GB 1997. 102 Min
Regie: David Evans,
Buch: Nick Hornby nach seinem Roman,
Musik: Boo Hewerdine, Neil MacColl,
Kamera: Chris Seager,
Schnitt: Scott Thomas,
Darsteller: Colin Firth (Paul), Ruth Gemmell (Sarah), Neil Pearson (Paul's Dad), Lorraine Ashbourne (Paul's Mum), Mark Strong (Steve), Holly Aird (Jo)
Kinostart: 7/11/1997
Nach "Undercover" kommt aus dem Mutterland des Fußballs nun der zweite Film in kurzer Zeit, der nicht Spielzüge sondern Fantum analysiert. Während sich "Undercover" allerdings ganz tief in die Gewalt der Hooligans hineinversetzte, vergnügt sich "Fever Pitch" an der latenten Gewalt eines Fanlebens.
In früher Jugend langweilte sich Paul bei den Besuchssonntagen mit seinem Vater elendiglich - bis der Vater ihn zu einem Heimspiel von Arsenal mitnimmt. Schon der erste Anblick des Stadioninneren ist eine Offenbarung für den jungen Paul. Bald geht er zu allen Heimspielen und erkämpft sich bei der Mutter auch die Genehmigung für die Auswärtspartien. Die Begleitung des Vater wurde Paul egal, ebenso wie dessen Liebe, die er sowieso nie gespürt hat.
Zwanzig Jahre später ist Paul (Colin Firth) ein Lehrer, der seine Schüler für Literatur begeistern kann. Vor allem die Jungens, die er nachmittags trainiert, bewundern ihn. Er kann die Miete zahlen, hat eine Dauerkarte und kann sich ab und zu eine Platte leisten. ("High Fidelity" heißt der zweite Roman des Autors Nick Hornby.) Wie einsam und einseitig das Leben dieses Arsenal-Fans ist, erleben wir, als die Kollegin Sarah (Ruth Gemmell) tiefer in sein Leben eindringt. "Sie dürfen hier nicht rauchen, aber Sie können hier schlafen, wenn du willst!" Es ist Liebe auf den ersten Blick, Pauls erste Gedanken gelten allerdings meist seinem Verein, der diesjährig Meister werden könnte - nach Jahrzehnten des Mißerfolges. Versuche, Sarah seine Fußball-Leidenschaft zu vermitteln enden katastrophal. Gerade als Sarah schwanger wird, bricht die Beziehung auseinander.
Die genau aufgezeichnete Sozialisation zum Fußballfan verbindet Spaß und Nachdenklichkeit auf's Unterhaltsamste. Paul trägt Boxershorts seines Vereins, zitiert aber auch Byron. Über Rückblenden erschließt sich Paul Innenleben, genau so verstehen wir aber auch Sarahs Verzweiflung über den hoffnungslosen Fans. Die Final-Dramaturgie funktioniert bestens für Fußballer und auch für Ungläubige. Das Drehbuch entstand nach dem sehr erfolgreichen Buch von Nick Hornby und fasziniert, weil auch es die Autobiographie eines Fanlebens ist. Hier wird Fußballeidenschaft nicht auf die intellektuelle Schiene geschoben, wie es auch bei schreibenden deutschen Fans seit Langem üblich ist. Colin Firth ("Valmont", "Circle of Friends", "Der englische Patient") tat gut daran, für die energiegeladene, kluge Rolle Pauls auf Hollywoodangebote zu verzichten. (Günter H. Jekubzik, FILMtabs)
"Fever Pitch", der reine Fußballwahnsinn: David Evans hat aus Nick Hornbys Bekenntnisschrift "Ballfieber" vergnügliches Kino gemacht.
Die ganze Wahrheit ist schrecklich, kaum zu glauben, mehr als dreihundert Seiten lang. Es ist die Geschichte einer Sucht, die ein Leben völlig verändern kann. Millionen leiden an ihr. Nicht alle freilich mit der selben Heftigkeit wie der 1957 geborene Brite Nick Hornby. Hornby ist Arsenal -Fan, aber was das genau bedeutet, macht erst sein Popkulturbestseller "Ballfieber, die Geschichte eines Fans" aus dem Jahr 1992 offenbar.
Das literaturwissenschaftliche Grundgebot, das verbietet, den Erzähler einer Geschichte mit dem realen Autor zu identifizieren, kann man im Falle dieser Lebenschronik getrost vergessen. "Ballfieber" (im Original: "Fever Pitch") erzählt die Geschichte eines Mannes, dessen Welt im Mai (mit der englischen Fußballsaison) endet und im August (mit der englischen Fußballsaison) wieder beginnt. Es ist der Versuch Hornbys, seine eigene Besessenheit in den Blick zu bekommen. Er hat seine Jugend damit zugebracht, auf den Zuschauerrängen seinen Spielern, dem Arsenal- Team zuzujubeln, die Faust in den Himmel gestreckt, die Augen voller Tränen. Er hat die Tore der Spieler memoriert, ihre Spielzüge, ihre Flugkopfbälle und die Namen ihrer Freundinnen. Und er hat auch als Erwachsener nicht damit aufgehört.
