Unbekannter Autor:
Die Eroberung von Belgrad - 6. bis 9. Oktober 1915
Aus einem Kriegstagebuch (Autor nicht mehr ermittelbar)
Der Aufmarsch
Eine sehr wichtige Vorbedingung für das Gelingen des Donau– und
Save-Überganges war die Geheimhaltung. Die vor allem notwendige verlässliche
Grenzabsperrung wurde durch die Stromlinien sehr erleichtert. Landsturmtruppen
versahen diesen Absperrungs– und Sicherheitsdienst. Sie verblieben - um die
Aufmerksamkeit der Serben nicht zu erregen - auch dann noch in ihren
Aufstellungen, als bereits die für den Übergang bestimmten Truppen eingetroffen
waren. Zuerst langten im Aufmarschraum die Stäbe ein, um sich mit dem Gelände
vertraut zu machen und die notwendigen Vorbereitungen treffen zu können. Dann
folgte die schwere Artillerie, zum Schluss die Infanterie. Deren Auswaggonierung
und Aufmarschkantonierung war in rückwärts gelegenen Räumen vorgesehen, aus
welchen die Truppen erst in der Nacht, unmittelbar vor dem Übergange, zu den
Übergangsstellen zu rücken hatten.
Angriffsplan im Grossen
Für den Angriff auf Belgrad wurden zwei Angriffsgruppen gebildet: Eine
Angriffsgruppe - das k.u.k. VIII. Korps - hatte stromabwärts des Kalimegdan die
Donau, die zweite Angriffsgruppe - das deutsche XXII. Reservekorps - hatte bei
der großen und kleinen Zigeunerinsel die Save zu übersetzen.
Am ersten Tage der Operationen sollte das Einschießen der Artillerie und am
zweiten Tage deren Wirkungsschießen stattfinden. In der Nacht vom 2. auf den 3.
Operationstag hatte die leichte Artillerie die Übergangsstellen unter Feuer zu
halten und die Donauflottille das Fahrwasser des VIII. Korps von Minen zu
säubern.
Um 2 Uhr 30 Minuten früh des 3. Operationstages sollte dann das zur höchsten
Intensität gesteigerte Feuer der gesamten Artillerie einsetzen, unter deren
Schutze die Überschiffung vor sich zu gehen hatte. Letztere war derart zu
regeln, dass die ersten Staffeln um 3 Uhr früh landen könnten. Nach bewirkter
Überschiffung hatten beide Angriffsgruppen mit dem zugewiesenen Geräte sobald
als möglich Kriegsbrücken zu schlagen, und zwar das VIII. Korps stromabwärts der
zerstörten Eisenbahnbrücke, das deutsche Korps über die große Zigeunerinsel.
In den Befehlen wurde als Notwendigkeit hervorgehoben, dass sich die Landung der
ersten Staffel unmittelbar dem Ende des Wirkungsschießens (von 2 Uhr 30 Minuten
bis 3 Uhr des 3. Operationstages) anschließe, da andernfalls die Wirkung des
schweren Artilleriefeuers wieder verloren gehe.
Wie sich zeigen sollte, war diese Forderung schwer zu erfüllen, weil die
Überschiffungsdauer auch von den im voraus nicht genau zu bestimmenden Wasser-
und Witterungsverhältnissen abhängig ist.
Artilleristische Vorbereitungen
Der Übergang war, solange die feindliche Infanterie das jenseitige Ufer
besetzt hielt und die gegnerische Artillerie intakt war, ausgeschlossen. Die
Niederkämpfung beider oblag der eigenen Artillerie. Diese wäre zwar in Hinblick
auf ihre Überlegenheit wohl befähigt gewesen, jeden feindlichen Widerstand zu
ersticken, insofern ihr die Lager der feindlichen Stellungen und Batterien
bekannt gewesen wäre. Nun war dies aber nur zum Teil der Fall. Die meisten
Stellungen des Serben waren sehr geschickt maskiert. Aussichtslos war die
Niederkämpfung jener feindlichen Geschütze, die der Gegner in sicheren
Unterständen zurückhielt, um sie erst bei Beginn der Überschiffung in
Wirksamkeit zu setzten. In der Folge traf dies auch zu!
