Text der Revolutionären Kommunisten Deutschlands (RKD): Die "IKD" und wir (1941)

1933 benannte sich die Trotzkische "INTERNATIONALE LINKSOPPOSI­TION" (ILO) in Erkenntnis der Tatsache, daß die Dritte "Internationale" nicht mehr zu "gesunden" sei, „INTERNATIONALE KOMMUNISTENLIGA“ (IKL) und betrachtete sich seither als Vorläufer der Vierten Internationale. Die deutschen Mitglieder der Trotzkiorganisation (ILO Deutschlands) benannten sich seither „INTERNATIONALE KOMM(UNISTEN) DEUTSCHLANDS“ (IKD). Aber seit dieser Zeit hat die IKD in fortschreitendem Maße aufgehört, internatio­nalistisch und kommunistisch zu sein. Noch mehr als das offizielle Internationale Sekretariat der Trotzkisten (IS) ging die IKD in allen wichtigen Klassenkampffragen zu reformistischen und revisio­nistischen Gedankengängen über. Wir erwähnen hier weniger die allen trotzkistischen Gruppen eigenen Fehler und Gebrechen als die besonderen Irrtümer der IKD.
Schon vor dem Krieg bezweifelte die IKD, daß unsere Epoche die Epoche des revolutionären Proletariats, das heißt die Epoche der proletarischen Revolution, der Hegemonie des Proletariats in allen revolutionären oder "fortschrittlichen" Bewegungen ist. Die durch die Politik nicht nur der II. sondern auch der III. "Internatio­nale" (die die IKD bis 1933 "gesunden" wollte) herbeigeführte Niederlage des deutschen Proletariats und die Errichtung der Hitler­diktatur in Deutschland senkten sehr stark das politische Bewußt­sein aller Mitglieder der deutschen Arbeiterbewegung und brachten eine Welle der Verzweiflung und des Zweifelns an der proletarischen Klassenkraft, eine Flut revisionistischer "Theorien", die sich häufig noch als "Marxismus" oder gar als "Leninismus" aus­gaben.
Nach 1933 machten die deutschen Trotzkisten insofern noch einen Schritt nach vorwärts, als sie endlich, reichlich spät, erkannten, daß die Stalintern und ihre KPD nicht zu heilen waren und eine neue proletarische Klassenpartei zu [schaffen – R:D.] war. In die­sem Sinn konstituierten sie sich als IKD. Die Geschichte lehrt uns aber, daß dieser Schritt zu spät erfolgte; er hätte mindestens 1928 erfolgen müssen, um das deutsche Proletariat, die deutsche Revolution und damit auch die kommunistische Bewegung in Deutsch­land und ganz Europa zu retten. Der trotzkistische Zentrismus hat das verhindert. Die von 1933 ausgehende Reaktionswelle erfaßte ausnahmslos alle deutschen Emigrationsgruppen, auch die IKD, und spülte sie immer mehr nach rechts, bis sie schließlich nachein­ander im Lager des antideutschen Sozialchauvinismus landeten.
Der Unglaube an die selbständige Klassenkraft des Proletariats und das Propagieren einer Zusammenarbeit mit irgendeiner imperialistischen Macht; Leugnen des proletarisch-revolutionären Charak­ters unserer Epoche und die Behauptung, die Epoche sei nicht imperialistisch-kapitalistisch, sondern "faschistisch"; Ablehnung der defaitistischen Parole im „antifaschistischen" Kapitalistenblock, Unterordnung des proletarischen Klassenkampfes unter Roosevelt, Churchill & Co. einerseits, unter den "Kirchenkampf" in Deutschland andrerseits; in Deutschland am Schwanze der katholischen, "antinazistischen" Kleinbourgeoisie (die ihrerseits am Schwanz der Großbourgeoisie hängt), in England, USA usw. am Schwan­ze der "demokratischen", "antifaschistischen" Kleinbourgeoisie (die wieder am Schwanz "ihrer" Großbourgeoisie hängt): all das sind immer zwei Seiten der seIben Sache, der selben Politik, der selben Linie, die die IKD seit vielen Jahren verfolgt, entwickelt, vertieft. Zwei Seiten, die einander gegenseitig bedingen, ergän­zen und immer wieder hervorrufen und die gleiche opportunistische, antimarxistische Wurzel haben.

