Filmhaus Hasnerstraße - Filmkultur in Ottakring



In Österreich am 6. November 1998 neu angelaufene Kinofilme


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GATTACA (GATTACA)

USA 1997. 106 Min.
Regie: Andrew Niccol, Buch: Andrew Niccol, Musik: Michael Nyman, Kamera: Slawomir Idziak, Schnitt: Lisa Zeno Churgin, Darsteller: Ethan Hawke (Vincent/Jerome), Uma Thurman (Irene), Gore Vidal (Direktor Josef), Alan Arkin (Inspektor Hugo), Loren Dean (Anton)
Kinostart: 6/11/1998

Irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft. Der wissenschaftliche Fortschritt hat es ermöglicht, die Gen-Kombination des Menschen bei der Zeugung im Labor zu steuern. Der Retortenmensch der Zukunft ist nahezu perfekt. Vincent Freeman (Ethan Hawke) wurde noch ”traditionell" gezeugt, sein jüngerer Bruder dagegen ist einer dieser perfekten Labormenschen. Jemand wie Vincent hat null Chancen auf eine gesellschaftliche und berufliche Karriere. Doch er vertraut auf seine Hoffnungen. Als Reinigungskraft heuert er zuerst bei dem gigantischen Konzern ”Gattaca" an, von dessen Standort er jeden Tag die Starts der Raketen ins weite All verfolgt; dort als Navigator dabei zu sein, ist sein großer Traum. Für diesen Traum riskiert er alles. Er nimmt via eines illegalen DNA-Händlers die Identität eines anderen perfekten Menschen an. Jerome Eugene Morrow (Jude Law) zählte einst zu den herausragenden Exemplaren der Gattung Mensch, doch ein Autounfall machte ihn querschnittsgelähmt. Um seinen alten Lebensstil weiter finanzieren zu können, ist dieser Bereit seine Identität an Vincent zu verkaufen. Sein perfektes DNA-Profil ist die Chance für Vincent, der sich zwar ein ungeheures Wissen angelernt hat und auch seinen Körper bestens trainiert hat, aber aufgrund seines fehlerhaften Gen-Codes nie die Chance haben wird ganz oben mitzumischen. Leicht ist dieser Identitätsaustausch nicht, schließlich gilt es, ein gesamtes Gesellschaftssystem hinters Licht zu führen. Sein Traum ist in greifbarer Nähe und er soll an einer Weltraummission teilnehmen. Doch ein Mord droht nicht nur seine wahre Identität ans Licht zu bringen, sondern auch noch ihn als Unschuldigen hinter Gitter zu bringen. Der Tag des Allflugs ist seine Rettung und es beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Ein hochspannender Science-Fiction-Film mit sehr guten schauspielerischen Leistungen, der den Schwerpunkt auf die Handlung legt - dankenswerterweise => sehenswert!! (film.de)

In nicht allzu ferner Zukunft beherrschen gen-manipulierte, im Labor gezeugte Menschen die Welt, während die natürlich Geborenen keine Chance zum gesellschaftlichen und beruflichen Aufstieg haben. Einer dieser "Invaliden" erkauft sich die Identität eines anderen und überlistet den übermächtigen Raumfahrtkonzern "Gattaca", um auf einem anderen Planeten die Freiheit zu finden. Ein elegisch erzählter Science-Fiction-Thriller als anklagende Parabel über die Menschlichkeit zerstörende Gen-Manipulation. In verstörend schönen Bildern spannend erzählt, konzentriert sich der Film ganz auf die zutiefst menschliche Botschaft und die ausdrucksstarken Charaktere.