Die Artillerie war somit trotz ihrer Überlegenheit vor eine sehr schwere Aufgabe
gestellt. Mit umso größerer Gewissenhaftigkeit mussten alle Vorbereitungen für
den Kampf getroffen werden. Es sollten nicht nur die feindlichen Batterien
niedergekämpft, die Stellungen entlang des Ufers zerstört werden, es musste auch
Sorge getragen werden, dass die aus dem Stadtbereiche zu den Landungsstellen
führenden Kommunikationen und die am Ufer gelegenen Stadtteile selbst von der
Artillerie verlässlich unter Feuer gehalten werden konnten.
Die Vielseitigkeit und Verschiedenheit der zu lösenden Aufgaben bedingte
naturgemäß nicht nur eine große Anzahl, sondern auch eine große Mannigfaltigkeit
von Geschützen. So kamen auch die verschiedensten Kaliber, von der Gebirgskanone
bis zur 42 cm-Haubitze zur Verwendung. Dem VIII. Korps standen insgesamt zur
Verfügung: 70 schwere und 90 leichte Geschütze; unter den schweren Geschützen
befanden sich fünf 30,5 cm-Mörserbatterien.
Pioniertechnische Vorbereitungen
An Pionieren und an Brücken-(Überschiffungs-)Geräten wurden der Heeresgruppe
Mackensen vom k.u.k. Armeeoberkommando zugewiesen: (siehe S. 16/17)
Für die 3. Armee:
17 Pionierkompanien und 50 Kriegsbrückenequipagen.
Als Aushilfe für die deutsche 11. Armee:
3 Pionierkompanien
6 Kriegsbrückenequipagen
150 Kriegsbrückenpontonteile.
Außerdem für die ganze Heeresgruppe:
1 schwere Savebrücke
(Unterlagen: Pontons, Brückendecke und Behelfsgeräte);
1 schwere Brücke auf siebenteiligen eisernen Schiffen;
1 Herbert Brücke (eiserne Brücke) auf schwimmenden Unterlagen;
1 Schleppschiffbrücke.
Hiezu kamen noch eine größere Anzahl von Dampffähren und endlich landesübliche Fahrzeuge. (Die deutschen Zuweisungen sind in dieser Aufzählung nicht inbegriffen.)
Dem VIII. Korps standen zur Verfügung:
5 Pionier- und 3 Sappeurkompanien
12 Kriegsbrückenequipagen
60 landesübliche Zillen (Fassungsraum je 10 Mann)
10 Plätten (Fassungsraum je 30 bis 40 Mann)
10 Motorboote
16 Donaufähren zu je einem Dampfer und 4 Schleppern.
Das Überschiffungsgerät stand am 5. Oktober in Stari und Novi
Banovci (20 bzw. 22 km stromaufwärts von Belgrad an der Donau) zur Verwendung
bereit. In der Nacht vom 5. auf den 6. Oktober wurden die Pontons von 6
Kriegsbrückenequipagen und die Zillen nach Semlin gebracht. Die Pontons der
übrigen vier Kriegsbrückenequipagen samt den vorhandenen Plätten wurden in
derselben Nacht zunächst eine Strecke stromaufwärts geschafft, mit Gebüsch
maskiert und sodann am linken Donauufer hinter die Reiherinsel geführt. Am
Südostende dieser Insel wurden die Fahrzeuge in der Au verdeckt geheftet.
Hierauf wurde die Kožarainsel von zwei Pionierkompanien als Basis für die
Überschiffung eingerichtet. Zu diesem Zwecke wurden - als Deckung für die
Feuerstaffel der Infanterie - längs des ganzen Süd- und Südostrandes der Insel
Befestigungen ausgehoben. Am Nordwestrande wurden Ufereinschnitte hergestellt,
in denen die Pontons durch sorgfältige Tarnung der Sicht der Flieger entzogen
wurden. Auch die nach Semlin geschafften Pontons waren der gegnerischen Sicht
vollkommen entzogen.
