Auschwitz als Alibi
Kritik des bürgerlichen Antifaschismus
**Die traditionelle "reformistische" Linke** Wir beschäftigen uns hier stellvertretend mit einigen linken Gruppen der BRD, deren Politik den politischen Bankrott eines Teils der Linken dokumentieren (Ausnahmen bestätigen nur die Regel!). Die grösste "linke" (was wir von der Aussagekraft des Begriffes "links" halten, haben wir an anderer Stelle weiter ausgeführt) Kraft in diesem Lande gab sich in der Debatte betont staatstragend und opportunistisch. In einer Rede vor dem Bundestag erklärte der Fraktionsvorsitzende der "demokratischen Sozialisten" u.a.: "Es ist ein Zusammengehen aller Demokratinnen und Demokraten in diesem Kampf gegen den Rechtsextremismus verlangt.", "Wir brauchen in diesem Land einen gewinnenden, keinen ausgrenzenden Antifaschismus." und "Ich will mit der Bundesregierung den Rechtsextremismus und nicht mittels des Themas Rechtsextremismus die Bundesregierung bekämpfen." Es geht dem Fraktionsvorsitzenden der PDS also um den "Konsens der Demokraten". Damit befindet sich die PDS gar nicht so weit vom politischen Horizont der im Dunstkreis der DKP dahindümpelnden VVN, welche - wie die DKP - bereits in den 80ern einen "antifaschistischen Konsens" aller "Demokraten" ausgemacht hatte. Zugleich hatte die PDS im Spätsommer "überparteiliche Bündnisse gegen Rechts" gefordert. Von diesen Kräften wird der "Antifaschismus" als "einzige konsensfähige Lehre aus der deutschen Geschichte" angesehen.
Die Grünen haben es der PDS vorgemacht und diese hat schnell gelernt und nach dem Abtritt der alten, verbrauchten und gescheiterten Führung um Bisky und Gysi ist nun eine neue Riege um Gabi Zimmer und Roland Claus angetreten, um Positionen zu verankern, die noch vor Jahren in der PDS undenkbar gewesen wären. Ihre Regierungsfähigkeit unterstreichend, beteiligte sich die PDS an der Debatte um die "Regulierung" der Zuwanderung. Petra Pau glänzte durch Verlautbarungen, die aus dem Munde von Unionspolitikern stammen könnten. So forderte sie allen Ernstes ein beschränktes Bleiberecht. Wenn der Zuwanderer sich innerhalb eines Jahres eine Existenz aufgebaut habe, könne er bleiben, ansonsten müsse er Deutschland den Rücken kehren. Zitat: "Wer hierherkommt, zum Beispiel um sich Arbeit zu suchen, soll eine faire Chance haben. Klappt es nicht, kann er wieder dorthin gehen, wo er bislang seinen Lebensmittelpunkt hatte." (so Petra Pau in der "Berliner Zeitung") Der PDS-Fraktionsvorsitzende Roland Claus äusserte in ähnlicher Art gegenüber der "Leipziger Volkszeitung": "Wir müssen Anfang und Ende des Zuwanderungsprozesses festlegen. (...) Es wäre für die PDS und für die gesamte Linke leichtsinnig zu sagen, wir ignorieren einfach die Bürgerängste." Diese Äusserungen passen sehr gut zu der Realpolitik der PDS in Mecklenburg-Vorpommern oder in Sachsen-Anhalt. Dort zeigt die PDS, die sich als Regierungspartei (auf Bundesebene) im Wartestand sieht, schon mal auf Länderebene, was sie unter "sozialer" Politik versteht. Sie lässt es sich nicht nehmen genau die Politik der "Sachzwänge" und des Sozialabbaus durchzusetzen, gegen welche sie jahrelang im Bundestag gewettert hatte. Die PDS strebt - wie ihr grosses Vorbild: die Grünen - eine Koalition mit der SPD auf Bundesebene an und der Grossteil ihrer Funktionäre und Abgeordneten gibt ein gutes Beispiel für die Korruptheit des politischen und wirtschaftlichen Systems der BRD ab. In der Debatte um die "Regulierung" der Zuwanderung unterscheidet sich die PDS nur noch in kleinen Einzelheiten von den Positionen der anderen im Bundestag vertretenen Parteien.
