab zum nächsten: Goldie auf der Straße, fettlippig, abgetakelt (aber glamourös). So ist das, wenn Hollywoodstars, die Unersättlichen, sich an die wöchentliche operative Schönheitskorrektur gewöhnt haben. Am Ende sehen sie ganz künstlich aus, wie nach einem Unfall - oder auch: wie Goldie Hawn in einer anderen Komödie, in Zemeckis' Der Tod steht ihr gut.
Dieser neue Film, der an so viele andere Film erinnert, heißt jedenfalls Der Club der Teufelinnen (original: The First Wives Club), und er beweist, daß die Ideen rar sind in Hollywood, aber profitabel bleiben, egal wie alt diese sind. Drei Frauen um die fünfzig, so die Story, schlagen zurück, treten aus dem Schattendasein, das sie in Selbstaufopferung für ihre erfolgreichen Ex-Ehemänner geführt haben. Sie verwirklichen sich selbst, indem sie erstens Gewalt anwenden und zweitens ihre intriganten Männer imitieren: Am Ende dieses Lustspiels, nach erfolgreichem Abschluß ihrer konzertierten Aktion im "Club der Teufelinnen", sitzen sie im Chefsessel, haben ihre Unabhängigkeit und vor allem endlich selbst die Wahl, wen, wie und warum sie fortan lieben.
Ein paar Einstellungen sind nötig, mehr nicht, um eines klarzustellen: Hier herrscht die Karikatur (und nichts als die Karikatur). Die liebe Goldie Hawn spielt sich, mit brutaler Persiflage, selbst: ein Kinostar mit Jugendwahn; die brave Diane Keaton dagegen tut so, als wäre sie noch immer bei Woody Allen, komplett mit Psychoanalytiker und Mutterproblem; und Bette Midler ist wieder so, wie man sie liebt: die dynamische Amerikanerin mit Trockenwitz & Korpulenz.
Der Club der Teufelinnen hat ein Zielpublikum, das merkt man jeder Sekunde dieses Films an, ein target, wie man das unter Kinoindustriellen martialisch nennt: ein Film für den weißen Mittelstand und jedes Lebensalter, Kino für lustige Paare und alleinstehende Damen, für Menschen, die Feminismus immer schon mit Rache-an-den-Männern verwechselt haben. Da stören, folgerichtig, auch ein paar homophobe Gags und der herbe Slapstick keineswegs.
Jemand, der Hugh Wilson heißt, hat den Film übrigens inszeniert, aber das tut nicht viel zur Sache: Seine Regie ist dem Paramount-Studio und Mega-Producer Scott Rudin offensichtlich nur Mittel zum Zweck, reine Formsache. Wilson setzt die Geschichte so in Szene, wie er davor auch seine Fernsehshows und Police Academy inszeniert hat: nämlich gar nicht. Der unsichtbare Stil Hollywoods, das professionell-reibungslose Erzählen im Kino, das war einmal etwas, das man respektieren konnte, in den Tagen von Casablanca, als Regisseure wie Howard Hawks oder Leo McCarey komödiantisch aktiv waren.
Bei Strohmann Wilson ist die Unsichtbarkeit seiner Regie nur mehr Vertragssache: Teil eines Spiels, das an erzählerischer Ökonomie so wenig interessiert ist wie an allen anderen Stilfragen. Der Club der Teufelinnen bleibt daher Stückwerk, trotz eines clever choreographierten Musical-Finales: eine bloße Serie gespielter Witze für drei Karikaturistinnen des Kinos, auf deren Sympathiewerte hier alles abzielt. (Stefan Grissemann - DIE PRESSE)
Liebe ist schön. Doch was tun, wenn sie endet? In Depression verfallen? Drei Damen um die 50, von ihren Männern zwecks Tausch gegen jüngere Exemplare ins Eck gestellt, finden das nicht besonders gut. Sie entdecken die Lust an der Rache. Also zwicken sie ihre verflossenen besseren Hälften dort, wo es denen besonders weh tut: am Geldbeutel. Mit Cleverness und Tücke werden die stolzen Männer über den Tisch gezogen, bis sie nur noch als jammernde Männchen übrigbleiben. Dieser Verwandlung zuzuschauen löst im Kino Lach-Orkane aus. Die drei Ladies ziehen nicht nur in einen fintenreichen Guerilla-Kampf gegen die Macho-Welt - sie liefern auch den Stoff für einen der lustigsten Filme des Jahres. Tempo, Tempo, Tempo muß bei dieser Produktion die Devise gewesen sein.
