Diskussion

Leserbrief zu Lupos Leserbrief zu: "Die Befreiung der Arbeiterklasse muss das Werk der Arbeiterklasse sein"

Bereits im Revolution Times # 11 hatten wir einen ersten Diskussionsbeitrag zu diesem Thema aus rätekommunistischer Sicht („Die Befreiung der Arbeiterklasse muß das Werk der Arbeiter selbst sein!“. Hier folgen nun zwei weitere Diskussionsbeiträge: einer von „Lupo“, einem Vertreter der marxistisch-leninistischen Parteilinie und die Erwiderung aus rätekommunistischer Sicht auf diesen Beitrag. Bei dieser Diskussion geht es nicht darum, jemanden zu beleidigen oder jemandem das Recht abzusprechen sich Kommunist nennen zu können. Ebenso wollen wir keinem absprechen, daß er redlich von der Rich-tigkeit seiner Ideen überzeugt ist und für eine revolutionäre Veränderung der Verhältnis-se eintritt. Allerdings bietet eine solche Diskussion die Möglichkeit Gedanken, die sonst am Rande erwähnt werden, etwas zu vertiefen und bei dem einen oder anderen der Leser vielleicht sich einmal Gedanken über die angesprochenen Tatsachen und Auffassungen zu machen. (Weitere) Diskussionsbeiträge sind gerne willkommen!

Leserbrief zu: „Die Befreiung der Arbeiterklasse muß das Werk der Arbeiterklasse sein“

Die SPD –Führung war bis auf Karl Liebknecht und einigen weiteren Sozialdemokraten an der Bremsung des notwendigen revolutionären Prozesses beteiligt. Die opportunistische SPD-Politik des „kleineren Übels“ führte zur Bewilligung der Kriegskredite für den 1.Weltkrieg. Es gab auch viele Gegenstimmen, wovon Karl Liebknecht die bekannteste war. Später wurde aus inhaltlichen Gründen von Karl Liebknecht und weiteren ehrlichen Linken in der SPD die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) gegründet. Der Spartakus-bund dem Liebknecht, Luxemburg und weitere verdiente Menschen der Arbeiterbewegung angehörten, gründeten sich am Vorbild Lenins Bolschewiki orientierend, die KPD. Dieses war eine der größten Errungenschaften der deutsche Arbeiterbewegung der damaligen Zeit -1933 hat nicht die KPD versagt! Die KPD und vor allem Ernst Thälmann haben sich ihren Arsch aufgerissen um mit den sozialdemokratischen Klassenbrüdern die antifaschistische Einheits-front zu bilden. Die Hinhaltetaktik der SPD-Führung und der Schwindel der Eisernen Front (SPD „Kampfbund „gegen den Faschismus, der allerdings außerhalb der Sozialdemokratie nie in Erscheinung trat und offensichtlich dazu diente, Mitglieder der SPD vom Eintritt in den Roten Frontkämpferbund abzuhalten!) führten zum bewußten Verrat an der Arbeiterklasse sowie am Scheitern der Bemühungen der Kommunisten, Faschismus und Krieg zu verhindern. Die SPD-Führung paktierte, ganz im Gegensatz zur Mitgliedschaft, lieber mit der Bourgeoisie! Der Großteil der Mitglieder war aber für die antifaschistische Einheitsfront und bereit auf den Vorschlag Ernst Thälmanns einzugehen! Dieses belegen viele Schriften der SPD, KPD und Gewerkschaften der damaligen Zeit. (Literaturtip: Achtbändige Ausgabe der „Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“ und „Ernst Thälmann- eine Biographie“). Und keine politische Kraft hat mehr Opfer und Erfolge im Widerstand ´33 - ´45 gebracht als die Kommunisten der Roten Hilfe und der KPD!

An den Kommunistischen Parteien nach ´45 war bis zum 20. Parteitag der KPdSU 1956 kaum was auszusetzen! Aber die KPD, später die DKP, PCI (Italien), PCE (Spanien) PCC (Kuba) usw. hatten und haben auch heute meiner Meinung nach den richtigen politischen Kurs. In Italien wurde der Sozialdemokratisierung der PCI vor einigen Jahren die Gründung der Riffon-dazione Comunista entgegengesetzt. Die reformistische KPF nahm ihre auch heute noch reformistischen Kurs schon in den 60er Jahren an. Dieses führte und führt auch heute zu inhaltlichen Streitigkeiten mit anderen kommunistischen Parteien. Auch die DKP kritisiert die KPF regelmäßig. Zuletzt wegen des Fortführens der Regierungsbeteiligung in Frankreich währen des NATO - Angriffskrieges gegen Jugoslawien.

Außerparlamentarische Organisation, was als Selbstaktion der Arbeiterklasse im Artikel benannt wird, stellen keinen Widerspruch zu einer kommunistischen Partei dar. Früher wie heute hat die KPD und die DKP (um in Deutschland zu bleiben) sich aktiv und vielerorts führend in Friedensbewegungen, Arbeitslosenbewegungen, sozialen Bewegungen und an Kämpfen jeglicher Art und Antifaschismus verdient gemacht! Also wirklich sehr „konterrevolutionär“! Wenn man Engels „Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft“, Lenins „Was tun?“ und „ Staat und Revolution“ gelesen hätte, wüßte man daß der Staat das politische Machtinstrument der herrschenden Klasse ist und es im Sozialismus die Macht der Werktätigen ist. Das war auch in der UdSSR, DDR und heute in Kuba so! Denn wem gehören die Betriebe, Bildungs- und Kultureinrichtun-gen ? Doch wohl dem Volk! Wem kommt denn der erwirtschaftete Mehrwert zugute in Form von kostenloser medizinischer Versorgung, Bildung, Sozialleistungen etc. Doch auch dem Volk!

