D 1996 Regie: Bille August,
Buch: nach Peter Høeg Kinostart: 14/2/1997
Smilla kommt durch den mysteriösen Tod eines kleinen Eskimojungen einem Komplott von internationalen Ausmaßen auf die Spur, das sie bis ans Ende der Welt in das Eis der Arktis treibt. (Verleihprogramm)
Mit "Fräulein Smillas Gespür für Schnee" wird heute das 47. Filmfestival in Berlin eröffnet. Bille August führte Regie, die Hauptdarstellerin Julia Ormond zeigt sich im Gespräch besorgt, ob der Geist des Buches auch entsprechend in den Film gerettet wurde.
Andere Leute haben einen Sinn für Gott, die Musik oder das Schöne allgemein – Smilla hat einen Sinn für Schnee. Die Heldin von Peter Høegs höchst erfolgreichem Roman Fräulein Smillas Gespür für Schnee sieht nicht nur verdächtige Spuren, wo andere nur Fußstapfen erkennen; sie blickt auch hinter die Illusionen der Profitgier.
Damit wurde sie zur Heldin eines neuen Lesezeitalters: ökologisch sensibel, weiblich selbstbewußt und dabei traurig auf sich selbst gestellt. Zu all diesen Identifikationsmustern hinzu muß sie auch noch ein spannendes Abenteuer bestehen, das sie bis ins ewige Eis von Grönland führt.
Der deutsche Großproduzent Bernd Eichinger sah in dieser Geschichte einen idealen Filmstoff, und mit Bille August (Das Geisterhaus) vertraute er seinem Haus-Regisseur. Die Engländerin Julia Ormond spielt Smilla, die zwischen eindeutigen Schurken (Richard Harris) und zwielichtigen Freunden (Gabriel Byrne) nach der Wahrheit sucht. Zu Beginn fällt ein Meteor auf Grönland, dann fällt ein Junge in Kopenhagen vom Dach und stirbt – den Zusammenhang zwischen diesen Tatsachen muß Smilla herausfinden.
Im Gespräch mit dem STANDARD zeigt sich Julia Ormond als Schauspielerin, die auch schon Schattenseiten ihres Berufes kennengelernt hat. Das Remake von Sabrina, in dem sie neben Harrison Ford ihre erste komödiantische Rolle gespielt hat, war ein Flop. Die Dreharbeiten zu Fräulein Smilla ließen ihr zwar viel Zeit für die Vorbereitung, mußten dann aber sehr rasch durchgezogen werden.
"Es stimmt, Bille August war in Eile. Als ich verpflichtet wurde, gab es noch kein fertiges Drehbuch, und wir haben viel darüber gesprochen, was unbedingt im Film vorkommen muß. Aber als Schauspielerin schneide ich den Film nun einmal nicht selbst – ich hoffe, es gibt Rückblenden auf Smillas Kindheit in Grönland darin?"
Die Rückblenden gibt es, trotzdem beklagen Leser des Buches einen empfindlichen Verlust an Detailreichtum und Komplexität der Figuren im Film. Ormond deutet an, wie schwierig die Filmarbeit im Schatten eines Weltbestsellers sein kann: "Smillas Gespür für Schnee ist eine sehr abstrakte Sache. Es drückt sich in ihrer mathematischen Ader aus, in ihrer Kompromißlosigkeit und in der Sicherheit, mit der sie sich in Grönland bewegt. Aber das Buch hat für ihr Gespür sehr viele schöne Bilder, und ich fürchte, sie sind nicht alle in den Film übernommen."
Dabei haben sowohl Bille August wie die Hauptdarstellerin bei der Vorbereitung keine Mühen des Authentischen gescheut. "Wir sind nach Grönland gefahren. Dort gibt es viel mehr Hunde als Menschen, davon habe ich eine Ahnung von Smillas Wolfsähnlichkeit mitgenommen. Und ich habe eine Frau kennengelernt, von der Peter Høeg viele Züge von Smilla übernommen hat. Mit ihrer Hilfe haben wir versucht, eine National-Geographic-Ästhetik zu vermeiden. Sie gab mir auch ein echtes Amulett."