In den besten Passagen perlen die Pointen im Sekundentempo, und der Wortwitz blitzt wie in den brillanten Screwball Comedies der vierziger Jahre. Nur manchmal wird die Schraube überdreht. Da wandelt sich die Komik zum Klamauk. Der Film lebt vom Glanz von drei großartigen Schauspielerinnen. Goldie Hawn ist Elise, der Filmstar. Gut abgefüllt mit Collagen und Wodka, jagt sie ihrer verlorenen Jugend hinterher und verwöhnt den Zuschauer mit befremdlichen Temperamentausbrüchen.
Bette Midler spielt Brenda, das Hausmütterchen, und wickelt sich für diese Rolle in Outfits, die ein Model zur Matrone machen würden. Doch hinter der braven Fassade keimt komödiantische Aggression. Diane Keaton wiederum, kein Stammgast im Lustspielfach, widmet sich voll Hingabe der Hysterie. Ein zahmes spätes Mädchen wird zur coolen Powerfrau. Natürlich kommt es den Damen zugute, daß ihre männlichen Widerparts außer der Lust auf junge Damen nicht viel im Schädel haben. Das Männerbild in diesem Film mag schablonenhaft sein - egal. Der Witz heiligt die Mittel. (Günther Baumann - KURIER)
USA 1996 Regie: John Duigan,
Buch: Virginia Duigan,
Kamera: Jean Francois Robin,
Schnitt: Humphrey Dixon,
Darsteller: Jon Bon Jovi (Robin Grange), Lambert Wilson (Felix Webb), Anna Galiena (Elena Webb), Thandie Newton (Hilary Rule), Barry Humphries (Humphrey Beal), David Warner (Tod), Patricia Hodge (Delvene), Diana Quick (Susan), Tam Dean Burn (Henry), Harriet Walters (Liz Flett), Clare Cox, Kevin McKidd, Laura Austin Little, Daniel Worters, Camilla Ohlsson Kinostart: 13/12/1996
Der Film spielt in der Londoner Theaterwelt, ein neues Erfolgsstück wird inszeniert und der Gaststar aus Amerika, der die Hauptrolle bekommen hat, entpuppt sich als erotischer Unruhestifter, der die heimlichen Liebschaften seiner Kollegen sehr schnell durchschaut und beginnt, sie zu seinem eigenen Vergnügen und Vorteil auszunutzen. (Verleihprogramm)
Die ganze Welt ist Bühne, vor allem im Kino, keine Frage. Deswegen ist auch Rockstar Jon Bon Bovi in jeder Hinsicht der Leading Man in John Duigans gleichnamigem Edelproblemfilm. Wer hier welche Dialoge schreibt, um sie dann reigenweise den Frauen in die widerwillig gespitzten Ohren zu raunen, ist das Thema. Soviel kann man aber verraten: Der Autor des Stücks, dessen Hinterbühnen-Kabale verhandelt werden, tost wie ein Brecher auf dem Schaum der Gefühle, die er nicht mehr loswird, nachdem er sie herbeibeschworen hat.