"Ballfieber" schrieb Hornby in der Fußballsaison 91/92. Dem erstaunlich erfolgreichen Band folgte später eine Bühnenversion (und der Popmusik-Roman "High Fidelity"). Nun ist auf der Basis eines Hornby-Drehbuches aus "Ballfieber" auch noch eine kinogerechte Geschichte geworden. In ihr wird das monumentale Fakten- und Sportchronikmaterial des Buches um eine romantische Story ergänzt. Fever Pitch, inszeniert von David Evans, konfrontiert den feinsinnigen Arsenal- Fan und Englischlehrer Paul (Colin Firth) mit einer Liebesgeschichte, die ihn ziemlich überfordert: "Als Fußballfan ist man ein alter Trottel. Man kann keine Unterhaltung führen. Man stirbt alleine und einsam", sagt Paul mit einiger Selbstironie.
Aber es fällt ihm gar nicht so leicht, der scherzhaften Selbstcharakterisierung zu entkommen, als eine fußballfeindliche Arbeitskollegin in sein Privatleben tritt und sich über seine Arsenal -Boxershorts (gelb mit roten Arsenal kanonen), seine Arsenal videokassetten und seine Arsenal freunde zu wundern beginnt. Auf angenehme Weise versammeln sich in diesem Film britische Komödientugenden, schneller Wortwitz und große Wirklichkeitsnähe.
Liebevoll wird das soziale Milieu rekonstruiert und das Zeitkolorit im Wechsel zwischen den späten sechziger Jahren und den späten Achtzigern eingefangen.
Fever Pitch ist dabei kein Weltmeisterwerk. Aber in jenem Unterhaltungsfeld, das der Film bestellt, ist er durchaus erfolgreich. "Ich verliebte mich in den Fußball, wie ich mich später in Frauen verlieben sollte: plötzlich, unerklärlich, unkritisch und ohne einen Gedanken an den Schmerz und die Zerrissenheit zu verschwenden, die damit verbunden sein würden." Das ist der erste Erinnerungssatz in Hornbys "Ballfieber". Der Film folgt dem Gedanken im Takt der wechselnden Meisterschaften. Bis Michael Thomas in Anfield am 26. Mai 1989 in der letzten Spielminute das zweite Arsenal tor schießt. Dann sind sie alle außer Rand und Band. Und die Unbeteiligten können in Ruhe weiterschmunzeln. (Robert Weixelbaumer, DIE PRESSE, 8/11/1997)
Um diesen Film zu lieben, muß man Fußballfan sein. Oder bereit sein, Fan zu werden. Oder Fußball so sehr verachten, daß einem ein 100-Minuten-Besuch in der Welt der Fußballverrückten Schauer wohligen Entsetzens über den Rücken jagt. Mit einem Satz: „Fever Pitch“ ist ein Film für alle. Im Mittelpunkt steht Paul, ein englischer Lehrer, der genau weiß, was im Leben wirklich zählt.
Wenn er zum Beispiel an einem einzigen Tag zwei Schicksalsschläge erdulden muß - er wird bei einer Beförderung übergangen und sein Lieblingsclub verliert -, dann ist es keine Frage, was ihn tiefer schmerzt. Die Niederlage des F.C. Arsenal London natürlich. Paul, dieser englische Patient des Fußballwahns, hat sich den F.C. Arsenal zum Über-Ich erkoren, unter dessen unerbittlicher Fuchtel er steht. Gewinnen die Rot-Weißen aus London, geht’s ihm gut. Spielen sie schlecht, dann... eh klar.
Der Film verknüpft Pauls Fußball-Obsession mit einer Liebesgeschichte, die anfangs vor allem komische Seiten hat. Zum Beispiel, wenn Paul in der ersten Liebesnacht einer rot-weißen Arsenal-Unterhose entsteigt. Doch später fliegen naturgemäß öfters die Fetzen.
Denn Gefährtin Sarah, der Kickerei abhold, braucht einige Zeit, um herauszufinden, daß der Sport für diesen Mann mehr ist als nur Hobby. Während er irgendwann zur eher verblüffenden Erkenntnis gelangt, daß es (Herzens-)Dinge gibt, die noch wichtiger sein können als der aktuelle Tabellenstand der Liga. So umkreist der Film, der auf dem gleichnamigen Buch des englischen Star-Literaten Nick Hornby basiert, das runde Leder wie ein Satellit. Er ist äußerst vergnüglich und hat (für echte Fans) nur einen Nachteil: Vom Fußball wird zwar dauernd gesprochen, aber er ist viel zu selten zu sehen.
Die Lektüre des Romans „Fever Pitch“ (KiWi-Verlag) sei übrigens entschieden empfohlen. Dieser ist, wie ein britischer Kritiker kompetent anmerkte, „das beste Buch, das je über Fußball geschrieben wurde“. (Gunther Baumann, KURIER)
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USA 1996
Regie: Othmar Schmiederer
Kinostart: 7/11/1997
Karger und kontemplativer Dokumentarfilm über deas Leben im Hochgebirgssommer, konzipiert von Bodo Hell. (Ein Geheimtip für Geduldige.) (FALTER)
"Am Stein": Filmemacher Othmar Schmiederer unternimmt eine dokumentarfilmische Dachstein-Wanderung. Zauber ohne Kitsch, ein preisgekrönter Film.