In Zeiten, in denen die Studios für Spezialeffekte die wahren Inszenatoren im Science-Fiction-Genre sind und die Technik über die Inhalte triumphiert, erscheint ein Film wie "Gattaca", der mit einem einzigen Trick - einem Raketenstart - auskommt, wie ein kleines Wunder. Die beeindruckende Parabel auf Gen-Manipulationen hat das Potential eines Kultfilms und steht schon jetzt durchaus ebenbürtig neben Meisterwerken des Genres von "Metropolis" bis "Phase IV". Irgendwann in naher Zukunft ist der Retortenmensch Wirklichkeit geworden und hat die Gesellschaft in zwei Klassen gespalten: Den im Labor Gezeugten gehört die Welt, während die noch durch natürliche Liebe Entstandenen keine Chance auf einen gesellschaftlichen und beruflichen Aufstieg haben. Sie gelten von Geburt an als "Invaliden". Für den seit seiner Kindheit kränkelnden, kurzsichtigen Vincent fallen schon im Kindergarten die Türen der Gesellschaft zu, während die Karriere seines "perfekten" jüngeren Bruders Anton vorprogrammiert ist. Doch Vincent hat einen Traum: Er möchte Raumfahrer werden, um auf einem bewohnbaren Planeten "frei" leben zu können. Um dies zu erreichen, muß er den gigantischen Gattaca-Konzern austricksen, der seine Angestellten bis ins Kleinste kontrolliert. Als die Zeit reif ist, seinen Plan zu verwirklichen, verläßt er seine Familie und nimmt Kontakt zu einem "DNA-Makler" auf, der genetisch benachteiligten Menschen eine falsche Identität verschafft. Um seinen aufwendigen Lebensstil weiter finanzieren zu können, ist der nach einem Unfall an den Rollstuhl gefesselte Jerome bereit, Vincent seine Identität zu verkaufen. Der Tausch funktioniert, und Vincent gelingt es, alle Tests zu bestehen. Schnell steigt er die Erfolgsleiter bei Gattaca empor, beginnt eine Liebesaffäre mit seiner Arbeitskollegin Irene und wird in die Astronauten-Riege aufgenommen. Als eine Woche vor dem Start der Rakete der Direktor des Weltraumprojekts ermordet wird, überprüfen Inspektor Hugo und sein Mitarbeiter Anton, der seinen Bruder Vincent zunächst nicht wiedererkennt, alle am Projekt Beteiligten. Als Anton die Augenwimper eines "Invaliden" findet, steht Vincent kurz vor der Enttarnung. Aber nun triumphieren seine angeborenen Fähigkeiten, wieder aufbrechende Familienbande und ein Wissenschaftler, der selbst ein "untaugliches" Kind hat, über die unmenschliche Gesellschaftsordnung. Als die Rakete ins All abhebt, um Titan, den 14. Mond des Saturn zu erforschen, gehört Vincent zur Besatzung.
Im Gegensatz zu seinen Kollegen aus der Werbebranche hat der Neuseeländer Andrew Niccol sein Spielfilmdebüt nicht mit der Hektik von 60-Sekunden-Spots ausgestattet. Allenfalls an seinem Blick für schöne Bilder, die der polnische Kameramann Slawomir Idziak mit kunstvoll eingesetzter Licht- und Filtertechnik überhöht, ist der einstige Werbefilmer zu erkennen. "Design" aber wird bei ihm nicht zum Selbstzweck, sondern zum genau kalkulierten Träger seiner Vorstellungen einer zukünftigen Welt, in der "Reinlichkeit gleich nach Gottesfürchtigkeit" kommt, wobei die Gen-Ingenieure hier die Götter spielen. Niccol verläßt sich bei der (Film-)Architektur auf funktionale Formen, bei den Kostümen und Frisuren auf klassische Formen der 40er und 50er Jahre. Gepaart mit den Modernismen der heutigen Technik, ergibt das eine eher zeitlose als futuristische Atmosphäre, die stets eine Identifikation mit den Problemen und Menschen der Geschichte ermöglicht. Auch wenn die Erschaffung eines perfekten Menschen noch unvorstellbar ist, hat das gentechnische Zeitalter begonnen: Gen-Chips, die Massentests auf Schäden im Erbgut erlauben, und der genetische Fingerabdruck zur Aufklärung von Verbrechern gehören längst zum Alltag. Zwar berührt "Gattaca" noch mit der Botschaft, daß mit Liebe gezeugte Kinder letztlich glücklicher werden, aber der Film macht auch deutlich, daß in den Labors schon Forscher sitzen, die keine Hemmungen hätten, nur schöne und intelligente Retorten-Menschen zu schaffen, während die "Untauglichen" keinen Platz mehr haben. Sie sind schon äußerlich gebrandmarkt, verrichten in unförmigen, grünen Kleidern niedere Arbeiten, während die "Auserwählten" in noblem Zwirn ihrer Tätigkeit nachgehen und in schicken Wohnungen leben. Über viel Gespür für Räume und Kameraeinstellungen vermittelt sich diese düstere Zukunftsvision, wobei Niccol auch auf Bild-Metaphern von "Metropolis" über "1984" bis zu Kafka zurückgreift. Im Zusammenspiel mit Michael Nymans minimalistischem Soundtrack gelingt ihm ein geradezu elegischer Science-Fiction-Thriller, der deshalb unter die Haut geht, weil eigentlich nur Vincents Traum vom Leben in der Galaxis utopische Ausmaße hat. Die Diskriminierung, die Ausgrenzung geistig oder körperlich Behinderter sowie das Mobbing gegen Personen, die nicht im Sinne des Systems funktionieren, sind dagegen schon Realität.
Niccol setzt seinem innovativen Inszenierungsstil mit der außergewöhnlichen Besetzung noch das "Sahnehäubchen" auf: Aus Ethan Hawke macht er einen ernsthaften Schauspieler, der mitleiden läßt, wenn er sich der Tortur einer Körperstreckung unterzieht, um Jeromes Größe zu erreichen, der aber auch den Gejagten glaubhaft darstellt. Vincent und Haumeister Caesar, gespielt vom Altstar Ernest Borgnine, sind scheinbar die einzigen normalen Menschen in dieser bizarren Welt. Gerade ihre verordnete "Untauglichkeit" spornt sie an, ihre natürlichen Begabungen auszunutzen: Vincent überlistet damit das System, und Caesar lebt in dem Bewußtsein, genauso viel zu wissen wie all die "Perfekten" über ihm. Auch die Liebesgeschichte dient zu überraschenden Nuancen: Es gibt kein Happy-End, weil Irene (wunderbar einfühlsam: Uma Thurman) ihr Schicksal als "Taugliche", aber nicht "Perfekte" akzeptiert, das sie für den Raumflug untauglich macht. Durch Vincents Unbeirrbarkeit lernt sie, sich ihm nicht bedingungslos auszuliefern. Ein präzis agierender Alan Arkin, der souverän in "fremden Gewässern fischende" Autor Gore Vidal und Jud Law als der "wahre" Jerome führen das Ensemble der hervorragenden Nebendarsteller, von dem man sich genauso wenig trennen mag wie von den beeindruckenden Bildern dieses filmischen Kunstwerks. (Rolf-Ruediger Hamacher, film-dienst)