Und der Beau, der stets das Böse darstellt und dabei das gute Ende schafft, sieht nicht sehr entfernt dem Tormann von Bayer München ähnlich – man sucht nach einem Korken, um dieses Gefühlswechselbad ausrinnen zu lassen. Jetzt im Kino. (reb - DER STANDARD)
Jon Bon Jovi, stimm- und lendenstarkes Popidol, hat sich aus dem Getümmel kreischender Fans in das Dickicht eines Psychodramas verlaufen. Er wird auch ohne Markierung seinen Weg zurückfinden: der erste Ausflug ins Schauspielfach brachte ihm eher kalte Füße. Die Temperatur stimmt bei diesem bemüht raffinierten Gefühlstreibhaustreiben nicht, ebensowenig die Geometrie... Es war halt immer schon etwas banal, aus einem Drei- ein Viereck zu basteln. Und wenn statt vorgeblicher Siedehitze lauwarme Dialoge plätschern, kommt der düpierte Zuschauer nur schwer auf Touren.
Theaterleute, wie man weiß, huldigen lockerer Moral. Eines berühmten, mit Familie wohlversorgten Bühnenautors Hormone schäumen einer schokofarbenen Elevin zu. Das hilft seinem Genius auf die Sprünge und ihrer Karriere. Lästig dabei nur die gedemütigte Gattin. Da bietet sich Jovis affärenreicher Hollywood-Star als Einspringer an, den Frust der Ehefrau zu lindern . . . Neben echtem Gift wie "Gefährliche Liebschaften" wirkt dieses Intrigengeplänkel harmloser als ein Energy Drink. (Rudi John - KURIER)
USA 1996 Regie: Renny Harlin,
Buch: Shane Black,
Musik: Alan Silvestri,
Kamera: Otto Nemenz, Guillermo Navarro,
Schnitt: William C. Goldenberg,
Darsteller: Geena Davis (Samantha Caine "Charly"), Samuel L. Jackson (Mitch henessey), Patrick Malahide (Perkins), Craig Bierko (Timothy), Brian Cox (Nathan), David Morse (Luke Daedalus), G.D. Spradlin (Präsident), Tom Amandes (Hal), Yvonne Zima (Caitlin), Melina Kanakaredes (Trin), Alan North (Earl), Joseph McKenna (One-Eyed Jack) Kinostart: 13/12/1996
Das fetzt und knallt, man lacht, staunt und duckt sich: Seit dem ersten "Die Hard"-Thriller hat man sich nicht mehr so originell unterhalten gefühlt. Im vollbesetzten Saal im Sony Lincoln Square wurde mehr als einmal laut geklatscht. Die Grundidee ist einfach, indem die Hauptrolle mit einer Frau besetzt wurde. Das Drehbuch hält dann weiter wilde Varianten und vor allem trocken witzige Dialoge bereit, während Regisseur Harlin in bewährter Manier auf den Putz haut. (...) (Andreas Fuchs, Filmecho/Filmwoche, 44/96)
Die Eskapaden des Joe Eszterhas, der für dreiseitige Treatments zu Erotik-Thrillern in der Nachfolge von Basic Instinct Dollar-Millionenbeträge kassiert, haben schon für viel böses Blut in der Branche gesorgt. Und die Kinnladen besorgter Studiobosse konnte man vor gut zwei Jahren förmlich in Knietiefe absacken sehen, als der knapp 30jährige Gelegenheitsakteur und -autor Shane Black ein Script mit dem Titel The Long Kiss Goodnight um umgerechnet über vierzig Millionen Schilling verhökern konnte.
Den Rekordpreis nämlich war seine schlichte Story schon in der Papierform nicht wert. Sie könnte direkt aus der untersten Schublade eines wenig talentierten Groschenroman-Routiniers stammen: Eine Hausfrau und Mutter hat, was ihr Vorleben als gedungene Mörderin für den CIA betrifft, eine riesige Gedächtnislücke. Sehr bald aber, unter anderem beim Karottenschneiden, kommt sie sich und ihrer Persönlichkeitsspaltung auf die Schliche und rechnet blutig mit früheren Feinden und Kollegen ab.