Die Geschichte Europas habe sich an den Alpen vorbei oder über sie hinweg entwickelt, sagen die Historiker. Wer das Gebirge aufsuchte, war entweder auf der Suche nach Verbindungswegen - wie die Salzträger und Karawanenhändler, die am Dachstein seltsame Zeichen im Felsen hinterlassen haben - oder auf der Flucht. Geflüchtet wird noch immer, nur die Motive haben sich geändert. Man könne hier "ungestraft wüten", meint der Künstler Bodo Hell, der als langjähriger Senner am Dachstein, wie er in diesem Film sagt, seine "innere Karte" erkundet.
Als dezent auftretender Protagonist liefert Hell wichtige Orientierungspunkte auf der Karte, die Othmar Schmiederer in seinem Dokumentarfilm Am Stein anlegt. Einen Sommer lang hat Schmiederer den Dachstein durchmessen und seinen Blick auf jene Kontraste eingestellt, die das rauhe Gesicht dieser Landschaft prägen. Und er hat sich dem eigenwilligen, von den hier lebenden Menschen und Tieren adaptierten Rhythmus angepaßt: Im Gebirge scheint die herkömmliche Zeitrechnung außer Kraft gesetzt.
Hier wird die tägliche Mühsal nicht in Stunden gemessen und die Muße nicht in Einheiten. Dementsprechend gestaltet Schmiederer sein Dachstein-Porträt wie eine hastlose Gebirgs-"Wanderung", bei der die jeweils auftauchenden Motive das Schrittempo und die Verweildauer bestimmen: Reglos bleibt die Kamera bei einem (ebenso reglosen) Lamm, das unter einem Bäumchen vor dem strömenden Regen Schutz sucht; oder sie trottet im Takt der Kühe, umgeben vom Geschrei der Viehtreiber, dahin; ein andermal scheint sie im Nebel, über dem kargen Felsen oder auf der Linie des Horizonts etwas zu suchen, ohne Bestimmtes finden zu wollen. Am Stein hält sich freilich nicht bei der (wenngleich kargen) Gebirgs-Idylle auf, sondern zeigt vor allem auch die Spuren, die das massenhafte Aufsuchen dieser Idylle in der Landschaft hinterläßt - etwa in Form einer Langlaufpiste, die sich wie eine Gebirgsstraße über einen gewaltigen Schneehang schlängelt. Man sucht die Ruhe und stört sie; man sucht sich selbst und findet andere, die sich selbst suchen. Das gilt für die Dachstein-Touristen so wie für den saisonalen Aussteiger Bodo Hell.
Auf ganz andere Weise gilt dies natürlich auch für den Jäger, den Schmiederer auf der Pirsch begleitet: So ein Mensch, meint der Weidmann, wäre im Vergleich zu den Tieren doch nur ein kleines Nichts. Später erlegt er eine Gemse - und der Filmemacher sieht ihm zu, wie er das Tier in einem fast sakralen Akt auseinander nimmt.
Wie in den übrigen Szenen des Films verzichtet Schmiederer hier auf einen Kommentar. In seinem wenig beredten Film sprechen alle für sich selbst: der Stein und das Wetter, das Almvieh und das Wild, die Senner und die Touristen. Man muß sie nur richtig ansehen und ihnen lange genug zuhören. (Robert Buchschwenter, DIE PRESSE, 8/11/1997)
Genießerisch läßt die Kuh den Blick über Gräser und Blumen streifen. Dann frißt sie. Frißt. Und frißt.Und das Kinopublikum schaut zu. "Am Stein" ist eine Dokumentation aus Österreich, die unter anderem dokumentiert, daß auch Schönheit zur Qual werden kann. Nicht jene des Filmgegenstands (es geht um das atemraubende Naturreservat des Dachsteins). Sondern jene der Bilder, welche die Kamera eingefangen hat. Fast jede Einstellung strotzt vor optischer Kraft, aber so, als hätten die Filmemacher die Schnitte am Schneidetisch als solche ins eigene Herz empfunden. Damit wurde alles viel zu lang (110 Minuten), sein Rhythmus zu langatmig, und immer wieder schleicht sich lähmende Langeweile ein. Der Film "schildert, auf eine poetische Weise, Geschehen ab", heißt es im Presseheft. Was immer das bedeuten mag: Dies ist die künstlich verschraubte Sprache (eines Teils) der Kunstszene, und "Am Stein" trägt das Prädikat Kunst quasi mit Ausrufezeichen vor sich her. Rasch entsteht der Eindruck, als wären die Landschaft, die Tiere und Menschen nur Mittel zum Zweck, um eine filmische "Naturperformance" zu schaffen. Das mag manchen gefallen. Wer mehr am Thema des Films, dem Dachstein eben, interessiert ist, für den gilt: große Bilder, kleine Wirkung. (Gunther Baumann, KURIER)
USA 1997. 135 Min
Regie: Richard Donner,
Buch: Brian Helgeland,
Musik: Carter Burwell,
Kamera: John Schwartzman,
Schnitt: Frank J. Urioste,
Darsteller: Mel Gibson (Jerry Fletcher), Julia Roberts (Alice Sutton), Patrick Stewart (Dr. Jones), Clyk Cozart (Agent Lowry)
Kinostart: 7/11/1997
Was, wenn alles wirklich wahr wäre? Und du wärst der einzige, der davon weiß? Was, wenn hinter den banalsten alltäglichen Vorkommnissen geheimnisvolle Mächte steckten, die alles beobachten, registrieren und kontrollieren? Was wäre, wenn diese unbekannten Drahtzieher öffentliche Notstände und intimste zwischenmenschliche Kontakte beeinflußten, manipulierten - unsichtbar und unangreifbar? Was wäre, wenn du dich bei jeder Bewegung überwacht fühltest? Und deine Urängste kein Hirngespinst, sondern grausige Realität wären?
