GB / D E 1996. 127 Min.
Regie: Ken Loach,
Buch: Paul Laverty,
Musik: George Fenton,
Kamera: Barry Ackroyd,
Schnitt: Jonathan Morris,
Darsteller: Robert Carlyle (George), Olyanka Cabezas (Carla), Scott Glenn (Bradley), Salvador Espinosas (Rafael), Louise Goodall (Maureen), Richard Loza (Antonio), Gary Lewis (Sammy)
Kinostart: 19/9/1997
Die Konsequenz, mit der Ken Loach seinem filmischen Ethos eines sozial und politisch engagierten Kinos verpflichtet ist, sucht selbst unter den an "Realisten" nicht armen britischen Regisseuren seinesgleichen. Kompromißloser als die jungen Filmemacher, radikaler noch als Mike Leigh, verfolgt der 1936 geborene Engländer seine Vision eines filmischen Blicks, der weder vor der Wirklichkeit die Augen niederschlägt noch sich vom jeweiligen Zeitgeist blenden läßt. Zwei Jahre nach "Land and Freedom" (fd 31 553), seiner Annäherung an den Spanischen Bürgerkrieg, greift Loach erneut ein Thema auf, das schon lange aus den Schlagzeilen verschwunden ist: Nicaragua und das Schicksal der sandinistischen Revolution. Und wieder gelingt es ihm scheinbar spielerisch, den historisch-geografischen Graben einzuebnen und das Schicksal von Menschen greifbar zu machen, die weder als Kinohelden geboren wurden noch ein Leben führen, das jemals das Interesse der Öffentlichkeit gefunden hätte.
Der Film spielt Ende der 80er Jahre, als die Sandinisten die erste frei gewählte Regierung stellten, der Norden des Landes aber von den Contras mit einem grausamen Guerillakrieg überzogen wurde. Seinen Ausgang aber nimmt er in den engen Gassen Glasgows, durch die ein junger Busfahrer seinen Doppeldecker steuert. George ist ein impulsiver, aufgeweckter Bursche, der sich mit seinen Vorgesetzten ständig kleine Gefechte liefert, in einer gesichtslosen Betonbausiedlung wohnt und von seiner Geliebten zur Heirat gedrängt wird. Als er bei einer Kontrolle einer dunkelhäutigen Schwarzfahrerin beim Entwischen hilft, wird er abgemahnt, was ihn nicht daran hindert, einige Tage später alle Fahrgäste vor die Tür zu setzen, um sein Gefährt kurzerhand als eine Art Privattaxi zu gebrauchen. Die Stippvisite mit Carla, wie die Fremde ohne Fahrschein heißt, endet im schottischen Hochmoor, wo der Bus im Morast steckenbleibt. Wie Loach die schwierige Annäherung zwischen dem neugierigen Schotten und der verschlossenen, kaum Englisch sprechenden Tänzerin aus Nicaragua in Bilder umsetzt, ist um so bemerkenswerter, weil er seinen dokumentarischen Stil auch in der Schilderung der zögerlichen Liebesgeschichte beibehält. Die traumatischen Erlebnisse, die Carla in den naßkalten Norden England flüchten ließen und die in der Begegnung mit George wieder so virulent werden, daß sie einen Selbstmordversuch unternimmt, laufen nie Gefahr, wie Kintopp zu wirken. Und auch die Reaktionen des gefeuerten George, der zwischen Fürsorge, Begehren und Hilflosigkeit schwankt, gewinnen ein so menschliches Maß, daß jede Anleihe beim "bigger than life" kindisch erscheinen würde.
Erst als George ihr beim Liebesspiel das T-Shirt vom Körper streift und angesichts ihres von Narben zerfurchten Rückens vor Entsetzen zurückfährt, dämmert ihm, was Carla Nacht für Nacht den Schlaf raubt: ein - als nahezu farblose Traumsequenz immer deutlicher wiederkehrender - Hinterhalt, bei dem die Tänzerin schwerverletzt entkam, aber mit ansehen mußte, wie ihr Geliebter Antonio von den Contras brutal gefoltert wurde. Neben dem titelgebenden Lied und den Wunden, innen wie außen, ist ihr von ihrem ehemaligen Gefährten nur die Ungewißheit über sein Schicksal geblieben. Tags darauf drückt George ihr zwei Flugtickets in die Hand. Obwohl er ahnt, daß er sich und die junge Beziehung damit unkalkulierbaren Risiken aussetzt, schreckt er nicht zurück, weshalb der Film nach einer guten Stunden bis auf seine beiden Hauptfiguren nahezu alles wechselt: Licht, Atmosphäre, Rhythmus und Temperament. Georges pfiffige Souveränität weicht dem unsicheren Gehabe des Touristen, Carla glaubt man spürbar aufatmen zu hören, wenn sie sich durch die Menschenmengen auf den staubigen Busbahnhöfen schlängelt und ehemalige Mitglieder ihrer Propaganda-Gruppe nach Antonio ausforscht. Die in Glasgow eng an den Personen geführte Kamera zieht sich zurück, öffnet sich mit weiten Winkeln der unbekannten Landschaft, aber auch dem Gefühl der Verlorenheit, das George streift, als er sich mitten in einem blutigen Bürgerkrieg wiederfindet. Die Suche nach Antonio treibt beide immer tiefer in jene Gebiete, in denen die Contras die Bevölkerung mit kleinen Scharmützeln und nächtlichen Anschlägen terrorisiert, und mündet schließlich im Nirgendwo zwischen Gewehrsalven und verängstigten Einheimischen.
