Filmhaus Hasnerstraße - Filmkultur in Ottakring



In Österreich am 18. April 1997 neu angelaufene Kinofilme


Zur Homepage         Zur Gesamtübersicht       Zur Monatsübersicht

DONNIE BRASCO (DONNIE BRASCO)

USA 1997
Regie: Mike Newell, Buch: Paul Attanasio nach Joseph D. Pistone, Richard Woodley, Musik: Patrick Doyle, Kamera: Peter Sova, Schnitt: Jon Gregory, Darsteller: Al Pacino (Lefty Ruggiero), Johnny Depp (Joe Pistone Donnie Brasco), Michael Madsen (Sonny Black), Bruno Kirby (Nicky), James Russo (Paulie), Anne Heche (Maggie), Zeljko Ivanek (Tim Curley), Gerry Becker (Dean Blandford), Robert Miano (Sonny Red), Brian Tarantina (Bruno), Rocco Sisto (Richie Gazzo), Zach Grenier (Dr. Berger), Walt MacPherson (Sheriff), Ronnie Farer (Annette), Terry Serpico, Gretchen Mol, Tony Lip, Madison Arnold, Delanie Fitzpatrick, Katie Sagona, Sara Gold
Kinostart: 18/4/1997

Die Memoiren des FBI-Agenten Joe Pistone, der unter dem Decknamen Donnie Brasco in den späten siebziger Jahren die New Yorker Mafia infiltrierte und an die 100 Verurteilungen bewirkte, diente als Vorlage für Mike Newells fesselndes Mafia-Drama. Erzählt wird die Geschichte einer großen Freundschaft zwischen Donnie Brasco, dem Undercover-Agenten des FBI, und dem Mann, auf den er angesetzt ist, um die Mafia auszuspionieren, dem Auftragskiller Lefty. Der vertraut ihm, glaubt an ihn und liebt ihn wie einen Sohn. Und Donnie Brasco weiß: Wenn das FBI zum großen Schlag ausholt, wird die Mafia seinen Freund Lefty für den Verräter halten und mit dem Tod bestrafen. (Verleihprogramm)

Lang, lang ist's schon wieder her. Kürzlich wurde in San Francisco bereits der 25. Jahrestag der Premiere von Francis Ford Coppolas erstem Godfather-Film gefeiert: Jene Sternstunde auch des damals knapp 32jährigen Al Pacino, der seither – abgesehen von einer alkoholbedingten längeren Pause in den 80ern – das wohl kompakteste Werk im Rahmen des amerikanischen method acting entwickelte. Frei von der Gigantomanie eines Marlon Brando, den hohlen Manierismen eines Dustin Hoffman, den (mitunter allzu saloppen) Routineauftritten des "späten" Robert De Niro.
Wie sehr etwa Pacinos Spiel sich immer in den Dienst einer Erzählung und Inszenierung stellt bzw. gleichzeitig auf völlig unaufdringliche Weise auch über Schwächen derselben triumphieren kann, ist jetzt in Mike Newells Donnie Brasco einmal mehr eindrucksvoll zu sehen.
Als ältlicher Mafiamörder verschwindet er nämlich mitunter fast schon mit Selbstverachtung im Schatten des von Johnny Depp verkörperten Titelhelden – eines FBI-Agenten, der sich in die Gangster-"Familie" eingeschleust hat: Im Gegensatz zum majestätischen Gestus des Godfather oder dem Machismo von Scarface entwickelt Pacino hier einen ewigen Trittbrettfahrer. 26 Morde soll dieser im Dienste der feinen Gesellschaft zwar schon begangen haben. Bargeld hat es ihm aber keines eingetragen. Bald wird ihm, dem Faktotum, der Jüngere als first assistant der Oberen vorgereiht. Gleichzeitig wird er am Ende als Kontaktmann des "Verräters" zur Verantwortung gezogen.
Zwei Tragödien, zwei Moralvorstellungen, zwei Familienbilder wollte Mike Newell in Donnie Brasco wohl ineinander verflechten. Der engagierte Polizist wird zum Verräter sowohl an seiner Frau als auch an jenem Mann, mit dem er sich letztlich anfreundet. Der Mörder wiederum kann seine Vorstellungen von Integrität nur in erneuten, blutigen Massakern umsetzen. Beide Männer werden zu Opfern ihrer Verkleidungen und Uniformen.
Ein großer Regisseur hätte aus diesen Vorgaben wohl noch mehr herausgeholt. Das allgemeine, existenzielle Verstricktsein, für das Coppola in den Godfather-Filmen virtuos komplexe Choräle zu arrangieren wußte: Für Newell und seine Inszenierung reduziert es sich im Fall von Depp auf den Niedergang eines sympathischen Menschen, während er bei der Darstellung eines Bandenwesens wenig mehr als die obligaten fetzigen Musikzitate und Kostüme aus den 70ern strapaziert.
Aber Sympathie und Tempo sind nicht genug für ein Drama, das sich zunehmend über konkret menschenverachtende Hierarchien, über Drogenhandel, Gewalt und Erniedrigung entwickelt. Die Spannung müßte sich dafür aus einem konkreten Wissen um realistische Lebenszusammenhänge entwickeln – und hier überzeugt Pacinos Erfahrungsschatz entschieden mehr als sämtliche Recherchen, die Newell und Depp vermutlich geleistet haben.
Wenn er einmal in einem extrahäßlichen Trainingsanzug zuhause vor dem Fernseher sitzt und Videos mit afrikanischen Raubtieren studiert, dann ist dies kein "erlesener" Moment ausgestellter Schauspielkunst, sondern eine virtuos vereinfachte Imitation von Leben. Der mit Furniermöbeln überfüllte Raum reißt auf für die ganz triviale Ahnung einer königlichen Barbarei. Man erkennt das Scheitern an einer Größe, zu der sich dieser Mann ohne Eigenschaften letztlich nie aufschwingen wird. Vor Löwen hat er Angst; wenn beim Kochen ein Topf explodiert, muß letztlich die Frau Gemahlin ran; und zuviel Respekt vor den Bossen tut selten gut. Ganz einfach. Einfach unglaublich. (Claus Philipp, DER STANDARD, 16/4/1997)

