Fels in der Brandung
Du gehst Deinen Weg ...
Du gehst Deinen WegWie alles begann...
Etwa 1987 begann ich mich politisch zu interessieren. Einer meiner ersten Zeitungsausschnitte, den ich mir aufhob, war der in unserer Lokalzeitung zum Revolutionären 1.Mai 1987 in Berlin. 1988 war ich dann erstmals bei Verwandten in der DDR und merkte, daß man dort entgegen der westdeutschen Medienlügen auch ganz "normal" leben konnte, merkte aber auch was einige westdeutsche "Kommunisten" verschwiegen: z.B. mangelnde Selbstbestimmung der Arbeiter in den Betrieben. Bei diesem Aufenthalt besorgte ich mir auch einige Werke von Karl Marx, Friedrich Engels und W. I. Lenin. In meiner Schulklasse war ich damals der einzige kritische Geist, wurde von meinen Mitschülern als "Kommunist" angefeindet, obwohl ich mich damals als solcher wohl nicht bezeichnet hätte. Dann kam die "Wende" und es folgten elendige Diskussionen in der Schule im Deutsch- und Geschichtsunterricht, wie es denn mit Deutschland weitergehen sollte.
Alle freuten sich über die nahende "Einheit", während ich vor den Folgen einer "Einheit" unter kapitalistischen Bedingungen warnte. Und meine Befürchtungen haben sich bestätigt und sind heute Tatsache: vor allem Massenarbeitslosigkeit und wachsender Rassismus und Nazi-Terror.
Kurz vor der 1. gesamtdt. Bundestagswahl sah ich die Notwendigkeit mich zu organisieren und mit Gleichgesinnten Widerstand zu leisten. Also ging ich zur PDS, die mich allerdings sehr enttäuschte, da sie hier im Westen einem Sammelbecken aller Linken glich, durch elendige Diskussionen in der Aktion verhindert war und sowieso nur ein Wahl- und Zweckbündnis zu sein schien. Nach der Wahl brach alles wieder auseinander. Nach einigen Irrungen landete ich dann bei einer kleinen sozialistischen Organisation, deren Mitglied ich auch heute - zumindest auf dem Papier - noch bin.
Damals war die extreme Linke die einzige politische Kraft, die vor den Folgen der kapitalistischen Annexion der DDR warnte. Alles befand sich im national(istisch)en Freuden- und Einheits"taumel" und der machte bekanntlich so manchen blind.
Nun sieben Jahre nach der Einheit hat fast jeder DDR-Bürger die Vorzüge der FDGO und der "sozialen Marktwirtschaft" kennengelernt. Und es gibt Leute, die von sich behaupten, daß 40 Jahre DDR aus ihnen keine Sozialisten zu machen vermochten, dies nun aber nach 7 Jahren realexistierendem Kapitalismus - der gänzlich dem Bild widerspricht, das die DDR-Bürger angesichts Werbefernsehen und BRD-Propaganda vom (BRD)- Kapitalismus hatten - der Fall ist.
Damals war eines der Schlachtworte, daß die DDR-Bürger mit Füßen abstimmen würden gegen die DDR. Heute stimmen Millionen Flüchtlinge mit Füßen ab. Gegen den realexistierenden Kapitalismus. Und damals hieß es, im Westen bestehe Reisefreiheit. Wer kommen wolle, sei gern gesehen. Nachdem nun der Ostblock zerfallen und damit auch der "rote Iwan im Osten" als Feind weggefallen ist, schließt man die Grenzen für die ungebetenen Gäste. Denn 1. sind es keine Deutschen und 2. ist die Reisefreiheit-Kampagne nicht mehr nötig.
Ich habe miterlebt, wie bei vielen Linken Welten und Illusionen zerstört wurden, als die DDR aufhörte zu existieren. Habe mitbekommen, wie die Faschisten nach vollzogener "Wiedervereinigung" erstmal wieder neu anfangen mußten, weil eine ihrer damaligen Hauptforderungen erfüllt war.
Aber heute ist die Grundvoraussetzung für revolutionäre sozialistische und klassenkämpferische Politik besser denn je zuvor, denn der Kapitalismus, der sich bisher hinter dem Sozialstaat und dem Wörtchen bzw. Konstrukt "soziale Marktwirtschaft" versteckt hat, läßt jetzt zunehmend seine Maske fallen. Viele Menschen haben ihre Erfahrungen mit dem Kapitalismus gesammelt. Ob nun Arbeiter, die im Produktionsprozeß nicht mehr gebraucht werden und sich wie weggeworfenes Werkzeug fühlen. Ob Rentner, deren Renten gekürzt werden sollen. Ob Frauen, denen immer noch das Recht auf freie Abtreibung verwährt wird. Ob "Gastarbeiter", die nun merken, daß sie nur gern gesehene "Gäste" waren, solange man sie brauchte... Menschen sind in diesem System auswechselbar wie die Maschinen einer großen Fabrik oder die Schrauben einer großen Maschine.