So sehr es Loach hierbei gelingt, die menschenverachtende Taktik der von Amerika finanzierten "low intensive warfare" anschaulich zu machen, so verführt ihn die Parteinahme für die Sache der Sandinisten auch zu merkwürdigen Einseitigkeiten. Ohne erkennbare Distanz inszeniert er den Agitprop der Regierungspartei in leuchtendsten Farben und entwirft in dem Friedenskämpfer Bradley eine Figur, die sich als geläuterter CIA-Ausbilder ohne jeden Bruch ins simple Gut-Böse-Schema fügt. Ein wenig von der unbeholfenen Naivität, mit der George wie von einem anderen Stern durch das Land stampft und sich solange an dessen Sinnlichkeit erfreut, bis ihm die Granaten um die Ohren fliegen, hätte auch dem Filmemacher gut getan, der seinem Drehbuchautor nicht korrigierend unter die Arme griff; Paul Laverty, ehemals Anwalt in Glasgow, war von 1984 an fünf Jahre lang für Menschenrechtsorganisationen in Nicaragua tätig und hat im Skript wohl auch seine eigenen Erlebnisse eingetragen. Die geballte Philippika gegen die USA raubt der ungewöhnlich selbstlosen Liebesgeschichte, an deren Ende Ankunft und Abschied stehen, ein wenig die Leichtigkeit und auch den Raum, um ihre Entwicklung auf dem anderen Kontinent detaillierter nachzuzeichnen. Am zutiefst humanen Kern von Loachs Versuch, aus den Brüchen und Katastrophen der Gegenwart den Stoff für ein sehendes, urteilendes und handelndes Kino zu gewinnen, kratzt dies freilich kaum. (Josef Lederle, film-dienst)
Der britische Filmemacher Ken Loach ist seit bald 30 Jahren nicht nur ein Beobachter der Krisen in England ist, sondern auch ein Verfechter einer „linken“ Kultur, die nicht jeder Karawane hinterhertrottet. Carla’s Song, sein jüngster Film beginnt mit einem Akt der Solidarität: Ein junger Brite (Robert Carlyle) rettet eine Lateinamerikanerin vor einem „Schwarzkappler“. Die Pointe ist, daß der er selbst den Bus lenkt. Er war also die längste Zeit städtischer Chauffeur. Zur Kompensation entführt er den Bus in die Natur.
Romantiker war Ken Loach schon immer. Hier wird er allerdings eine Spur kitschig, und Carla’s Song leidet insgesamt darunter, daß die Gutmenschen ihre Lieder haben (weswegen man sich an ihrem Lagerfeuer gut niederlassen kann), während die CIA mit Bomben schmeißt. Der Ausflug des Helden nach Nicaragua, in den Krieg zwischen den Sandinisten und den „Contras“ während der 80er Jahre, wird also zu einem Ausflug in die Welt der politischen Rhetorik eher als in die Welt der sozialen Beobachtung, für die Loach bisher geschätzt wurde (Raining Stones; Ladybird, Ladybird).
Der Regisseur arbeitet in einem politischen Konflikt, der nicht einfach aus der Perspektive der berühmten „Fliege an der Wand“ erzählt werden kann, weil Krieg fast immer Tumult ist, den Loach hier mit vielen Fake-Explosionen mehr beschwört als vermittelt. Die Figuren, die er sonst so nuanciert zeichnet, sind Pappkameraden vor Ideologiekulissen. Derzeit im Kino. (Bert Rebhandl, DER STANDARD, 27/9/1997)
Ken Loachs neuer Film, "Carla's Song", versucht, eine Romanze (in Schottland) und den Tod (in Nicaragua) ineinander zu spiegeln. Das Unternehmen gelingt nicht ganz: Respektabel bleibt es doch.
Im grauen Glasgow kreuzt ein roter Bus, ein Doppeldecker, durch die Straßen: ein eyecatcher. Das erste Bild dieses Films, alltäglich und lyrisch zugleich, lenkt die Aufmerksamkeit dorthin, wo sie sein soll: an den Arbeitsplatz des Helden, an den Ausgangspunkt dieser Story. Robert Carlyle, Großbritanniens derzeit populärster Kino-Mime, gerät als Busfahrer in einen Konflikt: Ein Kontrollor legt sich mit einer jungen Ausländerin an, will ihren Fahrschein sehen, sonst müsse er sie zur Polizei bringen. Gentleman Carlyle verhilft ihr zur Flucht, was ihn zwar in die Nähe des Arbeitsplatzverlustes bringt, aber eben auch in Kontakt mit dem netten Mädchen.
Ken Loachs verfolgt in seinem neuen Film, in Carla's Song, Motive und Figuren seiner früheren Arbeiten weiter: Seine Liebe gehört nach wie vor den Kämpfern, dem proletarischen Aufbegehren gegen die Behörden, dem Kampf für ein selbstbestimmtes Lebens, wie wenig Geld auch immer dazu da ist. Und es geht, wie schon in Loachs Land and Freedom, um den Krieg und seine Uneinschätzbarkeit, wie er einerseits nur eine Verlängerung (und tragische Eskalation) menschlicher Streitlust darstellt - und wie er sich andererseits verselbständigt und sich stets gegen die richtet, die für ihn nichts können.
Carla's Song zerfällt in zwei Blöcke: Die erste Hälfte, in Glasgow 1987, protokolliert die amourösen Manöver Carlyles und eine Liebe, die ins Nichts gebaut wird. Hier kann man noch einmal all das sehen, was Loach berühmt gemacht hat: einfache Bilder, selbstverständliches Schauspiel, realistisches Kino, das ins Auge faßt, was im Kino sonst wenig Platz hat - die Wohnblocks, das Pub, die engen Schlafzimmer.
Die ungeklärte Vergangenheit des Mädchens überschattet die neue Liebe: Carla bleibt depressiv. Die einzige Möglichkeit, zu exorzieren, was sie quält, liegt auf der Hand: Ihr Freund kauft zwei Flugtickets, die sie nach Nicaragua bringen, wo Carla auf die Suche nach dem schwerverletzten Vater ihres Kindes geht. Loach erzählt im folgenden davon, wie die Liebe im Mündungsfeuer, im Dauerbeschuß zugrunde zu gehen droht, wie ein junger Mann aus England mit einer Situation konfrontiert wird, deren Sprache er (in jedem Sinn) nicht versteht. Nicaragua ist die andere Seite der Welt: sonnig, chaotisch, musikalisch, lebensgefährlich. Hier begibt sich Loach - auch formal - in gefährliches Gebiet: Seit ein paar Jahren lauert das Sentimentale wie ein Damoklesschwert über seiner Arbeit.