Der New Yorker Taxifahrer Jerry Fletcher (Mel Gibson) ist ein Paradebeispiel für Paranoia. Selbst hinter ganz normalen Ereignissen wittert er Verschwörungen, die das Ende der Welt bedeuten. In Jerrys Wahnwelt enthalten die Strichcodes im Supermarkt ominöse Botschaften, er fühlt sich sogar vom Space Shuttle in der Erdumlaufbahn ausspioniert. Überall entdeckt er in simplen Initialen oder Haushaltsgegenständen verräterische Spuren von den Aktivitäten böser Mächte.
Doch Jerry ist nicht einfach nur ein hysterischer Spinner. Irgendetwas muß seinen Verfolgungswahn ja ausgelöst haben. Vielleicht ist er doch nicht völlig verrückt...
Alice Sutton (Julia Roberts) arbeitet als Anwältin im Justizministerium. Sie bringt zumindest soviel Sympathie für Jerry auf, daß sie sich seine haarsträubenden Theorien anhört - mit skeptischer Distanz. Denn auch sie ist vorbelastet. Sie hat gelernt, mißtrauisch zu sein. Als ihr Vater, ein Bundesrichter, ermordet wurde, ist ihr Weltbild ins Wanken geraten. Inzwischen sind Jahre vergangen. Aber die Zweifel an der offiziellen Version der Tragödie sind ihr geblieben.
Jerry und Alice trennen Welten - bis sich eine von Jerrys Theorien tatsächlich als wahr herausstellt. Plötzlich haben sie etwas gemeinsam: Angst. Um sie zu überwinden, tun sich die beiden zusammen. Denn bei der Suche nach der Wahrheit können sie außer einander niemandem trauen.
Und der allgegenwärtige, undurchsichtige CIA-Psychiater Dr. Jones (Patrick Stewart) hat immer den richtigen Spruch auf Lager: "Die Wahrheit wird euch freimachen." Vielleicht ist es aber gerade die Wahrheit, vor der sie davonlaufen sollten... (kinoweb)
In einem Land, dem erst Napoleon einigermaßen überschaubare Strukturen aufzwang, und das in diesem Jahrhundert die legale Machtübernahme einer Handvoll wirrer Hasadeure erlebte, sind Verschwörungstheorien offensichtlich kein Thema. Jenseits des Atlantiks aber treibt die Staatsstreichphantasie - ungeachtet einer mehr als 200jährigen Demokratieerfahrung - wilde (Medien-)Blüten: Kein Attentat, bei dem nicht über amtliche Drahtzieher gemunkelt wird, kein politischer Zwischenfall, hinter dem nicht ominöse Hintermänner vermutet werden. Insofern sind Jerry Fletchers Hirngespinste ein weit verbreitetes amerikanisches Phänomen, auch wenn der einsame, hypernervöse New Yorker Taxifahrer sein Faible reichlich exzessiv auslebt. Strichcodes im Supermarkt? Chlor im Trinkwasser? Vietnam, paramilitärische Gruppen, die NASA und das Space Shuttle? Keine Frage: Hier sind dunkle Mächte am Werk, deren Enttarnung Jerrys vorrangigen Lebensinhalt darstellt. Und so ergießt sich ein nicht endender Wortschwall über jeden Fahrgast, den er nachts durch die blauschwarzen Straßen von Manhattan kutschiert. In seinem Newsletter "Conspiracy theory", der allerdings nur von fünf Lesern bezogen wird, publiziert er die Ergebnisse seiner akribischen Gazetten-Recherche: abstruse Kombinationen eines manischen Charakters, dem die winzigste Meldung nicht zu simpel, die versponnenste Nachricht nicht zu abwegig erscheint. Auch Alice Sutton, eine Anwältin im Justizministerium, kommt in schöner Regelmäßigkeit in den Genuß dieser kruden Fantasien, seitdem Fletcher sie einmal vor Straßenräubern rettete. Mit milder Güte läßt sie die Wahngespinste über sich ergehen, ohne zu ahnen, daß der komische Spinner auch jeden ihrer Schritte penibel beobachtet und selbst die traurigen Lieder kennt, die sie abends auf dem Hometrainer vor sich hinsummt. Bis er eines Tages schwerverletzt in ihr Büro wankt und um Hilfe fleht, weil die CIA ihn ermorden will - und die junge Frau sich in einem irritierenden Netz von Vermutungen und Ängsten wiederfindet, die Fletchers Visionen mit einem Mal bedrohlich plausibel erscheinen lassen.