"Irgendwie war das unheimlich..."
Mein Verhältnis zu Skinheads war eigentlich sehr seltsam. Die Medienlügen hatten voll ihre Wirkung bei mir getan und so hielt ich jeden Kahlkopf für einen rechten Wixer, obwohl in meiner Stadt antirassistische Skins eine lange und gute Tradition haben. In meiner Straße wohnte ein abschreckendes Beispiel, ein etwas älterer Bonehead, mit dem es stets zu ideologischen Auseinandersetzungen kam. Anfangs versuchte er mich noch für die "nationale Sache" und "uns Skinheads" zu rekrutieren. Später gab er es dann auf. Obwohl er noch meinte "Du läufst ja genauso rum wie wir." Und das stimmte, denn seit etwa 1987 trug ich kurze Haare, Lonsdale, Bomber, Martens und umgekrempelte Jeans. Nur war ich mir noch nicht bewußt, daß es auch andere Kahlköpfe außer den rassistischen gab und daß ich im Endeffekt das dachte und fühlte, was ich auch heute noch tue. Ich wußte damals schon, daß Ska Skinheadmucke war und mit Punks hatte ich auch seit etwa 1987 Kontakt. Punkrock, Oi! und Ska, so erinnere ich mich, habe ich damals auch schon ein wenig gehört. Z.B. hatte ich damals eine Kassette mit Kortatu, etc. Als dann um 1991/92 der Kampf für das ostdt. Jugendradio DT 64 losging, war ich in Schwerin auf einem Konzert mit Michele Baresi und Blechreiz. Damals wunderte ich mich noch, warum mich ein Haufen Glatzköpfe, die eine Polonaise machten, in ihre Mitte nahmen. Und irgendwie war mir das damals doch sehr unheimlich. Aber die Musik war O.K. und die Stimmung auch. Und Rechte konnten das auch nicht sein.
Die "Who napped J.B." von Blechreiz war dann auch neben den beiden ersten No Sports Alben und dem "Ska Ska Skandal"-Sampler eine meiner ersten Skaplatten.
Irgendwann hat' s dann klick gemacht und ich wußte, Skinhead ist mein Teil. Mensch, das ist genau das, was ich immer wollte. Spaß und korrekte Einstellung verbinden! Und es kam was kommen mußte. Die meist etwa 5 cm langen Haare kamen ab und ich traf mich erstmals mit Glatzen, auch aus anderen Städten. Schwer war' s reinzukommen. Vielen war man zu "politisch", viele beäugten einen mißtrauisch. Aber wer mich kennt, weiß, daß ich zu meinem Way of Life stehe. Skinhead bedeutet für mich auch unbedingte Liebe zur Musik und Kultur.
"Einmal Skinhead bitte!"
Ich erinnere mich noch an meine erste Glatze, dann an das fast wöchentliche Ritual des Rasierens. 1994 z.B. war kollektiv Rasur angesagt vor Smegma und Anti Heroes. Ich erinnere mich auch noch daran, wie ich das erste Mal mit Glatze nach Hause kam oder in die Schule und ich damals gefragt wurde, ob ich denn nun die Seite gewechselt hätte (ich war schließlich als großartiger Agitator an meiner Scheiß Schule, dieser alt-ehrwürdigen Anstalt berühmt-berüchtigt). Und das Gefühl mich das erste Mal in voller Skinheadpracht zu zeigen, die Harrington auszuziehen, um die Braces zum Vorschein kommen zu lassen. Damals hätte ich am liebsten jedem auf die Nase gebunden: "Ey, sieh her, wer ich bin, ich bin Skinhead!". Das wirkt von heute betrachtet eher aufgesetzt, aber nun lebe ich diesen Stolz und ich genieße das Gefühl mit jedem Atemzug. Und ich kann sagen: Ich bereue nichts! Ich würde ganz genau wie damals wieder handeln. Es waren bisher 5 Jahre Spaß, Politik, Randale, Party, Freundschaft und Sinn.
Es folgten Konzerte, Demos und Parties jedes Wochenende und einige der besten sind bestimmt das Oi! The Meeting 1994 in Lübeck, das Potsdam Ska Festival 1995 mit der zünftigen Love Parade in Berlin, der Ska Nighter in Hamburg Altona im August 1994 und der Red Skinhead Fighting Day am 1.Mai 1996 in Mönchengladbach. Auch diverse Haus-, Kneipen-, Disco-, Platz- und Landesverbote konnten unsereinen nicht von seinem Spaß & Treiben abhalten.
Was macht der Feind von damals heute?