In Nicaragua übernimmt die Folklore das Ruder, die Loach in Kürzeln - in fröhlichen Tänzen und exotischen Liedern - zwischen die Liebe und den Krieg streut. Die Brutalität, mit der er das Töten (und Amerikas Täterrolle im Krieg) beschreibt, ist angemessen. Aber die Sentimentalität, die sich Loach erlaubt, nimmt seinen Filmen neuerdings einen guten Teil ihrer Wirkung, weil sie diese fiktiver macht, kinogerechter und eben gerade nicht: realer. Vielleicht ist das Problem dieser Aufweichung in Loachs Aufstieg vom britischen Sozialrealisten zu Europas Vorzeige-Autor zu orten. Will man einem so sehr vergrößerten Publikum entsprechen, scheinen Kompromisse unausweichlich. Gegen Ende tauchen, wie aus dem Nichts, die Violinen auf, fast wie in Hollywood. Daß das Leben kein Melodram ist, sondern bisweilen bloß niederschmetternd, davon hat Loach stets erzählt. In Carla's Song scheint er seine Sicherheit, wenigstens diesbezüglich, verloren zu haben. (Stefan Grissemann, DIE PRESSE, 19/9/1997)
Weil eine gewisse deutschsprachige Kritik oberlehrerhaft alles, was nicht systembejahend, ausgewogen oder leicht konsumierbar ist, in Grund und Boden und ins linke Eck zensuriert, konnte dieser leise Film über die Liebe eines Buslenkers zu einer Emigrantin trotz des Interesses in Venedig und Wien (Viennale) nur mit Mühe ins Kino gebracht werden.
Natürlich ist Ken Loach links, parteiisch und unausgewogen: Er zeigt, wie ein Glasgower Busfahrer (Robert Carlyle, bekannt aus "Train Spotting") für eine vom Buskontrollor gestellte Exotin, Carla (Olyanka Cabezas), Partei nimmt, ihretwegen den Job verliert und mit ihr nach ihrem zweiten Selbstmordversuch im feindlichen Asylland nach Nicaragua fliegt.
Dort lernt er (und das Publikum mit ihm) die Schrecken der Contra-Übergriffe auf die Sandinisten kennen und die Hilfsbereitschaft eines abgesprungenen CIA-Agenten (Scott Glenn). Doch die Liebe kann nicht überleben, Carla findet ihren beinah zu Tode geschundenen Antonio wieder...
Film als Trauerarbeit und Gedächtnisauffrischung. Starke Kamera: Barry Ackroyd. (Hansjörg Spies, Kleine Zeitung, 20/9/1997)
Links sein kann auch linkisch sein. Wie in diesem Kampffilm des Sozialkritikers Ken Loach, der vermutlich wegen seiner dramaturgischen Auszehrung bei uns mit beträchtlicher Verspätung ins Kinoprogramm einreitet (er war bereits im Vorjahr beim Filmfest Venedig). Loach, vielfach gepreister britischer Filmer, gilt als unbequem und berüchtigter Aufrüttler, eifriger Aufzeiger sozialer Mißstände. In diesem Fall ist freilich sein Film selbst der Mißstand. Und unbequem wird einem dabei vor allem der Kinosessel - selbst der beste erweist sich da als nicht komfortabel genug, um entspannt einzuschlafen, wenn die Zeit gekommen ist.
Diese wird spätestens dann eingeläutet, wenn die multikulturelle Liebesbeziehung zwischen dem Glasgower städtischen Busfahrer George und der scheinbar abweisenden, schönen Exil-Nicaraguanerin Carla in deren lateinamerikanische Heimat auswandert. Dort in einen Agitationsfilm gegen die regierungs- und damit sandinistenfeindlichen Contrarebellen abdriftet, welche die Zivilbevölkerung drangsalieren, vor Folter und Mord nicht zurückschrecken.
Nicht das dickblütige Engagement für die inzwischen wieder abgewählten Sandinisten muß dabei Loach angekreidet werden, sondern seine verzopfte Ungeschicklichkeit im Umgang mit seinen eigenen Charakteren und das mangelnde psychologische Gespür für packendes Erzählen. Durch die Reise zerreißt die Handlung wie ein Blatt Papier zwischen zwei auseinanderstrebenden Fäusten. Selbst das herausfordernd freche, überwältigende Grinsen Robert Carlyles („Trainspotting“) - es vergeht demselben angesichts der auch an eigenem Leib erfahrenen Mißstände sowieso - kann das Publikum für Spannungsverlust und Anödnis nicht entschädigen.
Das unermüdliche Engagement um die Einhaltung der Menschenrechte soll nicht aufgegeben werden, auch nicht im Kino. Wer dies jedoch mit untauglichen Mitteln betreibt, muß mit herben Verlusten rechnen. (Rudi John, KURIER)
Weitere Kritiken der IMDb
A 1997
Regie: Thomas Roth,
Buch: Günter Brödl,
Darsteller: Kurt Ostbahn, Heribert Sasse, Lukas Resetarits, Karl Ferdinand Kratzl, Uschi Obermaier
Kinostart: 19/9/1997
Wenn einer einmal ausspannen will in seinem Stammcafé, was dann gleich alles passiert! Mord und Totschlag, ein Sumpf des Verbrechens tut sich vor Ostbahn auf. Wäre da nicht Roths avancierte "Tatort"-Ästhetik, dafür a bisserl mehr Schmäh, hätte das ein ganz lustiger Wiener Film werden können. (FALTER)
Er fuchtelt nicht mit den Händen. Er drückt bei den Schmähs nicht drauf. Er ist einfach da und ziemlich gut. Kurt Ostbahn, einer der wenigen heimischen Stars, die Rock’n’Roll ebenso überzeugend vorleben wie die Moderation von Wunschkonzerten und das Engagement für Integrationshäuser, hat nun jenen Schritt getan, den jeder Publikumsmagnet seiner Klasse in jedem anderen Land unweigerlich auch tut: Er setzt an zur Eroberung der Leinwand.