Auch im Sozialismus geht der Klassenkampf gegen die unterdrückte Bourgeoisie und die offene und verdeckte Konterrevolution weiter. Das war 1953 in Berlin sowie 1968 in Prag so. Im Jahr 1953 war ja bekanntlich der sogenannte „Arbeiteraufstand“ von Ost-SPDlern (Anhänger Kurt Schumachers, die gegen die Vereinigung der SPD und KPD zur SED waren - eine Minderheit innerhalb der damaligen SPD), westlichen Geheimdienstlern und Rechten jeglicher Coleur. Empfehlenswert ist Stefan Heyms „5 Tage im Juni“. Die Niederschlagung der offenen Konterrevolution war Pflicht jedes klassenbewußten Arbeiters und Revolutionär! Die Mehrheit der Arbeiterklasse hatte diesen „Aufstand“ nach Rücknahme der Arbeitsnormerhöhung durch die SED eine Woche vorher, auch nicht mitgetragen. Es ist auch kein Geheimnis, daß die in Ostberlin Demonstrierenden zu fast 80% Westberliner waren und viele der von Volkspolizei Verhafteten US-,GB- und F- Bürger waren. Also die westlichen Besatzer in zivil! Gegen diese Angehörigen der westlichen Streitkräfte wurden 327 Verfahren eingeleitet. Soviel zur Legende „Arbeiteraufstand“. Über Prag schreibe ich nichts weil ich den Leserbrief kurz halten möchte.

Eine kommunistische Partei ist notwendig für die Arbeiterbewegung, denn sie hat die Aufgabe das Proletariat zum Sieg zu führen, im marxistisch - leninistischen Sinne zu bilden und sich an den progressiven sozialen Abwehrkämpfen zu beteiligen. Alle Forderungen nach Organisationslosigkeit, Parteilosigkeit sowie sofortiger Staatslosigkeit sind Zeichen marxistischer Wissensdefizite und revolutionärer Ungeduld. Zu diesem Thema gibt’s ein sehr gutes Buch von Wolfgang Harich „Kritik der revolutionären Ungeduld“ . Auch die Niederschlagung des Kronstädter Aufstands war richtig, da viele Dokumente die Zusammenarbeit mit Weißgardisten (Zarenanhänger) belegen. Lenin sah nicht das Proletariat als Manövriermasse. Diese Lüge entlarvt sich von selbst in Anbetracht der rußlandweiten Alphabetisierungskampagnen (über 90% der Bevölkerung waren Analphabeten), rußlandweiten Bildungszentren für Marxismus sowie Vorträge über Marxismus in fast jedem Dorf, verbunden mit der Aufforderung sich der Bolschewiki anzuschließen. Richtig ist, daß viele der alten Kapitalisten wieder im „Chefsessel“ der Betriebe saßen. Jedoch unterstanden diese der Kontrolle der Partei und des Betriebsrates. Dies geschah auch nicht aus Mitleid mit den Kapitalisten, sondern aus der Notwendigkeit heraus, sich ihres Wissens zu bedienen. Wer hatte denn sonst das nötige Wissen über Buchführung etc.? Immerhin konnten die meisten ja nicht mal Lesen und Schreiben. Man darf nicht übersehen das Rußland vorher ein rückständiger Feudalstaat war! Außerdem erhielt jeder Chef den durchschnittlichen Lohn eines normalen Facharbeiters.

Da die Betriebe und der damit erschaffene Mehrwert in der Hand des Volkes waren, ist es ein Widerspruch gegen sich selbst zu streiken. Bekanntlich haben nach der Revolution der Bolschewiki 27 imperialistische Länder die Sowjetunion angegriffen. Ein Streik und damit die Schwächung der Produktion und Versorgung ist Verrat und wurde auch zum Glück dementsprechend bestraft!

Lenin schwärmte nicht für den deutschen „Staatskapitalismus“ (Flick, Krupp usw. waren der Staat und es gab keine innerstaatliche Konkurrenz?!!) sondern von der deutschen Infrastruktur!

Selbst die Tatsache, daß es in der UdSSR und der DDR Lohnarbeit gab ist nicht konterrevolutionär. Entscheidend ist der Charakter der Lohnarbeit! Wer erhält den Mehrwert und wem gehören die Produktivkräfte? Beteiligt sich das Land an der internationalen Börsenspekulation ? Das sind die entscheidenden Fragestellungen, nach denen man die Lage betrachten muß. Im real existierenden Sozialismus war der Lohn zur Entlohnung der Werktätigen für ihre Leistun-gen bestimmt. Das Lohnsystem hatte keinen Ausbeutungscharakter, da die Betriebe volkseigen waren und der Mehrwert dem Volke zugute kam! Der Lohn war nur Leistungsmesser!

Fazit: Leider ist der Artikel, mit Ausnahme von 4 Sätzen, der Überschrift und des letzten Absatzes, eine Ansammlung von Halbwahrheiten und ideologischer Defizite! Was aber nicht heißen will das ich an den ehrlichen Absichten des Autors zweifle.

„Lupo“, Parteikommunist
(aus Revolution Times # 12)

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