Wo Dollys böse Brut herrscht - Andrew Nicolls Science-fiction-Vision «Gattaca»
Die irdische Zukunft hat im Kino längst begonnen, und rein rechnerisch müsste manches Science-fiction-Monster heute schon geboren sein. Aber es gehört zu den Merkwürdigkeiten vieler Gesellschaftsutopien, dass sie die Vorstellung von dem, was vor der Tür steht, geschichts- und erinnerungsfrei halten. Es ist, als wäre man konfrontiert mit einer ins Zukünftige projizierten Gedächtnisschwäche. Natürlich handelt es sich jeweils um einen Trick, der in der Fiktion für überschaubare ideologische Verhältnisse sorgen soll; man hat schon einige Beispiele von globaler Spontan-Neandertalisierung bzw. dogmatischen Quantensprüngen erlebt und ist dabei weit über die Lächerlichkeitsgrenze hinausgekommen.
Wenn allerdings «in einer nicht allzu fernen Zukunft», wie es jeweils heisst, mit der Geschichtslosigkeit sorgfältig umgegangen wurde und das Vergessen aufs Erinnern verwies, entstand manchmal eine künstliche Ästhetik, die einen durch ihre eigene Logik packte. In Richard Fleischers «Soylent Green» (1973) war's die verschwitzte Atmosphäre der Vermassung im Jahr 2022 und in Volker Schlöndorffs «The Handmaid's Tale» (1989) der Klassenkampf der Kleiderfarben in einer bigotten Diktatur. Unter diesen nimmt «Gattaca», der erste Spielfilm des Neuseeländers Andrew Nicoll, jetzt seinen respektablen Platz ein: dank der visuell durchstilisierten Ruhe und Ordnung einer giftfarbigen, vegetationsarmen Unnatur, geschaffen von Kameramann Slawomir Idziak, der solche Intoxikationsspiele bereits für Krzysztof Kieslowski in «Ein kurzer Film über das Töten» trieb.
Dramatisch impliziert ist, dass nach der Klonung des Schafes Dolly kein Halten mehr war. Es resultierte aus der Gentechnologie zuerst der positive Begriff und dann die Welt der sechsfingrigen Pianisten (dass man einen von ihnen spielen sieht, ist ein überraschender Scherz). Eine Wirklichkeit entstand, in der man einem Jungen wie Vincent Freeman (Ethan Hawke) nicht direkt vorwirft, auf dem Rücksitz eines Autos empfangen worden zu sein, ihn aber auch nicht ermutigen kann, in Konkurrenz mit einem in vitro gezeugten Erstklassmenschen zu treten. Die geradezu hysterisch perfektionierte Ausschaltung des genetischen Zufalls macht den Ehrgeiz überflüssig und das Träumen lächerlich. Ein Vincent in seiner naturgegebenen genetischen Anfälligkeit wird normalerweise also Putzmann und gewiss nie Astronaut beim Raumfahrtkonzern Gattaca.
Sollte er es werden, dann nur als Jerome Morrow, denn dies ist auch die Welt der verborgenen Mängel. Sie erfand den Begriff des «Leiternborgers», der sich einwandfreies Erbgut kauft, um seine tadellose Spur in der ständig überwachten Realität des sogenannten Genoismus zu hinterlassen. Darin, nämlich durchs Raffinement eines Urinproben-Tausches und anderer Details einer existentiellen Tarnung, entfaltet die Inszenierung ihre Technik der diskreten Spannungserzeugung. Mehr als einen einzigen zufälligen Todesfall hat sie nicht nötig, damit jener Vincent, der mit einem gelähmten Alphawesen (Jude Law) seinen Identitätshandel eingegangen ist, in den Wirbel einer Enttarnungspanik gerät. Eine verlorene Wimper kann den Kopf kosten. Und item spielt jetzt ein mitreissend actionloser Thriller im haarfein erfassten Bereich eines Systems, das sich Illusionen über seine Perfektion macht und durch Überanpassung unterlaufen wird.
Das funktioniert in seiner hermetischen Zeitlosigkeit und seiner Aktualität ganz prächtig. Wobei Nicolls Film ein solches Misstrauen gegen das Gefühlsinnige entwickelt, dass er sich durch kopflastige Komplexität und Statik selbst ein paar dramatische Schäden beibringt. Nicht einmal Vincents Liebesgeschichte mit der bezaubernden Uma Thurman, einer Elfe aus der Retorte, gönnt er uns so richtig, obwohl wir vielleicht dabei noch wärmer geworden wären mit dem Drama eines Lügners und der moralischen Tragödie einer erfundenen Zukunft. Einen emotionalen Trost aber darf man die Andeutungen nennen, dass auch in jener kommenden Gegenwart Blut dicker sein wird als Desoxyribonukleinsäure. (Christoph Schneider Neue Zürcher Zeitung, 10/7/1998)

