Auschwitz als Alibi
Kritik des bürgerlichen Antifaschismus
**Monopolisierung des Widerstandes** In den vergangenen Jahren ist der Widerstand gegen den deutschen Faschismus zunehmend auf den der "Männer des 20. Juli" reduziert worden. Die Erinnerung an den weitaus breiteren Arbeiterwiderstand dagegen ist immer mehr verdrängt worden.
Seit einigen Jahren führt die BRD nun wieder öffentliche Gelöbnisse durch und bezieht sich zunehmend auf den "Widerstand" der nationalkonservativen und militärischen Eliten wie den der Männer des 20. Juli 1944 (nach ihnen sind verschiedene Strassen und Kasernen in deutschen Städten benannt und es gibt Denkmäler für sie wie z.B. für Goerdeler in Leipzig), deren misslungenes Attentat auf Hitler als "Aufstand des Gewissens" betitelt wird. Ihr "Widerstand" passt besser in das heutige offizielle Geschichtsbild der BRD.
Die BRD versucht nun den moralischen und politischen Bankrott der herrschenden Klasse durch solche "rühmlichen" Ausnahmen und Vorbilder wie die "Männer des 20. Juli" oder durch Kapitalisten wie Schindler zu kaschieren. Sie werden von einem Teil der Bürgerlichen als "vornehmste Zeugen gegen die Kollektivschuldthese Deutschlands" und als Repräsentanten eines "anderen, besseren Deutschland" angeführt. Ihre Stilisierung und ihr Monopol auf den Widerstand könnte einen zu dem Schluss führen, dass nur wer Geld hatte oder wer sich in einer gewichtigen Position befand, Widerstand leisten konnte. Der gesamte übrige Widerstand wird einfach ignoriert. Die kommunistischen Widerstandskämpfer sollen mit der "Totalitarismus"-Keule als "totalitär" diskreditiert werden (so beachte man z.B. die Diskussion um die roten Kapos in den KZs), so dass nur noch systemimmanenter Widerstand als legitim übrig bleibt.
Allerdings ist festzustellen, dass bei den beteiligten und heute zu "Widerstandskämpfern" hochstilisierten Generälen des 20. Juli 1944 bis mindestens 1938 eine weitgehende Übereinstimmung mit der Politik Nazi-Deutschlands bestand. So hatten viele der "Männer des 20. Juli" - wie etwa Claus Schenk Graf von Stauffenberg oder Henning von Tresckow - an der Führung des Vernichtungskrieges an der Ostfront wenig auszusetzen. Der unter der Parole der "Bandenbekämpfung" durchgeführte Mord an Zivilisten wurde von ihnen geduldet und mitgetragen. Die zeitweise ungehemmte Einbindung in die Verbrechen des Nazi-Staates zeigt, wie diese "ehrenwerten" Männer in der Tat zu den Nazis standen. Die Regierung bezieht sich somit auf einige "gute Nazis" wie Stauffenberg und Schindler, denen der Kurs von Hitler zu "mörderisch" und zu "unanständig" war, die aber prinzipiell von der Politik Nazi-Deutschlands profitierten, nichts gegen diese einzuwenden hatten und im Prinzip nicht auf der anderen Seite der Barrikade standen. Ihre Ziele unterschieden sich nur geringfügig von denen Hitlers und anderer NS-Führer. Ihre Motivation war nicht eine grundlegende Kritik am Nationalsozialismus, sondern lediglich der Versuch eine militärische Niederlage mit all ihren negativen Folgen von Deutschland abzuwenden.
Der ehemalige Bürgermeister Leipzigs, Carl-Friedrich Goerdeler, ein Antisemit, Monarchist und Nazi, war ein williger Vollstrecker der Nazi-Rassenpolitik, und hatte sich schon seit 1932 für eine Regierungsbeteiligung der Nazis eingesetzt. 1933 forderte er die Abschaffung der Tarifverträge, die er als "sinnlose Fesseln" der Volkswirtschaft bezeichnete. Später tat er sich durch Massnahmen gegen "nichtarische" Ärzte und Anwälte und durch Besuchsverbote für Juden in kulturellen Einrichtungen Leipzigs (noch vor Inkrafttreten der "Nürnberger Gesetze") hervor. 1934 sprach er sich für die "Konsolidierung der deutschen Rassepolitik" und die Reinheit der "arischen Rasse" aus.
In Opposition gegen Hitler gerieten Goerdeler und andere "Männer des 20. Juli" erst als sich das Blatt für Deutschland zu wenden drohte und eine militärische Niederlage Deutschlands absehbar wurde. In diesem Moment traten sie an und wollten retten, was noch zu retten war. So sah Goerdeler auch das Problem weniger im Krieg selbst, sondern in der Weise, wie er geführt und wie die Vormachtstellung Deutschlands im "Grosswirtschaftsraum Europa" gefährdet wurde. Er machte eine "unfähige militärische Oberleitung" und eine "falsche oberste Führung" verantwortlich. Zitat: "Als wichtig ist hier nun zu erwähnen, dass man einen Weltkrieg nicht mit einer unfähigen militärischen Oberleitung und nicht mit einer abenteuerlichen politischen Führung gewinnen kann." (Goerdeler in seiner Geheimen Gedenkschrift für die Generalität vom 26. März 1943) Es ging ihm und seinesgleichen darum Deutschland, das sich in "der absteigenden Linie" befand, durch eine "anständige" und "verständige" Führung zu retten. In eben dieser Denkschrift äusserte er ganz klar: "Deutschland bedarf einer monarchischen Spitze".
Ähnliche Gedanken hatten Goerdeler und Beck bereits in ihrer Schrift "Das Ziel" von 1941 geäussert, wo Deutschland die "Führung des europäischen Blocks" und Kolonien zugestanden wurden. Die Gettos der Juden sollten "menschenwürdig" gestaltet werden, Streiks und Aussperrungen sollten weiterhin verboten bleiben und als "Reichsführer" kamen "Erbkaiser, Wahlkaiser, auf Zeit gewählter Führer" in Frage. Auch dort hiess es: "Man muss sich also aus kalter Vernunft für die monarchische Staatsspitze entscheiden."
Für v. Hassell bestand im Februar 1940 die Notwendigkeit "diesen unsinnigen Krieg so schnell als möglich zu beenden" in der "Gefahr", dass "Europa vollkommen zerstört und vor allem bolschewisiert" würde. Der Staatssekretär Weizsäcker warnte den Reichsaussenminister v. Ribbentropp mit folgenden Worten vor dem Krieg gegen Russland: "Wäre jede niedergebrannte russische Stadt für uns ebensoviel wert wie ein versenktes englisches Kriegsschiff, dann würde ich den deutsch-russischen Krieg in diesem Sommer befürworten." (28. April 1941)
Fabian von Schlabrendorf, ein anderer Verschwörer des 20. Juli, bescheinigte dem Leipziger "Euthanasie"-Mörder Werner Catel später "humane" Motive. In Vernehmungen der Nazis gaben viele der Verschwörer ihre unumwundene Bejahung der Ziele der NSDAP, des Rassegedankens und des NS-Staates zu. Bezeichnend und unsere oben angeführte Meinung, dass die "Männer des 20. Juli" nicht in prinzipieller Opposition zum Nationalsozialismus standen, bestätigt die Aussage des Grafen Helldorf, der in der Vernehmung äusserte: "Das, was sich mir heute aber als Verwirklichung des Nationalsozialismus darstellt, kann ich nicht mehr gutheissen."
Von vielen der Verschwörer wurde der Umgang mit den Juden für "unwürdig", "überspitzt" und "übersteigert" bezeichnet. Es entsteht der Eindruck, als hätten sie den Nationalsozialismus gegen "Entartungen" verteidigen und bewahren wollen.
Vor diesem Hintergrund ist es schon bezeichnend, auf welchen Widerstand sich die BRD-Offiziellen beziehen. Auch für ihre heutige Politik benutzt die Regierung den nationalkonservativen und den oppositionell-nationalsozialistischen Widerstand zusammen mit ihrer angeblichen, sich aus Auschwitz ergebenden, Verpflichtung als Alibi für ihre zunehmend aggressiv-reaktionäre, imperialistische und militaristische Aussenpolitik (der NATO-Angriffskrieg auf Jugoslawien war hierfür das beste Beispiel): "Humanität und Rechtsstaatlichkeit dürfen sich nicht auf das eigene Land beschränken. Die Menschen in Krisen- und Kriegsgebieten haben ebenfalls Anspruch auf menschenwürdige Lebensbedingungen. Rolle und Auftrag der Bundeswehr haben sich auch an diesem hohen Ziel auszurichten. (...) Die hervorragenden, tapferen Soldaten des militärischen Widerstandes gegen Hitler und sein Regime nehmen uns mit ihrem Opfermut, ihrer Tatkraft und ihrem Gehorsam in die Pflicht." ("Vornehme Zeugen", in Jungle World, 9. Juli 1999)
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