Weil aber schon unglaubwürdigere Stoffe mit etwas Stil ansehnliche Leinwanderlebnisse wurden, wird man das vollständige Debakel, das der fertige Film geworden ist, dem Regisseur Renny Harlin (Die Harder, Cliffhanger) anlasten müssen. Den Unmengen an Geld, die er als sein eigener Produzent in das jüngste Vehikel für seine Frau und Hauptdarstellerin Geena Davis hineinpulverte, läßt er inszenatorisch bestenfalls schlechte Anleihen folgen.
Hier ein bißchen Thelma und Louise, dort Restelemente von Pulp Fiction: Samuel L. Jackson spielt zu alten Soul-Klassikern mit schweren Schußwaffen – und fortlaufend halten sich Humor und Atemlosigkeit in Grenzen. Am kläglichsten scheitert Harlin aber genau dort, wo seine ballistischen Ballett-Einlagen physische Präsenz gewinnen sollten. Während Luc Besson seiner Killerfrau Nikita vor neonblauen Hintergründen immerhin comicshafte Posen abforderte, hat Geena Davis sich weitgehend vergeblich in der Kraftkammer geschunden.
Überaus konventionell sind sämtliche Shootouts und Explosionen angelegt. Und erschreckend dumm – wie der deutsche Synchrontitel Tödliche Weihnachten – sind die halbwitzigen Vorstellungen, die sich hier kindliche Gemüter von einer Mannfrau machen. Einmal pinkelt etwa ein Bub in die Hose, weil die Frau Nachbarin schwerbewaffnet durch den Garten schleicht. Von mehreren lauen Genital-Späßen ganz zu schweigen. Selten gelingen prägnante, ambivalente Verdichtungen wie jene Szene, in der Davis ein Weihnachtsspiel mit ihrer Tochter durch das Zielfernrohr eines geladenen Gewehrs beobachtet.
Darüber hinaus scheint Harlin nach verheerenden Testvorstellungen schlicht Angst vor der eigenen "Courage" bekommen zu haben. Ein friedliches weihnachtliches Idyll gleich zu Beginn unterlegt er mit plumpen Off-Kommentaren, frei nach dem Motto "Gleich geht's wirklich los". Und wenn während des Films mitunter ein unbändiger Haß der Heldin auf Männer und Familie angedeutet wird, so führt am Ende doch alles zu purer, tatsächlich gnadenloser Mutterliebe zurück. Ländliche Abgeschiedenheit am Ende, wo der Davis im Familienkreis spielerisch noch einmal ein Messer wirft, ist da bestenfalls noch die Ankündigung einer Fortsetzung. Von der werden wir aber, recht durchschnittlichen Einspielergebnissen in den USA zufolge, verschont bleiben. (Claus Philipp - DER STANDARD)
Als "The Long Kiss Goodnight", so der Originaltitel, in Amerika ins Kino kam, beschrieb Geena Davis ihre Rolle mit strahlendem Lächeln so: "I kill everybody". Stimmt. Geena Davies bringt alle um. Nach Zählung des Rezensenten ermordet sie im Lauf des Films 34 Menschen, während gleichzeitig fünf Mordversuche an ihr scheitern. Vorzugsweise tötet sie durch Erschießen. Weitere Waffen sind Messer oder ihre Hände: Einigen Opfern bricht sie das Genick. Die Mordlust der Dame erklärt sich im Drehbuch aus ihrer Vergangenheit. Demnach war sie einst eine Killerin im Dienste der CIA, die später einem gnädigen Gedächtnisverlust verfiel. Doch kaum kehrt die Erinnerung zurück, erwacht die Freude am Töten wieder.