Nichts wäre daran auszusetzen. Das Austrokino braucht – wir hören es ja immer wieder – Zugpferde. Es bräuchte aber auch (gerade im Entertainment-Bereich) gute Regiehandwerker und Drehbücher, und damit sind trotz Ostbahns Charisma wieder einmal mitten in einer Tragödie halbgarer Erfolgsrezepte.
Der Blutrausch nämlich, der da jetzt allerorten angekündigt wurde, ist nämlich ein recht marodes Konstrukt, eine, wie Willi Resetarits sagen würde, sehr „blede G’schicht“. Irgendwelche mehr oder weniger in die Wiener Musikszene involvierte Menschen werden massakriert, frei nach einem ersten, nicht besonders inspirierten Ostbahn-Krimi von Günter Brödl. Und während der Held angesichts der ihn umgebenden Unwahrscheinlichkeiten alles tut, sich auf verbrannte Hawaii-Toasts zu konzentrieren, gibt ihm der junge, angeblich hoffnungsvolle, ganz sicher aber schon an Der See gescheiterte Regisseur Thomas Roth den Rest.
Roth ist einer von diesen selbstberufenen Bildsturm-Entfachern, die lieber einmal eine Flipperkugel in Großaufnahme auf die Kamera zurasen lassen oder drastische Aufsichten konstruieren, als so etwas wie Suspense in Augenhöhe anständig zu rhythmisieren. Ein Italo-Western-Zitat gleich am Anfang ist nur die erste stilistische Bankrott-Erklärung. Vom Showdown zwischen Ostbahn und einem Killer, der sein Handwerk bei Michael Haneke gelernt hat, brauchen wir gar nicht erst zu reden: Die Anblicke bizarrer Ledermasken können den ganzen, grausamen Mangel an filmischem Gefühl auch nicht annähernd kaschieren.
Nicht einmal eine Wiederbegegnung mit Uschi Obermaier bleibt in diesem Unfilm ungetrübt. Gnadenlos wurde sie auf Wienerisch niedersynchronisiert. Der Rest – notdürftige Anklänge etwa an selige Kottan-Zeiten – erinnert schmerzlich daran, daß früher Peter Patzak beim Grimmig-Sein keiner klotzigen visuellen Faxen bedurfte. Vielleicht wäre er der richtige Partner für Dr.Ostbahn, der nach dieser verpfuschten Operation doch eine zweite Chance verdient hat. (Claus Philipp, DER STANDARD, 22/9/1997)
Es wird ganz schön was getrunken und gespieben in dem Film, aber interessanterweise hängt das eine mit dem andern nicht zusammen, denn das Saufen vertragen die wienerischen Vorstadtfiguren, nur das Auffinden einiger von Messern zerfetzter Leichen vertragen sie nicht. Die aber liegen den erhofft erholsamen Urlaubswochen des Musikers Dr. Kurt Ostbahn periodisch und darum ungut im Weg. Weder hätte er sich träumen lassen, daß seine geistige Zuneigung jemals einer illusionslosen Polizistin gehören wird und seine leibliche einer illuminierenden Millionärin, noch, daß ihn Video-Clips aus seiner eigenen Branche um Kopf und Kragen bringen könnten. Um den Kopf aus der Schlinge einer Mordanklage ziehen zu können, muß er notgedrungen herausfinden, wer da warum im "Blutrausch" ist.
Willi Resetarits gibt sein Debüt mit kantiger Bravour; sein Ostbahn ist der unerschrockene, goscherte Clint Eastwood von Favoriten, der ein lässiges Auge auf den Taifun ringsumher wirft. Sein Bruder Lukas als Cafetier ist schmähmäßig gleichauf, rollenmäßig aber unterfordert. Einen manischen Crime- & Cyber-Freak legt ein gutgelaunter Heribert Sasse hin, Raimund Harmstorff (einst "Der Seewolf") ist ein blasser Ungustl, Uschi Obermaier versucht teilerfolgreich, daran zu erinnern, warum sie einst Deutschlands Skandalnudel war. Der Schauspielschatz ist aber Silvia Fenz als Polizistin, die mit rührenden Schwächen am Leben dranbleibt, auch wenn es sie malträtiert hat. Daß aus dem Kult-Chaoten Ostbahn ein ermittelnder Intercity wird, verdankt der Film nach dem Roman Günter Brödls dem Regisseur Thomas Roth, der nach der unklaren Verfilmung des Romans "Der See" seines Vaters Gerhard nun ein weniger sinnesschwangeres Sujet gefunden hat, in dem er rasant zu Hause zu sein scheint. Der Rhythmus der filmbestimmenden Musik (Karl Ritter und Willi Resetarits) paßt herzschlaggleich zu den furios geschnittenen Szenen (Evi Romen). Ein witziges, sehr professionelles Commercial aus Österreich, in dem auch (kurz, aber halbseiden souverän) Manfred Deix mitwirkt. (Reinhard Tramontana, profil 38/97)
"Blutrausch": Unter Thomas Roths Regie wurde die Romanfigur Dr. Kurt Ostbahn, besetzt mit der gleichnamigen Realfigur, zum Leben erweckt. Man hätte sie besser ruhen lassen. Bemerkungen zu einem neuen österreichischen Film.