Mit Mel Gibson und Julia Roberts bietet Regisseur Richard Donner zwei hochkarätige Hollywood-Stars auf, um die viele Handlungsstränge dieses Großstadtthrillers gewunden sind. Während Gibson in seiner Rolle als paranoider Zeitgenosse zwischen Irrsinn und Ernsthaftigkeit beliebig changieren kann, leidet Roberts still an der Ermordung ihres Vaters, die auch nach jahrelanger Ermittlung nie aufgeklärt wurde. Die lebensbedrohlichen Situationen, in die sie an Flechters Seite stolpert, aktivieren zwar ihre Selbsterhaltungskräfte, vermögen jedoch keine hinlängliche Sicherheit zu begründen, zumal ein undurchsichtiger Psychiater immer wieder Zweifel säht. Von der Ambivalenz, mit der Donner und sein Drehbuchautor spielen wollten, geht jedoch viel durch die Besetzung des glatzköpfigen Dr. Jones mit Patrick Stewart verloren, der seltsam blaß agiert und schon bald als fieser Mastermind durchsichtig erscheint. So zieht sich das Katz- und Maus-Spiel um Wahn und Wahrheit ziemlich in die Länge, obwohl der Plot mit einigen Überraschungen aufwartet. Nachdem Sutton und Flechter im Krankenhaus ihren Verfolgern mit knapper Not entkamen und sich in Jerrys labyrinthischer Behausung voller Schlösser und geheimer Fallen sicher wähnen, bricht die Hölle über sie herein, als schwarzgekleidete Elitesoldaten die Wohnung stürmen. Auch wird die lange hinausgezögerte Annäherung zwischen beiden immer wieder durch den Psychiater unterlaufen, der scheibchenweise sein brennendes Interesse an Flechter offenlegt. In früheren Jahren leitete er ein inzwischen aufgelöstes Regierungsinstitut zur "Erforschung mentaler Konditionierung", ein Geheimdienstlabor für Gehirnwäsche. Die Experimente hätten bei Jerry Veränderungen bewirkt, die ihn zu einem unberechenbaren Gewalttäter und potentiellen Attentäter machten. Auch beim Tod von Suttons Vater, so der aalglatte Beamte, soll Jerry seine Finger im Spiel gehabt haben.
In formalen Hinsicht besticht Donners Film durch die filigranen Kompositionen seines Kameramanns John Schwartzman, der die Straßen New Yorks in ein morbides, vergammeltes Schwarz taucht und die klaustrophobische Stimmung mit immer neuen Einstellungen zu beschwören weiß. Im monologischen Powerplay des Taxi Drivers gelingen ihm immer wieder fasziniernde Bilder nahe der Grenze zur Malerei: pointilistische Impressionen, in denen die Lichter der Stadt und der Verkehrszeichen zum bizarren Geflirr einer sich ins Konturlose auflösenden Welt werden, während Gibsons hellwachem Blick nichts zu entgehen scheint. Diese optische Spannung aber, doppelt lesbar als Ausdruck des Irrsinns oder einer hyperrealistischen Perspektive, hält nicht durch. Vor allem der Stilmix aus harten Actionszenen, komischen Elementen und der obligatorischen Liebesgeschichte wirkt mitunter zu konstruiert, um als schlüssige Entwicklung der Geschichte akzeptiert zu werden, die im letzten Drittel außerdem reichlich konventionelle Pfade beschreitet. Das ironische Vexierspiel mit der "Conspiracy"-Manie verpufft in zahllosen Rangeleien, Crashs und Verfolgungsjagden und erweist sich als mehr oder minder folgenloser Aufhänger eines routinierten, streckenweise sehr spannenden Krimis, in dem die beiden Hauptdarsteller ihre Qualitäten in der Gestaltung sensibler, gequälter Persönlichkeiten unter Beweis stellen. (Josef Lederle, film-dienst)
Der New Yorker Taxifahrer Jerry Fletcher (Mel Gibson, Kopfgeld) wird von Visionen geplagt, und ständig ahnt er anhand dieser Visionen irgendwo eine Verschwörung. Liegt dies nur an seinem Verfolgungswahn? Schließlich ist seine Wohnung durch fünf Schlösser gesichert, und selbst an seinen Kaffee kommt keiner ran, weil sowohl der Kühlschrank als auch die Kaffeedose selbst durch Vorhängeschlösser gesichert sind.
Wie dem auch sei, nur wenige Leute zeigen überhaupt Interesse an Jerrys Ideen, denn die kleine "Zeitung", die er veröffentlicht, hat lediglich fünf Leser. Allerdings scheint in seiner neuesten Ausgabe etwas zu stehen, was recht nahe an der Wahrheit ist, denn er wird von geheimnisvollen Mänenrn verfolgt und entführt. An einen Rollstuhl gekettet und mit von Klebstreifen geöffneten Augen wird Jerry nun dem Psychiater Dr. Jonas (Patrick Stewart aka. Jean-Luc Picard) vorgesetzt, der herausfinden will, was Fletcher wirklich weiß. Obwohl dieser sich kaum bewegen kann und unter (Wahrheits-)Drogen steht, gelingt ihm die Flucht.
Nun macht Jerry sich auf den Weg zu Alice Sutton (Julia Roberts, Pretty Woman), einer Mitarbeiterin des amerikanischen Justizministeriums. Auch sie wollte Jerrys Visionen bisher nie Glauben schenken, aber auch sie hat einige Zweifel am Wahrheitsgehalt des Systems seit ihr Vater ermordet wurde und sie an der offiziellen Version seiner Todesumstände zweifelt, und irgendwie spielt sie im Leben Jerrys eine viel größere Rolle als sie ahnt.
