"Welche Perspektive hat die Anti-Globalisierungsbewegung? Eine notwendige Kritik"

II. Die "Bewegung" und ihre Vertreter

Dass ein Grossteil der Bewegung die "Globalisierung" nicht versteht und sie schon gar nicht in einen direkten Zusammenhang mit dem Kapitalismus bringt, sondern am liebsten frühere Verhältnisse zurückhaben möchte, obwohl sich die Zeiten und die Kräfteverhältnisse verändert haben, verdeutlicht die Fixierung vieler Globalisierungskritiker auf den Staat und insbesondere den "Sozialstaat" (der nur gewisse Leistungen für das Kapital erbrachte und die hohen Kosten der Gesundheit und des Lebens subventionierte). So forderte der Koordinator des norwegischen "Bündnis für den Wohlfahrtsstaat", dass die multinationalen Konzerne "gezähmt" und "kontrolliert" werden sollten. Er hält zwar "multilaterale Abkommen" und "Konventionen" mit "sozialen Standards" nicht für ausreichend, erläutert aber nicht, wer die von ihm geforderte "Kontrolle über die Wirtschaft" ausüben soll, wenn nicht der Staat oder irgendwelche Institutionen, da er nicht von der Überwindung des Kapitalismus spricht (jW, 31. Januar 2002). Allein der Name "Bündnis für den Wohlfahrtsstaat" erübrigt wohl alle weiteren Fragen.

Es ist die demokratische Idiotie: Angesichts der Auswirkungen der "Globalisierung" kann sich die AGB die Lösung nur in der Rückkehr eines starken Staates, die Beherrschung der Märkte durch die Regierungen oder irgend eine andere Institution, durch die Unterordnung der Ökonomie unter die Politik und die Wiederbelebung der Politik, der Demokratie und des Staatsbürgers vorstellen.

Die Kritik am Kapitalismus wird von Menschen in der Dritten Welt meist anders geäussert, da diese Länder auch andere Probleme haben, aber die Lösungsvorschläge sind auch dort meist ähnlich. So kritisieren lateinamerikanische Gewerkschafter in ihrem Positionspapier: "Es gibt hier kaum supranationale Institutionen, es fehlen Wettbewerbsregeln, die Märkte sind völlig unreguliert, es gibt keine gemeinsame regionale Industrie- und Agrarpolitik, Investitions- und Steuerpolitik; statt dessen wird die Arbeitsteilung in Produktion und Handel vorangetrieben." Gefordert wird, dass die "Gewerkschaften politische Bündnisse mit den sozialen Bewegungen und den demokratischen Parteien aufbauen, um Druck zu machen, dass unsere Regierungen in den Verhandlungen mit anderen Handelsblöcken eine gänzlich andere Richtung einschlagen". Hier wird erneut der Staat als Vollstrecker einer möglichen "sozialeren" Politik ausgemacht und die Proteste sollen lediglich "Druck" auf die Entscheidungsträger ausüben. Dass diese Entscheidungsträger in Wirtschaft und Politik gar keine Legitimation haben, dass diese nur ihre eigenen Interessen vertreten, kommt diesen Gewerkschaftern nicht in den Sinn. Sie sind staatsfixiert und wollen, dass "ihre" Staaten sich stark für sie machen. Sie fordern einen "Kapitalismus light", ein Recht auf eine vom Weltmarkt abgeschirmte, eigene kapitalistische Entwicklung. Deshalb fordern sie auch eine "Harmonisierung der Steuern, um die Wettbewerbsbedingungen unserer Länder zu verbessern und eine andere Verteilung des Reichtums zu ermöglichen". Es geht ihnen nicht darum den kapitalistischen Wahnsinn zu beenden (deshalb haben sie z.B. auch nichts gegen die Existenz von "Handelsblöcken", etc. einzuwenden), sondern ihn erträglich zu gestalten und so, dass sie selbst an ihm teilnehmen können. Ebenso wie ihre nordamerikanischen Pendants wollen sie Unterstützung für kleinere und mittlere Betriebe. "Empfindliche" Regionen des Mercosur sollen geschützt werden. Ein "Richtungswechsel in den nationalen Wirtschaftspolitiken" und "eine Änderung der Regeln und Bedingungen" werden gefordert. Somit wird Protektionismus gefordert und es werden Mittelstandspositionen vertreten. Dass hier der Schutz der eigenen Region gefordert wird, macht deutlich, dass die AGB keineswegs gegen Nationalismus und Regionalimus immun ist. Es wird hier eine Art "goldenes Zeitalter" gefordert, in dem der Mercosur vor dem Weltmarkt geschützt ist und die (Chancen-)Ungleichheit ein Ende hat. Dass aber der Kapitalismus auf Ungleichheiten beruht und die Armut der einen die Voraussetzung des Reichtums der anderen ist, das ist den Gewerkschaftern wie auch den nordamerikanischen Organisationen nicht wirklich klar. Ebenso gehören "Wohlstand" und Krise zusammen. Sie folgen nicht nur aufeinander, sondern bedingen sich gegenseitig im Laufe eines einzigen Prozesses. Wie die Gewerkschaften bei uns ein Eigeninteresse an der AGB haben, um ihren Mitgliederschwund auszugleichen (u.a. engagieren sich Gewerkschaftsfunktionäre der "Initiative für einen Politikwechsel" bei ATTAC), so verhält es sich auch hier in der 3. Welt. Sie wollen ein geschütztes Wirtschaftsgebiet, in dem sie Mitspracherechte haben - und sei es nur bei der Gestaltung der Betriebsfeiern. Ein ebensolches Interesse sich zu verjüngen und die Politik wieder attraktiver zu machen, haben viele Politiker aus Parteien und Organisationen, die ihren Reiz und ihre Anziehungskraft verloren haben (z.B. Jusos, Grüne, etc.), und Menschen aus 3. Welt-Gruppen.

Die beteiligten Gruppen haben zwar verschiedene Kritiken und Ziele. Eines eint sie aber: Sie sind entweder fixiert auf den Staat, der Steuern erheben, Protektion und Kontrolle ausüben soll oder sie favorisieren eine kleine kapitalistische Betriebe und Kooperativen in einer Art "lokalisierter" Wirtschaft.

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