Kinomomente, die man nie vergißt. Solche bewegenden Augenblicke pflügen hartnäckig durch unsere Ganglien, als könnten sie dort sogar den zerstreuenden Professor Alzheimer in die Knie zwingen oder die vernebelnden Schwestern Amnesie. Dauerhaftend wie diese...
Lefty, ein Mafioso, macht sich zum Ausgehen fertig. Schon im Mantel und an der Tür, trottet er heimlich ins Wohnzimmer zurück, um - unbemerkt von der Familie - in einer Schrankschublade seine Pistole zu verwahren. Sodann legt Lefty auch seine Brieftasche weg, streift die Rolex ab, die Ringe, zuletzt das Halskettchen. Er tut es mit todmüden Gesten, schicksalsergeben und doch triumphierend. Denn der Mann weiß, es ist sein letzter Gang, draußen wird ihm aufgelauert von den eigenen Leuten, aber denen soll und kann jetzt nichts in die Hände fallen als sein nacktes Leben.
Er hat einen Verräter an seinem Busen genährt; darauf steht nach dem Gesetz der Cosa Nostra Todesstrafe. Kuß, Schuß und Schluß. Es ist wieder einmal Al Pacino, vor dessen Lefty man in die Knie sinken möchte vor Bewunderung, Beschämung fast. Durch ihn steht und geht uns plötzlich ein Gangster nahe, ein Killer; und was uns bewegt, ist nur Trauer, Mitleid, Gram. Man muß lange auf diese grandiose Minute der Wahrheit, diese Szene geradezu obszöner Intimität warten.
Aber das stört nicht, auch vorher kommt man nicht zu kurz in dieser wunderbar entlarvenden Verfilmung des authentischen Falles von Undercoveragent Joe Pistone. Der schleuste sich 1978 unter dem Pseudonym Donnie Brasco als vorgeblicher Juwelenschieber aus Florida in die Brooklyner Mafia ein, indem er sich schlau das Vertrauen von Lefty "Two Guns" alias Benjamin Ruggiero erschlich. Letztgenannter, ein alternder, abgetakelter, ausgebrannter Unterläufel der reichen Mobster, der sich dennoch Würde und Selbstachtung bewahrt hat, protegiert den vielversprechenden Newcomer.
Hält für den jungen Burschen bei den mächtigen Paten die Hand ins Feuer - um dafür bald in der Hölle zu brennen. Seine Gutgläubigkeit ein Desaster für die Mafiosi, von denen sein Donnie unzählige der Justiz ans Messer lieferte. Johnny Depp gibt dem Polizisten die irritierende Aura eines zwiespältigen, zwiegespaltenen Helden (und drängte sich mit dieser Bravourleistung an die Spitze des Brat Packs Hollywoods). Merk-, aber nicht sichtbare Stürme gehen über sein unbewegtes Gesicht, wenn ihn das berufsstörende Gewissen heimsucht, die Verzweiflung seiner verlassenfühlenden Frau oder auch die Faszination des Bösen. Coppola und Scorsese haben in ihren Mafia-Epen das Gangstertum gleichgesetzt mit Fürstenclans oder Großkonzernen.
Regisseur Newell wühlt im kleinhäuslerischen Bodensatz. Zeigt Schäbigkeit, Lächerlichkeit und Mief der Kleinganoven. Fördert gerade in diesem Dunstkreis Treuherzigkeit, Loyalität und Freundschaft, also Ergreifendes und Allzumenschliches zutage. Damit wird seine Gangsterbilanz aus unterster Perspektive zur steinernen Arena für eine Tragödie von antiker Wucht. Für den verdienstvollen Verrat bekam Pistone einst einen Orden samt 500-$-Scheck - was dem Wechselkurs von dreißig Silberlingen entspricht. (Rudi John, KURIER)