Domina-Accessoires, triefendes Rot, dazu die Namen heimischer Szene-Menschen. Der Vorspann von Blutrausch - ein Versprechen: Sex & Crime, made in Austria. Auftritt Dr. Kurt Ostbahn: "Wos jetz' kummt, is olles woa". Wahr ist, daß der Dr. Ostbahn dieses Films mit dem "realen" Herrn Dr. Ostbahn, einer Kunstfigur des Austropop, ident ist. Wahr ist auch, daß Willi Resetarits, der Mann, der eigentlich in der Haut beider Doktoren steckt, keinen Unterschied macht zwischen der Darstellung des einen (des Protagonisten eines Krimis) und des anderen (des Wiener Rock'n'Media-Stars). Das müßte an sich kein Schaden sein - wäre die Hauptfigur von Blutrausch nicht gar so sehr auf das (leicht persiflierte) Stereotyp des (leicht versoffenen) Detektivs wider Willen getrimmt; und wäre der leibliche Dr. Ostbahn nicht bereits zu sehr das Klischee seiner selbst, um noch in ein anderes schlüpfen zu können.
Was Ostbahn in Blutrausch zu erzählen hat, ist gar seltsam, und was Regisseur Thomas Roth daraus macht, ist weitgehend verzichtbar. Kurt Ostbahns Abenteuer beginnt beim Herrn Josef (Bruder Lukas Resetarits), in seinem Stammbeisl: An der Bar hängend, auffällig auf die Promille-Grenze für freischaffende Detektive zusteuernd, wird er Zeuge eines blutigen Streits unter Freunden. Auf dem Nachhauseweg stößt er auf die grauslich zugerichtete Leiche eines dieser Männer. Zu dieser Geschichte gesellt sich sogleich eine andere: Am folgenden Abend, wieder an der Bar hängend, sieht unser Held eine geheimnisvolle Schöne (Uschi Obermaier) mit Baßstimme den Raum betreten. Die Frau wird am Rande des kriminellen Geschehens und im Zentrum des Ostbahn-Leben eine vieldeutige Rolle spielen.
Weitere Rollen spielen außerdem ein geheimnisvoller Fremder (Raimund "Seewolf" Harmstorf), eine verschmitzte Kriminalbeamtin (Silvia Fenz) und deren schleimiger Assistent (Georg Friedrich), eine Lack-&-Leder-Fetisch-Rocksängerin (Inga Busch) und weitere Figuren vom Schlage "netter Freak" oder "gefährlicher Perverser". Zu letzteren zählt schließlich auch der Mann, der für die lustig auf Wände oder in Gesichter spritzenden Blutbäder verantwortlich sein soll.
Blutrausch ist nur selten lustig und praktisch nie spannend. Die handlungsbegleitenden Sprüche Ostbahns wirken so spontan wie auf Mini-Bühnen deklamierte Witze, und als Philip-Marlowe-Verschnitt ist der Mann in etwa so komisch, als imitierte Humphrey Bogart den Ostbahn-Kurti. Weil schließlich nichts bedrohlich wirkt (eher wie postmodern zitierte "bedrohliche Situationen" aus Film Noir, Splatter und Western) - und weil sich aller Suspense an den Posen der zahlreichen Genre-Leichen dieses Films stumpf stößt, greift Regisseur Roth bald zu Effekt-Mitteln ohne Zweck: Man sieht im Close-Up eine Flipper-Kugel anrollen, und man sieht rasende Kamerafahrten, die durch keinen nachvollziehbaren Blick, keine in der Handlung begründete Bewegung, keine deutende Erzählhaltung motiviert sind. Ebenso unmotiviert tauchen die lieblos zwischen die Szenen gestopften (Off-)Songeinlagen des Ostbahn-Kurti auf.
Aber um solche Unstimmigkeiten geht es in Filmen wie Blutrausch gar nicht. Hier denkt und inszeniert man in kleineren, aber großzügig mit albernen Kalauern aufgespeckten Einheiten: in Episoden. Alles sollte halt irgendein Flair haben und irgendwie wirken - nach dem Motto: jeder Schuß ein Treffer, egal wohin. (Robert Buchschwenter, DIE PRESSE, 20/9/1997)
Erstmals übersiedeln Willi Resetarits (Darsteller) und Günter Brödl (Mastermind), Schöpfer des Gesamtkunstwerkes "Ostbahn Kurti", ins Kino. Sehr geholfen hat ihnen dabei der Regisseur Thomas Roth, der den bisher vor allem musikalisch definierten Wiener Vorstadtmythos gekonnt in Bilder übersetzt. Natürlich ist es kein schlichter Krimi oder ein blutrünstiges Splatter-Movie: "Blutrausch" erzählt vom coolen Prolo-Pop-Star Kurt O., der ohne großes Zutun in eine schaurige Mordserie verwickelt wird. Roth inszeniert ein dunkles Kammerspiel mit skurrilen Figuren: Herausragend sind Silvia Fenz als Kommissarin und Heribert Sasse als Agent mit Hang zur privaten Rasterfahndung. Für Altachtundsechziger erbaulich ist der attraktive Auftritt von Uschi Obermaier, der exzellent erhaltenen Erotik-Ikone der Kommunensteinzeit. Doktor Ostbahn selbst ist eine lässige, leicht gebrochene Figur, die an den Film noir erinnert. Kleine Details amüsieren zusätzlich: Die Sado-Sängerin ( Inga Busch) hat zu Hause Motive des Aktionisten Rudolf Schwarzkogler an der Wand, und der Killer (Arno Frisch) kommt direkt aus Hanekes "Funny Games". (Frido Hütter, Kleine Zeitung, 20/9/1997)
Blutrausch - Story aus dem Kaffeesatz
A blede Gschicht muß nicht deppert sein. Manche Sachen sind „reif wia a eitrigs Wimmerl“: Beispiel aus dem Zitatenschatz dieser späten, aber schlagfertigen Antwort auf den Dritten Mann; die ganz ohne Kanalisation auskummt, aber nicht ohne Rinnsäu. Ostbahn Kurti gaunz auf Leiwaund - dem Stoff eben, aus dem man Kino macht. Wer jedoch bei Ostbahn nur Bahnhof versteht, sollte rechtzeitig aussteigen, bevor er in diesem Film den Anschluß verpaßt.