Die Leitung sämtlicher Pionierarbeiten hatte der k.u.k. Pionieroberst von
Mischek.
Die Vorarbeiten betreffend, sei noch erwähnt: Es wurden nur drei- und
vierteilige Pontons zusammengesetzt. Von gekoppelten Pontons und Rudergliedern
wurde, um dem feindlichen Feuer keine zu großen Ziele zu bieten, abgesehen. Die
mit Stegpfosten, Reserverudern und mit Material zum Verstopfen von Schusslöchern
versehenen Pontons waren zum geräuschlosen Fahren eingerichtet. In jedem
Pontonteil befanden sich Rettungsringe. Die landesüblichen Fahrzeuge (Zillen und
Plätten) wurden durch graue Farbe weniger auffällig gemacht.
Am 3. Oktober wurden die Offiziere und Unteroffiziere der Pionierkompanien zur
Kožarainsel geführt und über den Überschiffungsraum eingehend unterrichtet.
Am 4. Oktober fand in Novi Banovci eine Ein- und Ausschiffungsübung der
Infanterie statt.
Die von der Infanterie zu den Einschiffungsstellen zurückzulegenden Wegstrecken
wurden durch Wegweiser genau bezeichnet. Vor Verschiebung der Pontons hinter der
Reiherinsel wurde jedes Fahrzeug mit einem Notanker ausgerüstet, der sofort zu
werfen war, wenn das Fahrzeug in den Lichtkegel eines feindlichen Scheinwerfers
trat. Die Verschiebung der Pontons blieb dem Gegner trotz mehrfacher
Beleuchtungsversuche gänzlich verborgen.
Für Verbindungen wurde in weitgehendem Maße vorgesorgt. Zur ersten Verbindung
mit den überschifften Truppen war ein Flusskabel bereitgelegt.
Von sonstigen technischen Vorbereitungen seien noch jene bezüglich der
Scheinwerfer erwähnt. Dem VIII. Korps standen zur Verfügung: ein 150 cm, ein 120
cm, zwei 90 cm und ein 35 cm Scheinwerfer. Ihre Aufgaben waren im allgemeinen:
Mitwirkung bei der Erkundungstätigkeit und beim Minensuchen; Unterstützung der
Truppen bei der Landung durch Abblenden der feindlichen Scheinwerfer,
Querbeleuchtung des Ufers unmittelbar vor der Landung.
Durchführung des Überganges
Die Serben verhielten sich in den dem Übergange vorangehenden Tage
zuwartend. Abgesehen von gelegentlicher Beschießung eigener Flieger schwieg ihre
Artillerie seit dem 2. Oktober fast gänzlich. Donau und Save, sowie das
angrenzende Gelände wurden vom Feinde die ganze Nacht über stets durch sehr
lichtstarke Scheinwerfer beleuchtet.
Am 5. Oktober wurde von der eigenen Artillerie das Einschießen vorgenommen. Der
Feind antwortete nicht. In der Nacht vom 5. auf den 6. Oktober waren die
feindlichen Scheinwerfer wieder in voller Tätigkeit. Um Mitternacht verlöschten
in Belgrad alle Lichter.
Gegen 2 Uhr des 6. Oktober wurde zwischen Kriegs- und Reiherinsel ein
Scheinmonitor verankert. Er sollte den Feind zur Beschießung durch Artillerie
verleiten und hiedurch die Feststellung von Batteriestellungen ermöglichen.
Der Vormittag des 6. Oktober verlief ruhig. Die Sichtverhältnisse waren derart
schlecht, dass das Feuer nicht aufgenommen werden konnte. Erst gegen 14 Uhr
wurde das Wirkungsschießen eröffnet.