Gegen die Stimmung des Buches arbeitet vor allem, daß August die Abenteuerhandlung eher schematisch durchzieht. Dadurch wird der Film leidlich spannend, aber er setzt einen einseitigen Akzent über die Figur der Smilla. Sie ist zwar deutlich eine Action-Heldin, aber ihre eigentliche Stärke ist die Intuition. "Die Thrillerhandlung ist nur die Außenseite einer inneren, emotionalen Reise. Wenn Smilla sich vom Schiff abseilt und über das Eis an Land eilt, dann ist das der Beweis dafür, daß sie in ihr angestammtes Territorium zurückkehrt."
War Smilla, und damit die Rückkehr nach Europa, insgesamt eine richtige Entscheidung? "Ich möchte einfach die besten Rollen spielen. Smilla erschien mir auch kommerziell eine richtige Wahl. Ich glaube, ich bin in Hollywood nicht auf der A-Liste. Ich kann aber auch nicht mehr gut zu Auditions gehen. In diesem Dilemma sehe ich vielleicht nicht die wirklich guten Drehbücher." (Bert Rebhandl, DER STANDARD, 13/2/1997)
Mit dem Budget eines mittleren Hollywood-Dramas hat Deutschlands Mega-Produzent Bernd Eichinger da eine Intrige inszenieren lassen (Regie: Bille August, nach Peter Høeg), die - wie festgefroren an den Mechanismen des US-Thrillers - einen Kriminalfall streng nach Routine, ohne erkennbaren Stil und ohne jedes Leben verfolgt.
Smilla Jasperson, eine junge verbitterte Mathematikerin (Apotheose der Ausdruckslosigkeit: Julia Ormond), recherchiert im winterlichen Kopenhagen die eigenartigen Umstände des Todes eines Buben, der wie sie selbst aus Grönland stammt. Die Spuren weisen bald in ebendiese Richtung: ins ewige Eis, wo ein brutales Forscherteam - über Leichen gehend - nicht die Natur, sondern den Profit im Auge hat. Fräulein Smilla, der Film, ist ein Spielzeug-Thriller, der wie aufgezogen, billig mechanisch, seinem trivialen Showdown im eisblauen Plastikschnee entgegenwackelt: Die Musik spielt unentwegt, infantil bedrohlich, Horror - und Mario Adorf, in der miserabelsten Rolle seines Lebens, darf gerade drei (fast stumme) Szenen absolvieren. Regisseur Bille August (Mit den besten Absichten; Das Geisterhaus) beschert der Berlinale damit einen Eröffnungsfilm, der nicht nur ihr Programm, sondern das gesamte europäische Co-Produktions-Kino diskreditiert. (Stefan Grissemann, DIE PRESSE)
Bille Augusts Bestsellerverfilmung "Fräulein Smillas Gespür für Schnee" eröffnete die Berliner Filmfestspiele und ist derzeit auch in österreichischen Kinos zu sehen. Ein Gespräch mit dem dänischen Regisseur.
Peter Høegs Roman "Fräulein Smillas Gespür für Schnee" hat sich als recht sperrige Kinovorlage erwiesen. Die Geschichte von Smilla, die nach dem Tod eines kleinen grönländischen Jungen auf eigene Faust Nachforschungen betreibt, hat bei der Verfilmung wohl verloren, was sie zum Bestseller gemacht hat. Die Gebrochenheit der Hauptfigur, die in sich selbst den Kulturkonflikt austrägt, der Dänemark und Grönland voneinander trennt, sind im Film des dänischen Regisseurs Bille August ("Das Geisterhaus", 1993) kaum zu entdecken.
DIE PRESSE: Sie haben von Dänemark aus Grönland wahrgenommen?
AUGUST: Das ganze Thema "Grönland" war eine peinliche Angelegenheit. 1953 beschloß die dänische Regierung, Grönland für die Welt zu öffnen. Aber zugleich beschlossen sie, Grönland zu einem "zivilisierten" Teil der Welt zu machen. Nur die Grönländer fragten sie nicht, ob sie überhaupt interessiert seien, unsere Kultur zu übernehmen. Erst 1979 bekamen sie wieder eine gewisse Autonomie zugestanden.
Diesen Aspekt, der im Buch eine wesentliche Rolle spielt, haben Sie nun im Film nahezu eliminiert.