Eine neue Qualität erhält der Opportunismus der PDS nun durch die Thematisierung der "nationalen Frage" und "nationalen Identität" durch die neue Parteivorsitzende Gabi Zimmer, die auf dem PDS-Parteitag lauthals verkündete: "Ich liebe Deutschland.". Dieser nationalistische Umschwung (ähnliche Positionen wurden von der Dresdnerin Christine Ostrowski schon längere Zeit vertreten; im "Neuen Deutschland" gab es eine Debatte um das Verhältnis der Linken zur Nation, an der sich auch Nazis aus dem Spektrum der Nazi-Zeitung "Wir selbst" beteiligten) ist nur zu verstehen vor der staatlichen Antifa-Kampagne und dem reaktionären Herbst. Die neue "Rolle" und "Verantwortung" Deutschlands fordert ihren Preis von allen, die ihren Platz im Establishment behalten oder ihn erlangen wollen, und für die PDS bedeutet dies die Aufgabe von unbequemen Grundsätzen zugunsten eines Opportunismus, der über kurz oder lang die PDS voll und ganz überflüssig und kompatibel mit anderen Parteien machen wird.
Im Infoblatt der PDS-Bundestagsfraktion, "Reinblick" (September/ Oktober 2000) forderte die ehemalige K-Grüpplerin Ulla Jelpke, dass es Zeit sei sich mit "gesellschaftlichen Ursachen" auseinanderzusetzen. Doch auch sie wie auch der Grossteil der PDS tun dies nicht. Ausser Strafrechtsänderungen und einem Antrag unter dem Motto "Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit" fällt der PDS auch nichts ein. So fordert die PDS in diesem Antrag u.a. "verstärkte Aufklärung", "mehr Schutz für die Opfer rechter Gewalt" und die "Förderung von Zivilcourage und antirassistischer Jugendarbeit". Die jugendpolitische Sprecherin der PDS fordert: "Jugendarbeit mit demokratischen, antirassistischen und antifaschistischen Jugendlichen und deren Initiativen muss gefördert werden."
Für die staatstragenden Gewerkschaften, welche kritiklos den NATO- Krieg unterstützten, gibt es nur noch zwei Themen: die Forderung nach mehr und neuen Arbeitsplätzen und die nach "Toleranz" und "Engagement" für "Demokratie" im Kampf gegen "rechts". Der bürokratische Sumpf hat endgültig in den Gewerkschaften gesiegt.
Die "Integration" und das Ende der "Ausgrenzung" führt ein Abgeordneter der Hamburger "Regenbogengruppe" als Mittel gegen den Rassismus an. "Gruppen", die "bedrohlich" seien oder solches Gedankengut verbreiteten, sollten verboten werden. Gegen Nazi-Aufmärsche demonstriere man. Neben Verboten sieht man als eine weitere Massnahme im "Kampf gegen rechts" die "gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft" "für alle". Dass das Problem des Rassismus eines von "schlechten" Ideen ist, macht die Forderung deutlich, dass in "unserem Erziehungs- und Bildungssystem andere Werte als Leistungsdenken und Elitegedanken" verankert werden müssten. Wie es dazu kommen soll, wird nicht aufgezeigt. Bei der "Regenbogengruppe" herrscht wie bei vielen bürgerlichen Antifaschisten die Vorstellung vor, dass zur Bewältigung dieses Problemes die ganze Gesellschaft gefordert sei. So heisst es denn auch, dass sich "alle an einen Tisch" setzen müssten, um das Thema "Antifaschismus" auf die Tagesordnung zu setzen. Handeln sei nur zusammen mit "allen gesellschaftlichen Gruppen" möglich. Von den gesellschaftlichen Verhältnissen ist nicht die Rede.
Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) fordert als einen Beitrag für eine "möglichst breite, politisch starke, wirksame antifaschistische Bewegung" Streiks und andere Aktionen zum 68. Jahrestag der Machtübertragung auf Hitler (Als wenn es keine aktuellen Anlässe für Protest und Streiks geben würde!). Dabei beruft sie sich staatstragend auf das Grundgesetz, fordert gemäss Artikel 139 ein Verbot aller Organisationen wie NPD, DVU, etc.. Ihre "verbrecherischen Auffassungen" und ihr "entsprechendes Handeln" seien nicht "durch die Meinungsfreiheit des Grundgesetzes abgedeckt" (dies kann aber ebenso gegen Teile der radikalen und revolutionären Linken verwendet werden). Die von staatlicher Seite initiierte Demonstration am 9. November 2000 in Berlin wertet die DKP in ihren "DKP-Informationen" Nr. 7/2000, 25./26. November 2000, als "wichtiges Signal". Die Ereignisse würden auf die "Möglichkeit breiter Bündnisse" hinweisen. In solchen "breitestmöglichen Bündnissen" will die DKP für einen "antifaschistischen Konsens" eintreten. In der Zeitung der DKP, der UZ vom 22. Dezember 2000, heisst es, dass je breiter ein Bündnis sei, desto grösser sei die "Aussicht auf erfolgreiche Durchsetzung seiner Forderungen". Wie allerdings solche Bündnisse nach DKP-Sicht beschaffen sein sollen, das führt uns das Programm der DKP von 1978 vor Augen, in dem es in Bezug auf solche Bündnisse heisst: " ... es dürfen keine der jeweiligen Bewegung fremde oder sie einengende Forderungen in demokratische Bündnisse hineingetragen werden." Hier wird deutlich, dass die Schaffung solcher Bündnisse der DKP wichtiger ist als die Positionen, die solche befördern. Zum einen führt der Autor des zitierten Artikels "So breit wie möglich?" an, dass auch die "Parteigänger von CDU und SPD" gewonnen werden müssten. Wo haben wir trotz dieser breiten Bündnisse in einer konkreten Situation jemals die CDU oder relevante Teile der SPD gesehen? Zum anderen meint er allen Ernstes: "Besser ein Bündnis mit weicheren Inhalten als gar keins!". Enttäuscht gab sich der Autor zudem, dass die Argumente der DKP in Essen zwar "Unterstützung auf breitester Front" erhielten, aber nicht von den Kirchen oder der "Autonomen Antifa". So sieht die DKP in einem aktuellen Flugblatt denn auch "ein breites gesellschaftliches Bündnis" als "wichtigste Antwort auf Neofaschismus heute". Als wenn die grossen Demonstrationen in Berlin und Dortmund nicht eines gezeigt haben: dass nämlich eine eigene Position wichtiger ist, um dem Faschismus entgegenzutreten, als in einem verwässerten Bündnis sogar noch mit den Erzeugern des politisch-sozialen Klimas in der BRD gemeinsame Sache zu machen und das Niveau der "antifaschistischen Bewegung" trotz aller "Agitation" auf dem bürgerlichen Level der alle einigenden "Gegen Nazis!"-Haltung zu belassen und somit - mangels sichtbarer Alternative und Selbstbeschneidung - den kapitalistischen Status Quo zu verteidigen.
Die regierungsinitiierte Demo sei zu einer "Demonstration gegen die sogenannte Leitkultur" geworden. Die Rede des Präsidenten des Zentralrates der Juden, Paul Spiegel, habe gezeigt, dass es "Ansatzpunkte für gemeinsames Handeln" - trotz "Widersprüchlichem" und "Abzulehnendem" geben würde. Die DKP, die wie die PDS für "soziale Gerechtigkeit" kämpft, sieht eine "beginnende breite antifaschistische Bewegung" und verliert - natürlich! - kein Wort über den wirklichen Zustand dieser "breiten Bewegung".