l. DIE IKD UND DIE EINSCHÄTZUNG UNSERER HISTORISCHEN EPOCHE UND PERIODE

Wir Marxisten schätzen die gegenwärtige Epoche als die des Im­perialismus und der proletarischen Weltrevolution ein. Die "IKD" bezeichnete die gegenwärtige Epoche wiederholt als die Epoche finsterster Reaktion, die sich auf viele Jahrzehnte erstrecken werde als die „Epoche des Faschismus“. In mündlichen Diskussionen sprach man sogar von "Jahrhunderten". Demgegenüber verwiesen wir auf seine Wurzeln und Folgen (proletarisch-revolutionäre Gefahren und Explosionen).
In ihrer Einschätzung der Epoche und Periode befand sich die „IKD" in Widerspruch mit Trotzki, der in seinem "Übergangsprogramm" und anderen Dokumenten die Periode als "revolutionär" und „vorrevolutionär" bezeichnete. Unsere Organisation- kritisierte beide extremen Einschätzungen ("Epoche der Finsternis" und "Revolutionäre Situation") und erklärte demgegenüber insbesondere seit 1938 immer wieder, daß die EPOCHE die Epoche des imperialistischen Kapitalismus und der proletarischen Revolutionen geblieben sei, daß die PERIODE eine Periode der Ebbe, der sich rasch verschärfenden Reaktion und der imperialistischen Kriegsvorbereitung sei und daß diese Reaktion im zweiten imperialistischen Weltkrieg ihren Höhepunkt finden würde und dann von einer Periode neuen internationalen revolutionären Aufschwungs abgelöst werden würde.
Diese unsere Einschätzungen sind in allen unseren Vorkriegs- und Kriegsdokumenten zu finden. Die Ereignisse haben einstweilen diese unsere Einschätzungen in jedem einzelnen Punkt bestätigt und die falschen Einschätzungen des Trotzkischen IS ("Die Französische Situation“, „Vorrevolutionäre Situation“ 1938) sowie der „IKD“ (für Jahrzehnte keine revolutionäre Situation in Europa) klar widerlegt: statt der vom IS prophezeiten "Revolutionen" brach der von uns vorausgesagte imperialistische Weltkrieg aus, statt des Jahrhunderts Faschismus der "IKD" entwickeln sich im Gefolge dieses imperialistischen Weltkrieges in Deutschland und überall neuerlich bonapartistische Militärdiktaturen, und überall kündigen Massenstreiks und Massendemonstrationen die proletarische Revolution an.
Bezeichnend für die politische Schwäche der "IKD" ist es, daß sie ihre dem IS entgegengesetzte Auffassung der historischen und konkreten Situation mit der Unterschreibung der IS-Dokumente (z.B. des "Übergangsprogramms") in Einklang zu bringen verstand. Keine Polemik der "IKD" gegen die in dieser Frage diametral entgegengesetzten Auffassungen Trotzkis fand statt und auch Trotzki schwieg zu allen Entartungserscheinungen der "IKD". Toleranz? Zentrismus!
Aus derartig verschiedenen Auffassungen mußten natürlich ent­sprechend verschiedene politische und organisatorische Schluß­folgerungen gezogen werden. Das IS lehnte alle von uns - und nur von uns - vorgeschlagenen konkreten Illegalisierungsmaßnahmen und Vorbereitungen auf einen europäischen imperialistischen Krieg ab. In einer Periode verschärfter Depression und wachsenden Chauvinismus verzichtete das IS darauf, die von uns vorgeschlagene revolutionär-defaitistische Antikriegskampagne durchzuführen. Unse­rer Opposition erwiderten die Vertreter des IS: "Es kommt zu keinem Krieg"! Dagegen rief das IS - so wie das heute in verstärktem Maß die SWP tut - zur sogenannten „Arbeiterkontrolle“ der Pro­duktion auf, ohne zu präzisieren, ob es sich um eine „Kontrolle" durch die chauvinistischen Gewerkschaftsbonzen oder um eine Kontrolle – erst zu schaffender – Arbeiterräte, es gab damals (1938/39) auch keinen revolutionären Aufschwung. Daher waren derartige „Forderungen“ wie „Arbeiterkontrolle“ damals nicht revolutionär, sondern im Gegenteil, reformistisch und sozialchauvinistisch; ohne proletarische Kontrollorgane gibt es keine Arbeiterkontrolle und die proletarischen Kontrollorgane waren erst in Klassenaktionen zu schaffen. Der Kurs ging aber nicht auf solche Klassenaktionen, sondern auf den imperialistischen Kriegsausbruch und die „Arbeiterkontrolle“ ohne proletarische Kontrollorgane (Räte) war ein beliebtes sozialpatriotisches Schlagwort zur Vorbereitung des imperialistischen Krieges und der für ihn notwendigen Union sacre.
Die Folge dieser Politik und Organisationspolitik des IS war, daß alle trotzkistischen Sektionen Europas politisch und organi­satorisch völlig unbewaffnet in den imperialistischen Krieg ein­traten und teilweise der Repression, teilweise dem Rechtsopportunismus erlegen sind.
Die "IKD" hat diese ganze Politik gedeckt. Zugleich führte sie ihren eigenen "Privat“'kurs durch, indem sie seit Jahren ihre Kräfte darauf konzentrierte, die Emigration nach Amerika durchzuführen, wo sich heute tatsächlich fast alle ihre leitenden Mitglieder befinden. Hätten es die Umstände zugelassen, so gäbe es in Europa keinen "IKD"-Mann mehr, denn an alle "IKD"-Leute wurde das Losungswort 'Auf nach Amerika!' ausgegeben. Im Gegensatz dazu hat unsere Gruppe alle ihre Mitglieder verpflichtet und allen ihren Freunden geraten, im imperialistischen und morgen wieder revolu­tionären Europa zu bleiben und an allen Klassenkämpfen des euro­päischen Proletariats unmittelbar teilzunehmen. Unsere Gruppe konnte diesen Beschluß fassen und durchführen, weil sie die Situation 1938/39 richtig einschätzte, zum damals bevorstehenden imperiali­stischen Krieg eine richtige Stellung hatte und daher die praktischen Vorsichtsmaßregeln treffen konnte und auch zu treffen wußte. Verschiedene Einstellungen, verschiedene Einschätzungen, verschie­dene Maßnahmen, entsprechende Folgen.