Die Fascho-Altglatzen von damals sitzen heute entweder im Knast ein oder sind fast alle auf Drogen und kriminell. Sie sind also genau zu dem geworden, was sie immer abgelehnt haben: kriminelle, pillenschmeißende Junkies. In Hamburg sind viele ins Zuhältermilieu abgerutscht, manche treiben sich mit philippinischen Frauen ("Fidschis"!) rum oder sind im ekelhaften Sumpf der Tekk-NO Szene hängengeblieben. Eigentlich schon pervers, daß die Drogen das bewerkstelligen mußten, um sie aus dem Verkehr zu ziehen.
"So manches Mal wurde man eingefahren."
So manches Mal wurde man eingefahren. Jedesmal am Vatertag gab' s Ärger und fast jedes Wochenende ebenso - mindestens aber Personalienkontrollen. Es ist nun schon soweit, daß die Bullen in unserem Kiez einen kennen und wissen, was man so am Wochenende getrieben hat. Und bei Verhören, zu denen leider mancher hingeht, kommen immer wieder Fragen wie "Wieviele seid ihr?", etc. Meist kam unsereiner mit blauem Auge davon.
Auseinandersetzungen mit dem politischen Gegner sind auch immer wieder Bestandteil des Wochenendes. Manchmal kriegen sie, manchmal wir. Aber klein lasse ich mich nicht kriegen! Weder von den Bullen noch von den Faschos.
Letztens hatten die Bullen uns mal wieder in der Mangel, haben uns umzingelt und mir an den Kopf geschmissen, ich sei "asozial". Daraufhin hab' ich ihnen erstmal meine Meinung gesagt, wer in dieser Gesellschaft wirklich asozial ist. Und in dieser Gesellschaft "sozial" zu sein, heißt nach ihren Regeln zu leben.
Meine Gegend war früher voll die Fascho(glatzen)hochburg, nun traut sich kaum einer der mutigen Recken auf die Straße. Viele sind ruhiger geworden und grüßen einen noch auf der Straße. Schließlich kennt man sich von früher...
Auf die nächsten fünf Jahre!
Und ich lasse mich nicht kleinkriegen, denn ich fühle mich wie ein Fels in der Brandung.
Habe viele kommen und gehen sehen...
Ich habe viele kommen und gehen sehen. Sowohl in der Skinhead- als auch in der linken Szene. Hab' Leute gesehen, die sich geschworen haben "Skinhead - für immer und ewig!" und wo sind sie jetzt?
Als man gerade dabei war, betonte man immer, daß Skinhead, A way of life sei, wenn nicht der einzige. So ist es zwar auch heute noch, denn ich halte für mich persönlich Skinhead für den einzig geilen Way of life, nur ist es nun schon seit langer Zeit mein Leben, mit allen Höhen und Tiefen.
Ebenso Leute, die in diversen Politgruppen und meiner damaligen Organisation waren, wo ich auch war. Viele von ihnen sind nun stinknormal, haben ihre Nische gefunden oder fristen ein Leben als brave Familienväter. Bei vielen merkt man schon, daß sie eh nicht dazu stehen, was sie da sagen oder vorgeben zu leben...Aber so ist nun mal das Leben. Früher oder später trennt sich die Spreu vom Weizen.
Ich hab' nie wirklich eine Wahl gehabt, auch heute nicht. Mir erzählen Leute ich solle meine Zukunft nicht versauen, ich hätte nur dieses eine Leben. Dazu nur soviel: Versauen tun uns allen ganz andere in Politik und Wirtschaft die Zukunft und gerade weil ich nur dieses eine Leben habe, lebe ich es wie ich es will und nicht wie andere es gern hätten.
Die Oberflächlichkeit vieler Leute kriegt man schnell mit.
Ich bin weder ein "Ausländerfreund" noch ein "Ausländerfeind", bin weder ein "guter" noch ein "schlechter" Skin, bin auch kein "SHARP-Nazi" oder "Politaffe". "Rechtsrock" ist auch keine Frage des guten oder schlechten Geschmacks und wer eine Band nur auf ihre Musik reduziert und sich weder für ihre Texte noch für ihr Handeln und Umfeld interessiert, ist genauso oberflächlich wie die meisten Spießer auf der Straße. Und wenn Skinhead nur heißt, in Ruhe und bei Musik sein Bierchen zu konsumieren, dann könnten wir alle auch als Berber unser Leben fristen.
Eines ist gewiß: Es wird sich nie etwas ändern, wenn wir es nicht tun!
Och Gott, was mußte man sich alles in den Jahren anhören und gefallenlassen. Manchmal gibt mir schon die angewiderte Bürgerfratze Genugtuung.
Kurz: Skinhead, das bedeutet für mich: Absolute und bedingungslose Liebe zur Musik und zum Kult, gelebte Lebensfreude und nicht blinder Haß, wie er bei den Faschos anzutreffen ist. Das beste draus zu machen, aber trotzdem nicht klein beizugeben.
Oi!, Prost & Rotfront! (es bleibt dabei!)
der SHARP-Nazi und Kinderfresser himself
(aus Revolution Times # 8)