Bezeichnend für die Politik der DKP ist auch ein Leserbrief, der im Sommer in der jW stand. "Der Landesvorstand der DKP Brandenburg hat (...) die Initiative der Polizeipräsidentin von Eberswalde/Barnim, Uta Leichsenring, mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, ein Verbot der neofaschistischen NPD zu prüfen. Die Kommunisten Brandenburgs, die in der DKP organisiert sind, unterstützen mit all ihnen zur Verfügung stehenden Kräften diesen Vorschlag, weil sie für einen entschiedenen Kampf gegen die immer demonstrativer und gefährlicher werdenden Angriffe neofaschistischer Gruppen, vor allem der NPD, wirken, ihn allseitig fördern und auch mitorganisieren wollen. Die mit Recht geforderte Zivilcourage demokratischer Kräfte gegen Neofaschismus, Ausländerfeindlichkeit und Rassenhass kann nur dann wirksam werden, wenn auch der Rechtsstaat sowohl im Lande Brandenburg als auch im Bund seiner Rolle als Verteidiger des Grundgesetzes gerecht wird. Rechtliche Schritte für das Verbot der Neonazis würden über die Grenzen aller demokratischen Parteien hinaus kräftige, unüberhörbare Zustimmung finden. Rechtsexperten und Parlamentarier sollten sich schleunigst dieser Thematik annehmen. Wir sind jederzeit bereit, gemeinsam mit allen demokratischen Kräften unseres Landes der Gefahr des Faschismus entgegenzutreten. B. Müller, Wansdorf" (jW, 27. Juni 2000)
Die Bereitschaft mit "allen demokratischen Kräften" zusammenzuarbeiten erinnert sehr stark an die Volksfront-Politik der KPD und der Komintern ab 1935. Dies zeigt die Blindheit für die politischen Verhältnisse und den Opportunismus möglichen Bündnispartnern gegenüber. Wenn die DKP "Soziale Gerechtigkeit, Demokratie und Frieden" fordert, so ist sie zumindest verbal nicht weit entfernt von denen, die sie vorgibt zu bekämpfen, denn die Kapitalisten und bürgerlichen Parteien geben auch nicht vor anderes zu wollen. So sorgt die DKP wie auch die PDS und viele andere antifaschistische Gruppen für politische Beliebigkeit und beseitigt zumindest in der Aktion die politische Klarheit, indem sie bereit sind gemeinsame Sache mit dem Establishment zu machen.
Die DKP-nahe VVN versuchte ebenfalls wie viele andere linke Gruppen die staatliche Debatte zu nutzen, um mehr Einfluss zu gewinnen. Sie arbeitete offen mit dem Internet-Provider Pure-tech zusammen und feierte die Sperrung rechter Sites durch diesen als einen Erfolg der beiderseitigen Zusammenarbeit. In diesem Zusammenhang liess sich Kurt Goldstein, der stellvertretende Vorsitzende des internationalen Auschwitz-Komitees, zu opportunistischen PDS-Maximen hinreissen: "Wir wollen den Rechtsextremismus nicht benutzen, um den Kampf gegen diese Regierung zu führen." (jW vom 17. Oktober) Wie er allerdings den Rechtsextremismus bekämpfen will, ohne das politische und soziale System der BRD anzutasten, bleibt offen. Aber diese staatstragende Äusserung hat ihre Vorgeschichte. So schrieb die VVN empört bereits im April 2000 in einem offenen Brief an den VS, der ihre Arbeit in seinem alljährlichen Bericht unter der Rubrik "Linksextremismus" erwähnt: "Antifaschismus ist demokratisch oder er ist kein Antifaschismus." Im gleichen Brief fasste die VVN die Aufgabe des "Antifaschismus" richtig zusammen: "Antifaschismus hat die Aufgabe, alle Kräfte zusammenzubringen." Eine solche Position ist blind für die soziale Realität und unbrauchbar für tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen.
Die VVN offenbart ebenfalls ihre Illusionen in dieses System, wenn sie nach dem neuesten Nazi-Aufmarsch im Dezember 2000 in Dortmund, der erneut von der Polizei gegen antifaschistische Proteste durchgesetzt wurde, gegenüber der "jungen Welt" äussert, dass "die Polizei aus den Vorgängen des letzten Naziaufmarsches vom 21.Oktober nichts gelernt habe" (jW, 18. Dezember 2000). Was denkt denn die VVN, wofür die Polizei da ist? Die VVN offenbart hier ihre Illusionen in die "Neutralität" des kapitalistischen Staates und seiner Institutionen, die ihrer Meinung nach einer abstrakten Gerechtigkeit folgend über den Klassen stehen müsste.