2. DIE "IKD" UND DER IMPERIALISTISCHE KRIEG

In allgemeinen Phrasen war die "IKD", wie alle zentristischen Organisationen, oft "gegen" den imperialistischen Krieg und "gegen“ den Imperialismus. Aber durch ihre Faschismustheorie, die u.a. im Johreartikel "PROGRAMM EINER BILANZ" (Herbst 1938) auftauchte, und die wir in unserer Polemik "JOHRE UND DIE MODERNEN STAATEN" (Ende 1938) zerpflückten, mußten sie eine sozialimperialistische Haltung einnehmen.
In dem eben erwähnten Johreartikel, den wir leider jetzt nicht zur Verfügung haben, wird
1.statt des imperialistischen Kapitalismus „der“ Faschismus (in Wirklichkeit nur eine FORM des imperialistischen Kapitalismus) als die wesentliche „historische Schranke“ hingestellt;
2.um keinen Zweifel offenzulassen, wird dieser "Faschismus" durch Jonglieren mit Marxzitaten mit dem Feudalismus des vorigen Jahrhunderts verglichen (der damals nach marxistischer Auffassung wirklich das zu beseitigende historische Haupthindernis war, wie es heute der imperialistische KAPITALISMUS ist);
3.die „Zerbrechung“ dieser „historischen Schranke“ („des“ „Faschismus“) wird als die Voraussetzung jeder weiteren Entwicklung bezeichnet;
4.um noch deutlicher zu werden, wird die Zerbrechung mit der Zerbrechung der „deutschen Schranken“ gefordert (und diese Zerbrechung mit der Zerbrechung der „historischen Schranken“ unserer Epoche identifiziert), und
5.um den letzten überhaupt möglichen Zweifel zu zerstreuen, wird die Aufgabe dieser Zerbrechung den „modernen Staaten“ zugewiesen. Wohlgemerkt: nicht von einem „modernen Staat“ (etwa der „UdSSR“) ist die Rede, sondern von „den“ „modernen Staaten“.
Wir haben damals in vielen und langen Seiten nachgewiesen, daß es sich um kein Mißverständnis, sondern nur um die philosophische Begründung des damals allüberall aufblühenden Sozialimperialismus handelte, um die Rechtfertigung dieser Theorie: die imperialistischen „Demokratien“ müssen gemeinsam mit der „UdSSR“ den Weltkrieg gegen das faschistische Deutschland führen und in diesem Krieg Deutschland schlagen; dann erst wird die internationale proletarische Bewegung wieder vorwärtskommen. Unsere der internationalen trotzkistischen Organisation vorgelegte Kritik dieser "Philosophie" Johres fand in anderen Sektionen viel Aufmerksamkeit, aber die "IKD"-Leitung weigerte sich, unsere Kritik in ihrem Organ oder oder auch nur im internen Bulletin zu veröffentlichen, oder irgendwie darauf einzugehen. Johre selbst wich bis zu seiner Emigration nach Amerika selbst einer mündlichen Diskussion dieser Fragen hartnäckig aus. Die "IKD" mußte alle unsere Vorwürfe auf sich sitzen lassen. Und das hat seine Gründe.
In USA setzte sie nämlich den vorher nur in "philosophischen" Bemerkungen geäußerten sozialimperialistischen Kurs in weitaus verstärktem Maß fort und bestätigte so alle unsere diesbezüglichen Voraussagen. Gegenwärtig reift in Europa der bewaffnete Aufstand des revolutionären Proletariats heran, vor unseren Augen verwandelt sich der imperialistische Krieg in den Bürgerkrieg zwischen den Söldnern des Imperialismus und den Millionenmassen, die nichts mehr zu verlieren haben – die emigrierten "IKD"-Philosophen aber weissagen, daß proletarische Revolutionen nicht auf der Tagesordnung stünden, sondern „nationale Kriege“, „nationale Revolutionen“ ...