Weitere Kritiken der IMDb

Zur Homepage         Zur Gesamtübersicht       Zur Monatsübersicht

WER IST MR. CUTTY? (THE ASSOCIATE)

USA / GB 1996
Regie: Donald Petrie, Buch: Nick Thiel nach Jenaro Prieto, Musik: Christopher Tyng, Kamera: Alex Nepomniaschy, Schnitt: Bonnie Koehler, Darsteller: Whoopi Goldberg (Laurel), Dianne Wiest (Sally), Eli Wallach (Fallon), Tim Daly (Frank), Helen Hanft (Camill), George Morfogen (Plaza Manager), Zeljko Ivanek, Miles Chapin
Kinostart: 18/4/1997

(...) In der Wall-Street-Satire muß Whoppi Goldberg mit den Waffen der Frauen in eine fiktive Identität schlüpfen, um in der Welt der hohen Finanz buchstäblich ihren Mann stehen zu können. Das Drehbuch basiert lose auf der französischen Komödie "Mein Partner Davis" (1979), wobei der männliche Protagonist von einer Afroamerikanerin in New York ersetzt wurde, so daß neben dem Snobismus powervoller Finanziers auch die Komponenten Sexismus und Rassismus satirisch aufgegriffen werden. (...) (Blickpunkt: Filme, 48/96)

(...) Ein Komödienmärchen darüber, daß angeblich alle Menschen gleich sind - mit einer "Moral von der Geschicht'". Wie gesagt: Es handelt sich um ein Märchen. Doch insgesamt um einen gut erdachten und schön gespielten Mainstream-Spaß. (Thomas Engel, Der Gildendienst, Febr. 97)

Um ihre eigene Firma zu gründen, erfindet die Finanzexpertin Laurel kurzerhand einen renommierten, männlichen, weißen Partner: Robert S. Cutty, angeblich eine Wall-Street-Legende, der stets nur anonym aus dem Hintergrund operiert. Mit "Cutty" an ihrer Seite schreibt sie bald schwarze Zahlen und kann sich vor Aufträgen kaum retten. Ihre Klienten und Kontrahenten lauern darauf, den ominösen Cutty endlich kennenzulernen. Für Laurel und ihre Sekretärin Sally wird es immer komplizierter, seine ständige Abwesenheit zu erklären. Und dann taucht plötzlich die Polizei auf und fahndet nach Cutty wegen Wirtschaftsbetrug. Jetzt muß sich Laurels fiktiver Partner zeigen - leibhaftig, in Fleisch und Blut. (Verleihprogramm)

Sie ist intelligent und humorvoll. Aber sie ist eine Frau und schwarz - was in den Hochburgen der Wall Street von Nachteil ist: Laurel Ayres, eine brillante Finanzexpertin, die nur halb zulangen darf - dargestellt von Ulknudel Whoopi Goldberg, der ersten emanzipierten und arrivierten "Mommi" im (scheinbar) postrassistischen US-Kino.
Frauen wie Ayres - Frauen, deren Karriere-Leiter nicht an Betten einflußreicher Männer lehnt - müssen zusehen, wie ihnen die großen Geschäfte entgehen. Und Kinogeher, die sich von Wer ist Mr. Cutty unterhalten lassen wollen, müssen zusehen, wie Regisseur Donald Petrie dieses Thema als Abfolge von Kalauern inszeniert - und damit als eine Art gesellschaftlichen Problemmüll billigst entsorgt.
Whoopi-Laurel läßt sich nicht unterkriegen., Deshalb erfindet sie einen Partner - Mr. Cutty -, , in dessen Namen sie Millionen fließen läßt., Das sorgt für Irrtümer, Verwechslungen und, alles, was dem herkömmlichen Kasperltheater, billig ist - und soll so etwas sein wie der, Beweis dafür, daß Frauen ebenso gut Geld, scheffeln können wie Männer und Schwarze, nicht weniger Grips haben als Weiße.
Freilich untermauert der Film genau die Stereotype, gegen die seine Protagonistin ihr Klamauk-Boxen veranstaltet: Auch schwarze Frauen - so die mit plumpem Augenzwinkern vermittelte Message - sollen zigarrenrauchende Ekel sein, in Geld schwimmen und die Welt narren dürfen; sie müssen sich nur gut verkleiden und ordentlich lächerlich machen, dann öffnen sich Türen und Tore. (Robert Buchschwenter, DIE PRESSE, 21/4/1997)