Wie man es von Mel Gibson nicht anders erwartet: er spielt wieder einmal hervorragend. Irgendwie scheint der Typ wirklich alles spielen zu können, aber auch die beiden anderen Hauptdarsteller, Julia Roberts und Patrick Stewart, machen ihre Sache gut. (heinz-online)
Jüngst zu Gast bei Oprah Winfrey erzählte Julia Roberts unter viel Gekreische, das dem „sexiest man alive“ zu ihrer Linken, ihrem Filmpartner Mel Gibson galt, wie man sie zur Beteiligung an ihrem neuesten Kinofilm Fletchers Visionen liebevoll genötigt und mit einer leibhaftigen Blaskapelle für den Vertragsabschluß belohnt habe.
Der Auftritt war effektiv im Sinne der bloßen Medienpräsenz, doch jede Menge falsche Erwartungen wurden geschürt, denn Mel Gibson ist in Fletchers Visionen sozusagen ganz gegen seinen Typ (und weit über sein darstellerisches Vermögen) besetzt.
Seine Figur, Jerry Fletcher, ist ein Nervenbündel. Schon der Vorspann bekräftigt mit einem Stakkato an obskuren Polit- und Verbrechenstheorien aus dem Munde des Taxifahrers Fletcher den Originaltitel, der schlicht Conspiracy Theory lautet.
Fletcher, dessen Leben nach strengen, paranoiden Ritualen abläuft, der seine Lebensmittel im Kühlschrank einsperrt, akribisch Zeitungsartikel archiviert und regelmäßig eine Art „Verschwörungstheorie-Fanzine“ herausgibt, hat ein spezielles Interesse an einer jungen Beamtin der Justizbehörde, Alice Sutton (Julia Roberts). Wie das Publikum muß auch Alice Fletcher zunächst für einen Spinner halten, bis eine mysteriöse Entführung und deren Folgen das Blatt langsam wenden.
Fletchers Visionen (Regie Richard Donner), ist eine eigentümliche Mischkulanz aus altbekannten Versatzstücken von Taxi Driver über diverse Grisham-Adaptionen bis zu John Frankenheimers Seconds oder dem Manchurian Candidate. Phasenweise entwickeln sich schöne Ideen und Bilder wie jene Szene, in der zu Julia Roberts Gesicht in überschatteter Nahaufnahme langsam (Abhör-)Ton kommt, aber im dahinrasend sich steigernden Aktionsfilm-in-Spielstationen-Raster, nach dem der Film vorrangig ablaufen muß, bleibt für ihre Verfolgung leider keine Zeit.
So übertrieben funktional und glatt wie Fletchers Wohnung, die schließlich in einer minutiös ausgeklügelten (und für sich genommen durchaus bemerkenswerten) Selbstzerstörungs-Kettenreaktion verglüht, gestaltet sich das ganze, 135minütige Unternehmen, samt nachgereichter verquaster, unglaubwürdiger Romanze. Schade für die Pauken und Trompeten. Jetzt im gesamten Bundesgebiet. (irr, DER STANDARD, 8/11/1997)
In "Fletchers Visionen", einer neuen Action-Groteske aus Hollywood, zappelt Superstar Mel Gibson durch den Versuch einer Charakterdarstellung, während Regisseur Richard Donner den amerikanischen Paranoia-Thriller mit falschen Spuren und echtem Nonsens imprägniert.
Hat da jemand zuviel Taxi Driver gesehen? Der Regen über Manhattan läßt den Asphalt glänzen, über den in butterweicher Montage ein yellow cab, dekorative Tropfen am gelben Chrom, gleitet. Das Neon der nächtlichen Stadt flackert in den Gesichtern der Menschen, und aus dem Off kann man, gleich neben dem lustigen Jazz-Soundtrack Carter Burwells, eine Stimme hören, die Stimme des Helden dieses Films, der da unaufhörlich über das verrottete Amerika, die Übelkeit der Menschen und die erkennbaren Verbindungslinien zwischen allen Dinge plappert. Im Inneren des Wagens, wie man sieht, sitzt ein seltsamer Geselle, der das Gesicht Mel Gibsons trägt und hypernervös mit seinen Kunden spricht, oder eher: gegen seine Fahrgäste anredet, die alle bloß schweigen und angestrengt aus dem Fenster blicken. So geht Richard Donners Conspiracy Theory (deutscher Synchrontitel: Fletchers Visionen) los, in seinen Oberflächen zunächst noch seltsam nahe an Scorseses Taxi Driver, überall sonst - in den Ideen, dem Witz, dem Drama - seinem Vorbild so fern, wie man einem Film nur fern sein kann.
Vier Schlösser hat er an der Wohnungstür und ein schnell wachsendes Archiv, das beliebige Zeitungsmeldungen mit allen anderen verknüpft: Gibson arbeitet, darin gleicht er übrigens den Machern dieses Films, an der Konstruktion einer massiven Verschwörung, in der Geheimdienstler und Regierungsbeamte, sadistische Söldner und ganz normale Bürger zusammenarbeiten. Das Kino ist ein Phantasma, scheint Conspiracy- Mega-Produzent Joel Silver da zu sagen, vielleicht sogar: eine milde Form der Geisteskrankheit, glücklicherweise zeitlich beschränkt.