Oder wenigstens den betreffenden Teil des Fahrplans nachlesen und -hören, nach dem die Kult- & Kurtifigur des Austrorock den „Favoriten and Blues“ erfand. Für seine Fans hingegen gibt es endlich Gewißheit darüber, was für einen Doktor der Dr. Kurt Ostbahn hat. “Önologie“ (=Weinbaukunde) sagt er eigenmündig auf Anfrage.
Über der betreffenden Beiselszene hängt dennoch unausgesprochenes Erstaunen, weil der Kurti ja lieber „viele Biere trinkt sowie deren ständige Begleiter, die vielen Fernets...“ Das allein mag natürlich nicht ausreichend erklären, warum man ihn als müden Helden eines raunzerischen Vorstadtkrimis gesehen haben muß. Muß. Auch trägt ein anderes Phänomen ebensowenig zur Aufklärung bei - daß nämlich cool und gemütlich in Kurtis Person vereint bei demselben keineswegs Schizophrenie ergibt, sondern Schmunzelhumor.
Um den Stellenwert dieses katakombenschwarzen Krimis auf den Druckpunkt zu bringen: „Blutrausch“, nach dem Krimi des Ostbahn-Intimus Günter Brödl, wirkt wie eine gemütvolle Literaturverfilmung des Spruchs „A echter Wiener geht net unter“. Eine liebevolle Hommage an den Wiener Schmäh - personifiziert von Ostbahn, Freunden bzw. Feinden aus der wienerischen Vorstadt und dem Rest der Welt. Ein wenig auch Hort und Wortbewahrungsanstalt des Spruchs vom Grund, angefangen bei Kiberer über Blashüttn bis zum Batzn Buschkavü - und das ist ja wirkli ka Lecherlschas.
Neben dem so traumwandlerisch gefernzten Kurti ein treu-, aber deswegen nicht herziger Heribert Sasse als sein Haberer, Manager und Trainer. Bruder Lukas skizziert seine Wirtnkarikatur mit kongenialem Einfaltspinselstrich. Silvia Fenz rührt als ungerührte, schicksalszerknitterte Kommissarin. Und Uschi Obermaier läßt immer noch mehr als nur ahnen, warum sie einst eine APO-Ikone war. Karl F. Kratzens Kleinkrimineller wiederum dient als urkomische Fuß(pilz)note.
Dafür hapert es leider etwas bei Krimiplot und Dramaturgie; vielleicht wäre die verschlungene Story leichter aus einem Kaffeesatz zu lesen als aus dem Drehbuch. Aber der Kurti sauft, wie erwähnt, nur Bier & Fernet; deren Reste sind des Deutens nicht wert, schon gar net der Hansl. Irgendwann klärt sich sowieso alles restvoll auf, wer dar Schlächter von Simmering is, wie des mit irgendwelche Satanisten zusammenhängt bzw. net wirkli. Wie sagt der Kurti immer? ’s Leben is an Hund. Und daun erscht des Fümmochn. (Rudi John, KURIER)
USA 1997. Ca. 100 Min.
Regie: Ivan Reitman,
Buch: Lowell Ganz, Babaloo Mandel, nach dem Drehbuch zu dem Film "Zwei irre Spaßvögel" (1983) von Francis Veber,
Musik: James Newton Howard,
Kamera: Stephen H. Burum,
Schnitt: Sheldon Kahn, Wendy Green Bricomt,
Darsteller: Robin Williams (Dale Putley), Billy Crystal (Jack), Julia Louis-Dreyfus (Carrie), Nastassja Kinski (Collette), Charlie Hofheimer (Scott)
Kinostart: 19/9/1997
Danny De Vito und Arnold Schwarzenegger als getrennt aufgewachsene Zwillinge auf der Suche nach ihrer Mutter - das war schon ein starkes Stück, das Ivan Reitman einst mit "Twins - Zwillinge" (fd 27 465) dem Publikum zumutete. Daß dabei die Grenze zur Groteske überschritten wurde, war wie so oft für den Unterhaltungswert von Nutzen. In "Ein Vater zuviel" ist die Situation eine ähnliche, die Verschiedenheit der Figuren aber eine charakterlich differenziertere. "Twins" bot eine Art "Kaspar Hauser meets Businessman", hier ist es ein Lyriker, melancholisch bis zur Suizidgefährdung, der es mit einem erfolgreichen, tendenziell aggressiven Anwalt zu tun bekommt: Nostalgie meets Realitätssinn. Beiden gemeinsam ist ein lange zurückliegendes Abenteuer mit einer hüschen Frau, die sich nun erneut an sie wendet. Er sei der Vater eines gemeinsamen Sohnes, beichtet sie den Tränen nahe jedem von ihnen; nun sei der Junge verschwunden, und er habe doch die Pflicht, ihr zu helfen. Beide machen sich sogleich auf die Suche, ohne freilich vom anderen zu wissen, aber schon bald will es der Zufall, daß sie voneinander erfahren. Getrieben von Vaterstolz und überzeugt, selbst für die Zeugung verantworlich zu sein, werden die Konkurrenten zu Partnern wider Willen.