Ereignisse in der Nacht vom 6. auf den 7. Oktober
Nach Einbruch der Dunkelheit wurden die Truppen zu den Einschiffungsstellen
in Marsch gesetzt. Die Gruppierung war folgende:
Zwei Infanteriebataillone (III/74 und das niederösterreichische IV/84) mit
Maschinengewehren - ohne Pferde -, zwei Pionierkompanien und eine
Sappeurkompanie, die Pontons von acht Kriegsbrückenequipagen und 30 Zillen
standen bei der Radetzkyrampe in Semlin zur Überschiffung bereit.
Diese Gruppe sollte um 2 Uhr 10 Minuten abstoßen und mit
einem Bataillon nördlich, mit einem zweiten Bataillon südlich der großen
Kriegsinsel zum feindlichen Ufer fahren. Die Landung hatte stromabwärts des so
genannten „Nebojseturmes“ zu erfolgen (Kommandanten Hauser und König).
Der Rest der Überschiffungsmittel - Pontons von vier Kriegsbrückenequipagen und
10 Plätten mit drei Pionierkompanien - hatten am Südostrande der Reiherinsel das
steirische Infanteriebataillon IV/87 an Bord zu nehmen, um 2 Uhr 45 Minuten
abzustoßen.
Nach der Landung dieser ersten Staffel sollten jene Fahrzeuge, die das
Infanteriebataillon III/74 an Bord hatten, zur Kožarainsel zurückzufahren und
dort das als Feuerstaffel entwickelte niederösterreichische Infanteriebataillon
III/49 als zweite Staffel landen. Alle übrigen Fahrzeuge hatten nach der ersten
Landung zum Finanzwachhause Uj-Borcsa zu fahren und die dort bereitgestellten
übrigen Bataillone der 59. Division an das feindliche Ufer zu bringen.
Am 7. Oktober um 2 Uhr 30 Minuten früh setzte das Artilleriefeuer gegen die
Landungsstellen ein. Um 2 Uhr 40 Minuten erfolgte die Verlegung des
Artilleriefeuers feindwärts; gleichzeitig setzte die Querbeleuchtung und die
Beleuchtung des vor den Landungsstellen befindlichen Geländes ein. Zehn Minuten
später hätte die Landung der ersten Staffel beginnen sollen. Das Feuer der
Artillerie verstummte nach und nach, außer dem rastlosen Spiel der Scheinwerfer
schien sich weder am jenseitigen noch am diesseitigen Ufer etwas zu regen.
Es fiel leichter Regen. Die in Belgrad ausgebrochenen Brände beleuchteten das
den Kalimegdan umfließende Wasser fast taghell. Es verflossen Augenblicke
höchster Spannung, ohne dass die verabredeten Lichtsignale, welche die erfolgte
Landung melden sollten, sichtbar wurden. Plötzlich sah man südlich der großen
Kriegsinsel eine lange Kette von Pontons - in dem durch die Brände hell
erleuchteten Strome jeder einzelne deutlich sichtbar - sich dem Kalimegdan
langsam zu nähern. Es dauerte nicht lange, so eröffnete gegen diese
vollbesetzten, gegen den Strom hart ankämpfenden Pontons der Feind ein
überwältigendes Feuer.
Der Feind hatte sich während der Zeit, die seit Beendigung des Trommelfeuers
verstrichen war, wieder erholt und seine Kräfte gesammelt. Seine Infanterie
hatte die zerschossenen Deckungen am Ufer wieder besetzt, bisher in sicheren
Unterständen geborgene Geschütze wieder in Stellung gebracht, Maschinengewehre
und Minenwerfer harrten feuerbereit auf das Herankommen des Angreifers. Als sich
nun dieser, in der taghellen Beleuchtung vollkommen sichtbar, dem Ufer näherte,
ergoss sich auf ihn das Verderben.