Verschwörungstheorien sind ja länger schon, im Kinosaal und draußen vor der Tür, eine amerikanische Spezialität, nicht erst seit Oliver Stone, sondern spätestens seit Anbruch des nuklearen Zeitalters und John F. Kennedys ungeklärter Ermordung. Daß Hollywood, die geschützte Werkstätte des Konjunktivischen, des Was-wäre-wenn -Gedankenspiels, sich so besonders gern mit kriminellen cover ups, mit Verbrechen und Vertuschung befaßt, hat einen guten Grund: Im Kino, wo die Zeit fliegt und dem Grübeln wenig Raum läßt, wo das Sichtbare und das Hörbare stets parallel, unentwirrbar ineinander geschichtet, vorbeiziehen, lassen sich Spuren eben besser legen und verwischen als anderswo. Das alte Spiel von Verbergung und Enthüllung, das mystery kennt keinen besseren Ort als das Kino.
Leider verdankt sich das mystery im Fall dieser Conspiracy Theory aber einer allzu abstrusen Idee: Daß Paranoiker Gibson in der Verbreitung seiner krausen Theorien ausgerechnet in ein Wespennest sticht und in allem recht haben soll, das ist in etwa so glaubwürdig wie Sylvester Stallone in der Rolle eines Nobelpreisträgers.
Conspiracy Theory versucht unerschrocken und allem zum Trotz, eines jener dramatischen Kino-Puzzles zu veranstalten, aus denen sich in mühevoller Kleinarbeit ein möglichst überraschendes Bild ergeben soll. Aber alles komplizierte Manövrieren gilt hier nur Spuren, die ins Nichts führen, und Zeichen, die von vornherein schon nichts bedeuten. Donners Film mag viel Zeit in Anspruch nehmen, stolze 135 Minuten nämlich, seine Story ist dennoch, am Ende, wenn das Bild sich klärt, so dünn und in der Konstruktion so grotesk, daß sie noch den ganzen dornigen Weg bis ins Finale rückwirkend diffamiert. Man kann tun, was man will: Am Ende ist ja doch irgendwie alles, was den gepeinigten Helden hier zustößt, nur Zufall.
Dabei muß man Conspiracy Theory gar nicht erst als Ganzes betrachten, um sich wundern zu können, da genügt es schon, die Einzelleistungen genauer anzusehen. Allein das teure Schauspiel erregt Widerwillen: Wie Gibson ständig nur zuckt und zappelt, wie er strauchelt, stottert und Panik macht, wie er - immer an der Grenze zum Brüllen, Aufspringen und Fliehen - eine schwere Psychose imitiert, ohne sich und dem Zuschauer je Ruhe zu gönnen, das geht tatsächlich, nicht ganz freiwillig, an die Nerven.
Co-Star Julia Roberts scheint gespürt zu haben, daß sie diesem Manierismenpaket irgendetwas entgegensetzen muß, um von Gibson nicht in den Abgrund einer Persiflage des method acting mitgerissen zu werden: Fast unbewegt, wie ferngesteuert bewegt sie sich, als Staatsanwältin, der sich Gibson anvertraut, liebevoll und ahnungslos neben ihm her. Zwischen ihnen entwickelt Regisseur Donner eine Romanze, die bizarrer kaum sein könnte, eine Liebesgeschichte, wie sie sich selbst das extrabreite, extra vordergründige Hollywood schon lange nicht mehr getraut hat: die schöne Ahnungslose und der verliebte Behinderte, in der Tragödie eines vertuschten Menschenexperiments aneinander geschweißt.
Conspiracy Theory, eine Geschichte von Mord und Gehirnmanipulation, steckt voller (allerdings unliebsamer) Überraschungen, nicht nur in seinem überkonstruierten Plot und seinen unsterblichen Kinodialogen ("Wer sind Sie eigentlich?" - "Sagen wir so: Wären alle Geheimdienste eine große Familie, dann wären wir der Onkel, über den nie jemand spricht.")
Wenn es überhaupt etwas gibt, das Conspiracy Theory zu besprechen hat, dann ist es die Tatsache, daß das Groteske und das Dramatische in Hollywood längst ununterscheidbar geworden sind. Im Eintopf der Formen und Fabeln ist eben Platz für alles: Der Golden Turkey '97, der Goldene Truthahn für das unfreiwillig absurdeste Filmereignis des Jahres, hat jedenfalls einen seriösen neuen Kandidaten. (Stefan Grissemann, DIE PRESSE, 8/11/1997)
Wie der US-Bürger gern glaubt, besitzt seine Regierung ungeahnte Machtmittel und mißbraucht sie perfide.