Als ich es bei Høeg las, fand ich es interessant. Aber ich konnte nicht allzuviel davon in den Film übernehmen. Peter Høeg bezieht sich darauf immer in der Vergangenheitsform. Mein Film spielt in der Gegenwart. Es wäre eine Lüge, wenn darin Straßen voller betrunkener Inuits zu sehen wären.
Wo liegen die Hauptschwierigkeiten, wenn man eine solche Vorlage für das Kino adaptieren will?
Es war sehr kompliziert, Smillas inneres Universum mit einem Thrillerdrama zu kombinieren. Wir haben zwei Jahre und vier Drehbuchautoren, bevor wir ein Script hatten.
Warum haben Sie auf eine Erzählerstimme verzichtet?
Es gab zwei Probleme. Der Film ist ein Thriller. Wenn Smilla die Geschichte erzählt, dann weiß man, daß sie überleben wird. Das funktioniert nicht. Das andere Problem war, daß Smillas philosophische Off-Kommentare sie als "Besserwisserin" erschienen ließen. Im Buch funktioniert das wunderbar. Wir haben beschlossen, daß es desaströs wäre, das im Film zu tun.
War es nicht merkwürdig, als dänischer Regisseur eine dänische Geschichte in Kopenhagen zu inszenieren - und mit englischsprachigen Schauspielern zu arbeiten?
Nein, gar nicht. Die Produktionskosten machten ohne die Schauspieler 20 Millionen Dollar aus. In Dänemark gibt es nicht soviel Geld für einen Film. Also hatten wir keine Wahl. Aber mir kam nie in den Sinn, daß das merkwürdig wäre.
Würden Sie sagen, daß das ausdruckslose Schauspiel Julia Ormonds in diesem Sinn dänisch ist?
Das ist Smilla. Smilla ist Smilla ist Smilla ist Smilla.
Warum sollten Ihre Schauspieler in der Originalversion mit irisch-britischem Akzent sprechen?
Wir haben einen möglichst neutralen Akzent gesucht. Wir hatten mit "Das Geisterhaus" ein Problem: In Amerika und in England mochten die Zuschauer nicht, daß in der selben Filmfamilie der Vater einen britischen, die Mutter einen von der Ost- und die Tochter einen Akzent von der Westküste hatte. Es war so verwirrend. Die Zuschauer fragten: "Welches Land ist das? Esperanto-Land?" Wir haben da unsere Lektion gelernt. (Robert Weixelbaumer, DIE PRESSE)
Das Eis der Gletscher, die Kälte erbarmungsloser Gemüter, die eisigen Schauer gewaltsamer Tode. Themen und Akteure dieser Verfilmung eines enthusiastisch gefeierten Weltbestsellers verführen zu zwanghaft arktischem Vokabular. Glühende Worte der Begeisterung wären eher angebracht. Bei diesem heißkalten Krimi fängt man umgehend Feuer. Wegen der Smilla vor allem. Einem paradoxen Frauenwesen, wie so viele heute.
Verletzlich, aber verletzend. Spröde, aber sehnsüchtig. Stures Muli und gebranntes Kind. Jedem erst mit dem Hintern ins Gesicht, und doch in Erwartung von Küssen auf das schroffe Mundwerk. Ohne Mann, geregelte Arbeit und festes Einkommen, aber mit handfesten Depressionen. Gespür für Schnee hat die wissenschaftlich brillante Mathematikerin und Gletscherfachfrau; für Mord auch. Aber die Tochter eines Dänen und einer grönländischen Eingeborenen gibt keinen Deut für Diplomatie, zwischenmenschliche Gefälligkeiten. Ist anarchistisch, aggressiv, handgreiflich.
Und hinreißend liebenswert. Weil Julia Ormond - wer hätte das diesem sanftäugigen Erotikstar zugetraut? - Smillas zerrissenen, aber aufrechten Charakter eine Art Heiligenschein verleiht, der die widerborstige Kratzbürstigkeit der Person in sanftes Licht setzt. Mit notorischer Hartnäckkigkeit geht diese Smilla dem angeblichen Unfalltod eines kleinen Eskimobuben nach. Harpunenstachel in ihrem Fleisch, bis sie den Schuldigen gestellt hat im ewigen Eis Grönlands. Dort, liegen Ursache und Wirkung des Falls; der eigentliche Schauplatz, wenn auch die Handlung die meiste Zeit in Kopenhagen vor sich geht, wo sich kriminelleWissenschaftler mit Größenwahn als die paar wenigen Klischees tummeln, die der Zuschauer zu verdauen hat.