Der Witz an der Sache besteht weniger in den etwas zäh gestalteten, aus Slapstick und Wortwitz sich nährenden Situationen, in denen sich die beiden behaupten müssen - zumal der wiedergefundene Sohn sich so gar nicht bereit erklärt, nach Hause zu kommen, schließlich gibt es da eine Angebetete, die aber einen Rocksänger vorzieht - , er liegt vielmehr in der Besetzung. Dies war auch schon in Francis Vebers Komödie "Zwei irre Spaßvögel" (fd 24 840) so, die dem Film zugrundeliegt. Dort standen sich Pierre Richard und Gérard Depardieu gegenüber, hier sind es Robin Williams und Billy Crystal. Williams führt in der Rolle des Poeten mit Verfolgungswahn und Hang zum Heulen seine Karriere als Kindskopf im Erwachsenenkörper fort. Wer ihn noch als aus der Bahn geworfener Obdachloser in "König der Fischer" (fd 29 187) vor Augen hat, dem wird die jetzige, schon äußerlich ähnlich angelegte Figur nur als unzureichendes Spielfeld für Williams' Komik vorkommen, die zwischen schrecklicher Hemmung und zwanghafter Extrovertiertheit changiert. Sein Markenzeichen, das sprunghafte Wechseln in verschiedene parodistische Rollen, darf er auch hier vorführen, die meiste Zeit aber läuft er den Ereignissen hinterher. Billy Crystal, dessen größte Errungenschaft die Verwandlung der "Oscar"-Verleihungsmoderation zur bösen Business-Satire ist, strahlt dank eines leichten Unterspielens eine stetige Anspannung aus, die sich angesichts von Williams' Gemütsverfassung und der anstrengenden Ereignisse schon mal in Bosheit oder auch einer Kopfnuß entlädt. Nastassja Kinski als Mutter spielt brav ihren Part, sieht nach wie vor hübsch aus, wirkt aber arg verloren in dieser leichten Unterhaltungskost. (Oliver Rahayel, film-dienst)
Die funkelnden Skylines von San Francisco und Los Angeles, flirrende Lichtreklamen, grelle Groupies, eine Villa in Beverly Hills, dazu zwei renommierte Hollywood-Größen - so können Kassenknüller entstehen.
Für "Fathers' Day" sucht Regisseur Ivan Reitman ("Ghostbusters", "Ein Hund namens Beethoven", "Space Jam") mit Robin Williams und Billy Crystal den Erfolg. Dale Putley (Williams) ist eifrig bemüht um das Klischee des selbstmordanfälligen Theater-Schriftstellers, dessen Stücke noch nie aufgeführt wurden; sein Partner, Jack Lawrence, mimt den erfolgsverwöhnten Rechtsanwalt mit Statussymbolen wie dem teuren Jaguar in der Garage und der langhaarigen Schönheit als Ehefrau.
Die Handlung ist simpel: Ein hübscher, 16jähriger Sprößling büchst nach einem Streit mit Filmmama Nastassja Kinski aus, und die ersinnt pfiffig einen Plan: Zwei Ex-Lovern aus dem College, mit denen sie vor 17 Jahren eine Affäre hatte, eröffnet sie in getrennten Gesprächen, sie seien Vater des pubertierenden Bengels.
Billy Crystal und Robin Williams lassen sich von der charmanten Blondine nicht lange bitten und nehmen sofort - auf getrennten Wegen - die wilde Verfolgungsjagd quer durch Kalifornien auf. Dabei kommen sie sich in die Quere und entdecken, daß sie angeschmiert wurden. Dies tut ihrem erwachten Vaterinstinkt aber keineswegs einen Abbruch, und so kurven die beiden, schnell vertraut wie ein altes Ehepaar, im Schrottauto des armen Schriftstellers durch Kalifornien. Woher ihre Motivation für die halsbrecherische Fahrt durch Bilderbuch-Kalifornien rührt, bleibt im Unklaren.
Wem die ganze Geschichte bekannt vorkommt, der hat vielleicht die französische Komödie "Les Compéres" (Zwei irre Spaßvögel) gesehen. Die beiden Superkomiker Crystal und Williams vergewaltigten diese Story mit einer amerikanischen Neufassung. Und mehr als einmal scheint es, als ob sie auf ihrer Autofahrt nur eine Kulisse suchten, vor der sie ihre einfallslosen Gags abnudeln können. (Dirk Engelhardt, SPIEGEL ONLINE 38/1997)
"Ein Vater zuviel", Hollywood-Boulevard, imitiert ein altes französisches Lustspiel auf sehr neue amerikanische Weise. Billy Crystal prügelt, Robin Williams schmiert: Ein Film zuviel.
Ein Teenager läuft seinen Eltern davon. Die verzweifelte Mutter (Nastassja Kinski) wendet sich im Zuge der Recherche nicht an den Gatten, sondern an zwei verflossene Liebhaber von einst (Billy Crystal und Robin Williams), denen sie - unabhängig voneinander - erklärt, daß in Wirklichkeit sie die Väter seien (und deshalb jetzt zu suchen anfangen können). Daß in Ein Vater zuviel von Anfang an zwei Väter zuviel sind, gehört zu jenen Ungereimtheiten, um die man sich in Hollywoods Produktionsbüros wirklich nicht auch noch kümmern kann. Es geht schließlich um den Spaß, Stringenz darf man sich von einer US-Routine-Komödie nicht erwarten.
In Ein Vater zuviel / Fathers' Day, inspiriert von einem französischen Lustspiel mit Pierre Richard und Gérard Depardieu (Zwei irre Spaßvögel, 1983), geht alles sehr leicht, flüssig fast, nur die Inszenierung Ivan Reitmans nicht: Zu Paul McCartneys easy-listening- Pop zeigt man im Vorspann Familienbilder, die sich rückstandsfrei gleich wieder vergessen lassen, danach sieht man Robin Williams, wie er sich erschießen will, vom Zufall aber abgehalten wird; und später wird man Zeuge, wie leicht es für Crystal, den Mann im grauen Flanell, ist, unwillige Garagenarbeiter zu einer Aussage hinsichtlich des Knaben, der sein Sohn sein könnte, zu bringen: Per Kopfstoß setzt er den Gegner außer Gefecht, welcher die angeforderten Informationen unter diesen neuen Umständen selbstverständlich gern serviert.
Der neurotische Williams - der hier wieder seine alte Rolle, den Fünfjährigen in der Haut eines Erwachsenen, spielt - trifft also auf den prügelnden Karrieremenschen Crystal, der plötzlich Herz und Familiensinn entdeckt. Und man ist wieder dort, wo Hollywoods Spaßbrigade länger schon stagniert: beim Scherzen mit "komischen Paaren" und pubertären Sexual/Fäkal-Kalauern.
