"Welche Perspektive hat die Anti-Globalisierungsbewegung? Eine notwendige Kritik"

II.1 ATTAC

ATTAC (ATTAC ist die französische Abkürzung für "Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen im Interesse der Bürger" und klingt ein wenig militant nach "ATTACK" = Angriff) ist die wohl bekannteste Gruppe der AGB. Sie hat es bisher am besten verstanden sich medienwirksam darzustellen, aber andererseits verdeutlicht ihr rasantes Wachstum auch den Charakter dieser Bewegung insgesamt. Eine ganze Reihe anderer Gruppen und Organisationen vertreten ähnliche Positionen wie ATTAC. ATTAC will ein "breites gesellschaftliches Bündnis als Gegenmacht zu den entfesselten Kräften der Märkte". Die Proteste von Genua sieht ATTAC als Proteste "für soziale und ökologische Gerechtigkeit". ATTAC meint, dass die Wurzel des Übels "in der zunehmenden Ausrichtung der Wirtschaft auf die Finanzmärkte" liege (so in ihrem Manifest 2002). Zurecht kritisiert ATTAC die zunehmende Verwandlung der Güter dieser Erde (z.B. Trinkwasser) in Waren. Immer grössere Bereiche der Gesellschaft und des menschlichen Lebens werden dem kapitalistischen Verwertungsprozess unterworfen. Allerdings verliert ATTAC in diesem Zusammenhang kein Wort über den alltäglichen Kapitalismus mit seiner Lohnarbeit, Konkurrenz, Verschwendung, Barbarisierung, Entfremdung, etc. und darüber dass die menschliche Arbeitskraft und damit ein jeder von uns längst selbst zu einer Ware gemacht worden ist und dieses System hierauf basiert. Das wird auch deutlich, wenn es im "Manifest 2002" heisst, dass ATTAC für die "Rückerstattung der gigantischen Summen" kämpfe, "die den Völkern von korrupten Machthabern und Diktatoren jeglicher Coleur mit dem heimlichen Einverständnis der Banken, Finanzinstitutionen und Regierungen des Nordens entwendet" worden seien. ATTAC teilt die Illusion vieler in der AGB, dass "Wirtschaft nicht unbedingt mit Ausbeutung, Spekulation, Verlagerung ins Ausland und Entlassungen einhergehen" müsse und zeigt somit ihr Unverständnis eines Wirtschaftssystems, das auf der Bereicherung einiger weniger auf Kosten der Mehrheit mittels Ausbeutung (Lohnarbeit, Verhältnis 1. und 3. Welt) beruht.

Mit Aktionen will ATTAC den "notwendigen Druck zur Umsetzung der Alternativen" ausüben. Es geht ATTAC um die "demokratische Regulierung" und die "Zivilisierung der Globalisierung". Die Ausrichtung von ATTAC auf die etablierte Politik wird deutlich, wenn es heisst: "Nun gilt es, den Bekundungen der politisch Verantwortlichen, sich für eine ökologisch und sozial gerechte Globalisierung stark zu machen, auch Taten folgen zu lassen." ATTAC will also keineswegs die Ursache für die "Globalisierung" bzw. deren Auswirkungen, d.h. den Kapitalismus, beseitigen (das betont auch Ramonet, einer der ATTAC-Gründer), sondern ihn nur bändigen. Ein "gerechterer" Kapitalismus ist das Ziel. Es geht ATTAC um eine "Globalisierung von unten" (davon redet z.B. auch die FAU). In der ATTAC-Zeitung, welche am 5. Oktober 2001 der junge Welt beilag, hiess es: "Die Bewegung mahnt eine gerechtere, fairere Verteilung der Güter an." und "Mehr Gerechtigkeit, mehr Teilen, mehr Fairness sind nötig, um einer Kultur des Friedens näher zu kommen." ATTAC redet also um den heissen Brei herum, lässt etablierte Politiker und Experten wie Oskar Lafontaine neben Gewerkschaftern, Pfaffen wie Dorothee Sölle und Grünen wie Fieder Otto Wolf zu Wort kommen, anstatt eine klare Analyse der Verhältnisse vorzulegen und klare Gegenstrategien zu entwickeln. Oskar Lafontaine formuliert denn auch, dass "Organisationen wie ATTAC (...) notwendig, um der gekauften Politik Druck zu machen" seien. Und: "Joschka Fischer wirft den Globalisierungskritikern ‚abgestandenen linksradikalen Antikapitalismus' vor Sie kämpfen aber für etwas ganz anderes: die Rettung der Demokratie." Dazu passt auch das Gerede von Susan George, die in einem Interview meinte: "Die Menschen fühlen, dass ihre Stimmen nichts mehr zählen. Denn hinter jeder Regierung, die sie wählen, steht eine Schattenregierung, der die Hauptsorge der Regierung gilt. Deshalb Demokratie! Uns alle die Rechte wiederholen, die wir schon gewonnen hatten und die jetzt nichts mehr gelten." (attac, S. 197) Grosse Teile der ATTAC-Publikationen lesen sich wie die Programme reformistischer Parteien der 70er und 80er. In Deutschland wie in Frankreich treibt sich ein nicht unerheblicher Teil abgehalfterter Grüner und Sozialdemokraten bei ATTAC herum, von Oskar Lafontaine über Sabine Kebir bis hin zu Daniel Cohn-Bendit. So äussert sich hier die Enttäuschung über den fehlenden reformistischen Mut der gegenwärtigen Regierungen Europas. In der ATTAC-Beilage zur taz vom 7. Dezember 2001 wird ein "grundlegender Politikwechsel" gefordert. Eine Forderung, die sehr an die Forderung der Gewerkschaften und den Slogan der heutigen Regierung vor den Bundestagswahlen 1998 erinnert. Ein Politikwechsel allerdings bedeutet nicht das Ende der Politik, welche die Verwaltung des Elends im Kapitalismus bedeutet, sondern - das hat uns auch die Erfahrung so mancher Wahl gezeigt - nur eine andere unsoziale Politik anderer Politiker und Experten. Es ist viel die Rede von "Gerechtigkeit" und "Demokratie" und davon "die durch die kapitalistische Wirtschaftsweise entstehende gesellschaftliche Ungleichheit auszugleichen". Wirkliche Ursachen werden nicht thematisiert.

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