Des dänischen Autors Peter Høeg dänischer Wunschregisseur Bille August beläßt die Intelligenz, spielt jedoch die detailverliebte Wissensfülle, verschlungenen Umwege und unzähligen Nebenschauplätze des versponnenen Romans nicht mit, vergröbert das Mordrätselpuzzle auf grandioses Breitleinwandformat. Zittert die extreme Lebensgefahr für seine Heldin aus der Literaturvorlage heraus, auch Action und Suspence. Und die Wucht der Originalschauplätze zeigt umwerfende Wirkung. Fiebriger Schüttelfrost Spannung. (Rudi John, KURIER)
USA 1996 Regie: Bronwen Hughes,
Buch: Douglas Petrie, Theresa Rebeck nach Louise Fitzhugh und der Adaption von Greg Taylor, Julie Talen,
Musik: Jamshied Sharifi,
Kamera: Francis Kenny,
Schnitt: Debra Chiate,
Darsteller: Michelle Trachtenberg (Harriet), Rosie O'Donnell (Ole Golly), Vanessa Lee Chester (Janie Gibbs), Gregory Smith (Sport), J. Smith-Cameron (Mrs. Welsch), Robert Joy (Mr. Welsch), Eartha Kitt (Agatha K. Plummer), Don Francks (Harrison Withers), Eugene Lipinski (George Waldenstein) Kinostart: 14/2/1997
Wenn der Kindskopf zum Schüttelbecher wird, in dem sich Wirklichkeit und Fantasie zum verwirrenden Sprudel mixen... faszinierend, kennt man die übliche Masche der Kinderfilme in ihrer bemühten Abenteuerlichkeit, hinter der sich oft jämmerlichste Albernheit, Harmlosigkeit verbergen. Ernsthaft und doch heiter, unterhaltsam aber lehrreich, äußerst kindgerecht und trotzdem so erwachsenenfreundlich wie selten punktet diese als Detektivspiel kostümierte Wegbeschreibung einer Elfjährigen Richtung Pubertät. Deren Kindermädchen wurde gekündigt, nun muß sie allein mit sich fertig werden. Harriet darf glücklicherweise eine Heldin mit Fehl und Tadel sein.
Immer wieder geht die Fantasie mit ihr durch, wenn die Hobbyspionin akribisch ein Logbuch über alltägliche Beobachtungen führt, die sich als Kriminalfälle herausstellen sollen. Als eine indiskrete Mitschülerin ihre wenig schmeichelhaften Porträts der Schulkollegen entdeckt, steht sie plötzlich auch ohne Freunde da; ratlos, wie sie die zurückgewinnen könnte. Tut weh, fördert aber den Durchblick . . . Nicht nur daß auch Erwachsene die Kinoversion eines der preisgekröntesten und verkauftesten aller US-Kinderbücher leicht aus- und durchhielten: hier dürfen sie auch mitleben, -bangen, -denken. Tut gut. (Rudi John, KURIER)
USA 1996 Regie: Mamoru Oshii,
Buch: azunori Ito nach Shiro Masamune,
Musik: Kenji Kawai,
Kamera: Hisao Shirai,
Schnitt: Shiuchi Kakesu Kinostart: 14/2/1997
Im Jahre 2051 schickt das Außenminsterium einen virtuellen Spion durch die Datennetze. Als dieser jedoch plötzlich eigene Rechte fordert ist er zur Jagd freigegeben, bevor er die Geheimnisse seiner Aufträge preisgibt.
"Ghost in the Shell". Ein "Manga",
die japanische Comics-Variante, wird als technik-philosophisches Science-Fiction-Märchen verfilmt. Eine betörende Perle des Animationskinos.
"Was ist, wenn ein Cyberhirn eigene Gefühle, eine eigene Seele produzieren könnte? Und wenn ja, was wäre Besonderes daran, menschlich zu sein?" Eine schwerwiegende Frage für Cyborgs - jene Kunst-Menschen aus den Hightech-Brutstätten - und ein reizvolles Gedankenspiel für Geschichtenerzähler.