Es war der Pontonstaffel des Pionierhauptmannes König (Infanteriebataillon
III/74), der hier durch den wütendsten Feuerregen unentwegt und zielsicher
seinem Landungsplatze zustrebte. Trotzdem mehrere Dreiteiler durch Volltreffer
derart beschädigt wurden, dass sie samt ihrer ganzen Besatzung in den Fluten der
Donau untergingen, während die Bemannung anderer, durch Artillerie- und
Maschinengewehrfeuer derart dezimiert wurden, dass sie voll von Toten und
Schwerverwundeten, führerlos stromabwärts trieben, setzten die übrigen Fahrzeuge
die Fahrt ungebrochenen Mutes fort.
Obgleich sich unmittelbar vor und während des Landens das Feuer noch verstärkte,
obgleich die Pontons überdies von den Serben auch mit Handgranaten beworfen
wurden, die in den dicht gefüllten Fahrzeugen furchtbare Lücken rissen, vollzog
sich die Landung mit einer staunenswerten Kaltblütigkeit und Ruhe. An einzelnen
Stellen konnten die Pontons nicht ans Ufer stoßen, da die unter Wasser
reichenden Drahthindernisse das Heranfahren hinderten.
Die mitgenommenen Sappeure mussten ins Wasser springen und in die Hindernisse
Gassen schneiden, ehe die Infanterie ans Ufer gelangen konnte. Hierauf wurden
die das weitere Vorgehen hindernden, am festen Lande befindlichen
Drahthindernisse beseitigt, worauf die Truppen gruppenweise den Eisenbahndamm im
Handgemenge stürmten.
Kaum hatte die Landung der ersten Fahrzeuge der Pontongruppe Hauptmann König
begonnen, als auch jene Pontons, welche die gleichzeitig in Semlin
eingeschifften Teile des Bataillons IV/84 an Bord hatten und nördlich der großen
Kriegsinsel ihren Weg nahm, aus dem Donauarm zwischen dieser und der Kožarainsel
herauskamen und - nunmehr auch in voller Sicht des Feindes - ihrer
Landungsstelle zusteuerten. Auch über diese Pontons entlud sich der volle
Geschoßhagel des Feindes. Nichtsdestoweniger gelang es der vorderen Hälfte
dieses Staffels, die Landungsstelle zu erreichen, während der Rest, wohl
infolgte Abblendung durch feindliche Scheinwerfer, auf die Kožarainsel abkam.
Die Gewinnung des feindlichen Ufers durch das Bataillon III/74 und Teile des
Bataillons IV/84 hätte noch größeren Schwierigkeiten begegnet, wenn nicht kurz
vorher fast ganz unbemerkt das Bataillon IV/87 stromabwärts gelandet wäre. Bei
diesem Bataillon hatte sich, - glücklicherweise - die Landung verzögert. Die
Überschiffungsgruppe des Hauptmann Perutka stieß wohl rechtzeitig von der
Reiherinsel ab, geriet jedoch, kaum dass sie das breite Fahrwasser der Donau
erreicht hatten, in den Lichtkegel eines feindlichen Scheinwerfers und musste
bei der Kožarainsel wieder an Land gehen. Gegen 4 Uhr wurde neuerdings
abgestoßen. Der Strom war hier lange nicht so hell beleuchtet, wie in der Nähe
des Kalimegdan. Die ganze Aufmerksamkeit der Serben war scheinbar nur auf die
herankommende Gruppe Semlin gerichtet. Dort, nordwestlich des Kalimegdan, sah
der Feind auf der hell erleuchteten Wasserfläche die ganze lange Pontonreihe
herankommen. Den Finger am Abzug, wandte er kein Auge von ihr ab, um den
günstigsten Moment nicht zu verpassen, wo er seinen Feuerregen über sie
niederprasseln lassen konnte. Kein Wunder, dass es ihm entging, dass sich
mittlerweile ein anderer, von den Auen der Kožarainsel verborgener Gegner
bereits zum verderblichen Sprung in seine Flanke angeschickt hatte.