3. DIE "IKD" UND DAS REVOLUTIONÄRE PROLETARIAT

Die Stellung der "IKD" zum imperialistischen Krieg ist nichts als die Widerspiegelung ihrer Gesamtstellung zum proletarischen Klassenkampf. Wir haben schon erwähnt, daß die Achse der reformisti­schen Entwicklung der "IKD" in allen Klassenkampffragen, der Un­glaube an die selbständige proletarische Klassenkraft ist. Die Wurzel dieser Auffassung liegt in den (von den Trotzkisten durch ihre "Gesundungs"illusionen mitverschuldeten) Niederlagen des Pro­letariats; die von uns schon vor dem Krieg vorausgesagte und prompt eingetroffene Folge ist der Bruch mit dem Marxismus, der Pakt mit der Bourgeoisie.
Vor dem Krieg spalteten sich die deutschen trotzkistischen Emig­ranten mehrmals in der Frage der Rolle des deutschen Proletariats unter der Hitlerdiktatur. So gelangte schließlich die Leitung der "IKD" in die Hände einer rechtsopportunistischen Minderheit mit Johre und O.F. an der Spitze. Diese Leitung der Rest-"IKD" machte ihren Standpunkt zum Standpunkt der "IKD". Die Abgespaltenen ver­liefen sich zum Großteil oder gelangten ins ultralinke Fahrwasser.
Die Theorie der Johregruppe besagte, daß das deutsche Proletariat um Jahrhunderte zurückgeworfen sei ( d.h. daß die Epoche des Imperialismus durch ein neues Mittelalter abgelöst sei), und daß daher nicht mehr der Kampf zwischen Imperialismus und Proletariat auf der unmittelbaren historischen Tagesordnung stehe, sondern der Kampf zwischen „Faschismus“ und „Antifaschismus“, und daß in diesem antifaschistischen Kampf nicht mehr das Proletariat die Hegemonie haben könne, sondern daß dem Kleinbürgertum diese Avantgarderolle zufalle.
Das Proletariat habe sich in den vom Kleinbürgertum geführten Kampf einzuordnen (und seine eigenen Interessen zu "wahren"). Die proletarische Revolution verschwindet von der historischen Tagesordnung.
Was erwiderten wir auf diese (nicht nur von der "IKD" vertretene) antimarxistische Theorie? Wir zeigten, daß sie den tatsächlichen Verhältnissen ins Gesicht schlage und mit einem Schlag den gesam­ten .Marxismus-Leninismus liquidiere: die Theorien von der proletarischen Führerrolle, von der Diktatur des Proletariats, unsere Einschätzung von Bourgeoisie und Mittelklassen, die Theorien vom Imperialismus und von der Permanenten Revolution, von der Natio­nalen Frage etc. Wir glauben nach wie vor, daß die Bourgeoisie der zu schlagende Klassenfeind ist, daß „der“ Faschismus nur ein Instrument der Bourgeoise ist, daß nur das Proletariat diesen Kampf zum Sieg führen kann, und daß das Kleinbürgertum in diesem Kampf eine völ­lig unselbständige Rolle spielt, stets auf der Seite der Stärkeren.
Nach der Niederlage des deutschen Proletariats klammerte sich das Kleinbürgertum an die Bourgeoisie und mußte sich an sie klam­mern, und die von der "IKD" propagierte Unterordnung des prole­tarischen Kampfes unter das Kleinbürgertum mußte einer Unterordnung unter die Bourgeoisie gleichkommen, also Aufgeben des prole­tarischen Klassenkampfes bedeuten. Aber auch später, in seiner antifaschistischen Opposition gegen die Hitlerdiktatur, ist das Kleinbürgertum, solange das Proletariat nicht als selbständige Kraft auftritt, vollkommen im Schlepptau der Bourgeoisie. So steht das deutsche Kleinbürgertum heute bestenfalls im Schlepptau Thyssens oder des mit Stalin verbündeten angloamerikanischen Kapitals, und die von der "IKD" vorgeschlagene Unterordnung unter eben die­ses Kleinbürgertum ist die Unterordnung unter das Weltkapital. Unterordnung unter das deutsche Kleinbürgertum und Unterordnung unter das amerikanische Kleinbürgertum, Einordnung in den "Kir­chenkampf" und Einordnung in die Bewegung für "Gewerkschaftskontrolle" des Imperialismus - es ist eine Politik. Eine Politik des Rechtsopportunismus.
In NEW YORK hat die "IKD" diesen Kurs geradlinig fortgesetzt und entwickelt und im Schein der neuen Ereignisse immer mehr entpuppt.
Im Organ der "IKD","Unser Wort", schreibt z.B. -au- Juni 1941: "Hitler hat fast ganz Europa erobert, aber er hat damit gleich­zeitig alle Klassen aller unterdrückten Völker gegen sich ver­einigt. Die kommende geschichtliche Periode ist somit kaum die der Herrschaft des deutschen Faschismus! Das faschistische Europa muß sich in die Arena nationaler Revolutionen verwan­deln, die ihrerseits in eine sozialistische europäische Föde­ration münden werden."
Haller, den wir aus unserer Organisation ausschließen mußten, weil er die Inlandsorganisation, ohne selbst irgendwie gefährdet zu sein, feige und selbst ohne Verständigung im Stich ließ und durch eine Reihe von Handlungen in große Gefahr brachte, und der auch im Ausland alle unsere politischen und org(anisations)politischen Prinzipien bekämpfte und der, nachdem er im Ausland ein zweitesmal von uns ausgeschlossen wurde, von der "IKD" aufgenommen wurde und seither einer ihrer Propagandisten ist, erklärt in demselben Juni 1941 wortwörtlich in einer "IKD"-Gruppe in NY:
"Ob das Proletariat in den besetzten Ländern so weit zurück­geworfen ist, daß es keine unabhängige proletarische Bewegung geben kann, kann ich nicht beurteilen; das ist größtenteils eine Frage der Information."
Was bedeutet diese Auffassung der "IKD", die hier durch zwei Zitate gezeigt wird?
l. "Alle" Klassen der von "Hitler" (Alle Opportunisten setzen immer statt dem deutschen Imperialismus "Hitler" und verwischen damit, daß "Hitler" nur EIN Vertreter des deutschen Imperialismus ist, daß nicht dieser eine Mann, sondern eine Klasse Kriege führt, Länder besetzt usw. Es handelt sich hier um keine bloße sprachliche Oberflächlichkeit, sondern um eine opportunistische Politik. Die Opportunisten kämpfen bloß für die Beseitigung "Hitlers", um wieder ihr Werk von 1918-1933-1941 fortsetzen zu können. Wir kämpfen für die Beseitigung des deutschen und des internationalen Kapitalismus.) eroberten Länder sind "unterdrückt". Also zwingt sich das Bündnis mit der "natio­nalen" Bourgeoisie des besetzten Landes schon von selbst auf. In Wirklichkeit wurde die "nationale" Bourgeoisie der besetzten Länder nicht enteignet und wird nur insofern unterdrückt, als sie gemeinsame Sache mit dem gegnerischen imperialistischen Block macht. Das Bündnis mit dieser Bourgeoisie ist gleichbedeutend mit dem Pakt mit Roosevelt und Churchill. Diesen Pakt propa­gieren die rechtsopportunistischen Trotzkisten seit Jahr und Tag. Darum haben wir zwischen ihnen und uns einen dicken Strich gezogen. Ihrem über die sozialimperialistische Kleinbourgeoisie laufenden Pakt mit der imperialistischen Großbourgeoisie setzen wir entgegen das Bündnis des revolutionären Proletariats mit den Proletariern aller Länder und mit den Mittelklassen gegen die "eigene" und "fremde" Bourgeoisie, gegen die "eigenen" Chauvinisten, das Bündnis des revolutionären Proletariats der besetzten Länder mit den Proletariersoldaten der Okkupations­armee gegen die "eigenen" Bourgeois, Chauvinisten und Refor­misten und die mit ihnen verbündeten Okkupationsbehörden.
2. Haller, der uns vor dem Krieg eine revolutionäre Situation in Deutschland einreden wollte und in einer Arbeit, die er "Was tun" betitelte, uns vorschlug, in Deutschland Flugzettelpropaganda zu treiben, ist so gnädig, eine unabhängige prole­tarische Bewegung in Europa für möglich zu halten. Für ihn ist das aber nicht eine Frage der historischen Epoche, der Strate­gie und der Gesamteinschätzung, sondern "eine Frage ... der Information.“ So drückt man sich am besten um alle Entschei­dungen und watet immer tiefer im Sumpf des Opportunismus und "Empirismus".
3. "Nationale Revolutionen" im imperialistischen Europa werden von der "IKD" für möglich gehalten und propagiert. Um mit der "IKD" zu diskutieren, muß man immer mehr das ganze Arse­nal des Marxismus-Leninismus in Bewegung setzen, denn es gibt keinen marxistisch-leninistischen Grundsatz mehr, der von der "IKD" nicht angezweifelt oder preisgegeben würde. Wir erinnern an die umfangreiche Diskussion, die wir vor dem Krieg mit "BUCHAR", einem tschechischen Trotzkisten hatten.
Buchar, einer der Mitarbeiter von "UW", propagierte schon vor dem Krieg als tschechischer Trotzkist den heiligen "nationalen" Krieg gegen die Boches. Seither haben in aller Herren Länder zahllose Buchars diese chauvinistischen Losungen und all das unter dem Ban­ner Lenins und der Permanenten Revolution. Wir erwidern heute das, was wir schon vor dem Krieg Buchar und seiner Gruppe (in zwei Broschüren) sagten, auch der "IKD":
Im imperialistischen Europa gibt es keine „nationalen“ Bourgeoisien mehr, die eine ähnliche Rolle wie in der vorimperialistischen Epoche, wie im vorigen Jahrhundert, spielen könnten; es gibt in Europa nur imperialistische Bourgeoisien, eingeschaltet in imperialistische Weltblocks und Weltfronten.