In der schönen DNA-Zukunft spielen zwölffingerige Pianisten unglaublich virtuos. Eltern können die Gene ihrer Wunschkinder bestimmen, Menschen sind determiniert durch ihre Gene. Nur noch ein paar romantische Reste blieben von der alten Zeit. Der linkshändige Brillenträger Vincent Freeman (Ethan Hawke) beispielsweise ist ein sogenanntes Riviera-Baby, wurde "mit Liebe gezeugt". Er gehört zu den "Uteros", der neuen Unterschicht. Schon wenige Sekunden nach seiner Geburt stand sein Lebenslauf fest: Die genetische Analyse eines Blutstropfens diagnostizierte eine hohe Wahrscheinlichkeit für Herzversagen! Kein Kindergarten nahm das mit ihm verbundene Risiko auf. Trotz seiner frühen Begeisterung für das All, ist der Weltraum-Traum für ihn unerreichbar - wäre da nicht die besondere Qualität der Ungleichen: Der Ehrgeiz! So kann er mit den "Vitros", den "in vitro"-Gezeugten, mithalten und sogar eines Tages seinen jüngeren, DNA-designten Bruder im Wettschwimmen besiegen.
Und dann erreicht Vincent das unmoralische Angebot eines obskuren DNA-Maklers: Der Ausgestoßene kann das Leben des durch einen Unfall querschnittsgelähmten Jerome Eugene Morrow (Jude Law) weiterführen. Mit Hilfe schmerzlichster Operationen und Körperproben von Haut, Blut, Urin oder Speichel übernimmt Vincent den gut bezahlten Job des einst perfekten Jerome. Niemand schaut mehr in seine Augen - der Lebenslauf steckt in den Genen. In der Gattaca Corporation steht er bald ganz oben auf der Liste der möglichen Astronauten. Der Flug zum Jupiter-Mond Titan scheint zum Greifen nahe. Aber als ein mißtrauischer Vorgesetzter ermordet wird, zieht sich ein Netz aus endlosen Genanalysen um Vincent zu ...
Der Titel des Films setzt sich aus den (englischen) Abkürzungen für die vier Basen der DNA zusammen: A, T, G und C (im Deutschen A, T, G und Z). Aus diesen Elementen setzt sich die komplette Erbinformation zusammen. Der perfekte Mensch ist das Ziel der Utopie, alle fehlerhaften Gene, alle Krankheiten und Abweichungen auszuschließen. Doch wie wird nach dieser genetischen Revolution unsere Welt aussehen? Die mögliche Antwort "Gattaca" bringt endlich mal wieder ein kluges Meisterwerk ins Kino. Es ist spannender Gen-Krimi mit vielen feinen Nuancen - so gehört auch der untersuchende Polizist zu den "Uteros". Gleichzeitig ein Science Fiction zur aktuellen Gen-Diskussion und eine schreckliche Zukunftsvision vergleichbar mit "1948" oder "Farm der Tiere". Die Grausamkeit dieser Gesellschaft wird in vielen Szenen deutlich: Ein schwarzhäutiger, kahlköpfiger Doktor empfiehlt mit freundlichem Lächeln dunkle Hautfarbe und vorzeitigen Haarverlust beim Wunschkind auszuschließen.
Bemerkenswert ist das besonders kühle, glatte und damit sehr stimmige Design des Films. Dazu schrieb Michael Nyman eine faszinierende Musik. Exzellente Darsteller wie Uma Thurman und Gore Vidal gliedern sich mit perfekten, glatten Gesichtern in die scheinbar egalitären Reihen ein. (Günter H. Jekubzik, FILMtabs)

In nicht allzu weiter Zukunft: Vincent ist ein Kind Gottes, d.h. seine Eltern glaubten noch an das Schicksal von Mutter Natur. Der Gentest belegt denn zur Strafe einen Herzfehler, der dem Neugeborenen ein Verscheiden vor dem Erreichen des 30. Lebensjahres prophezeit. Kein Kindergarten will bereits jetzt ein Risiko eingehen und die Eltern beschützen ihn vor jeder körperlichen Anstrengung. Beim nächsten Kind wird alles anders. An Bruder Anton doktert der Hausgenetiker herum, auf dass er einwandfreie Chancen im Lebe habe. Chancen in einer Gesellschaft, die sich mit den allgegenwärtigen Tests ständig selbst geißelt.
Als Vincent eines Tages entgegen aller Erwartungen seinen Bruder bei einem Schwimmwettkampf schlägt, öffnet sich ein neuer Horizont. Nichts scheint mehr unmöglich, kein Genresultat wird ihn mehr einschüchtern. Anton kann diese erste Niederlage in seinem Leben dagegen nicht eingestehen.
Vincent verlässt nicht nur seine Familie, ihn drängt es ins Weltall, weg von dieser Zivilisation. Mit der Raumfahrtfirma Gattaca macht er sich zunächst als Putzkraft vertraut, um später die Dienste des DNA-Maklers German in Anspruch zu nehmen. Dieser verschafft ihm die Identität eines genmanipulierten Tauglichen erster Güte, der seit einem Unfall im Ausland leider querschnittsgelähmt ist. Urinbeutel, falsche Fingerkuppen mit Blutreserven, ja selbst Hautschuppen und Körperhaare stellt Jerome seinem Imitator gegen das Geld zur Verfügung, das dieser mit der neuen Identität in der Lage ist zu verdienen.
Vincents Traum scheint sich endgültig zu erfüllen, er ist in die Elite Gattacas aufgenommen worden und soll in einer Woche für einen längeren Aufenthalt zum Titan fliegen, da wird der Direktor ermordert und eine Wimper Vincents in der Nähe des Tatortes gefunden. Die Polizei stellt Gattaca nun auf den Kopf, so sehr sie darf (auch in der Zukunft wird von der Elite auf die Polizei hinuntergeschaut), die Hetzjagd auf einen Untauglichen hat begonnen...
Gattaca zählt schon jetzt zu den besten fünf Science Fiction Filmen der 90er Jahre. Wer Action, Explosionen und schnittige Raumschiffe sucht, geht allerdings leer aus. Andrew Niccol inszenierte dafür eine Spannung, die selbst die notorischsten QuasslerInnen die nicht allzu kurze Filmzeit komplett verstummen lässt. Darüberhinaus ist nicht alle Tage eine Geschichte dieses Genres anzutreffen, die in sich schlüssig ist (s. etwa Starship Troopers oder Sphere), noch jungfräuliche Sphären betritt und in der Verwirklichung der fernen Lebenswelt restlos überzeugt. So konnte für das Set Design zurecht eine Golden Satellite- und eine Oscar-Nominierung geerntet werden, eine Ehrung, die Michael Nyman für den besten Soundtrack bei der Golden Globe Verleihung ebenfalls zuteil wurde. Gattaca ist ein Film für die größte Leinwand, die ihr finden könnt, eure Augen werden es euch danken. Wer die Kunst der Inszenierung so beherrscht wie Niccol, vermag es auch einer an sich simplen Story spannendes Leben einzuhauchen und einen modernen Klassiker aus der Taufe zu heben – Gattaca, auf dem Originaldrehbuch des Regisseurs beruhend, umgibt sich mit dem Glanz der anspruchsvollen englischsprachigen Science Fiction Literatur der 30er bis 50er Jahre, was um so bemerkenswerter ist, als dass eigentlich nie zuvor eine Verfilmung dieser Pflichtlektüren amerikanischer Highschools so richtig geglückt ist. Anspruch scheint für das amerikanische Publikum ein Schimpfwort zu sein, denn gerade einmal ein Drittel des 36 Millionen Dollar teuren Filmes konnte an den heimatlichen Kassen eingespielt werden – was in diesem Falle allerdings für EuropäerInnen ein Qualitätsmerkmal sein dürfte. Und merke: Nur weil keine Feuerbälle für krachende und bewegliche Superlative sorgen, so ist dieser kleinerer Film ganz großes Kino – gerade auch für Aug und Ohr.
Queer Watchlion
So ästhetisch wie die Modeanleihen aus der Nachkriegszeit und die Design-Refferenzen an die 50er ist auch die Homoerotik von Gattaca, die für geschulte Augen unumgänglich auffallen muss, für andere aber vollkommen untergehen kann. Nach seinen schwulen Rollen in Oscar Wilde und Mitternacht im Garten von Gut und Böse, sowie seiner Beteiligung an Bent liefert Jude Law diesmal eine gekonnt zurückhaltende schwule Charakterisierung ab. Vordergründig ist der echte Jerome zwar neutral ausgerichtet; dennoch: immer wieder fragt sich der schwule Zuschauer, wie tief genau Jerome sich im Verhältnis mit Vincent (Ethan Hawke) gerne sehen würde. Ein Blickaustausch durchs Fenster mit Vincents neuer Freundin Irene (Uma Thurman) ist totenfrostigkühl, eben der zweier RivalInnen. Welcher Hetero spricht einen anderen Mann schon auf dessen Augen an, und Vincent, nach einer Beinoperation in Stahlklemmen gefesselt fragt Jerome, im Rollstuhl, ironisch ob sie nicht tanzen gehen wollten. Kleine Scherze, die oftmals mehr bedeuten können. Als dann zum Schluss das ultimative schwule Symbol im Film eingesetzt wird, die verschenkte Haarlocke, diesmal als Erinnerung für die Reise ins All, ist die langsam gereifte Frucht der Homoerotik endlich zum Pflücken bereit.
Ach, übrigens: In der nicht allzu fernen Zukunft spielen Hautfarbe, Nationalität und offenbar auch sexuelle Orientierung keine entscheidenden Faktoren mehr. All die Ismen und Phobien wurden abgelöst durch Genitismus. (quer-view)