So ging denn die Fahr dieser Gruppe (Infanteriebataillon IV/87, Kommandant
Oberstleutnant Peter) vom Feinde unbelästigt vonstatten. Erst während des Landes
wurden einige Pontons von Infanterie beschossen. Die Serben wurden hier völlig
überrascht.
Die Wasserfahrzeuge stießen, nachdem die Truppe ans Land gesetzt worden war,
sofort wieder ab und fuhren befehlsgemäß zum Finanzwachhaus Uj-Borcsa und nahmen
dort das bereitgestellte Feldjägerbataillon Nr. 15 an Bord. Auch die
Überschiffung dieses Bataillons ging - noch in Dunkelheit - ohne Belästigung vom
Feind von statten.
Da in den Pontons diesmal auf der Rückfahrt die Verwundeten mitgenommen wurden,
wodurch sich die Abfahrt verzögern musste, die Bemannung außerdem durch das
zweimalige Übersetzen des breiten Stromes bereits stark ermüdet war, langten für
den dritten Überschiffungsstaffel nicht mehr alle Pontons zeitgerecht beim
Finanzwachhaus Ui-Borcsa ein. Mittlerweile hatte es bereits zu tagen begonnen,
es wurden daher unverweilt mit den verfügbaren Pontons noch zwei Kompanien auf
das feindliche Ufer übergesetzt.
Der Versuch, bei Tageslicht noch zwei Kompanien zu übersetzen, musste aufgegeben
werden. Die feindlichen Geschütze am Kalimegdan hatten sich unterdessen gegen
die Überschiffungslinie eingeschossen und eröffneten ein derart wirkungsvolles
Feuer, dass mit einem Anlangen der Pontons am feindlichen Ufer keinesfalls mehr
gerechnet werden konnte.
Damit nahm die Überschiffung der Truppen vorläufig ein Ende.
Auch bei der Gruppe Semlin fand in dieser Nacht eine weitere Überschiffung von
Truppen nicht mehr statt. Wie bereits erwähnt, sollten die Pontons, dies das
Bataillon III/74 übersetzt hatten, nunmehr zur Kožarainsel fahren und das
Bataillon III/49 holen. Hiezu reichten aber die Kräfte der über die Grenzen des
Möglichen in Anspruch genommenen Pioniere nicht mehr aus. Die lange Ruderfahrt
von Semlin bis zum Kalimegdan hatte die Rudermannschaft sehr erschöpft. Dazu
kamen die großen Verluste während der Fahrt und bei der Landung. Diese Verluste
erhöhten sich auf der Rückfahrt der Pontons zur Kožarainsel, die im heftigsten
feindlichen Artilleriefeuer vor sich ging. Nicht einmal die Hälfte der Pontons,
die vor kaum 2 Stunden von Semlin abgefahren waren, erreichten wieder das eigene
Ufer. Unter diesen Pontons waren aber auch so manche, die nur noch mit Mühe über
Wasser gehalten werden konnten. Kaum einer der Pontons hatte noch die volle
Bemannung. Manche Pontons wurden daher weit abgetrieben. Die meisten Pioniere
der auf der Kožarainsel gelandeten Pontons waren derart entkräftet, dass sie
buchstäblich außerstande waren, ein Ruder zu bewegen.
14 Kompanien waren im Laufe der Nacht vom 6. auf den 7 Oktober an das feindliche
Ufer gebracht worden. Viele dieser Kompanien hatten bereits während der Fahrt
und bei der Landung sehr starke Verluste erlitten. Es war daher nur eine kleine
Streiterschar, die am feindlichen Ufer angeklammert, während eines ganzen Tages
den erbitterten, mit Übermacht geführten Versuchen des Gegners, die gelandeten
Truppen in den Strom zu werfen, Widerstand leisten mußten. Mit unübertrefflicher
Tapferkeit wurde die Infanterie dieser schweren Aufgabe gerecht. Es war
unmöglich, ihre während des Tages weitere Unterstützung zuzuführen.
Quelle: Kriegsarchiv Wien