Die Goldberg-Aktien sind im Keller. Dabei wäre Whoopi als Powerfrau durchaus gewinnend. Hätten die Macher dieses offenbar als Kurzfilm gedachten Werks nach Drehschluß nur nicht an Geldüberschuß gelitten! Woraufhin weiter gedreht wurde und weiter...
Spielt ja Whoopi Goldberg mit. Die will eh jeder sehen. Sie schon, die Leerläufe nicht. Als farbiges Finanzgenie wird sie von machomäßigen Börsenhaien auf dem Beförderungshighway überholt, übergangen, schließlich gefeuert! Sie, nicht faul, gründet eine Firma. Leider gehört sie nicht zu jenen Frauen, denen weiße Männer trauen. Mr. Cutty trifft schon eher den ethnisch unkorrekten Geschmack ihrer Klientel: Weiß, weißhaarig, aber leider so unsichtbar wie Harvey, der weiße Hase. Denn Mr. Cutty ist Erfindung. Taucht auf. Und unter. Und weg. Vom Start weg in der Zielgeraden, will uns die lahme Schnitzeljagd vergeblich in ein spannendes Labyrinth lotsen. Doch die verkrampften Gags wirken so überraschend wie Aktienkurse vom letzten Jahr. Mit einem vielleicht beabsichtigten Plädoyer für Gleichberechtigung hat das alles nichts zu tun. (Bei Schularbeiten wäre das glatte Themenverfehlung).
Rehabilitiert sich die brillante Börsianerin doch nicht durch eigene Persönlichkeit, sondern Vorschieben eines Mannes. Ärgerlich auch andere kindische Tricks, die hier Frauen angedichtet werden. Kein Film für Frauenvolksbegehrerinnen. (Monika Vanecek, KURIER)

Weitere Kritiken der IMDb

Zur Homepage         Zur Gesamtübersicht       Zur Monatsübersicht

GLORIA, DIE GANGSTERBRAUT (GLORIA)

USA 1980
Regie: John Cassavetes, Buch: John Cassavetes, Musik: Bill Conti, Kamera: Fred Schuler, Schnitt: Jack McSweeney, Darsteller: Gena Rowlands (Gloria Swenson), John Adames (Philip Dawn), Buck Henry (Jack Dawn), Julie Carmen (Jeri Dawn), Lupe Garnica (Margarita Vargas)
Kinostart: 18/4/1997

Ein sechsjähriger Junge entgeht einem Anschlag der Mafia auf seine Familie. Beschützt von einem ehemaligen Gangsterliebchen, flüchtet er von Versteck zu Versteck. Nachdem die Frau die Beschützerrolle zunächst nur widerwillig übernahm, nimmt sie couragiert den Kampf mit den Mafia-Killern auf und schießt dem Jungen den Weg ins Leben frei. Actionfilm über die Allgegenwärtigkeit von Gewalt, der die Muster des Gangsterfilm-Genres ironisierend umkehrt und durch seinen märchenhaften Schluß auch die Traumwelt des Kinos akzeptiert. Venedig 1980: "Goldener Löwe". (Lexikon des Internationalen Films)

Siehe IMDb

Zur Homepage         Zur Gesamtübersicht       Zur Monatsübersicht

PRAXIS DR. HASENBEIN

D 1996
Regie: Helge Schneider, Buch: Helge Schneider, Musik: Helge Schneider, Kamera: Serge Roman, Schnitt: Andrea Schumacher, Darsteller: Helge Schneider (Dr. Angelika Hasenbein), Peter Berling (Peterchen), Andreas Kunze (Tante Uschi), Horst Mendroch (Zeitungsmann), Bernhard "Zwiebel" Sondermann (Kalfaktor), Werner Abrolat (Käsemann), Carina Berns (Annegreth), Carlos Boes (Carlos), Bernd Jungkurth (Metulskie), Bodo Oesterling, Robert Wolf, Peter Thoms, Günter Kordas, Andrea Rottmann, Norbert Losch
Kinostart: 18/4/1997