Die Besetzung eines imperialistischen Landes macht aus dessen konterrevolutionärer imperialistischer Bourgeoisie keineswegs eine "revolutionäre" oder "liberale"; sie bleibt immer eine imperialistische, reaktionäre Bourgeoisie, der Hauptfeind. Die Besetzung eines imperialistischen Landes durch eine "auslän­dische" imperialistische Armee, eine in dieser Epoche immer wie­derkehrende wechselvolle KriegsEPISODE ändert nicht den Charak­ter der EPOCHE und kann daher nicht die STRATEGIE des proletari­schen Klassenkampfes verändern: Hauptfeind und Bundesgenossen bleiben die gleichen.
Im Gegenteil, die beiden Klassenfronten werden verstärkt: zur Bourgeoisie des besetzten Landes gesellen sich sichtbar die impe­rialistischen Klassengenossen der Besatzungsmacht, die Ausbeuter und Kriegsherren, die bei jeder proletarischen Regung zum bewaff­neten Schutz der "nationalen" Bourgeoisie bereit sind; zum Pro­letariat des besetzten Landes aber gesellen sich die proletari­schen Bundesgenossen, die Arbeiter-Soldatenmassen der Besatzungsarmee, die kriegsmüden Klassenbrüder im Waffenrock, diesmal im Reichswehrrock, die bei der ersten Gelegenheit mit der proleta­rischen Revolution sein werden (nicht mit der "nationalen1') und die für diese internationale und proletarische Revolution, die überall begonnen werden muß, gewonnen werden müssen.
Hier ist also der Schützengraben, der uns von allen Opportunisten und auch von der "IKD" trennt: s i e sind schon vor dem Krieg für das Bündnis mit der „eigenen“ Bourgeoisie, gegen den revolutionären Defaitismus gewesen; s i e sind nach Kriegsausbruch auch formell und unverhüllt für diese Politik der Klassenzusammenarbeit und Klassenversöhnung. Alle unsere Anklage aus der Vor­kriegszeit waren weder "Verleumdungen" noch "Hellseherei", son­dern nur allzu berechtigt und fundiert. S i e sind im Fall einer imp(erialistischen) Besetzung für die Schließung der Klassenfront im besetzten Land; Pakt mit den "armen", "unterdrückten" Bour­geois gegen "Hitler", das heißt gegen die graue Arbeitersoldatenmasse der Besatzungsarmee. Der zwiespältige Klassencharakter in der sozialen Zusammensetzung jeder kapitalistischen Armee wird ignoriert. W i r aber waren immer revolutionäre Defaitisten unter kapitalistischer Herrschaft und wir bleiben revolutionäre Defai­tisten im imp(erialististischen Krieg und bei imp(erialistischer) Besetzung erst recht. W i r sind im Fall der Besetzung „unseres“ Landes immer für den nationalen Verrat und für die die internationale Revolution des Proletariats, für die Ausnützung der Schwierig­keiten "unserer" geschlagenen Bourgeoisie, für den Dolchstoß von hinten, bevor "unsere" Bourgeoisie wieder erstarken kann. Für das Bündnis der streikenden und aufständischen Arbeiter der besetzten Länder mit den proletarischen Besatzungssoldaten gegen die "eige­ne" Bourgeoisie und die sich auf ihre Seite stellenden ausländi­schen Generäle, Offiziere und Soldaten.
Die „IKD“ ist also für die Aufreißung der „nationalen“ Fronten und für ''nationale" "Revolutionen"; mit allen Sektionen und Splittern der großen opportunistischen Arbeiterorganisationen schürt sie den nationalen Haß und hetzt die Arbeiter aller Länder gegeneinander. Damit dient sie den Kapitalisten. Wir sind für die Schließung dieser Fronten, die unsere Gegner sich aufzureißen be­mühen, und für die Aufreißung der Klassen fronten, die sich unsere Gegner zu schließen bemühen; wir schüren den Klassenkampf gegen den Bündnispartner der „IKD" und aller Opportunisten, und unser Schlachtruf ist und bleibt:
"Proletarier aller Länder vereinigt euch!".

4. VON DER NEUEN LINKSOPPOSITION IN DER "IKD" ZUR RKD

Wie sehr haben sich doch alle unsere Arbeiten und Resolutionen aus der Vorkriegszeit, insbesondere die beiden Resolutionen über die "IKD" und die "Programmatische Resolution" zur RKD bestätigt. Dort bezeichneten wir die "IKD" als am rechten Flügel der trotzkistischen Bewegung stehend. Tatsächlich hat die "IKD" nicht nur alle linken Elemente vertrieben, sondern sich auch für die Aus­stoßung der Linken aus POI, PSR usw. aktiv eingesetzt. Allerdings wurde die "IKD" noch von ihrem Freund und Gönner Rous übertrof­fen; dieser französische Trotzkistenführer ging zur Idee einer französischen “nationalen“ Revolution über, hatte aber zum Unterschied von den Philosophen der "IKD" die Ehrlichkeit und den Mut einzusehen, daß er damit dem Marxismus Adieu sagte und so ging Rous gleich zum Faschismus über. An solchen "Zufällen“ ist die "IKD" verhindert. Aber - ist es nicht Hitler, so ist es Roosevelt.
Die SWP, die opportunistische Musterpartei des Trotzkismus, steht heute "links" von der "IKD", und diese muß sich von der SWP vor­werfen lassen, daß sie an die proletarischen Klassenkräfte zu wenig glaube. Wo steht also heute bereits die "IKD", wenn sie von der SWP solche "Vorwürfe" zu hören bekommt, wenn sie sich von seiten der SWP eine solche "Kritik" gefallen lassen muß!
Die Parteiauffassung der "IKD" ist im Vergleich zu der der übri­gen Sektionen scheinrevolutionär, scheinleninistisch. Wir werden uns mit den Parteithesen der "IKD" speziell auseinandersetzen. Wir wollen hier nur festhalten, daß die "IKD" selbst gegen die richtigen Teile dessen, was sie auf das bekanntlich geduldige Pa­pier schrieb, fortgesetzt handelte und handelt: sie ist aktiv mitbeteiligt an allen Eintritten (Selbstauflösungen der proletari­schen Gruppe oder Partei) in Frankreich und Belgien, sie billigte und rechtfertigte diese Liquidationspolitik in allen andern Ländern, sie trägt die volle Verantwortung für all den trotzkistischen Zentrismus in der Parteifrage (einschließlich des putschi­stisch-opportunistischen "Proklamierens" der "Vierten"). Gewiß, zu einem Eintritt in eine deutsche Sozialdemokratie war sie verhindert. Aber selbst wenn sie nicht zentristische, sondern marxi­stische Parteithesen geschrieben hätte, selbst wenn sie in der Praxis der Selbstauflösungen und "Proklamierungen" nicht äußerst aktiv mitgetan, sondern wenigstens protestiert hätte, dieser Pro­test wäre angesichts der Gesamtpolitik der "IKD" recht bedeutungs­los gewesen, denn da die "IKD" in allen strategischen Fragen eine rechtsopportunistische Haltung einnahm, und da alle strategischen Fragen miteinander in unlösbarem Zusammenhang stehen, konnte es in der Parteifrage nicht anders sein.
Kein Wunder, daß sich in der "IKD" eine neue Linksopposition herausbildet. Wir veröffentlichen umseitig ein linksoppositio­nelles Dokument (eine Art „Offenen Brief“), den wir anschließend und abschließend kritisieren werden.