Gattaca ist der Name eines Forschungsunternehmens, welches in einer fernen Zukunft für die Erforschung des Weltraums zuständig ist. In dieser Zukunft hat die Genforschung die Natur abgelöst und überläßt nichts mehr dem Zufall. Die Kinder werden nicht mehr gezeugt sondern bestellt und etwaige Fehler können von vorne rein ausgeschlossen werden. Da man an jeder Ecke feststellen kann, wie wertvoll die DNA einer Person ist, führte dies zu einer nie dagewesenen Diskriminierung. Das Geschlecht oder die Hautfarbe sind egal, solange man kein Gotteskind ist und so wählt man auch den Partner erst aus, nachdem man diesen Test von ihm machen ließ. Es ist logisch, daß nur perfekte Menschen einen Job bei einer Firma wie Gattaca bekommen und genau das ist das Problem von Vincent (Ethan Hawke), denn obwohl es alle glauben, ist er nicht perfekt.
Mit der DNA des durch einen Unfall querschnittsgelähmten Jerome (Jude Law) schmuggelt er sich schon seit langem durch die strengen Kontrollen des Unternehmens, bis eines Tages sein Vorgesetzter tot aufgefunden wird, und man eine Wimper eines Invaliden findet. Obwohl Vincent diese Tat nicht begannen hat, laufen alle Untersuchungen in seine Richtung. Es gibt jedoch zwei Gründe, warum er nicht aufgibt, denn in wenigen Tagen startet seine lang ersehnte Mission zum Titan und außerdem hat er sich in Irene (Uma Thurman) verliebt.
Mit einem solchen Film hatte ich eigentlich schon früher gerechnet, denn in Zeiten, wo immer wieder verschiedene Tierarten geklont werden und die Gentechnik immer größere Fortschritte macht wird nicht nur von religiösen Menschen die Frage gestellt, wo das denn nun aufhört.
Gattaca ist jedoch leider nicht der Film, der sich des Themas annimmt, sondern ein Film, der sich des Themas bedient. Er bezieht sich ausschließlich auf eine Meinung - eine starke Verurteilung - anstatt eine Diskussion zum Thema anzustiften. Dies wäre sicherlich noch zu verkraften, wenn nicht die Geschichte, die auf dem Thema aufbaut von recht langatmiger Natur wäre. Das liegt nicht am Thema, das dies ist liegt nicht an der Umsetzung, das liegt einzig und allein an der Geschichte selbst. Ihr fehlt es einfach von vorne bis hinten an Schwung, Dynamik und Witz.
Das Setdesign hat sicherlich ein riesengroßes Lob verdient. Die unterkühlte Atmosphäre, die reinliche Umwelt, in der schon das Schwitzen als fatale Schwäche angesehen wird, sind wunderbar umgesetzt und ist wohl der entscheidene Grund, warum der Film nicht voll und ganz unter das Mittelmaß abrutscht.
Ethan Hawk und Uma Thurman bieten zwar ihrer Rolle entsprechende Leistungen, doch gerade aufgrund dieser Atmosphäre bleibt einfach nicht viel Platz für Gefühle und somit auch keine Möglichkeit diese darzustellen. Das wiegt eigentlich besonders schwer, da es den beiden Darstellern ziemlich leicht fallen sollte, schließlich haben sich die beiden während der Dreharbeiten verliebt und haben inzwischen gemeinsamen Nachwuchs.
Trotz der wirklich überragenen visuellen Umsetzung kann man nicht darüber hinweg sehen, daß der Film über weite Strecken nicht unterhalten kann, und obwohl ich mich der Einstellung des Films absolut anschließen kann, ist wohl eine Diskussion mit Freunden über dieses Thema eine bessere Alternative. (Schröders kleine Filmseiten)