Regisseur Reitman entwickelt mit Fathers' Day - nach Ghostbusters, Twins, Dave und Junior - sich selbst konsequent weiter. Man könnte ihn einen Vertreter der funktionellen Substanzlosigkeit nennen: einen Mann der anonymen Bilder, des Antikinos, der nicht das Geringste zu sagen hat über Gesellschaft, Politik oder Kultur. Hollywoods perfekter Regisseur: stilistisch unkenntlich, politisch mundtot, ein Diener seiner Stars. Soviel immerhin hat dieses neue Epos dann doch zu bieten: lustige Keilereien im Punk-Club, schwule Klamotte im Luxushotel und die wiedergewonnene amerikanische Familie im Finale, die einen erst verstehen läßt, daß in der Flucht die einzig vernünftige Reaktion auf sie besteht. So fließen in Fathers' Day am Ende Reiz und Reaktion, Inhalt und Form doch noch zusammen: Kino vom und zum Davonlaufen. (Stefan Grissemann, DIE PRESSE, 22/9/1997)
Ein ganz erfrischendes Remake des französischen Films "Zwei irre Spaßvögel" bringt sehr gute Unterhaltung. Der halbwüchsige Sohn ist abgängig, also schickt die Mutter (Nastassja Kinski) nicht nur den echten, sondern auch zwei vermeintliche Väter - völlig unterschiedliche Charaktere - auf die Suche. Obwohl inhaltlich mit keinen Überraschungen gerechnet werden kann, erfreut die Komödie doch durch die sympathische Umsetzung der Story, vor allem durch Crystal, und bringt zum Lachen, ohne zu dick aufzutragen. (CT, Kleine Zeitung, 20/9/1997)
Dieses brav männchenmachende Lustspielchen hat, was sich insgeheim etliche Frauen wünschen... ...zwei völlig unterschiedliche Männer, die sich zur idealen Kombination ergänzend zusammenraufen. Die Anpassungs- und Harmonisierungsrituale dises ungleichen Männergestecks machen den Charme des kleinkarierten Stoffs aus, aber auch seine kniefällige Banalität. Jack ist (erfolg)reicher Anwalt, clever, korrekt, knallhart, geschäftstüchtig, ausgefuchst, wenn nötig: handgreiflich brutal. Billy Crystal hat diesen Charakter voll im Griff.
Dale ist erfolgloser Schriftsteller, unberechenbar, aber sensibel, einfühlsam, poetisch; liebenswert, aber voll Neurosen, Ängste. Den Typ wiederum brennt Robin Williams in bekannter Manier feuerwerkartig ab. Eine ehemalige Geliebte redet beiden ein, Vater ihres in Pubertätsnöten geratenen Sohnes zu sein. Worauf sie sich aufmachen, den Ausreißer zu suchen. „Jahrelang habe ich daran gedacht, mich zu töten. Es war das einzige, was mich am Leben erhielt“, greint Dale, und das ist ein schönes Beispiel für die Art Kalauerhumor, mit der den meisten Situationen begegnet wird.
Der mehr auf- als tiefschürfende Realitätsbodenkontakt des Duos in der von ihnen observierten Jugendszene hat jedenfalls den Tiefgang einer Kehrschaufel, übertrifft aber den Unterhaltungswert von Kinderwerbespots im Fernsehen um ganze Pointen. Um nicht allzu ungerecht zu sein: auch laue Lustspiele von der Stange mit Dutzendinhalten sind geeignet, graue Nachmittage und blaue Abendstunden aufzuheitern. Wer Billy Crystal, Robin Williams und Nastassja Kinski engagiert, ist ja auch nicht von allen guten Geistern verlassen. (Rudi John, KURIER)
Weitere Kritiken der IMDb
D / CSR 1997
Regie: Václav Vorlícek,
Darsteller: Uwe Ochsenknecht, Tina Ruland, Max Tidof, Kurt Weinzierl
Kinostart: 19/9/1997
Kinderjurys auf Filmfestivals in Kairo und Tschechien reihten dieses klassische Märchen um einen König, der seine entzückende Tochter unter die Haube bringen möchte und einen Wettkampf unter den Jungmännern anstachelt, auf den ersten Platz. Obwohl die Geschichte und gerade die Ausstattung vor allem in Zeiten der Computeranimation geradezu altbacken anmutet, ist es wohl gerade die klare Sprache des Märchens mit ihren symbolkräftigen Inhalten, die überzeugt. Selbst wenn es Erwachsene nicht vom Hocker reißt. (CT, Kleine Zeitung, 20/9/1997)
Irrfriede ist eine Hexe. Johannes ist ein König. Und ein guter Mensch. Und er besitzt einen Zauberbeutel, dessen Vorrat an Goldtalern nie versiegt. Was folgern wir daraus? Richtig. Die Hexe will ans Geld. Zwar ist ihr Zauberbuch kaputtgegangen, aber ein paar Tricks hat sie noch drauf, und so wird ihr Coup rasch ein Erfolg.
Sie verwandelt sich in eine Frau von Welt, becirct den Regenten und luchst ihm den Beutel ab. Ein paar hellsichtige Warner, die ihr das Handwerk legen wollen, verzaubert sie zur Strafe in eine Harke oder in ein Huhn. „Das Zauberbuch“ ist ein prächtiger Märchenfilm, der logischerweise ein gutes Ende zu nehmen hat.
Die Windsbraut heult, der Feuergeist lodert. Ein mutiger fescher Rauchfangkehrer stellt sich der Hexe in den Weg, was ihm erst den Zauberbeutel und dann die Hand der schönen Prinzessin Blanca einträgt. Ein Riesenspaß für Kids, bei dem Erwachsenen die ungemein sorgfältige Machart auffällt. Die Besetzung von erster Qualität: Schauspieler wie Kurt Weinzierl, Tina Ruland, Uwe Ochsenknecht machen einen Ausflug in die Märchenwelt. (Gunther Baumann, KURIER)
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