Wie das Leben so spielt, sind auch ihre alten Feinde pünktlich zur Stelle. Während andere Action-Reißer ihre Massaker mit hehren Anliegen wie zum Beispiel der Rettung der Welt verknüpfen, verzichtet dieses bluttriefende Weihnachtsbonbon darauf, die Motive seiner Protagonisten zu erläutern. Shane Blacks wirres Drehbuch verhöhnt die Intelligenz des Zuschauers durch eine absurde Häufung von Zufällen. Fazit: Geena Davis, die mit ihrem Mann, dem Regisseur Renny Harlin, schon einmal einen Superflop baute ("Die Piratenbraut"), schuf auch beim zweiten Gemeinschaftsprojekt ein Fiasko. Eine große Schauspielerin sieht rot. (Günther Baumann - KURIER)
Albert ist ein Waisenkind aus Las Vegas. Als er zu seiner Pflegemutter ins ferne New Jersey zieht, bringt er zu aller Überraschung seinen besten Freund Bogus mit. Eigentlich nicht Ungewöhnliches, wäre Bogus nicht unsichtbar und würde nur in Alberts Vorstellung existieren. Dies ist der Beginn für eine einfühlsame und humorvolle Geschichte. (Verleihprogramm)
Wenige Minuten lang eröffnen sich traumhafte Aussichten: Ein entrückt grinsender, riesenhafter Franzose tänzelt mit seiner Partnerin über spiegelndes Parkett. Vor und nach dieser Szene erlebt ein kleiner verwaister Junge (Haley Joel Osment), der sich im Haushalt seiner Patentante (Whoopi Goldberg) verloren fühlt und sich einen "unsichtbaren" Freund namens Bogus (Gérard Depardieu) erfunden hat, diverse Abenteuerchen und am Ende natürlich das Glück irdischer Bindung.
Regisseur Norman Jewison ist weiter ins rührselige Familien-Konfektionskino angedriftet. Vor allem jene, die Depardieu jüngst in Pialats Le Garcu beim Vater-Sein zugesehen haben, würden staunen: In Bogus wird er in edle Stoffe gehüllt, auf seine massive physische Präsenz reduziert und das Verhältnis zu seinem kleinen Schützling auf den Nenner eines visuellen Klischees aus kontrastierenden Körpern. Jetzt im Kino (irr - DER STANDARD)
Was für ein Jammer: Da hat ein Film Stars wie Whoopi Goldberg und Gerard Depardieu, doch dann degradiert er sie zu Statisten, um die ganze Last der Handlung einem Kinderdarsteller aufzubürden. Das muß schiefgehen, und so ist die Enttäuschung groß. "Bogus", ein Märchen über die heilsame Wirkung von Wundern und Magie, scheint selbst nicht an diese Wirkung zu glauben. In "Bogus" geht es um einen kleinen Jungen, der nach dem Unfalltod seiner Mutter zu einer Tante verfrachtet wird und in seiner Einsamkeit eine Phantasiefigur erfindet - einen Mann, Bogus mit Namen, der ihm hilft, die Traurigkeit zu überwinden.
Dieser Mann ist für alle unsichtbar - außer für die Kinozuschauer und den kleinen Jungen. Gerard Depardieu spielt Bogus notgedrungen eindimensional - wie ein treuer Hund hechelt er seinem Schützling hinterher. Auch Whoopi Goldberg zeigt nur Ansätze ihres Könnens. Sie ist Alberts Tante: Eine Geschäftsfrau, die sich durchs Leben grantelt und die außer Zorn und Ungeduld keine Emotionen zu kennen scheint. Schade drum - und erstaunlich, daß ein Regie-Star wie Norman Jewison an diesem Schlamassel beteiligt ist. (Günther Baumann - KURIER)
USA 1996 Regie: Hart Bochner,
Buch: David Zucker, Robert LoCash, Pat Proft,
Musik: Ira Newborn, Tim Sexton ,
Kamera: Vernon Layton,
Schnitt: James R. Symons,