Ein weiterer Beweis dafür, wie sehr die VVN um gesellschaftliche Akzeptanz besorgt ist und wie sehr sie bereit ist dieser Akzeptanz und ihrer Bündnisfähigkeit ihre politische Positionen unterzuordnen, beweist eine weitere Äusserung Goldsteins. Im Interview mit der jW meint Goldstein, dass eine "vernünftige Position zu den Männern des 20. Juli" darin bestehe, anzuerkennen, dass sie mit ihrem Opfer einen wesentlichen Beitrag zur Rettung des Ansehens der deutschen Nation erbracht haben". Welch ein Bankrott vor dem nationalistisch aufgeheizten politischen Klima in der BRD.
In einem Aufruf zu einer Demo in Erfurt im März (der Aufruferkreis reichte von PDS über Grüne, DGB bis hin zur VVN, aber umfasste auch den Infoladen Sabotnik und das Offene Antifa Plenum Erfurt) hiess es, die "demokratische Gesellschaft" müsse sich "politisch und öffentlich dagegen [d.h. gegen die Nazis] positionieren". "Der Schutz der Menschenrechte und der Demokratie ist eine Aufgabe aller." Zu solch einem bürgerlichem Geschwätz fällt einem nicht mehr allzuviel ein, ausser dass diese Leute sich zu Verteidigern des Systems machen, welches die Nazis und auch all den anderen Bullshit hervorgebracht hat. Das System selbst hat diese viel gepriesenen "Menschenrechte" für den Grossteil der Menschen nicht umgesetzt und hat auch kein Interesse daran.
Die Gruppe "Avanti" will den Staat zur Durchsetzung der jeweiligen Forderung zwingen. "Verbot aller Naziorganisationen jetzt durchsetzen!" ist ihre jetzige Hauptforderung. So bleibt für die Masse alles beim alten: die eigenen Angelegenheiten, in diesem Falle die Bekämpfung des Faschismus ist eine Aufgabe des Staates. Sie selber müssen nicht handeln, ausser vielleicht eine Unterschrift unter einen Appell zu setzen, auf staatlichen Versammlungen Applaus zu spenden, bei Wahlen an der richtigen Stelle das Kreuzchen zu machen oder an einer Lichterkette oder einer breiten Bündnisdemonstration teilzunehmen. Die Gruppe "Avanti" favorisiert ähnlich wie die DKP oder die VVN ein "Bündnis mit allen ..., die ebenfalls ein Interesse an der Abwehr der faschistischen Gefahr haben" (Avanti). Ob durch breitere Bündnisse wirklich eine grössere Relevanz (nicht in Zeitungen oder anderen Medien, sondern in der Bevölkerung) erzielt werden kann, ist fraglich. Sicherlich kann es sinnvoll sein zu konkreten Anlässen Bündnisse zu schliessen (Frage ist nur mit wem zu welchem Zweck). Faschismus ist für "Avanti" "ein Verbrechen", "dass in diesem Staat noch immer nicht verboten ist - und schon gar nicht konsequent verfolgt wird. Die Untätigkeit von Staat und Justiz gegenüber dem Neofaschismus ist tatsächlich skandalös." Daraus lässt sich folgern, dass die alternativen "Politiker" es als Aufgabe des Staates ansehen, dass dieser Repression gegen die Nazis ausübt. Damit werden wir alle im Sinne des Systems entmündigt und der Staat behält sein Gewaltmonopol. Wie solch eine Forderung und Politik allerdings zu etwas anderem als einem saisonbedingtem Flop werden soll, bleibt unklar.
Dietmar Kompa vom "Linken Bündnis Dortmund" nannte das fehlende Eingreifen der Staatsmacht im antifaschistischen Sinne einen "empörenden Fall". Zu den Aktionen der Nazis gehöre u.a. die "Bedrohung zahlreicher Demokraten". Die Nazis würden sich durch "das Verhalten der offiziellen Politik ermuntert fühlen". Kritisiert wird von ihm, dass "nicht einmal mehr versucht [wurde - R.D.], den Nazi-Aufmarsch am 16. Dezember zu verbieten" und "statt dessen (...) zu ihrem Schutz über 3 000 Polizisten aufgeboten" wurden, die "über 600 Antifaschisten in Gewahrsam nahmen". "Mit der feigen Bedrohung einer linken Ratsvertreterin will man offensichtlich alle Antifaschisten dieser Stadt einschüchtern und zeigen, dass Nazis auch vor demokratisch gewählten Institutionen keine Achtung haben. Das Linke Bündnis Dortmund fordert die verantwortlichen Stellen auf, alles Notwendige für den Schutz der antifaschistischen Ratsvertreterin Astrid Keller zu tun." So forderte Herr Kompa am 23. Dezember 2000 in der "junge Welt" den Staat auf, seiner Aufgabe nachzukommen. Dabei redet er immer wieder von "Demokraten" und "demokratischen Institutionen", von den Opfern rechter Gewalt, der Verantwortung eben dieser "demokratischen Institutionen", welche Institutionen der Klassenherrschaft des Kapitals sind, für den Rassismus und die soziale Misere schweigt er.