Stegreifkomödie im Kino. "Be dove", so das Motto von Hobbychirurg Prof. Dr. Hasenbein. Dazu diverse Sonderangebote: "Feine Einläufe. Jetzt nur 72.50". Oder: "Amputationen zum Schnupperpreis". Oder: "Noch Bypass-Termine frei". Ganz doll dämlich, dieser Film. Ein Phänomen sozusagen, wie immer man drüber denken mag. Wenn überhaupt. (FALTER)

Die Geschichte eines alleinerziehenden Vaters namens Angelika und eines aus Versehen totgetretenen Meerschweinchens. Es bedurfte erst des deutschen Komikers Helge Schneider, daraus ein grandioses Regiedebüt zu gestalten: "Praxis Dr. Hasenbein", ab heute im Kino.
Das mit dem Katzenklo war vermutlich ein Versehen. Da hatte Deutschland angeblich endlich wieder einen komischen Vollidioten von Format, und schon ist der Kerl wieder abgehauen in eine Richtung, in der man keinen Trottel aus ihm machen kann. Man dürfte jetzt aber einen Narren an ihm fressen, gesetzt den Fall, man kann sich noch in Details verlieben, auch wenn sie eher schief oder gar häßlich sind. Wenn Helge Schneider nämlich im Intro seiner neuesten CD den alten Hit Katzenklo sofort wieder abstoppt – "Ah, das hatte ich ja schon" – dann folgen verstolperter feiner Swing ("Da Humm") der Marke "verrauchte Kneipe, früh am Morgen" oder etwa ein Lied mit der Refrainzeile "Ich bin der Wurstfachverkäuferin".
Nun, auch in Praxis Dr. Hasenbein, seinem Regiedebüt, trägt Schneider den Vornamen Angelika. Aber in der kleinen Nebenstraße, in der er ordiniert, ist das fast eine vernachlässigbare Nebensächlichkeit. Hasenbeins Sohn Peterchen etwa, der im Stockbett oben schläft, sieht aus wie 55, aber was ändert das an der Hausarbeit, der Verantwortung bzw. an der Liebe, die man für seinen Jungen empfindet, während gegenüber sehr erwachsene Waisenkinder Rachepläne für ein irrtümlich zertretenes Meerschweinchen schmieden.
"Aber Kinder, das konnt' ich doch nicht wissen", wird Helge da später sagen, einen zerstochenen Plastikball zu Füßen. Nur ein Lied mit dem Titel Fitze Fitze Fatze spendet noch Trost, fast melodiöser noch als Katzenklo, aber eben doch verhaltener.
Man sollte sich also keine Gaglawine erwarten, sondern eher ein köstliches Aussitzen von forcierten Fahrlässigkeiten: Bei einer Vorführung in Berlin etwa war stumme Betretenheit zu erleben, wenn der Held etwa zehn Minuten lang durch seine Ordination stolperte und rein gar nichts tat. Nur kleine, unvoreingenommene Kinder haben gelacht, und die hatten recht.
Denn geirrt haben sich einzig die Verleiher und abgefeimten Witzbolde. Als Musiker, Autor und Nicht-Darsteller ist Schneider längst wieder dorthin zurückgekehrt, wo er in den Jahren vor seinem Katzenklo-Erfolg als avancierter Mitstreiter von Werner Nekes (in Johnny Flash) oder Christoph Schlingensief (Mutters Maske) geachtet wurde.
In der mit viel Liebe und wenig Geld gestalteten Seitengasse, in der er die Praxis Dr. Hasenbein eingerichtet hat, ist Handlungsleere eine Chance zu rhythmischer, wenn auch etwas ungelenker Subversion (Schneider beim Joggen: Danke vielmals!). Es entfaltet sich in ihr eine sehr anrührende Verzweiflung: Wenn im Film eine Hoffung des deutschen Kinos ("Heissa, Hollywood") ein neues Meisterwerk präsentiert, trägt dieses den Titel Ruck Ruck – Ich bin der Taubenmensch. Aber was ist das schon gegen den Krieg, in den Dr. Hasenbein am Ende einrücken muß. Und nicht einmal Peterchen hält dann mehr zu seinem heimkehrenden Vater Angelika.
Man muß sich Zeit nehmen für solchen Schmerz und Gefühl aufbringen für Verweigerungen von leerer Bedeutung und Perfektion. Dies ist ja auch, so der Nachspann, zu dem eine recht ausgedehnte Jazz-Session kein Ende zu finden scheint, ein "nachdenklicher Film (Film zum Nachdenken)". Eine der schönsten deutschen Produktionen der letzten Jahre. (Claus Philipp, DER STANDARD, 18/4/1997)