August 1941
W(erte) G(enossen)! Wir alle wissen, daß sich der allgemeine Zu­stand unserer Organisation in den letzten Jahren sehr verschlech­tert hat, und daß wir uns weder unseren politischen noch unseren organisatorischen Aufgaben gewachsen gezeigt haben. Die wenigen Exemplare des Organs unserer "Socialist Workers Party", die zu uns kamen, zeigten ein erschreckendes Bild. Die augenblickliche Haltung unserer amerikanischen Genossen läßt vermuten, daß sie im Ernstfalle, beim Kriegseintritt Amerikas, möglicher­weise mehr oder weniger zu Vaterlandsverteidigern werden. In Frankreich ist Rous, in Belgien Dauge zu den Faschisten übergelaufen. Man war nicht imstande uns deutsche Emigranten rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. Unsere internationalen Verbindungen sind abgerissen, unser Internationales Sekretariat und die Genossen unserer Gruppe in Amerika lassen uns ohne jede politische Information. Der Druck der Reaktion, der auf uns lastet, wird verschlimmert durch die Unfähigkeit unserer Organisation.
Doch das alles kommt für uns nicht überraschend. Viele unter uns waren ja bereits vor Jahren der Auffassung, daß der Tod des "Alten" einen Zerfall unserer internationalen Organisation mit sich bringen würde. Wir dürfen uns aber an dem ferneren Niedergang unserer Organisation nicht m i t s c h u1 d i g machen und müssen deshalb w e n i g st e n s zu den w ich t i g s t e n Fragen unsere Meinung sagen. Allerdings müßte man meines Erachtens eine ganze Reihe von Problemen diskutieren und unsere Stellungnahme vielleicht modifizieren, so z.B. die Frage, ob eine Selbständigkeit unserer Organisation statt des Verbleibens als oppositionelle Gruppe in der III. Internationale nicht schon viel früher als 1953 erforderlich gewesen wäre.
Wir haben uns selbst stolz als die theoretisch stärkste Sektion unserer Weltorganisation bezeichnet. Noblesse oblige. Wir dürfen uns heute, noch dazu angesichts kommender Möglichkeiten, nicht vor offener Selbstkritik und notwendiger Revision scheuen, auch wenn damit seinerzeitigen Kritikern heute Recht gegeben wird. Daß im Gegensatz zu unseren anderen Gruppen die meisten von uns noch heute in Bezug auf den Krieg auf dem konsequenten marxistischen Standpunkt stehen, zeugt für die ideologische Festigkeit unserer Gruppe. Wir sind wenige, aber wir müssen unsere Stimmen unseren Genossen in der Welt zugänglich machen.
Ich beantrage deshalb, daß wir unserem Internationalen Sekretariat einen
0 P F E N E N B R I E F
schreiben, der in "Unser Wort" abgedruckt werden soll und schlage dazu folgenden Text vor:

I.

Die Internationalen Kommunisten Deutschlands sind der Auffassung, daß es sich bei allen in den jetzigen zweiten Weltkrieg verwickelten oder sich auf den Eintritt in ihn vorbereitenden Ländern um imperialistische oder von solchen anhängige Mächte handelt, und daß daher der Feind für das Proletariat dieser Länder die eigene Bourgeoisie ist, auch dann, wenn diese sich vorübergehend mit der Sowjetunion verbündet. Auch in Bezug auf den Krieg, den, die Sow­jetunion gegen die Imperialisten führt, nehmen wir unseren alten, den Standpunkt Leo Trotzkis ein:
Für die Verteidigung der Oktoberrevolution!
Für den Sieg der Roten Armee!
Für den revolutionären Sturz Stalins!
Für die Umwandlung des mit rein bürgerlichen Mitteln geführten bürokratisch-nationalistischen Krieges in einen proletarischen revolutionären Krieg!

II.

Wir verurteilen die Haltung unserer amerikanischen Sektion, die angesichts des drohenden offenen Kriegseintritts der Vereinigten Staaten die Einschreibung in die Militärdienstlisten unter den Massen propagiert. Wir halten diese sogenannte Politik des "Konskriptionalismus" für einen Liebesdienst gegenüber der amerika­nischen Bourgeoisie. Ebenso verurteilen wir das Eintreten unserer amerikanischen Sektion für die militärische Ausbildung "unter Kontrolle der Gewerkschaften''. Wir halten diese Forderung für unmarxistisch und utopisch.
Die amerikanische Bourgeoisie wird sich niemals die Kontrolle über ihre Armee auf friedlichem Wege entreißen lassen. Die impe­rialistische Militärmaschine dient der kapitalistischen Klasse nicht nur als Waffe gegen die konkurrierenden Kapitalisten eines anderen Landes, sondern ebenso als Unterdrückungsapparat gegen das eigene Proletariat. Anstatt unter dem amerikanischen Proleta­riat revolutionär-defaitistische Parolen zu verbreiten, trotten unsere amerikanischen Genossen hinter den Massen her, indem sie sich darauf berufen, daß sich diese aus eigener Initiative in großer Zahl in die Dienstlisten eingetragen haben und man eben „mit den Massen gehen“ müsse; dann sagen sie den Arbeitern: "Ihr müßt Soldaten sein und in der Armee für -Reformen kämpfen, bis ihr die Kommandoposten besetzen könnt, genauso wie ihr in den kapitalistischen Betrieben Arbeiter seid und für Verbesserungen kämpft, bis die Betriebe Euch gehören", und verbreiten so die verbrecheri­sche Illusion über den Charakter der imperialistischen Armee.
Wir legen entschiedene Verwahrung dagegen ein, daß unsere ameri­kanische Sektion ihre Politik für Trotzkismus ausgibt und ver­weisen nur auf folgendes Zitat von Trotzki:
"Die HUMANITE schreibt: die französische Regierung wird 'unter der Kontrolle der französischen Arbeiter' stehen. Aber das ist eine hohle Phrase erbärmlicher Demagogen. Wo und wann hat ein unterdrücktes Proletariat die Außenpolitik der Bourgeoisie und die Taten ihrer Armee 'kontrolliert'? Wie kann es das, wo doch alle Macht in Händen der Bourgeoisie ist? Um die Armee zu führen, heißt es die Bourgeoisie stürzen und die Macht erobern. Einen anderen Weg gibt es nicht. Wenn eine Partei des Prole­tariats erklärt, im Kriegsfalle gedenke sie ihren natio­nalen Militarismus zu 'kontrollieren' (d.h. zu unter­stützen) und nicht ihn zu stürzen, so wird sie damit zum Haustier des Kapitals. Eine solche Partei zu fürchten, ist gar kein Grund: das ist kein revolutionärer Tiger, sondern ein zahmer Esel." ("Unser Wort", Juli 1935)