Darsteller: Jon Lovitz (Clark), Tia Carrere (Victoria), Louise Fletcher (Mrs. Doyle), Mekhi Phifer (Griff), Malinda Williams (Natalie), Guillermo Diaz (Paco), Lexie Bigham (Two Bags), Gil Espinoza (Alonzo), John Neville (Thaddeus), Brian Hooks (Anferny) Kinostart: 13/12/1996
Hurra, hurra die Schule brennt. Das ist die Devise der Barry High School. Standort: tiefstes Ghetto in einer amerikanischen Großstadt. Genau das Richtige für Geschichtslehrer Richard Clark, der bisher an einer superfeinen Eliteschule unterrichtete. An seinem ersten Schultag sind binnen Sekunden Auto, Aktentasche und Armbanduhr verschwunden. Aber Clarks naiver Optimismus bleibt ungebrochen. Immer lächelnd stapft er munter von einem Fettnäpfchen ist nächste, fest davon überzeugt, aus seinen Schülern College-Anwärter machen zu können. Der Schlüssel zum Erfolg ist Griff, Ex-Anführer einer Gang und King im Klassenzimmer. Wenn Griff lernt, dann auch die anderen. Allmählich gewinnt Clark das Vertrauen der Schüler. (Verleihprogramm)
Unter der Ägide des ehrenwerten "Producer Formerly Known As David Zucker" versucht Regisseur Hart Bochner mit High School High die längst fällige, brachial-humoristische Umarbeitung eines unsäglich reaktionären Genres: Was bislang unter Titeln wie Dangerous Minds zum Thema "Der Niedergang des öffentlichen Schulsystems und die verantwortungsvolle Rolle des idealistischen Pädagogen im Nahkampf um das Wohl lernwilliger Schmuddelkinder" auf Leinwänden zu sehen war, wird unter Mitwirkung von Saturday Night Life-Veteran Jon Lovitz, Tia Carrere (Wayne's World) und Louise Fletcher durch den Kakao gezogen. Trotz kleiner Glanzlichter leider nur halblustig. (irr, DER STANDARD, 30/12/1997)
Die Zucker-Fabrik höheren satirischen Kino-Blödsinns legt ihr jüngstes Produkt vor: David Zucker, (Mit-)Schöpfer so berühmter Farcen wie "Airplane" oder "Die nackte Kanone", gewährt diesmal Einblick in die ziemlich unheile Welt des amerikanischen Schulwesens. Schauplatz ist eine High School, in der die Schüler vor Beginn des Unterrichts höflich (aber erfolglos) darum ersucht werden, ihre Waffen abzugeben. Die Lehr-Anstalt ist ein Paradies für junge Gauner, die dort alles mitnehmen, was man fürs Leben so braucht: Das Wissen etwa, wie man ein Auto stiehlt, und das Auto gleich dazu.
Hauptfigur ist eine traurige Gestalt von einem Lehrer, der mit der Naivität und der Unbeugsamkeit eines Don Quijote für das Gute im Schüler ficht. Und weil der Film eine Komödie ist, darf die Sache auch ein positives Ende nehmen. Bis zum Finale durchschreitet der Zuschauer ein Wechselbad besserer und schwächerer Scherze. Manchmal geht der Slapstick auf Krücken, doch unterm Strich bleibt eine vergnügliche Expedition in eine Schule, die heimischen Lehrkörpern als blanker Horror erscheinen muß. (Günther Baumann - KURIER)
LOTTA AUS DER KRACHMASCHINE (LOTTA PA BRAKMAKARGATAN)
KINDERFILM, S 1992 Regie: Johanna Hald,
Buch: Johanna Hald, Astrid Lindgren,
Musik: Carl Myrén, Klas Dykhoff,
Kamera: Olof Johnson, Torbjörn Andersson, Roland Skogfeldt,
Schnitt: Jan Persson, Kjerstin Eriksdotter,
Darsteller: Grete Havnesköld (Lotta), Linn Gloppestad (Mia), Martin Andersson (Jonas), Neatrice Järas (Mama), Claes Malmberg (Papa), Margreth Weivers (Tante Berg), Rune Turesson (Großvater), ElseMarie Sundin Westman (Großmutter), Alice Braun (Majken), Pierre Lindstedt (Kalle Fransson) Kinostart: 13/12/1996