Für viele linke und vor allem leninistische Gruppen dient der Antifaschismus als ein Thema unter vielen, mit dessen Hilfe Kampagnen für den Partei- oder Gruppenaufbau geführt werden. Viele dieser Gruppen, denen wir nicht ihre Gegnerschaft zum Faschismus absprechen wollen, lassen das Thema ebenso schnell wieder fallen, wie sie es aufgegriffen haben. In diesem Zusammenhang ist das taktische Herangehen trotzkistischer Gruppen wie von "Linksruck" oder SAV interessant, die ihre bürgerliche Auffassung von Politik durch ihre Kampagnen und Vorfeldorganisationen wie "Anti-Nazi-Komitees" und "Jugend gegen Rassismus in Europa" (JRE) immer wieder unter Beweis gestellt haben. Ihre "Politik" wie auch die Aufrufe anderer, antifaschistischer Gruppen Nazi-Aufmärsche zu verhindern, haben eine ähnliche Wirkung auf die interessierten Menschen. Es wird ihnen die Illusion gegeben, sie könnten Nazi-Aufmärsche verhindern, von denen diese Gruppen oftmals nicht annehmen, dass sie verhindert werden können (aufgrund des Polizeiaufgebots oder des Kräfteverhältnisses). So organisieren viele dieser Gruppen ständig die eigenen Niederlagen, was oft zu einer Demotivierung und Resignation vieler junger Antifaschisten führt, die Parolen wie "Antifa heisst Angriff!" oder "Nazi-Aufmärsche verhindern!" ernst nehmen.
Geschickt haben "Linksruck" versucht die Kritik vieler Linker, die Linke reagiere immer nur auf die Nazis und ihre Aktivitäten, zu nutzen und boten den alten Wein in neuen Schläuchen an: man wolle den Nazis nicht immer nur hinterherfahren, nun werde man zu der Bundeszentrale der NPD in Berlin mobilisieren und dort demonstrieren. Dies zeigt, wie sehr die Kader von "Linksruck" die Kritik verstanden und wie ernst sie sich Gedanken über diejenigen machen, die auf sie fixiert sind. Denn auch die 100.000ste Demo gegen Nazis wird diese nicht aus unseren Leben schaffen. Am Ende steht auch für diese jungen Militanten die Demotivierung und Resignation mangels sichtbarer Erfolge, denn eine solche "Politik" bleibt auf dem bürgerlichen Level stehen. Aber ausser Demos und Parteiaufbau haben "Linksruck" & Co. wie auch die autonomen Antifas gegen die Nazis nichts anzubieten.
"Was ist zu tun?" fragte der Trotzki-Herausgeber Helmut Dahmer in der "junge Welt" vom 17. Oktober 2000 in seinem Artikel "Nazis von heute und ihre Opfer. Wer jetzt nichts tut, diskreditiert sich und seine Sache für alle Zeit". Die Antwort auf die Frage, wie gegen die Nazis vorzugehen sei, fiel lang, aber nicht besonders originell aus. "Wir müssen die Menschen, die aufgrund ihrer Hautfarbe und ihres Status potentielle Opfer der rechten Gewalttäter sind, schützen. Wie? Indem wir, wo immer das nötig ist, gefährdete Personen, Wohngemeinschaften, Versammlungsstätten unter zivilen, unter unseren Schutz stellen. Indem wir - über das zahlenmässig beschränkte Personal der alternativen Gruppen hinaus - an die deutsche Wohnbevölkerung appellieren, den Terror der rechten Menschenjäger bei sich nicht zu dulden, Ausländerschutz- Komitees oder Bündnisse zur Verteidigung der Angegriffenen zu organisieren, Asylantenheime, türkische Läden, Synagogen und Moscheen zu adoptieren, Tag- und Nachtwachen zu stellen, Telefonketten zu bilden." Bezeichnend ist, dass das Problem des Rassismus vornehmlich als ein Sicherheitsproblem gesehen wird, was die Forderung nach mehr und besserem Schutz durch die Polizei beinhaltet.