Weitere Kritiken der IMDb, offizielle Site: Sony

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ANTZ (ANTZ)

USA 1997. 82 Min.
Regie: Eric Darnell, Tim Johnson, Buch: Todd Alcott, Chris und Paul Weitz, Musik: Harry Gregson-Williams, John Powell, Schnitt: Stan Webb
Kinostart: 6/11/1998

Eine männliche Arbeiterameise leidet unter ihrem Schicksal, nur eine unter vielen Millionen zu sein, und träumt von einer Liaison mit der Prinzessin seines Staates. Vollständig computeranimierter Abenteuer-Trickfilm, der sich filmhistorischer Meisterwerke bedient und vor allem in der Originalversion durch viele Anspielungen und ein großes Staraufgebot an Sprechern glänzt. Seine tricktechnischer Charme bleibt allerdings eher äußerlich. - Ab 10.
Die Eröffnungssequenz von "Antz" ist so hinreißend, daß der Verleih sie gleich zu seinem Trailer erklärt hat, der somit in ungewöhnlicher Form für diesen zweiten abendfüllenden Computer-Animationsfilm der Filmgeschichte wirbt: Da liegt eine Ameise, die unverkennbar die Gesichtszüge und Stimme des bekannten New Yorker Stadtneurotikers Woody Allen trägt, auf der Couch einer Psychiater-Ameise. Das Problem des frustrierten Zeitgenossen ist schnell erfaßt: Er fühlt sich nur als winziges Rädchen im Getriebe; von Selbstverwirklichung, so sein Lamento, könne in seinem Leben gar keine Rede sein. Kein Wunder, belehrt ihn der im Original von Paul Mazursky gesprochene "Seelenklempner", er sei schließlich nur eine Ameise. Jetzt eröffnet sich dem Zuschauer mit der Aussicht aus dem Fenster der Blick auf ein Heer potentieller Leidensgenossen, die sich derartiger Defizite noch nicht bewußt geworden sind: Abertausende von Arbeitsameisen, beschützt von entsprechenden Heerscharen von Kampfameisen, werkeln da vor sich hin, und es wird ihnen kaum als wahres Potenzproblem erscheinen, daß sie manchmal nicht einmal das zehnfache ihres Körpergewichts heben können. Armer Woody, oder um ihn bei seinem artgerechten Namen zu nennen: "Z-4195"!
Unbefriedigt erscheint Z sein Leben allerdings auch in emotionaler Hinsicht: Einzig die angebetete Prinzessin Bala (Vorbild und Originalstimme: Sharon Stone) kommt für den anspruchsvollen Patienten in Frage. Doch was er noch nicht zu hoffen wagt: Auch Prinzessinnen steht im Ameisendasein wenig Erfüllendes bevor - sind doch Königinnen, wenn einmal inthronisiert, in diesen Kreisen reine Gebärmaschinen. Eine erste, zufällige Begegnung der beiden erweist sich als vielversprechend. Doch erst als Z mit einer weiteren, vom Leben unausgefüllten Ameise die Rolle tauscht - es ist eine sanftmütige Kampfameise, deren akustischer Part (wiederum im Original) mit Sylvester Stallone besetzt ist - , kann er sich an den gewagten Prinzessinnenraub begeben und sie animieren, zum sagenumwobenen Ameisenparadies aufzubrechen. Beider Gegner ist jedoch der Bala als Gemahl zugedachte General Mandible (Gene Hackman) - der allerdings nicht mehr seine ganze Armee im Rücken hat, seit aus dem abtrünnigen Z bereits eine Art Volksheld geworden ist - die Filmemacher haben hier ganz offensichtlich Stanley Kubricks "Spartacus" (fd 24 628) studiert. Noch ein weiteres Vorbild ist allgegenwärtig: Fritz Langs ,,Metropolis" (fd 7917) mit seiner unterirdisch agierenden Arbeiterklase, der auch in Bezug auf die Konfliktentwicklung Pate stand, bei der aus dem Volkshelden zwischenzeitlich der Gejagte wird und aus der kühlen Schönheit eine zweite Brigitte Helm. Im gelobten Ameisenland - einem appetitlich angesammelten Abfalleimer - findet man in einer Wespe einen unverhofften Beschützer, der schließlich auch seine Flugkünste zur Verfügung stellt, als er feststellt, daß er den gewaltsamen Insektentod seiner Geliebten so leichter verwinden kann.
Der nicht englischsprechenden Welt entgeht eine Menge in diesem Film; nicht nur das höchst illustre Sprecheraufgebot (neben den Erwähnten noch Dan Aykroyd, Anne Bancroft, Danny Glover, Jennifer Lopez und Christopher Walken), auch die zahlreichen kulturellen Anspielungen sind oft unübersetzbar. So muß man sich vergegenwärtigen, daß "Wespe" auf englisch "Wasp" heißt, um das anfänglich herablassende Verhalten des Wespenpärchens gegenüber dem jüdischen Intellektuellen Z zu verstehen. Auch Trickfilmzeichner hat man in der Vergangenheit gern mit der fleißigen porträtierten Insektenart verglichen; der Computer hat hier die Arbeitsbedingungen inzwischen einigermaßen verändert: Gezeichnet wird nach Fertigstellung der Storyboards eigentlich nichts mehr; statt dessen werden plastische Modelle gescannt und wie bei einem Videospiel in Bewegung gesetzt. Ein Computerprogramm namens "Crowd Generator", das in abgewandelter Form auch auf menschliche Schauspieler anwendbar ist, erlaubt eine Masseninszenierung, von der Fritz Lang nicht einmal träumen konnte. Den Spielverlauf nennt man noch immer "Regie" - und hier zeichnen sich Leistungen oder Versäumnisse so deutlich ab, wie in jedem anderen Bereich des Filmemachens. Während John Lasseter noch immer an seinem vor Jahren begonnenen Insektenfilm "A Bug's Life" arbeitet, ist man ihm bei DreamWorks zuvorgekommen; doch während sich Lasseter in seiner Pionierarbeit "Toy Story" (fd 31 830) um die der neuen Technik immanenten künstlerischen Möglichkeiten bemühte, sind die unbestritten charmanten Vorzüge von "Antz" doch eher äußerlich: eine Starbesetzung, die früheren Monumentalfilmen zur Ehre gereicht hätte, und etliche witzige Anachronismen, die ihren Reiz aber zusehends verlieren. Gleichwohl gelang eine unaufdringliche Intellektualsierung des Genres, die weit über die Aufnahmefähigkeit eines durchschnittlichen Ameisengehirns hinausgeht. (Daniel Kothenschulte, film-dienst)

"Z-4195" (Woody Allen) ist eines von Millionen unbedeutenden Arbeitstieren einer unterirdischen Ameisenkolonie. Doch dann verliebt sich der von Selbstzweifeln geplagte Sechsbeiner ausgerechnet in die reizende Prinzessin Bala (Sharon Stone).
Um der Angebeteten zu imponieren, nimmt "Z" den Platz des Soldaten Weaver (Sylvester Stallone) ein. Kein guter Tausch: Denn während Weaver nun mit der hübschen Arbeiterin Azteca (Jennifer Lopez) techtelmechtelt, landen "Z" und sein Kamerad Barbatus (Danny Glover) in einer fürchterlichen Schlacht gegen feindliche Termiten.
"Z" überlebt auf wundersame Weise und droht als frischgebackener Kriegsheld die tödlichen Pläne von General Mandibel (Gene Hackman) und seinem Adjutanten Cutter (Christopher Walken) zu durchkreuzen: Die abtrünnigen Militärs wollen die Kolonie mitsamt ihrer Königin (Anne Bancroft) vernichten und einen Kriegerstaat errichten.
"Z" flieht – doch nicht ohne Prinzessin Bala! Ihr Ziel ist "Insektopia", das sagenhafte Mekka aller Krabbeltiere. Der Weg dorthin birgt viele Gefahren, und so kann das ungleiche Paar sogar die Hilfe der hochnäsigen Wespen Chip und Muffy (Dan Aykroyd, Jane Curtin) bestens gebrauchen...
Abermillionen Statisten, gigantische Kulissen, atemberaubende Kamerafahrten – die Technik macht's: "Antz" ist vollständig im Computer entstanden und überrascht mit einer kreativen Bilderflut, in der Disneys Vorreiter "Toy Story" sang- und klanglos untergeht. Unter der Regie von Eric Darnell und Tim Johnson verwandelt sich der Mikrokosmos einer unterirdischen Ameisenkolonie in ein cleveres Sinnbild der Massengesellschaft.
Der eigentliche Macher hinter dem bildgewaltigen Opus aber heißt Jeffrey Katzenberg und ist Steven Spielbergs Partner beim Hollywood-Studio Dreamworks. Dort leitet der ehemalige Disney-Manager die Trickfilmabteilung und läßt ambitioniertes Kino für Erwachsene aus dem Boden stampfen: Am Zeichenbrett und im Computer entstehen artifizielle Figuren, deren Ausdruckskraft mit dem emotionalen Repertoire echter Schauspieler rivalisieren soll. Mit "Antz" ist Katzenberg, dessen früherer Arbeitgeber ihm Welterfolge "Aladdin" und "Der König der Löwen" verdankt, diesem Ziel verblüffend nahe gekommen.
Ameisenperspektive: In nahezu jeder Szene betritt "Antz" kreatives Neuland und beeindruckt mit ausgefeilten, originellen Bildern, die es in dieser Form noch nicht gegeben hat. Insekten, Pflanzen, Wasser, Hintergrund: Die Welt der kleinen Krabbler wirkt so überzeugend, daß man im Nu vergißt, daß die Akteure im Computer gezüchtet wurden. Ihre Seele sind die Schauspieler, die dem sympathischen Ungeziefer nicht nur ihre Stimme leihen, sondern den Computerzeichnern auch als Charaktervorlagen dienen. Dabei protzt die amerikanische Originalfassung mit einem Ensemble erlesener Mimen – unter ihnen vier Oscar-Preisträger.
Einer für alle – alle für einen: "Antz" zelebriert ur-amerikanische Werte wie Freiheit und individuelle Selbstbestimmung, betont aber auch die Verpflichtung des einzelnen, sich fürs Gemeinwohl aufzuopfern – ein politisch korrekter Spagat, geschickt verpackt in der romantischen Geschichte einer verbotenen Liebe und der Tragödie eines zum Völkermord entschlossenen Generals. Letztlich aber trägt der Film die Handschrift von Woody Allen alias "Z": Der krabbelnde "Stadtneurotiker", der sogar als Insekt nicht ohne Psychiater (Paul Masursky) auskommt, verleiht dem mit ironischen Seitenhieben gespickten Ameisenepos eine unverwechselbare Note.
Starker Tobak: Trotz mitreißender Musik und humorvoller Einlagen ist "Antz" kein Film für kleine Kinder – dafür sorgt schon das ungeschminkt gewalttätige, von "Starship Troopers" inspirierte Gemetzel zwischen Ameisen und Termiten: Katzenberg hat ein liebliches Trickfilm-Musical gegen eine gewitzte Parabel über die Tücken des Konformismus eingetauscht.
Das Imperium aber schlägt zurück, und Ende Januar wuselt Disneys Retourkutsche über die deutschen Leinwände. Titel der im Computer generierten Käfersaga: "Das große Krabbeln". (Rico Pfirstinger, focus)

Weitere Kritiken der IMDb, offizielle Site: Dreamworks/PDI

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PERDITA DURANGO (PERDITA DURANGO)

MEX / E 1997. 128 Min.
Regie: Alex de la Iglesia, Buch: Alex de la Iglesia, Jorge Guerricaechevarría, David Trueba, nach dem Roman "59 Degrees and Raining: The Story of Perdita Durango" von Barry Gifford, Musik: Simon Boswell, Kamera: Flavio Martinez Labiano, Schnitt: Teresa Font, Darsteller: Rosie Perez (Perdita Durango), Javier Bardem (Romeo Dolorosa), Harley Cross (Duane), Aimee Graham (Estelle), James Gandolfini (Dumas)
Kinostart: 6/11/1998

Eine Chicano-Indianerin und ein "Santero", ein mexikanischer Magier, kidnappen ein amerikanisches Pärchen, um es nach einem archaischen Ritual zu opfern. Verfilmung eines Romans von Barry Gifford voller besinnungsloser Brutalität und Gewaltfantasien.

Satanskult, afrokubanische Riten? Um das Feuer herum stehen die Schaulustigen, unter ihnen US-Touristen, die nur für diese Zeremonie angereist sind. Der Priester hebt das Messer, stößt einige Schreie aus, um dem blonden Opfer das Herz aus der Brust zu schneiden. Mexiko als farbige Projektion pittoresker Rückständigkeit und grausamer Atavismen hat immer wieder Schriftsteller angelsächsischer Herkunft fasziniert. So auch Barry Gifford, der mit seinem Roman "Wild at Heart" schon einmal - damals für David Lynch - die Vorlage für eine erfolgreiche Verfilmung lieferte. Mexiko, das ist der Mythos jenseits der geordneten US-Realität, in dem selbst das Verbrechen klare Kausalitäten und Ziele hat. Die US-Grenze zu Mexiko markiert die Trennung zweier völlig unterschiedlicher Welten. Dabei wirft Gifford manches in einen Topf, was nicht zusammengehört: Voodoo, atztekische Menschenopfer und die Rituale des karibischen Satanismus, der im Gegensatz zu Giffords blutrünstigem Delirieren allenfalls auf Hühnerblut zurückgreift. "Das Buch läßt sich nur verfilmen, wenn man den Voodoo-Quatsch rausschmeißt", hatte Altmeister Higas Lunas resolut erklärt, als ihm die Regie angetragen wurde. Darauf wollte die Produktion allerdings nicht verzichten und setzte auf den Nachwuchs: Alex de la Iglesia gehört zu der erfolgreichen Riege von Jungregisseuren, die kommerziellen Erfolg mit einem sehr eigenwilligen, grotesken Stil und lokalem Humor vereinen. "Perdita Durango" ist sein dritter Film, und mit ihm bewegt sich der Regisseur auf dünnem Eis: Angelsächsische Sehnsüchte nach südlichen Exzessen und spanische Lateinamerika-Klischees treffen hier aufeinander. An der mexikanischen Grenze begegnet die selbstbewußte Chicanofrau Perdita Durango dem "Santero", dem Magier Romero Dolorosa. Beide ergänzen sich als eine Art Bonnie and Clyde auf der Suche nach den dunklen Seiten von Passion und Leidenschaft. Auch wenn Perdita Romero für einen religiösen Scharlatan hält, ist sie begeistert von der Entführung eines blonden US-Pärchens, das in einem Initiationsritus geopfert werden soll. Schon ist alles bereit für die blutige Ekstase. Doch dann fällt ein Schuß. Ein mexikanischer Mafiosi, den Romero um einige tausend Dollar betrogen hat, will abrechnen. Romero und Perdita Durango flüchten mit dem blonden Paar, verfolgt von der Mafia und hartnäckigen FBI-Agenten. Jenseits der Grenze wartet ein lukrativer Auftrag: Der Transport von tiefgefrorenen Embryos nach Las Vegas.
Alex de la Iglesias vermeidet keine Tabus - er sucht sie geradezu verzweifelt. Vom blutenden Christus am Kreuz bis zum von Glasscherben zerfetzten Gesicht eines Opfers rast das Pärchen zwischen besinnungsloser Brutalität, Gewalt und Vergewaltigungsfantasien hin und her. In den USA lief der Film in zensierter Fassung an, berichtete de la Iglesia befremdet: "Es wurden keine Sexszenen herausgeschnitten, sondern beispielsweise die Kreuzigungsszene. Ich bin mir aber sicher, daß ich ein tieferes und gewagteres Religionsverständnis habe als jeder amerikanische Zensor. Wenn wir hier in Spanien etwas verinnerlicht haben, dann ist es Religiosität." Blut und Mythos, Passion und Leidenschaft als Urgrund religiöser Ekstase, über lange Strecken mit schwarzem Humor vermischt. In seinem letzten Film "El dia de la Bestia" hat de la Iglesia diese Balance halten können. Der wesentlich teurere "Perdita Durango" bleibt trotz des hervorragend inszenierten Hintergrundes, trotz opulenter Dekors und des Deliriums einer permanenten Aktion unentschlossen, entwurzelt, in der eigentlichen Handlung zu dünn: American Independent - made in Spain. (Wolfgang M. Hamdorf, film-dienst)








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