Im Mittelpunkt steht ein vierjähriges Mädchen, das sich trotz Schwierigkeiten zu behaupten weiß. Ein kindgerechter Film voller Charme und einer natürlich agierenden kleinen Hauptdarstellerin. Ein Appell für eine harmonische, behütete Kindheit. (...) Die schwedischen Kinderbuchautoren produzieren Harmonisch-Familiäres ohne schrille Farben und Töne. Kaum etwas, was aus dem Rahmen fällt, bis eben auf die fünfjährige Lotta. Man nimmt am Alltag, an einem Wochenendausflug und dem Geburtstag von Lotta teil. Ihr sehnlichster Wunsch, ein Fahrrad, scheint sich nicht zu erfüllen, so daß Lotta die Sache selbst in die Hand nimmt. (tip, 3/94)
(...) Ein kindgerechter Film voller Charme, mit einer natürlich agierenden Hauptdarstellerin. Ein Appell für eine harmonische, behütete Kindheit. (Zoom, 5/96)
"Ich kann wirklich fast alles" sagt die kleine semmelblonde Lotta aus der Krachmacherstraße. Das fünfjährige Mädchen weiß genau, wie sie sich gegen die großen Geschwister und die Erwachsenen durchsetzen kann. Auch wenn sie nicht immer sofort einen Ausweg weiß, irgendwann kommt ihr immer die Idee für eine Lösung. (...) Regisseurin Johanna Hald beweist eine sichere Hand und verzichtet auf alberne Kindtümeleien. (Heiko R. Blum, Kölner Stadt-Anzeiger, 29.1.94)
Lotta wünscht sich zum Geburtstag ein Fahrrad . . . Auf weitere Turbulenzen wartet man in dieser Geschichte vergeblich. Klein Lottas Leben verläuft in entsprechend familienfreundlichen Bahnen: Daddy als Wurmbändiger beim Angeln, die beflissen lächelnde Mama nervt mit jovialem Getadel. Der trockene Bullerbü-Witz erinnert frappant an die Streiche des Karottenkopfs Pippi Langstrumpf. Nur sind diese Abenteuer weit weniger pfiffig, obwohl der quirlige Blondschopf vorbildgetreu schimpft und zwitschert wie ein Rohrspatz. Trotzdem erreicht der mehlige Humor von Astrid Lindgrens letztem Drehbuch nicht die große Schwester Pippilotta Rollgardinia Viktualia... (M. Vanecek - KURIER)
DRAMA, USA 1996 Regie: Todd Solondz,
Buch: Todd Solondz,
Musik: Jill Wisoff,
Kamera: Randy Drummond,
Schnitt: Alan Oxman,
Darsteller: Heather Matarazzo, Daria Kalinina, Matthew Faber, Angela Pietropinto Kinostart: 13/12/1996
Willkommen im Dollhouse! Die Hauptattraktion der Show: Dawn Wiener, 11 Jahre alt, Schülerin der siebten Klasse in der Benjamin Franklin Junior Highschool. Besondere Kennzeichen: dicke Brille und dicke Lippen, dicker Haarzopf und stupider Blick, geschmacklos-grelle Klamotten und watschelnder Gang. Kein Wunder, daß ihr Leben zur Hölle wird: brutale Streiche der Mitschüler, Schikanen der Lehrer, Ungerechtigkeiten der Eltern... Der Film räumt ein für allemal auf mit dem Mythos von der unschuldigen und unglücklichen Kindheit, von der Jugend, die man in leichtfertiger Verklärung als ein Paradies bezeichnet. (Verleihprogramm)
Im Informationstext zu seinem Film zitiert der Regisseur, zur Einstimmung, gleich Thomas Bernhard, der da von der Hölle der Kindheit erzählt, der man nur mit äußerster Anstrengung entkommt. Vom Unglück des Aufwachsens und von jemandem, der seiner Kindheit auch nur mit äußerster Anstrengung entrinnt, erzählt Welcome to the Dollhouse - in brachialem Titeldeutsch übrigens Willkommen im Tollhaus genannt.
Regisseur Todd Solondz besitzt gewisse Ähnlichkeiten mit denen, die er im Kino bespricht. Mit seiner riesigen Brille, die noch Woody Allen und Elvis Costello in den Schatten stellt, und mit den nervösen Manierismen eines Menschen, den das Leben dazu gezwungen hat, sich stets neu zu rechtfertigen, so sitzt einem der dünne Mann gegenüber: der Regisseur eines Films, in dem ebensolches verhandelt wird - die Nervosität, das Anderssein, und wie man nicht zurechtkommt in einer Welt, die von Honigsüß bis Essigsauer, von der Seligkeit bis zur Gewalt nur Extreme kennt.
An River's Edge und Over the Edge habe er beim Schreiben seines Films gedacht, so Todd Solondz: an dunkle Amerikastudien, in denen jugendliche Entfremdung und die stete Problemverdrängung katastrophale Folgen nach sich ziehen.
Die elfjährige Dawn (erstaunlich: Heather Matarazzo) lernt in Welcome to the Dollhouse das Leben kennen: Mit dicken Wollsonnenblumen am Strickpullover und zuckerlbunten Schmuckherzen am Ohr sieht sie deutlich weniger cool aus als ihre Klassenkolleginnen und weniger niedlich als die kleine Zierschwester, die - ein falscher Engel in Rosa - die Eltern mit süßem Lächeln auf ihre Seite zieht. Und die Buben der Klasse zitieren sie zur Vergewaltigung im Hinterhof, die dann zwar nicht stattfindet, zu der sie aber brav erscheint.
Wie Solondz' Heldin das kleinbürgerlich-suburbane New Jersey trotz allem überlebt, davon erzählt Welcome to the Dollhouse. Von (offener) Unterdrückung und (heimlicher) Auflehnung: Als Lesbe tagsüber in der Schule verhöhnt, sägt sie den Puppen der Schwester nachts die Köpfe ab. Solondz gesteht ihr Würde zu: Sie filtert neue Unabhängigkeit aus dem Außenseitertum.
Ist das noch Realismus oder schon Karikatur? "Mein Film ist mitunter wohl brutal", so Solondz, "aber auch eine Komödie, er ist melancholisch und berührend. Er ist schon real, hoffe ich, aber er hat sein eigenes Leben: Und das kann eben seltsam aussehen."
Welcome to the Dollhouse trennt das Tragische nicht vom Komischen, jagt weder schnellen Gags noch moralischen Urteilen hinterher: Solondz treibt auf die Spitze, aber er überspitzt nicht. Detailbesessen entrollt er Dawns bizarre Welt, interessiert an allem, was Oberfläche ist: an der ungeheuerlichen Freizeitkleidung der Gäste einer Gartenparty und am infantilen Briefpapier adoleszenter Romantiker. Die Zeichen des Kindlichen stecken hier noch tief in einer Welt, die sich schon erwachsen gibt.
Solondz findet es schmeichelhaft, wenn man seinen Film autobiographisch nennt: "Das zeigt ja, daß man ihn für authentisch hält. Ich habe nie erlebt, was Dawn durchmacht: Aber ich kenne diese Welt, emotionell verstehe ich sie genau. Mich hat auch die Arbeit mit den Kids interessiert: Ich wollte Kinder im US-Kino einmal wie Menschen behandeln, realistisch also, nicht wie kleine Puppen oder böse Monstren. In Hollywood sind Kinder herzig, nicht menschlich."
Auch wenn sein Film eine haßerfüllte, zugleich amüsierte Abrechnung mit der Welt seiner Jugend ist: Mit Thomas Bernhard könne man ihn nie vergleichen. "An ihn reicht nichts heran. Der Müll, den ich als Kind im Fernsehen konsumiert habe, ja, und meine Familie, das hat mich geprägt." (Stefan Grissemann - DIE PRESSE)