"Den (mit Schlagringen, Springerstiefeln und Baseball-Schlägern) 'bewaffneten' Skinheads können wir nur Widerstand leisten, indem wir viele unbewaffnete Menschen, die einander abwechseln, zum Schutz der (potentiellen) Opfer aufbieten." Die "Linke" als alternative "unbewaffnete" Objekt- oder Personenschützer? Anscheinend hat Professor Dahmer wie viele andere bürgerliche Antifaschisten noch nicht Erfahrungen mit diesen "Skinheads" gesammelt, sonst wüsste er, dass es sehr gefährlich sein kann sich "unbewaffnet", d.h. "friedlich" und "gewaltlos", Nazis entgegenzustellen. Es darf nicht bei einem für uns selbstverständlichen Selbstschutz bleiben. Den Schutz aller potentiellen Opfer können und wollen wir nicht leisten, sondern wir müssen die Ursachen hierfür bekämpfen und ihre Überwindung erreichen. Den nötigen Selbstschutz muss jeder für sich selbst schaffen.
Dass ein solcher Selbstschutz von vielen längst betrieben wird, scheint ihm nicht bekannt zu sein. Für ihn hat denn der Selbstschutz einen anderen Sinn. "Nur wenn wir einen solchen zivilen Widerstand organisieren, werden auch Exekutive und Judikative tun, was ihres Amtes ist. Nur wenn 'normale' deutsche Bürger und Honoratioren Front gegen die 'Skinheads' machen, wird 'der Staat' seine repressive Toleranz aufgeben, den Personen- und Objektschutz für Nichtprivilegierte und Diskriminierte organisieren und faschistische Organisationen und Parteien verbieten. Nur wenn Hunderte und Tausende von Menschen aus dem Umland die von den Rechten okkupierten und von ihnen als ‚Befreite Zonen' bezeichneten Strassen in kleinen und mittleren Städten der ‚neuen Länder' friedlich ‚zurückerobern', wird sich auch ‚der Staat' auf sein Gewaltmonopol besinnen und wird der Innenminister den Bundesgrenzschutz zur Wiederherstellung der ‚Hoheit' in den (einstweilen von ‚Fremden' und für deutsche Nationalisten) 'befreiten Zonen' einsetzen." Der Staat soll also gezwungen werden uns zu schützen. Seine Politik wird als mangelndes Problembewusstsein angesehen. Dass der Staat aber nicht neutral ist, sondern ein Instrument bürgerlicher Herrschaft, kommt Leuten wie Dahmer nicht in den Sinn oder wird angesichts der "faschistischen Bedrohung" zur Nebensache. Bezeichnend ist auch, dass Dahmer die Hauptsorge bürgerlicher Politiker äussert, dass nämlich das Gewaltmonopol des Staates beachtet werden müsse. Das meint er nämlich, wenn er davon redet "friedlich" die Strasse zurückzuerobern. Übrigens haben in den letzten Monaten Hunderttausende (nicht nur in Berlin, Dortmund und Düsseldorf) demonstriert und der Staat kommt seiner - nach Dahmer - Aufgabe nicht nach. Noch immer dürfen Nazis marschieren, werden "Undeutsche" angegriffen und beleidigt.