Helge Schneider - Filmregisseur, Autor, Mime und Musiker - legt mit "Praxis Doktor Hasenbein!" eine tragikomelodramatisch-bittere kleine Musical-Groteske vor. Auf seiner neuen Platte "Da Humm!" spielt er virtuos mit der Leere, der Hilflosigkeit zwischen Pointen und Jazz.
Zunächst sieht man den Star dieses kleinen Films bei der Hausarbeit: Helge Schneider als Dr. Angelika Hasenbein beim Badewannenputzen, so geht's schon los. Ein sehr dicker Mann (Peter Berling), Ende fünfzig, schläft dazu im Bildvordergrund, in der oberen Etage eines Kinderstockbetts: Hasenbeins Sohn, so das Drehbuch, Peterchen genannt.
Daß die Perspektiven nicht ganz stimmen in den Arbeiten des deutschen Komödianten Helge Schneider, ist bekannt. Ob das diese Stimme ist, die seltsam brüchig, leicht gestört den Schlager-Jazz seiner Platten begleitet, oder ob das seine Filmfiguren sind, die sonor & riesengroß auch Kleinkinder darstellen: In Schneiders privater Welt, das stellt nun Praxis Doktor Hasenbein! (Regie, Buch, Spiel: Helge S.) wieder fest, stimmt zwar nichts mehr ganz, aber in sich ist sie stimmig - ein Paralleluniversum, das dieser anderen, unseren Welt von fern durchaus ähnelt.
Unter seinen Fingernägeln, hat Max Goldt einmal gesungen, spiele sich manches ab: Unter den Nägeln Schneiders sieht es ganz ähnlich aus, weniger aufgeräumt vielleicht, aber auch dort ist alles so traurig, daß es nur mehr zum Lachen ist. Die ganze Welt, von der Praxis Doktor Hasenbein! erzählt, liegt in einer Straße einer fiktiven Kleinstadt, aus der nur ein Weg zu führen scheint: Und der ist, als Bild eines in die Tiefe führenden Tunnels, nur an die Wand gepinselt.
Schneider/Hasenbein ordiniert sehr photogen und auch traditionsbewußt im kleinen Städtchen als Arzt und alleinerziehender Vater. Wie Harry Langdon trägt er einen doch zu kleinen Anzug, und wie bei Jacques Tati liegt der Witz im Detail, in der ständigen unökonomischen Körperbewegung, aus der nichts folgt als die Groteske eines Mannes, der seinen Zugang zur Welt - den Hochmut, die Lebensfreude, die Verschlagenheit - gewissermaßen außen trägt, jederzeit für jedermann zu sehen. Seine Gefühle nicht verbergen zu können, sieht eben komisch aus.
Hasenbein flaniert also die Straße entlang, hält zwischendurch abstruse Schwätzchen, kauft gern Überraschungstüten in der Trafik und spielt nachts Saxophon in einer Bar. Tagsüber arbeitet er in seiner Praxis, an deren Tür handgekritzelte Zettel mit ansprechenden Texten ("EEG! EKG!") kleben; zum ersten Patienten sagt er morgens "Der Nächste, bitte" - und die böse Gang nebenan, im Waisenhaus, plant derweil, Hasenbein einzuladen, um ihn an ein mörderisches Piano mit Rasierklingen zwischen den Tasten zu setzen. Weil er die Finte aber durchschaut, spielt er noch ein Lied, das "Fitze, Fitze, Fatze" heißt, gegen die depressive Stimmung dieses absonderlichen Lustspiels aber auch nichts tun kann.
Am Ende ist dann alles anders, nach bangen Viertelstunden der totalen Stagnation (im Kino) und dreißig Jahren Hasenbein-Kriegsdienst im U-Boot: "Der Krieg riß mich mit, mit allen seinen Raffinessen", faßt Helge zusammen, dann kehrt er heim, in ein verändertes Städtchen, wo es plötzlich eine Ampel gibt, einen Billardsalon und Touristen in Trainingsanzügen.
Die familiäre Wiedersehensfreude hält sich allerdings in Grenzen: "Ich soll wahrscheinlich ins Altersheim", sagt Hasenbein noch zu seinem inzwischen selbst ordinierenden Peterchen, der zwischen Frau und Kind keinen Platz für Opa hat. Nachdem aber das Altersheim bei Schneider selbstverständlich auch nur eine Bühne ist, wo man gelassen Jazz spielt, geht dieses Melancholie-Musical doch irgendwie gut aus. Die andere gute Nachricht: Im deutschen Spaßkino gibt es derzeit keinen besseren Filmemacher als Helge Schneider.
Bessere Jazzmusiker als (den ehemaligen Profi-Saxophonisten) Schneider gibt es dagegen sicher, doch keinen, der ein tief empfundenes "Round Midnight" spielen kann und dabei zum Lächeln reizt - einfach weil man weiß: Hier spielt Helge, und das könnte komisch sein. Diese sanft abgeschliffenen Sekunden - wären sie nicht auch als Slapstick zu verstehen, als verzweifelte Komik eines, der auf jeder Leiter ausrutschen muß, also auch auf der Tonleiter? So wird alles, was Schneider als Kabarettist anpackt, zum tragischen Weltspaß. Wenn er vernünftigste Dinge erzählt - und er versucht es! - verwirrt er sich, schweift ab, stottert, landet im Reich der Peinlichkeiten, der Tücke der Wörter und Objekte. Warum gibt es Leberwurst, aber keine Bauchspeicheldrüsenwurst? Warum fährt ein Jaguar keinen Jaguar? Schneider darf, ja: muß solche Fragen stellen, weil seine fremde und sinnlose Welt die eines Kleinkindes ist, das sich, wenn alles reißt, an sinnlose Silben klammert. Dann singt er sein Mantra "Fitze, Fitze, Fatze" - und wir summen mit, inwendig, auswendig. Dieser Mann ist gefährlich. (Stefan Grissemann, Thomas Kramar, DIE PRESSE)