Wie der US-Bürger gern glaubt, besitzt seine Regierung ungeahnte Machtmittel und mißbraucht sie perfide: Taxifahrer Jerry (Mel Gibson) scheint nur ein normaler New Yorker Stadtparanoiker zu sein, der zu Hause eine Selbstvernichtungsanlage parat hat, Kühlschrank und Kaffeedose in Ketten legt und seine Mitmenschen mit Verschwörungstheorien nervt. Außer Alice (Julia Roberts), Anwältin im Justizministerium, erträgt ihn keiner. Bis Jerry mit seinen Schreckensmeldungen, die er regelmäßig veröffentlicht, so gründlich an geheimdienstlich Eingemachtes rührt, daß er entführt wird, denn Jerry ist kein Spinner, sondern als Ex-Gehilfe der CIA Opfer einer Gehirnwäsche. Nach einem düster-spannenden Anfang verliert sich Richard Donners Polit-Thriller mitunter in dramaturgischen und romantischen Untiefen, als Spiegel der amerikanischen Verschwörungsmanie liefert er ein paar schöne Geistesblitze. (DER SPIEGEL 45/1997)
Neiiiin! Muß ich wirklich zusehen, wie diese Injektionsnadel in die Vene stößt, während der Gefesselte um Gnade lallt? Was für ein Teufelszeug nennen sie da Soße? Der schmale Spalt zwischen den Fingern vor meinen Augen wird das Schlüsselloch zur Folterkammer. Mein Rückgrat schmerzt gegen die Ungerechtigkeit der Welt an; Haare sträuben sich, Minuten später jagt mein Herz wie verrückt hinter dem Flüchtenden her. Gleich haben sie ihn wieder. Neiiin!
Und das alles, obwohl ich definitiv weiß, daß das Ganze hier - die Zusammenhänge, die Täter und die Opfer - purer Bockmist ist. Blöde Spintisiererei aus dem Reich des Verfolgungswahns. Schwachsinn. Aber verdammt spannender Schwachsinn leider. Also bleibe ich sitzen und lass’ mich freiwillig übertölpeln. Von einer irren Story, die das jüngste Symposium amerikanischer Verschwörungstheoretiker ausgeheckt haben könnte...
Die NASA will Bill Clinton durch ein Erdbeben in der Türkei ermorden. Oliver Stones Enthüllungsfilme („JFK“) wurden im Auftrag von George Bush gedreht, um die Öffentlichkeit auf falsche Fährten zu locken. Oder würde Stone sonst noch leben? Die CIA zwang alle Nobelpreisträger zum Samenspenden...
Das und noch mehr gehört zum Repertoire des New Yorker Taxlers Jerry Fletcher, mit dem der seinen Fahrgästen die Ohren zuschwätzt. Jerry, der arme Irre mit multiplem Verfolgungswahn. Wieso aber kümmert sich eine Knusperfrau wie Julia Roberts um so einen kranken Spinner? Ganz einfach: Er darf eben gar keiner sein. Tatsächlich streckt das bestialisch Böse in Person eines Regierungsbeamten seine Krallen nach dem seltsamen Wahrsager aus, um ihn zum Reden und Schweigen zu bringen.
Tja, ein Widerspruch, so sind Krimis. Hurra, wir spielen mentale Geisterbahn! Ein Vorhang nach dem anderen geht hoch, und hinter jedem räkeln sich ein paar weitere geile Fakten aus einem wahnwitzigen Fall, gegen den jede Akte X wie ein simpler Routinefall aus dem Salzamt erscheint. Alles, was man vorher darüber wissen sollte: Julia wirkt als Anwältin des US-Justizministeriums nicht viel glaubhafter als der komplette Hirnriß über abtrünnige CIA-Psychiater, ferngesteuerte Auftragskiller und opferbereite Edelmenschen. Nur die Schutzheilige nimmt man ihr ab: Santa Paranoia, behüte unseren Narrendattel, Amen.
Ein Blick in Mel Gibsons veilchenblaue Augen, und man hält sogar ein Schlußergebnis für ganz in Ordnung, das man nicht ein- mal Shakespeare oder Goethe abgenommen hätte (höchstens Peter Handke). Verschwörungstheorien liegen im Trend. Die verunsicherte Menschheit giert nach Minithrillern, die alles erklären können. Und wenn« einmal nicht die CIA konspirierte, sind wieder einmal die Freimaurer an allem schuld. Vielleicht sogar an diesem superspannenden Lärm um nichts. (Rudi John, KURIER)
Weitere Kritiken der IMDb
NOR 1994. 86 Min
Regie: Morten Kolstad,
Buch: Lars Borg, Morten Kolstad,
Musik: Morten Halle,
Kamera: Pål Bugge Haagenrud,
Schnitt: Joern Brente,
Darsteller: Linda Digernes (Ragnhild), Susanne Nielsen (Mona), Michael Solhjem (Runar), Arild Elias Torgersen (Geir), Trygve Vassbotn (Jorgen)
Kinostart: 7/11/1997
In diesem norwegischen Kinderparadies gibt es schlimme Kinder und brave Kinder. Die braven sind überwiegend Mädchen, tierlieb und romantisch. Es gibt auch brave Erwachsene. Die machen sich Sorgen, trinken Milch und haben wenig Geld. Schlimme Erwachsene hingegen gehen abends oft aus, stecken ihren Kleinen zu viel Taschengeld zu, sind gar Raucher oder Jäger („Leute, die auf alles schießen, was sich bewegt“) oder beides.
Die Stereotypen der neuen, politisch und gesellschaftlich korrekten Lesebücher sind in ihrer sonnigen Selbstgefälligkeit nicht viel weniger ekelhaft wie die Ewiggestrigen. Ganz in diesem Geist schleimt sich der vorliegende Abenteuerfilm ein, in dem als einzig wirklich sympathische Person ein verletztes, nichtrauchendes, möglicherweise milchtrinkendes Wildpferd auftritt. Ist das nicht zum Wiehern? (Rudi John, KURIER)
Siehe IMDb
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