Man kennt das Szenario aus Science-Fiction-Filmen wie Blade Runner, in dem Ridley Scott mit der Möglichkeit liebäugelt, daß sich in künstlichen Organismen eine Seele - sprich: menschliche Gefühle und ein (Selbst-)Bewußtsein - regen könnte. In Ghost in the Shell hat der japanische Filmemacher einen ähnlichen Gedanken in eine aufregend "künstliche" Hülle gekleidet: In einem handgezeichneten Trickfilm haucht er den Bewohnern einer Cybertech-Welt jene Seele ein, die sie in ihren synthetischen Marionetten-Körpern vermissen.
Als blitzgescheite und hyperfunktionale Heldin agiert Kusanagi, Mitglied einer Spezialeinheit, die im Auftrag der Regierung gegen ihresgleichen kämpft: "Geister-Hacker", deren Intelligenz und Kampfkraft jedes menschliche Maß übersteigt. Ihre eigenen "Begabungen" verdankt Kusanagi einer Technologie, die aus zerfetzten Körperteilen Menschenwesen mit Computerhirnen und überaktivem Sensorium macht. Daß dieses Dasein bzw. der darin ruhende menschliche Rest Identitätsprobleme bereitet, liegt auf der Hand - vor allem, wenn man es mit einem (feindlichen) Wesen zu tun hat, das pure nicht-menschliche Intelligenz ist: ein sich selbsttätig weiterentwickelndes Computervirus, das als "PuppetMaster" in Gastkörpern nistet und sich von fremder Intelligenz ernährt.
Ersonnen wurde dieses prickelnd beunruhigende Szenario von einem geheimnisvollen Star der manga -Szene: Shirow Masamune, ein Zeichenkünstler, der (im Gegensatz zu den personalintensiven manga -Werkstätten) in einsamer Abgeschiedenheit Stories über Maschinen-Frauen à la Kusanagi kreiert. Mit der Verfilmung des 1993 im Druck erschienenen "Ghost in the Shell" hat der Trickfilmkünstler Mamoru Oshii ein wahres Animations-Wunder vollbracht: einen von schwungvollen Action-Stimuli bewegten und in seiner Liebe zum Detail einzigartigen Trick-Spielfilm.
Ghost in the Shell bezaubert durch einen Feinschliff, der weniger in perfekt mechanisierten Bewegungsabläufen zu suchen ist, als in einer irritierenden Art, irreale Perspektiven mit nahezu fotorealistischen Beobachtungsmustern zu paaren. Sowie er den Zuseher-Blick auf seine Oberfläche (mit künstlichen Figuren und Städte-Tableaus) fesselt, entpuppt sich darunter tatsächlich so etwas wie "Seele".
Und während man das wortreich gestaltete Geschehen verfolgt (was aufgrund der in abstrusen Verzweigungen ausgeführten Idee vom menschlichen Geist in der synthetischen Hülle zum Teil mühsam ist), hat einem das Eintauchen in diese Bilderwelt längst die Antwort auf die eingangs zitierte Frage gebracht, mit der Kusanagi das offene Ende des Films einleitet: Wenn Kunstkörper so viel Gefühl und Seele produzieren wie Oshiis Cyborgs, ist damit aller Bedarf an "menschlichem" Anschauungsmaterial gestillt? (Robert Buchschwenter, DIE PRESSE)
DK 1991 Regie: Sven Methling,
Buch: John Stefan Olsen, Thoger Birkeland,
Musik: Michael Hardinger, Rasmus Schwenger,
Kamera: Peter Roos,
Darsteller: Laus Höybye (Krumme), Dick Kaysöe (Vater), Karen-Lise Mynster (Mutter), Peter Schröder (Boris), Jarl Friis Mikkelsen (Ivan), Line Kruse (Stine), Lukas Forchhammer (Grunk), Buster Larsen (Svendsen), Elin Reimer (Frau Olsen), Christian Potalivo (Tom), Barbara Topsö-Rothenborg (Yrsa), Martin Christiansen (Per), Elin Raimer, Sonja Oppenhagen, Kai Lövring Kinostart: 14/2/1997
In dieser Slapstick-Komödie zieht der Junge Krumme mit seiner Familie in ein altes Haus, in dem er in die Geschäfte von Bankräubern verwickelt wird, die ihre Beute im Keller des Hauses versteckt haben.
USA 1996 Regie: Bob Rafelson,
Buch: Alison Cross, Nick Villiers,
Musik: Michael Lorenc,
Darsteller: Michael Caine (Victor), Judy Davis (Suzanne Gates), Stephen Dorff (Jason Gates), Jennifer Lopez (Gabriella), Jack Nicholson (Alex Gates), Harold Perrineau Jr. (Henry) Kinostart: 14/2/1997
Totschlag, als alltägliche Betätigung betrachtet: Jack Nicholson löst in "Blood and Wine" als Weinhändler, Familienvater, Spieler und Diamantendieb sehr schnell eine ganze Kette blutiger Zufälle aus. Schußwaffen sind dabei unter der Regie von Bob Raffelson gar nicht vonnöten, um dem amerikanischen Kino einen der spannendsten Kriminalfilme der letzten Monate zu bescheren: Höchste Empfehlung!
Ein großer Fischfang als Leitmotiv: Zwei junge Männer haben in Miami/Florida einen Braunhai an der Angel. Dem abschließenden, primitiven Abschießen des Raubtiers geht ein eigentümlich elegantes Spiel mit den Kraftressourcen des Opfers voraus, eine lauernde Verfolgung von Fluchtbewegungen. Und dann, nachdem man im Blut gewatet ist, ein Blick auf einen rostroten Horizont: Was für ein herrlicher Morgen.
Blood and Wine bewahrt in weiterer Folge recht geschickt diese Balance zwischen profanem Totschlag und alltäglichen Hochgefühlen. Regisseur und Autor Bob Raffelson, offensichtlich inspiriert von Kriminalromanen eines Elmore Leonard oder Charles Willeford (Miami Blues), präsentiert ein Mittelstands-Ensemble von Jägern und Gejagten, die die Folgen falscher Bewegungen wortwörtlich am eigenen Leib erfahren.
Krankheiten, Verstümmelungen, Unfälle werden dabei zu tragikomischen Karikaturen der seelischen Verfassung: Ein Kleinganove mit zunehmend eingeschränktem Spielraum (Michael Caine) leidet unter Atemnot. Für eine Alkoholikerin (Judy Davis) endet die panische Flucht vor ihrem Gatten (Jack Nicholson) tödlich. Und ihr Sohn aus erster Ehe muß den Stiefvater, einen Weinhändler und notorischen Spieler, erst auf brachiale Weise handlungsunfähig machen, um aus dessen Schatten heraus in ein eigenes Leben fliehen zu können. Aber diese Flucht verheißt nicht unbedingt ein Happy End.
Raubtiere unter sich: Es bedarf im sonnigen Florida beileibe keiner Pistolen, um nach einem glücklos abgewickelten Diamantendiebstahl effizient aufeinander los zu gehen. In den Notfällen, die sich zunehmend häufen, werden Alltagsgegenstände – vom Baseballschläger bis zum Kopfpolster zu Waffen. Raffelsons sechster Film mit Nicholson in einer Hauptrolle bewahrt so einen fast schlendernd profanen Zug, einen Blick auf familiäre Gewalt-Verhältnisse, der schon frühere Gemeinschaftsarbeiten der beiden auszeichnete: Von Five Easy Pieces über The King of Marvin Gardens bis herauf zu The Postman Always Rings Twice.
Wenn Blood and Wine auch in manchen routinierteren Momenten nicht ganz an diese Klassiker heranreicht, so ist es doch eine mehr als passable, kleine Etüde über die Gier geworden. Man muß Nicholson gesehen haben, wie er in einem Autowrack greinend und fluchend die blutige Leiche seiner Frau nach dem Schmuck absucht, während der Sohn kopfüber in den Sicherheitsgurten hängt, denn: Geschäft ist Geschäft. Ähnlich konsequente Verdichtungen allgemeiner Schuld und Uneinsichtigkeit wird man im gegenwärtigen Genrekino aus Hollywood nicht so schnell finden. (Claus Philipp, DER STANDARD, 12/2/1997)
Der rote Faden eines Thrillers erweist sich allzuoft nur als dünne Blutspur. Bei diesem freilich knäueln sich die roten Fäden und häkeln sowohl einander als auch einen bestrickenden Plot: die Folgen der höchst mittelmäßigen Idee eines kleinen Ganoven, ans ganz große Geld zu kommen. Jack Nicholsons sardonisches Lächeln aus "Wenn der Postmann zweimal klingelt" bekam hängende Mundwinkel, und der Schwimmgürtel hat sich weiter aufgeblasen, aber dafür brodelt die alte Chemie zwischen dem affengöttlichen Hollywoodstar und Spannungskonstrukteur Bob Rafelson wie eh.
Der mittlerweile siebente gemeinsame Film der beiden läßt gelegentlich aus und Routine spüren; zum hämischen Amüsement taugt aber das Verlierermatch - zwischen dem liederlichen Weinhändler Alex, seinem angeödeten Stiefsohn, dessen frustrierter Mutter und dem ziemlich problematischen Komplizen - immer noch. Letztgenannter materialisiert sich in possenreißerischer Gestalt von Michal Caine, der mit sichtlichem Genuß die hinfällige Karikatur eines abgehalfterten, asthmatischen, wiewohl kettenrauchenden und nicht nur verbal bösartigen Safeknackers abgibt.
Tits and Ass steuert als fünftes, aber treibendes Rad am Wagen eine Latina bei, die in ihrer Doppelfunktion als Alex' Geliebte und Kindermädchen bei Superreichs ein millionenschweres Brillantkollier im Safe ihrer Arbeitgeber ausspähte. Der daraufhin geplante Einbruch geht in Ordnung, anschließend aber alles schief und den Bach, nein, den Ozean hinunter - schließlich befinden wir uns in Miami.
Die tragikomischen Muster, die mit zunehmenden Anstrengungen der beiden Diamantendiebe hervortreten, ihren Kopf aus der Schlinge und sich selbst aus dem Sumpf zu ziehen, geben dem ironischen Geplänkel zwischen den Actionszenen fast existentialistische Tiefe. Umso weinkorkenhaft leichter schwimmt der Wortwitz an der Oberfläche. Der kann an Geist dem productplacementhaft ins Bild kommenden Wein - ein "Opus One" aus Kalifornien - leider nicht das Wasserglas reichen. (Rudi John, KURIER)
Mexiko / E 1993 Regie: Paul Leduc,
Buch: Jaime Avilés, José J. Blanco, Paul Leduc, Héctor Ortega, Juan Tovar,
Musik: Eugenio Toussaint,
Kamera: Guillermo Navarro,
Schnitt: Guillermo Sanchez Maldonado,
Darsteller: Dolores Pedro (Jenny), Roberto Sosa (Roberto), Raul Medina, Litico Rodriguez, Eduardo Lopez Rojas Kinostart: 14/2/1997
Maskierte Invasoren besetzen eine kleine Bar irgendwo in Lateinamerika, stören das Programm, vergewaltigen eine Mambotänzerin und nehmen vom Lokal Besitz. Zu Mamborhythmen schwungvoll choreographiertes Musical von Paul Leduc, das sich auf die US-amerikanische Intervention in Panama 1989 bezieht. (multimedia)
Das gesprochene Wort beschränkt sich in diesem Film auf einen kurzen Dialog. Wie schon in "Barocco" dominieren Tanz und Musik auch diesen Film, der die Invasion Panamas durch die USA in einem wütenden Tanzballet zeigt, in dem die Mambomusik die einzige Waffe des Volkes ist. Die Invasoren bewegen sich hölzern, leblos, sind gesichtlose Wesen mit Gasmasken. Musik und Tanz vermitteln den Volkskampf, der fehlende Dialog setzt ein Erleben frei, das die Erzählung zugunsten einer sinnlichen Reise eliminiert, ohne den Inhalt zu kompromittieren. (Andre Simonoviescz, tip, 11/95)
(...) Der Film von Paul Leduc setzt die musikalische Durchwanderung des Regisseurs, die er in den letzten beiden Filmen "Barroco" und "Latino Bar" verfolgt hatte, fort und führt zur Vervollständigung einer Trilogie. Einmal mehr eliminiert Leduc die Erzählung zu Gunsten des Schauspiels und den Realismus zugunsten der Imagination. Gleichermaßen verführend und abstoßend, ist die von Leduc inszenierte Dramaturgie ein In-Frage-Stellen von geschichtlichen Daten. Die karibische Welt ist durch ihre Musik gegenwärtig. Panama zeigt sich in den Körpern der Tänzerinnen und die USA in Gesalten, die Gasmasken tragen. (...) (B. Ruby Rich, Kinema Kommunal)