Es soll Unbekehrbare geben, die - statt mit ihrem Los in der Lotterie zu gewinnen - mit selbigem hadern. Etwa darüber, daß Helge Schneider, Deutschlands selbstgebohrtes Brunnenloch tiefsten Humors, selbst durch die Rechtschreibreform nicht überflüssig geworden ist. Nachdem der Tierschutzverein seinen Schlagerhit "Katzeklo macht Katze froh" - kommt Hit von Hitler? - als durch und durch katzen-, pratzen- und ratzenfeindlich mit allen vier Pfoten vergeblich angeprangert hat.
Da trifft es sich gut, daß Dr. Hasenbein kein Tierarzt, sondern ein Phänomen aus der Humanmedizin ist, das die Vorteile unheilbarer Krankheiten (wie etwa Korsakowsche Psychose, progressive Paralyse oder totale Demenz), mit den Segnungen fäkaler und anderer menschlicher Ausscheidungen wie Herrenwitze verbindet.
Hasenbeins Praxis ist eher absurde Theorie speziellen Klamauks, der sich an Werbetafeln wie "Feine Einläufe" (zielen direkt ins Zentrum seines Humors) oder "Amputationen zum Schnupperpreis" ablesen läßt. Nach dem Beichtstuhlmotto "Allein oder mit anderen" hat Helge in seiner Sündenfallgrube Komplizen versammelt, die sich in mancherlei Ver(k)leidung verzweifelt auf sein Niveau abseilen. Aber: No way. (Nachbemerkung: Dank an Dr. Said Roschan für selbstlose Buchstabierhilfe medizynischen Vokabulars und jenes Genie, ohne das wir wahrlich nicht wüßten, über welche Witze man wirklich nicht mehr lachen kann: Helge Schneider). PS: Vielleicht wird man nach der Jahrtausendwende Witzstärke in Helge messen. 1 he = der allerunterste Grenzwert. Bis dahin sind wir aus dem Schneider. (Rudi John, KURIER)

Siehe IMDb

Zur Homepage         Zur Gesamtübersicht       Zur Monatsübersicht

BEVERLY HILLLS NINJA - DIE KAMPFWURST (BEVERLY HILLLS NINJA)