Wir schlagen unserer internationalen Organisation eine öffent­liche Diskussion über die Politik der amerikanischen Sektion vor, mit dem Ziele, die Mehrheit unserer amerikanischen Genossen für eine revolutionär-defaitistische Orientierung gegenüber dem im­perialistischen Kriege zu gewinnen und mit den bei ihrer jetzigen Haltung verharrenden Genossen organisatorisch zu brechen.

III.

Unsere internationale Organisation ist verpflichtet, die Ursachen aufzusuchen, die es unserer größten Sektion ermöglichten, von unserer politischen Linie abzuschwenken.
Die Fehlerquellen liegen sicher zu einem Teile in der sozialen Zusammensetzung unserer amerikanischen Organisation, zum anderen Teil muß sie aber in u n s e r e r politischen Vergangenheit s e l b s t liegen. Unsere Taktik in Bezug auf den zukünftigen Krieg haben wir seinerzeit in unseren "Kriegsthesen" festgelegt. Daß heute aus diesem e i n e n Programm zwei völlig von einan­der verschiedene Auffassungen hergeleitet werden können, nämlich die sich dem Sozialimperialismus annähernde der Socialist Workers Party und unsere revolutionär-defaitistische zeigt, daß der Wort­laut dieses Programms n i c h t e x a k t g e n u g gewesen sein kann, sondern Unklarheiten enthalten haben muß, die den in jeder größeren Organisation vorhandenen kleinbürgerlichen Tenden­zen zur Entstellung der marxistischen Linie Spielraum boten.
Wir sind deshalb heute zu der Auffassung gekommen, daß es f a l s c h war, in unseren Kriegsthesen die Leninsche Parole von der N i e d e r l a g e d e r e i g e n e n B o u r g e o i s i e nicht wörtlich aufzunehmen, sondern daß es vielmehr erforderlich ist, sie ausdrücklich herauszustellen. Wir sind ferner der Auffassung, daß es zu Mißdeutungen des Klassenkampfes Anlaß geben kann, und, den gemachten Erfahrungen nach, geben wird, daß wir in unseren Kriegsthesen von der "p o l i t i s c h e n O p p o s i t i o n" des Proletariats gegen seine Bourgeoisie in einem mit der Sowjetunion verbündeten Lande sprechen und zi­tieren in diesem Zusammenhang folgende Worte Lenins gegen Kautsky:
"Es würde Ihnen nicht schaden zu wissen, daß 'Opposition' ein Begriff aus dem friedlichen und nurparlamentarischen Kampf, d.h. ein Begriff ist, der einer nichtrevolutio­nären Situation entspricht, ein Begriff, der dem F e h l e n d e r R e v o l u t i o n (von Lenin gesperrt) entspricht."
Wir beantragen deshalb eine Abänderung unserer Kriegsthesen.

IV.

Unseres Erachtens ist aber nicht nur ein programmatischer Fehler, wie der eben angeführte, sondern auch ein Fehler in unserer ver­gangenen praktischen Politik Schuld an der heutigen Rechtsent­wicklung eines Teiles und an dem jetzigen argen Zustand unserer Gesamtorganisation, nämlich das Abgehen von dem Leninschen Prinzip der S e l b s t ä n d i g k e i t d e r r e v o l u t i o n ä r e n O r g a n i s a t i o n und der g e s c h l o s s e n e, nicht individuelle zum Zweck der Fraktionsarbeit, E i n t r i t t in rechts t r i t t in rechts von uns stehende Massenorganisationen, den Teile unserer internationalen Organisation in den letzten Vor­kriegsjahren vorgenommen haben.
Die seinerzeitige Voraussetzung dieser Eintritte war im wesent­lichen die Annahme, daß die Organisationen, in die eingetreten wurde, sich binnen kurzem stark nach links entwickeln würden. Die­se Annahme hat sich als falsch erwiesen. Was ist aus der jämmerli­chen Volksfront geworden, an die wir den Anschluß nicht verpassen wollten? Zusammen mit ihr haben wir uns vor den Massen kompromit­tiert! Nach ihrem Austritt aus der SFIO trat unsere französische Sektion in mehren Etappen in die Parti Socialiste Ouvriers et Paysans ein, mit der offen ausgesprochenen Hoffnung, diese zentristische Organisation gesunden zu können: die PSOP aber steht heute bei Churchill und De Gaulle. Was war überall der-praktische Erfolg der Eintritte für unsere Organisation? Einen Teil unserer Kader haben wir ins ultralinke Fahrwasser oder in die Passivität gestoßen; wir haben eine geringe Zahl von Leuten gewonnen, die heute größtenteils "anglophil" oder zu den Faschisten über­gelaufen sind; ein großer Teil unserer Organisation ist selbst vom Rechtsopportunismus angesteckt worden.
Wir alle haben es bisher noch versäumt, n a c h den mit den Eintritten gemachten Erfahrungen zu untersuchen, ob die seiner­zeitigen Vorraussetzungen stimmten.
Wir fordern nun unsere internationale Organisation auf, in öffentlicher Diskussion das Fazit aus der Politik der Eintritte zu ziehen und sie für einen Fehler zu erklären.

V.

Ausgehend davon, daß unsere internationale Organisation
1. den Ausbruch des jetzigen zweiten Weltkrieges nicht verhindern konnte;
2. weder bei Beginn des zweiten Weltkrieges noch bei dem in des­sen Verlauf erfolgten imperialistischen Überfalls auf die Sow­jetunion einen fühlbaren Druck auf die internationale Bourgeoi­sie auszuüben imstande war;
3. trotzdem sich die Kriegskatastrophe für das internationale Proletariat und die unterdrückten Kolonialmassen weiter ver­schlimmert, nirgendwo unter ihren Losungen größere Massen zum Protest versammeln konnte;
4. in keinem Lande der Welt eine starke revolutionäre Arbeiter­sektion besteht;
5. im Verlaufe dieses Krieges feststellen muß, daß sie im Rück­gang begriffen ist, da a) ihre größte Sektion die politische Orientierung verloren hat, b) ihr o r g a n i s a t o r i s c h e r Zustand mangelhaft ist, da nicht einmal die notwendigsten in­ternationalen Verbindungen aufrecht erhalten werden konnten, von der Unmöglichkeit der Abhaltung einer dringend notwendigen internationalen Konferenz ganz zu schweigen;
sie also
6. in keiner Weise die Bedingungen erfüllen kann, die an eine Arbeiterinternationale gestellt werden und sie
7. nicht länger eine gefährliche Illusion vor den Massen aufrecht­erhalten darf, schlagen wir vor, aus ihrem praktischen Versagen die Konsequenz zu ziehen, die Bezeichnung "V i e r t e I n t e r n a t i o n a l e" abzulegen, die alten Kader im Geiste Leo Trotzkis orga­nisatorisch zu festigen, politisch richtig zu orientieren und neue Kader aufzubauen und zu schulen.

oooooo KRITISCHE BEMERKUNGEN ZU DIESEM DOKUMENT

1. Dieses Dokument ist im Vergleich zu der "IKD"-Position ein ge­waltiger Fortschritt und bricht mit dem "IKD"-Opportunismus. Zugleich werden alle wesentlichen unmittelbaren Ursachen der Entartung der Trotzkiorganisation angeführt und kurz gewertet. Doch wird dieser Bruch mit dem "IKD"-Opportunismus nicht offen ausgesprochen und vor allem zwischen "IS" und "IKD", zwischen der internationalen trotzkistischen Organisation und deren deutscher Sektion eine Unterscheidung gemacht, die nicht stich­haltig ist. Die "IKD" ist für die trotzkistische Gesamtpolitik voll verantwortlich und hat diese an Opportunismus teilweise noch übertroffen.
2. Es wird keine Kritik am speziellen "IKD"-Opportunismus geübt, weder am Kirchenkampfopportunismus noch an den Theorien Johres über die "modernen Staaten" usw. Eine Kritik an dem Politiker Johre ist unerläßlich.
5. Der Widerhall, den dieser Brief in der "IKD" finden wird, wird beweisen, daß die "IKD" dem Opportunismus rettungslos verfallen ist. Unsere jahrelangen Erfahrungen mit der „IKD“ berechtigen uns zu dieser Voraussage. Die "IKD" ist so tief in den Sumpf geraten, daß keine Gesundung, sondern nur eine Spaltung der "IKD" zur Rettung der gesunden Elemente, zur Scheidung von Marxismus und Opportunismus führen kann.
4. Die im "Offenen Brief“-Vorschlag gebrauchten Parolen zur Ver­teidigung der SU sind 1. nicht die Parolen Trotzkis (diese sind etwas konservativer und gemäßigter) und 2. teilweise wider­spruchsvoll.
5. Es wird keine Kritik an den bekannten opportunistischen Irr­tümern Trotzkis geübt; Genosse Trotzki hat ja die im Brief an­geführten Irrtümer teilweise selbst begangen, teilweise direkt hervorgerufen, jedenfalls zum entscheidenden Teil mit seiner Autorität gedeckt und ermöglicht! Man kann nicht die SWP, die Trotzkischen Irrtümer in der Parteifrage (Eintritte, "Proklamierung" usw.) ernstlich kritisieren, ohne den Genossen Trotzki und den Trotzkismus mitzukritisieren. Diese Kritik hindert nicht, sondern verpflichtet dazu, den Unterschied und den Zusammenhang zwischen den zentristischen Irrtümern Trotzkis und der sozialchauvinistischen Entartung der heutigen "Trotzkisten" aufzuzeigen. Nur so kann man die marxistischen Leistungen LDs wirksam verteidigen.
6. Beim letzten Satz müßte hinzugefügt werden: "um die wirkliche Vierte Internationale aufzubauen."
Die "IKD" ist in der Vergangenheit so viel von linken Elementen und marxistischen Prinzipien gesäubert worden, daß sie ebenso­wenig dem Opportunismus entrissen werden kann, wie irgendeine andere opportunistische Organisation. Die linken "IKD"-Genossen in Europa und Amerika müssen mit den linken Kommunisten aller zer­fallenden und dahinsiechenden Organisationen das Banner des Mar­xismus wieder aufpflanzen und eine neue, von allen Opportunisten gereinigte Avantgarde schaffen, die wirklich imstande sein wird, die deutsche Revolution zum Sieg zu führen. Der erste Schritt dazu ist die Diskussion und Unterschreibung einer marxistischen programmatischen Basis und die Schaffung eines Aktionskomitees für die neue internationalistische und kommunistische Avantgarde des deutschen Proletariats. -st.


Folgende Broschüre zu den Revolutionären Kommunisten Deutschlands (RKD) ist bereits in der Bibliothek des Widerstandes erschienen: 'Gegen den Strom!' (Band 2)- Dokumente der Revolutionären Kommunisten Deutschlands (RKD). - V.i.S.d.P.: G. Ketter/S. Enkel Januar 2008

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