Und schon kommt die Vorabentschuldigung für das Vertrauen in den Staat: "Die alte Linke hat sich in ihren besseren Tagen geweigert, den bürgerlichen Staat gegen ihre Gegner um Hilfe zu bitten. Sie war überzeugt, die 'Arbeiterklasse' werde rechtzeitig das Schlimmste verhüten. Doch konnte die Arbeiterbewegung des vorigen Jahrhunderts weder die beiden Weltkriege noch den Holocaust verhindern; ihre Geschichte war eine Geschichte von Niederlagen." Statt sich mit den Ursachen für die Niederlagen der Arbeiterbewegung auseinanderzusetzen, wird gleich jegliche Perspektive auf gesellschaftliche Veränderung verworfen und alle Hoffnung auf den Staat gelegt, der die Niederlagen und das Abschlachten der Arbeiterklasse in der Vergangenheit organisiert hat. Auch zu anderen Zeiten war die deutsche Linke wie auch heute zahlenmässig nicht gerade stark. Aber weder während des 1. noch während des 2. Weltkrieges haben Internationalisten ihre Positionen aufgegeben, nur weil sie von der Arbeiterklasse enttäuscht waren bzw. die Kräfteverhältnisse zu ihren Ungunsten standen. Sie haben weder den kapitalistischen Frieden noch die bürgerliche Demokratie zum verteidigenswerten Fetisch erhoben wie dies heute allzuviele tun, sondern an der Klassenposition und am proletarischen Internationalismus festgehalten.
"Zur 'Arbeiterklasse', also zu den abhängig Beschäftigten, gehören in Ländern vom Typus der Bundesrepublik neun von zehn Menschen. 'Bürgerkomitees' sind darum, soziologisch betrachtet, Arbeitnehmer- oder eben Arbeiterkomitees. Wenn man uns nach dem Leben trachtet, rufen wir nach der Polizei. Wenn die Polizei nicht kommt (oder nichts tut), müssen wir fliehen oder unsere Selbstverteidigung organisieren. Die 'Bürgerkomitees gegen Gewalt' werden Exekutive und Judikative nötigen, gegen die rechten Schläger und ihre Organisationen so vorzugehen wie einst gegen die Angehörigen der 'Roten Armee Fraktion'. Sobald es der Minderheit, die sich mit den Pogromen und Menschenjagden, die seit den neunziger Jahren zum Alltag des wiedervereinigten Deutschland gehören, nicht abfinden kann, gelingt, ein paar hunderttausend Mitbürger ihrer Apathie zu entreissen und zu gewaltfreien Aktionen gegen die rechten Schlägergruppen zu motivieren, ist die neonazistische Umsturzbewegung, die sich in den letzten Jahren unter unseren Augen herausgebildet hat, am Ende. Die erfolgreiche zivile Verteidigung der 'Fremden' und Schwachen in der Bundesrepublik Deutschland würde uns und der 'Welt' beweisen, dass die Deutschen von heute mehr tun können, als Mahnmale für die Ermordeten der dreissiger und vierziger Jahren errichten - dass sie aus der Geschichte der Weimarer Republik und des ‚Dritten Reiches' wirklich etwas gelernt haben." Stellen Dahmers Worte eine Lösung dar oder sind sie doch eher Ausdruck der Hilflosigkeit? Aus Dahmers Worten spricht der bestürzte Demokrat, der in seiner Verzweiflung etwas gegen die "neonazistische Umsturzbewegung" tun möchte, und der Mär von den gefährlichen Nazis aufgesessen ist, vor denen uns nur der Staat und seine Büttel - und nicht wir uns selbst - helfen können. Dies ist eine Bankrotterklärung, denn der Staat betreibt selbst eine rassistische und nationalistische Politik. Ganz davon abgesehen, entpolitisiert Dahmers Orientierung und Reduzierung der Nazis auf ein Problem der Gewalt diese. Gewalt als politisches Mittel ist aber erstmal neutral. Es wird Gewalt sein, welche die Ketten der Klassengesellschaft sprengen wird und es wird Gewalt sein, welche uns befreien wird.
Der ideologische wird neben dem politischen und sozialen Druck in der BRD stärker. Ein Teil des Drucks war die staatlich inszenierte Kampagne gegen die Nazis. Verschiedene politische Gruppen haben in ihr unter Beweis gestellt, was wir analysiert haben. Es passt alles zusammen: Ihr Rechtsruck, die disziplinierende Funktion der gemeinsamen Front gegen "rechts", welche fast alle politischen Kräfte zusammenschweisste, ihre Perspektivlosigkeit und ihre neue Orientierung auf die "Demokratie" und die "Zivilgesellschaft".
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