USA 1996
Regie: Dennis Dugan, Buch: Mark Feldberg, Mitch Klebanoff, Musik: Michele Kuznetsky, Mary Ramos, Kamera: Arthur Albert, Schnitt: Jeff Gourson, Darsteller: Chris Farley (Haru), Nicollete Sheridan (Alison), Robin Shou (Gobei), Nathaniel Parker (Tanley), Soon-Tek Oh (Sensei), Keith Cooke Hirabayashi (Nobu), Chris Rock (Joey), Francois Chau (Izumo), Dale Ishimoto (alter Japaner), Da Ming Chan (Head Kobudosai), Burt Bulos (Mr. Ozaru), Curtis Blanck, Tom Bailey, Jason J. Tobin, Richard Kline, Anna Mathias, Nathan Jung, John Farley, Kevin Farley, Gerry Del Sol
Kinostart: 18/4/1997

Als Waisenkind wird an an Japans Küste gespült und von Ninjas aufgezogen. Auch er wird ein Ninja - wohlwollend, aber hoffnungslos unfähig und total außer Kontrolle. Er verläßt Japan und bricht auf zu den Hügeln von Beverly, um eine mysteriöse Schöne aus den Klauen eines finsteren Bösewichts zu retten. Gegen jede Logik, und unter gehöriger Demontage von Beverly Hills, erreicht er sein Ziel. (Verleihprogramm)

Man muß die deutschen Titeltexter auch einmal loben: Hochachtung, ganz ohne Ironie, gebührt der Denkkraft, die das schöne Wort "Kampfwurst" hervorgebracht hat! Solche Begriffe stehen auch nach der jüngsten Rechtschreibreform nicht im Duden, sie fallen einem nur ein, wenn man Filme wie Beverly Hills Ninja sieht.
Mannshoch erscheint darin die besagte Wurst, rund zweihundert Kilo schwer, und kämmt sich die Haare verwegen in die Stirn. Mit bürgerlichem Namen heißt sie Chris Farley, und wenn sie nicht - wie hier - einen weißen Ninja spielt, der in einem japanischen Kung-Fu-Kloster aufgewachsen ist, tritt die Kampfwurst manchmal in der US-Comedy-Show "Saturday Night Live" auf.
In der leidlich amüsanten Kung-Fu-Parodie Beverly Hills Ninja verschlägt es den tolpatschigen Krieger eben nach Beverly Hills, wo blonde Liebe und Ninja-Ehre warten. Regie (Dennis Dugan) und Drehbuch sorgen für jugendfreie Debilitäten und eine Verwurstung (sic!) des Genres. Für die Schwächen entschädigt Chris Farley mit ein, zwei sehenswerten Einlagen, darunter ein denkwürdiger Männerstrip. Wer sich also beim Schuleschwänzen am liebsten Werke der Zucker Bros. ansieht und im "Mad Magazine" zuerst nach der Filmparodie sucht, könnte der Kampfwurst eine kleine Chance geben. Sie wird es ihm danken. (DIE PRESSE, 25/4/1997)

Was soll bitte eine Kampfwurst sein? Vielleicht eine renitente Käsekrainer? Geht's um ein verfeindetes Debrezinerpaar? Knapp daneben. Der knackige Kampfspaß gibt vor, von der blödesten Sorte zu sein, ist aber doch gefinkelt. Obwohl nur Beulen, Blessuren und Kung-Fu-Ballette bröselige Bausteine der Story sind, denn das Skript ist so wenig herausfordernd wie der Speisezettel am Würstelstand.
Ignoriert man die dünnhäutige Story, kommen einem sogar Lacher aus. Vor allem wegen des pfundigen Haru. In einem Körbchen wird er von Ninja-Brüdern aufgelesen, die das weiße Baby sogleich als postmodernen Moses anbeten. Allerdings wächst der Mops allen über Kopf und Taille. Wenn Haru trainiert, herrscht in der Notaufnahme Alarmbereitschaft.
Bis er sich in die attraktive Freundin eines Geldfälschers verliebt und in knochenbrechender Mission nach Beverly Hills aufbricht. Wenn dort die Wurst rollt, rollen Köpfe. Haru handkantet die fiesesten Gangster, wickelt daneben die langbeinigste Blondine von Beverly Hills ein. Alles fein verwurstet, und wer sich mit Scherzln begnügt Mahlzeit! (Monika Vanecek, KURIER)

Weitere Kritiken der IMDb








Zur Homepage         Zur Gesamtübersicht


Zur nachfolgenden Woche Zur vorangegangenen Woche
1997
Mai 2/5/1997 9/5/1997 16/5/1997 23/5/1997 30/5/1997
April 4/4/1997 11/4/1997 18/4/1997 25/4/1997  
März 7/3/1997 14/3/1997 21/3/1997 28/3/1997  
Jänner Februar März April Mai Juni
Juli August September Oktober November Dezember


Besucher seit 11/1997: