Als mich das Blut durchkochte dreissig Jahr
und Tag und Nacht nur Gram und Schande war,
da bin ich auch kein grosses Licht gewesen,
auch nie als Narr von einem König angestellt.
Mich haben harte Besen
vom Mutterleib hineingefegt in diese Welt.
Doch du, Herr Bischof, Hund, du kannst mich nit
verfluchen, weil ich bitter Strafen litt.
Ich bin noch lange nicht dein Sklave hier,
du Judas, bin auch nicht dein Schmeicheltier.
Vergessen wird dir nie die Kerkerzelle,
als draussen Sommer war mit Feuermohn und Wein
und viele Frauen bettelnd auf der Schwelle
zu meinem Herzen lagen. Ach, du Stein;
der Satan wird dir zahlen, wie du mich so hart
geschlagen hast und mich genarrt.
Auch Jesus, der so hell brennt wie ein Stern,
der schont gewiss nicht all die feinen Herrn,
die mir so manche Freud stahlen
bei Nacht und auch bei Tageslicht;
sie werden es im Feuerofen zahlen,
mit keinem Geld entgehn sie dem Gericht.
Darüber wird vielleicht noch mancher Winter schnein
und ich ein armer und gejagter Dichter sein.
Oft denk ich deiner auch, mein Kamerad;
dass vor mir du verdarbst, ach, das ist schad.
Ich träumte heut, du bist ein Stern geworden,
der erste, wenn die Sonne untergeht,
dort, wo sonst keine Sterne stehn im Norden.
Jetzt hast du Nacht für Nacht mein Stossgebet;
und dass statt deiner ich dereinst im Kerker sass,
wie gut, dass ich es bald verschwitzte und vergass.
Gepeinigt hast du mich gar manche Nacht,
du siehst, ich habe mich deshalb nicht umgebracht,
dein Mädchen war mir Beistand, wenns mich quälte,
und hat mit ihrem Fleisch mich gut genährt.
Ach keiner in der Welt, den ich zum Bruder mir erwählte,
hat mir so reichlich Huld und Gunst gewährt.
Jetzt kommt ein guter Wind von Falndern her
und lässt mich Erde schmecken, Wald und Meer.
Auch Du, Maria, warst nicht schlecht zu mir,
mit Deinem Bild im Herzen schlief in mir das Tier.
Auch den Apostel Sankt Johannes kröne
mein Dankwort für so manchen Trost in grosser Not.
Und dir, mein König, stolz im Kranz der Söhne,
erflehe ich den Sieg und Englands Tod;
es blüh dir Ruhm und Ehre für und für
und dass Sankt Petrus gnädig öffne dir die Himmelstür.
In dieser Welt, wo alles grau verweht,
dir, liebe Mutter, schnell noch ein Gebet.
Sei du der Baum, dess Blätter ewig dauern
und der uns immerblühend goldne Früchte schenkt.
Dir wird der Himmel nicht mit schwarzen Mauern
verrammelt sein, wenn der Herr Jesus deine Hände lenkt.
Du hast dich nie mit fremdem Gut gemein gemacht,
du hast gedarbt und an den Sohn gedacht.
Vielleicht erlöste dein Gebet mich aus dem Hungerloch.
Und nun nach bittrer Wochen Qual und Joch,
willst du, mein Herz, mir schnell den Abschied schreiben?
Ja, weil ich elend bin, zu nichts mehr gut,
muss ich wohl mit dem dunklen Wasser treiben
und durch mein Blut schwärt keine andre Glut:
Weil ich kein Geld mehr habe, auch kein Weib,
sing ich dies Winterlied nicht nur zum Zeitvertreib.
So lang ich Augen habe und noch einen Laut
und unter meinem Hintern noch ein Büschel Kraut,
will ich sie küssen, deine Sorgenhand,
die mich erhoben hat von Schanden allerhand.
Es kann mich nichts mehr schrecken,
ich seh nur dein Gesicht, nur deinen Mund,
ich darf in meinem Traum ihn schmecken
und schmecke mich vielleicht daran auch noch gesund.
Des ganzen Lebens schwarze Litanei,
vom Mutterleibe bis zum Todesschrei,
die langen Wanderungen durch die kalten
Gelächter aller Menschen und zuletzt
der Streich des Henkers, haben böse Falten
in mein Gesicht gemacht, mich so herumgehetzt
wie Wölfe, fort aus einem warmen Nest gejagt
und nie nach meinem Leid gefragt.
Mir hats die Augen müder noch gemacht,
als alle Schriften, die ich manche Nacht
gelesen habe in der Klosterzelle.
Und bin ich auch gewandert ohne Kreuz und Stab,
es sprang der Bach im Feld mit froher Welle
an mir vorüber und auch grüne Waldung gab
mir das Geleit zu allen Jahreszeiten
bis tief hinein in die wildfremden Weiten.
Nicht immer brauchen oben Sterne sein,
Gott kommt auch mit den schwarzen Wolken überein.
Er hat noch jedem seinen Sarg gegeben
und gab der Jugend einen hellen Mut.
Wie mancher führt im Mai ein Lasterleben
und der November nimmt ihn auf in eines Klosters Hut.
Dort fliegen Engel ein und aus
als wärs ein Tauben- oder Hurenhaus.
Und wünscht auch mancher jetzt schon meinen Tod;
es kommt zuletzt ein grosses Morgenrot,
dort wird gezählt und abgewogen,
und wer mich quälte, wird die Prüfung nicht bestehn.
Um ihre Freuden sind die Herren jetzt betrogen,
sie werden dunkle Strassen gehen,
dort blühen keine Blumen mehr,
dort sind nur Steine kalt und leer.
Als Alexander noch ein Kaiser war,
wie schienen da die Sterne wunderbar
auf jeden Schelm herab und gaben ihm so frohen
Gewissensmut und rechtes Wort zur Zeit.
Wollt ihn ein blasser Henkertod bedrohen,
sah ihn der Kaiser an mit Gnädigkeit
und fragte mitten in dem Schlachtgebrumm:
"Bist du ein Räuber worden, ei, warum?"
Da sprach der Mann: "Warum beschimpfst du mich?
Bin ich nur darum Dieb vor dir, weil wenig ich
gestohlen habe? Wär mir deine Macht gegeben,
dann könnte ich auf Erden gerade so wie du
hoch über allem Volk als Herrscher leben."
Da schloss der Kaiser schmerzlich seine Augen zu
und sprach: "Ich pflanz dich jetzt in bessre Erde ein
und will mit Fleiss und Lust dein Gärtner sein."
Da gingen viele Jahre hin in Gnade und mit Glück
und nie fiel dieser Mann in sein gewesnes Tun zurück,
er hat mit reiner Herzenslust
des Kaisers gute Tat vergolten.
Wie oft hab ich mich schon ein Narr gescholten,
dass ich mir solchen Kaiser nit gewusst.
Ich weiss, ich bin sehr oft ein Stümper nur,
das Elend hält mich fest an seiner Nabelschnur.
So trieb ich mich herum auf schlechtem Pfad
und Böses wuchs herauf selbst aus der guten Tat,
ich habe nichts dabei errafft und nicht gespart,
bin arm geblieben und ein Lumpenhaufen.
Nun ist mein Haupt ganz grau und ausgehaart,
und dafür kann man keine Herzenslust sich kaufen.
Mir hält die Erde hin die Knochenhand
und Würmer graben mich hinunter in den Sand.
Wie war als junger Bursche ich so stolz
auf mein gesicht, schoss überall Kobolz,
zuletzt hinauf auf einen weissen Leib,
der nährte mich mit süssen roten Beeren
und war der schönste Zeitvertreib
den Sommer lang. Das wird nie wiederkehren.
Dahin der Nachtigall Musik, der Maientanz,
was blieb ist dieser Dornenkranz.
Es ist kein Feld und ist kein Strohsack mein,
die Sippschaft lässt mich nicht ins Haus hinein,
weil ich so räudig bin und in zerrissnen Schuhn.
Morsch sind im Maul die Zähne mir schon sehr
und weh will jeder Schritt mir tun.
O käm noch einmal nur die gute Fee daher;
mein Herz, es ginge wieder in dem raschen Schlag
und läge da bei einem weissen Reh im Rosenhag.
Ein Mannsbild, sorgendürr und hungerkrank,
das findet nirgends einen Kuss zum Dank,
ein andrer frisst, was mir zur Lust geboren
mit rotem Mund und blauem Augenstern.
Ich habe meinen Thron im Himmelbett verloren
an einen samt- und seidnen Herrn.
Der charmusiert mit meinem Herzgemahl
und macht den Bauch ihr dick, die Wangen schmal.
Ach, hätt ich nicht den Mai so schlecht vertan,
wär ich noch jetzt in manchem Korb der Hahn,
wer aber will mich armen Tor
jetzt noch ins Bett und Kinder von mir wissen?
Wer duldet diesen Kopf, den einst der Henker schor,
auf einem reinen weissen Seidenkissen.
Als ich die Schule schwänzte, da begann's
mit mir bergab zu gehn, wuchs mir der Satansschwanz.
Ich brauch mich nicht zu sorgen, dass von dem Wenigen mir
noch jemand etwas raubt. Nicht dort, nicht hier
ruht alles, was mein eigen war in Bitterjahren
und so, wie einstens den verlornen Söhnen schon,
kräht auf dem Mist ein Hahn mir nichts als Hohn,
und wenn er dreimal kräht den gleichen Ton,
dann muss ich in das Grubenloch hinunterfahren,
und oben blüht vielleicht ein Büschel Mohn.
Es ruht fort unten schon so mancher Kamerad,
der Treue mir versprach und hielt. O gute Tat!
Nur von den Frauen, keine hat es so gehalten.
Zum Abschied spein sie mir jetzt ins Gesicht
und möchten auch dazu noch fromm die Hände falten,
doch wenig wiegt vor Gott solch ein Gewicht
und wiegen sie ihm dennoch viel durch meine Schuld:
Ich habe Zeit und üb mich weiter in Geduld.
Ich war wohl nie ein zarter Tränenwicht,
der, eh man schlägt, schon in die Knie bricht,
die Zeit hat mich mit einem dicken Fell belehnt,
das schwemmt von seiner Stelle fort kein Regen,
und wer in meinem Kopf nur Häcksel wähnt,
den kitzelt immer noch mein guter Degen,
er fragt nach keiner Quint und keiner Terz,
er nimmt sofort den Weg ins Herz.
So manche Herren sind gross geworden und so stolz,
sie geben niemand was von ihrem Brot und Holz,
in güldnen Wagen fahren sie mit weissen Pferden
und haben Mohren in der Dienerschaft sogar.
Sie haben schon ihr Himmelreich auf Erden
und werden auch nicht eingehn zu der Engelschar,
wenn mit Drommeten über Nacht die Stadt
zusammenkracht und niemand mehr hier seine Heimat hat.
Und mancher fuhr ins Kloster ein zur letzten Ruh
und gab sich aus, ging barfuss ohne Schuh.
Ich aber bin der ausgelachte Narr geblieben,
mein Leben starb wie Zunder weg und Stroh.
Vielleicht hab ich ein Lied wem aufgeschrieben,
und wars zu Dank ihm, bin ich leise froh.
Vielleicht denkt manche Jungfrau an Villon zurück,
der ich die Unschuld liess, ich wünsch ihr weiter Glück.
Nur was ich leiden musste, werde ich nicht los,
es will nicht mehr heruntergehn von meinem Schoss,
ich muss es wiegen wie ein Kind und muss es küssen
und zieh mir eine Schlange an dem Busen gross.
Einst wird es sich wohl doch verwandeln müssen
und mir dann in die Augen sehn: Wer bist du bloss,
dass du so lange mich geduldig trugst
und nicht mit allen vieren um dich schlugst.
Im Wald, da ruht ganz still ein tiefer See,
sind schön Gewürm darin und, wenn ich tiefer geh,
der muntren Fische grünlich goldne Farben.
Da wünsch ich mir schon lang die letzte Ruh,
da sollen sein gebettet meine Sorgen.
Ich steh schon lange mit dem Tod auf Du und Du,
ich brauch auf keinen Weiser mehr zu schaun,
ich suche mir, wills Gott, ein Loch im Heckenzaun.
Mich freut kein Haus, mich freut schon lange nichts,
mein Herz, wie eine Dornenkrone stichts.
Ich bin nie Gottes liebster Sohn gewesen,
ich ging dahin, wie mich die Laune gerade trieb,
mich hätten gern Zigeuner aufgelesen,
doch war ein Schoss, wo ich geborgen blieb.
Jetzt hat die liebe Frau ganz weisses Haar
und ist allhier schon sechzig Sorgenjahr.
Auch Laster sind von Gott gesandt und gut;
wohl dem, der sie bis zum bittren Ende tut.
Wer sie nicht kennt, der kann auch nicht von Sünden
erlöset werden durch des Herren Blut.
Woher ich kam, will ich auch münden.
Im Mutterschoss, da ist es wo man schöner ruht
als in dem Freudenbett der Königin,
denn solche Nächte gehen oft wie ein Begräbnis hin.
Wer sterben muss, ach, der stirbt hin mit Weh
im Winterwald, beim Mond, im schwarzen Schnee.
Ist eine Schwester da mit Galle und mit Essigschwamm,
wird niemand dir den Platz wegnehmen,
und wo du liegst, da wird man in den Stamm
drei Kreuze schneiden und den Ort verfemen.
Zur Erde wird dein Fleischernes alsbald
und morgen schon die grosse Jagd darüber schallt.
An mir ist wirklich nichts verloren hier.
Doch du, du schönes weisses Schmeicheltier,
mir nachgesprungen, weil er dich verführte,
der arge Lump mit Federhut und Sarazenenschwert,
und nicht zum Eheweib vor Gott erkürte.
Du bist der Himmelfahrt schon wert.
und auch des Paradieses höchsten Lohn;
vom Haupte der Marie die güldne Kron.
Dein Bild vor Augen, also schlaf ich ein.
Es wird nur eine kleine Reise sein,
dann werden mir die Augen überlaufen
vor all den Sternen, die mir Spielgefährten sind,
von Pfaffen nicht mehr billig einzukaufen
für ein Versteck im KIeiderspind.
Dann wirst du, sanftes Reh, allein nur mein
auch ohne Kranz und Schleier sein.
So hab ich nun die Augen leise umgedreht,
ein Rabe plärrt dazu das übliche Gebet,
dass ich nun rein von allen Sünden bin geworden
und also hebt ein leiser Wind mich auf;
ich fahre aus dem winterweissen Norden
und aus der Welt und ihrem Lauf
in eine immergrüne Einigkeit,
dort brauche ich kein Haus und auch kein Kleid.
Ich sage nicht, dass jedem solch ein Glücksgenuss
verliehen wird vom lieben Gott. Wie mancher muss
mit weniger Sünden sich bescheiden und mit Tran
und Weizenmehl sich das Gesicht beschmieren,
und weisser noch, als Flaum von einem Schwan,
den Ehrenstuhl im Gotteshaus zu zieren.
Dafür singt auch an seinem Sterbebett
ein Nonnen- oder Mönchsquartett.
Bei mir ists, wie gesagt, ein Rabenaas,
das singt nicht schön und diesmal nur zum Spass;
denn mit dem Ende wars noch nicht ganz richtig,
ein Landsknecht hat mich wieder aufgejagt
und nahm mein Leid so wichtig,
dass er mich in das "Warme Nest" mitnahm,
und dort bangt keine Frau um ihre Scham.
Mit dem roten Mund hat sie mich auskuriert
und manches andere noch in meinen Schlund hineinfiltriert.
Wie viel ist nur für unsereinen schön und gut
und albern, wenn ein Greis sich damit wichtig tut.
Seht nur, wie er das schwarze Maul aufreisst,
wie seine kleinen Äuglein sich verdrehn,
wenn sich kein Mädchen mehr in seinen Fisch verbeisst,
und wäre sie von Kopf bis zu den Zehn
ein abgegrastes Ackerstück...
selbst das wär für den Onkel noch zuviel an Glück.
Ich meine nämlich jetzt den Herrn Ronsard,
der ehedem von meinem Kral der Gutsbesitzer war,
für jeden, der mit einem freundlichen Besuch
uns ehrte, habe ich drei Groschen bluten müssen,
dabei hat es bei ihm gerochen wie in einem Poggenluch,
und oft verging so dem Besuch das Küssen,
dabei hat meine sich besonders viel
Pläsier erdacht für ihr berühmtes Flötenspiel.
Auch bei dem Herrn Ronsard versagte es total,
als er sich heimlich in die Kammer stahl,
um ein Gewih mir aufzusetzen. (Notabene:
fünf Frauen hatte er schon in das Grab gebracht,
und immer noch lag auf der straffen Bogensehne
ein krummer Pfeil bereit.) Der alte Bock
bekam sein Fett kaum noch hinein in sein brokatnen Rock.
Ich habe einen neuen ihm nach Mass vermacht.
Doch lassen wir das Thema jetzt,
sonst fühlt noch mancher alte Sünder sich verletzt
und hetzt den Staatsanwalt mir auf den Hals;
von wegen Unzucht, Völlerei und Afterkunst.
Ich habe nämlich keinen blauen Dunst
vom Paragraphenkram und kenne bestenfalls
den Henker, dem ich einmal nur mit knapper Not
entwischt bin, denn der Galgen ist kein schöner Tod.
Ich will mich lieber seitwärts, wenns geht auch splitternackt
noch einmal in ein rotes Mohnfeld legen.
Es ist so schön (der Fromme denkt: wie abgeschmackt!),
wenn rudelhaft die Wolken durch den Himmel fegen.
Mir schmeckt nun einmal dieser Zug
ins Tierbereich. Was drüber ist, das ist Betrug
an jenem Mark und Drüsensaft,
der uns das himmlischste Vergnügen schafft.
Ich bin wahrhaftig nicht das Menschenkind,
das immer stöhnt, wenn mal das Glück vorüberrinnt.
Ich denk, der Herrgott hat uns allesamt aus dem Morast
herausgefischt und seinem Bilde angepasst.
Es liegt an euch, wenn ihr schon vor der Zeit verblüht.
Ich habe noch mit mir soviel geduld
und stecke noch so tief in meiner Schuld,
dass mir der Schädel wie im Fieber glüht.
Es tröstet, wenn zumal die jungen Dinger mich
für jenes sagenhafte Einhorn halten,
das sie auf ihrem Freudenstrich
begehren, um mit ihm sich in das weiche Gras zu falten.
Ich habe manchmal selber nicht kapiert,
wie schnell mir oft die Augen übergingen,
und dann war es auch schon passiert.
Frag mich nicht was, man spricht nicht gern von solchen Dingen.
Mein Landesherr, der denkt an diesem Punkt zu Zeit
ein wenig ungenierter und er schreibt sein Leid
und auch die Lustgefühle mit dem Federkiel
ins Tagebuch. Tät François Villon dies auch,
dann wäre es wohl aus mit seinem faulen Bauch.
Denn gerade der, der ist die Hauptperson im Spiel
und deshalb singe ich zuguterletzt noch fix
ein schlichtes Lied, das jeden freut. Und weiter nix.
Wie es um Liebe rundherum beschaffen ist
und dass der Hunger sich nicht selber frisst,
das kann nach mir jetzt jeder Esel sagen,
und sicher lohnt es sich auch dann für ihn.
Der erste muss sich mühen einen Baum zu schlagen,
der nächste wählt den besten Splitter Kien
sich aus, ernährt sein Hirn mit diesem Licht,
woher ers nahm, ach, danach fragt die Mitwelt nicht.
Inzwischen sah ich mir das Beinhaus an,
dort wo die Schädel reihenweise auf den Brettern
ins Leere glotzen. Keinem ist in goldnen Lettern
ein Titel beigefügt, ob Jüngling oder Mann,
in diesem Zustand sind sie alle gleich;
die einen waren Richter einst und Advokaten,
die einen Zigelbrenner, die anderen Soldaten,
der eine hatte nichts, der andere, der war mehr als reich.
Ob Jägermeister oder Schinderknecht,
ob aus Findelhäusern oder fürstlichem Geschlecht;
die hohlen Köpfe sind nicht da zum Herzerfreuen.
Mir wirds ein wenig windig hinter meiner Stirn,
in welchem Sinn wir Menschen uns erneuen,
wenn nichts mehr da ist von dem bisschen Hirn.
Ich bin dafür: die Finsternis bleibt Finsternis
und obs im Himmel lichter ist, ist ungewiss.
Und wer da glaubt, dass all die Weibsen hier
(entkleidet der Behänge und der Spangen Zier)
sich dennoch von den Männern unterscheiden:
nichts wird in diesem Punkte offenbar.
Sie haben immerhin, ich will mich nicht dran weiden,
zurückgelassen, was allein ihr Eigen war,
um uns damit zu fischen.
Der Staub liegt hier gleich hoch auf allen Tischen.
Denn so allmählich kommt der Tag heran,
wo ich vielleicht in Ruhe nicht mehr kacken kann,
geschweige Verse dichten für den Hausgebrauch.
Vor meiner Türe hockt seit vielen Jahren schon
die Kinderschar herum und wartet auf den letzten Ton
aus dem bekannten Loch. Der Teufel wartet auch
darauf und hat sogar um Vorschuss nachgesucht.
Und als ich ihm nichts gab, hat mich der Wucherer verflucht.
Aus diesem Grunde will ich endlich reinen Tisch
mit meinem Oheim machen. Und was nicht mehr ganz frisch,
das kommt gleich auf den Mist.
Den Rest verschreibe ich zu einem Teil
der Nonne, die mit dreissig Jahren noch ganz heil
in ihrer reinen Jungfernschaft geblieben ist.
Und wieder ein Teil erhält der Henker für den Strick,
mit dem er selber sich erlöst von seinem Missgeschick.
Ich will auch dieses Mal
mit einer netten runden Zahl
die Kirche "Unserer Lieben Frau" erfreun.
Dafür soll mir an jedem Allerseelentag
und in der Frühe, mit dem ersten Glockenschlag,
die jüngste Frau aus dem Kabuff "Zur goldnen Neun"
die gleiche Zahl von Lilien auf den Grabstein legen
und ihr Gebiss mit einem Lied von mir bewegen.
Was sonst noch übrig bleibt von meinem Hab und Gut,
das soll man einem Bettler in den Hut
hineintun. Doch wenn dieser Tropf
vielleicht gar Dankschön sagt
und nach dem "edlen Spender" fragt...
dann hau ihm mit dem Brett eins auf den Kopf.
Der Pfaff fragt auch nicht lang: woher?
Er sieht nur nach, ob es von Gold ist und wie schwer.
Ich hätte mancherlei auf meinem Herzen noch.
Doch, wenn man so behindert ist wie hier im Loch,
dann denkt man mehr, ob man sich wirklich streckt
und nicht die Zunge bloss in einen grünen Himmel bleckt.
Auch hab ich Sorge, dass mir aus dem Hosenbein
was Nasses läuft. Das darf um keinen Preis
mein Abschied sein, sonst weiss es morgen und brühheiss
der Nekrolog und schreibts in die Geschichte ein.
Auch wegen solcher Todesart an sich,
bin ich mir noch nicht klar, ob ich
nicht bei dem fürstlichen Gericht noch protestieren soll.
Es zeugt wahrhaftig nicht von viel Respekt,
wenn man Villon, den Dichter, so verdreckt
dem herrn zurückgibt. Doch die Welt ist voll
von Unkultur. Drum will ich auch nicht mehr
den Kopf mir kratzen für dies Hammelheer.
Ich habe ihn mir ratzekahl gekratzt,
als Dichter mehr, als auf den breiten Stufen
zur irdischen Glückseligkeit der Freuden-Nacht.
Dorthin hat man mich auch nicht gleich gerufen,
denn welches Kätzchen kauft den Kater sich im Sack?
Als Dichter aber musste ich mich selber üben,
denn was vorher hier war, auch bei den Römern drüben,
das passte nicht für meinen Schabernack.
"Wie dem auch sei", sagt in der "Rose" ein Poet:
"Ans Ziel gelangt nur, wer alleine seiner Wege geht."
Den andren Weg, ihr wisst, ist Villon nie gegangen.
In diesem Fall hätt auch das peinliche Gericht
mich nicht als dritten Mann der Kumpanei gehangen.
Doch eingebrannt bleibt es mir stehen im Gesicht,
solang noch warm sind meine Atemzüge,
dass ich mich nicht damit begnüge,
wie all die anderen in jenem grossen Haufen,
als Schaf gleich Schaf in Frieden mitzulaufen.
Und habe ich auch keine Beisser mehr
in meinem Maul, ich muss sie dennoch zeigen
jedwedem, der aus Gott weiss welchem Winkel her
mir ein Abschieds-Amen möchte geigen.
Die Tränen hat der Wind mir weggefegt,
den Dornenkranz das Schicksal mir aufs Haupt gelegt.
Er war mein Eigen, keinem fortgestohlen,
denn zweimal kann sich solch ein Missgeschick
bei weiteren Zeitgenossen nicht mehr wiederholen,
auch nicht in eines Traumes Augenblick.
Mir träumte nie ein anderer als ich zu sein,
und fuhren auch die Huren so dazwischen,
als ginge ich zu weissen Fürstenkindern ein...
am Morgen wars vorbei mit dem Im-Trüben-Fischen.
Ich sause ab, ich sage gern ade.
Bald trage ich ein Kleid, so weiss wie Schnee.
Es braucht nicht grad der Himmel sein,
wo man mir eine kleine Kammer gibt.
Ich habe einmal die Kathrein geliebt,
man weiss wie sehr. Sie mag mich wieder freien
und gehts in ihrem Kral wie damals zu,
dann, liebe Seele, hast du endlich Ruh.
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