Auschwitz als Alibi
Kritik des bürgerlichen Antifaschismus
**Exkurs: Der NATO-Krieg gegen Rest-Jugoslawien**
"Das Bündnis war zu diesem Schritt gezwungen, um weitere schwere und systematische Verletzungen der Menschenrechte im Kosovo zu unterbinden und um eine humanitäre Katastrophe dort zu verhindern ... Es wäre zynisch und verantwortungslos gewesen, dieser humanitären Katastrophe weiter tatenlos zuzusehen ... Wir hatten deshalb keine andere Wahl, als gemeinsam mit unseren Verbündeten die Drohung der NATO wahr zu machen und ein deutliches Zeichen dafür zu setzen, dass wir als Staatengemeinschaft die weitere systematische Verletzung der Menschenrechte im Kosovo nicht hinzunehmen bereit sind."
Gerhard Schröder
" ... nach dem Scheitern aller politischen Versuche, das Völkermorden im Kosovo zu beenden, gab es keine andere Möglichkeit als militärisch einzugreifen. Wir haben das getan, um die Menschenrechte in ganz Europa durchzusetzen."
Gerhard Schröder
"Fünf Monate nach dem Krieg finden die Spezialeinheiten, die im Kosovo nach Massengräbern suchen, kaum Beweise für Greueltaten der Serben. ‚Wurde die öffentlichkeit des Westens irregeführt?', fragt der kanadische General, der die UN-Streitkräfte in Bosnien befehligte. In der Regel stehen den Spitzen der demokratischen Länder des Westens für ihre Entscheidungsfindung die am besten recherchierten Information zur Verfügung, die von Militär- und Sicherheitseinrichtungen als sogenannte Intelligence bezeichnet wird. Leider ist diese Information meist streng vertraulich und kann der Allgemeinheit nicht mitgeteilt werden aus Furcht, die Quelle zu enthüllen und so das Leben des "Spions" zu gefährden oder einen möglichen Gegner über neue hochtechnologische Nachrichtensysteme zu informieren. Daher müssen die politischen Spitzen ohne diese zu berücksichtigen auf die Stimmung in der Bevölkerung reagieren, deren "Nachrichtendienst" die Medien sind. Vor den Rambouillet-Verhandlungen im März 1999, die angeblich eine diplomatische Lösung des zu der Zeit im Gang befindlichen Bürgerkrieges zwischen den Sicherheitskräften des jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic und der nach Unabhängigkeit strebenden Kosovo-Befreiungsarmee zum Ziel hatten, erhielten wir von den Medien die Information, dass zwischen '98 und März '99 ca. 2.000 Menschen im Krieg getötet worden waren. Diese Zahl umfasste auch an die 650 Serben; der Rest waren Kosovo-Albaner. Die Zahl erschien plausibel und ähnelte der Gesamtzahl der Opfer, die die fortgesetzten Unruhen in Nordirland forderten. Tage vor dem Scheitern von Rambouillet 2 und der darauffolgenden Bombardierung der serbischen Streitkräfte in Serbien, Montenegro und dem Kosovo durch die NATO verkündete der britische Premierminister Tony Blair, dass die Nato handeln müsse, um "Tausende von unschuldigen Männern, Frauen und Kindern vor dem Tod zu bewahren". Das amerikanische Aussenministerium sprach häufig von einem "Völkermord" im Kosovo - was überraschend ist, wenn man bedenkt, dass Washington sich weigerte, den Begriff Völkermord für das Abschlachten von mehr als 500.000 Tutsies und deren Verbündeten in Ruanda im Jahr 1993 zu verwenden. Während des gesamten Krieges erinnerten die Nato-Briefings ständig an die erschreckende Zahl der Todesopfer unter der albanischen Bevölkerung des Kosovo und benutzten dieses Argument, um die Fortsetzung und Verstärkung der Bombardements zu rechtfertigen. Dutzende von Journalisten in den Flüchtlingslagern in Mazedonien und Albanien wiederholten Wort für Wort und ohne viel zu zögern die Geschichten von Flüchtlingen über von Serben begangene Greueltaten und Massenmorde, ohne deren Richtigkeit überprüfen zu können. Massive und erzwungene Flucht von durch Serben vertriebenen Menschen hat mit Sicherheit stattgefunden. Ein erklärtes Hauptziel der Nato war jedoch, die Ermordung unschuldiger Zivilisten zu verhindern. Zu Kriegsbeginn und - wie es schien aus heiterem Himmel - wurde in jedem Nato-Briefing die Zahl von 10.000 bis 11.000 ermordeten Kosovo-Albanern genannt. Ohne diese allgemein verwendete Zahl wäre die Solidarität innerhalb der NATO vielleicht nicht aufrecht geblieben. Zwangsumsiedlungen, noch dazu in "dieser Gegend", wären für einige Mitglieder der Nato kein ausreichendes Argument für eine Offensive der Allianz gewesen - wie z.B. für Frankreich, Deutschland, Griechenland und Italien. Nach über viermonatigen Ermittlungen, die nach dem Krieg durch mehr als 15 ausländische Gruppen durchgeführt wurden, fragen sich nun viele Europäer: "Wo sind die Leichen?" 150 der 400 vermuteten Massengräber wurden untersucht. Der Internationale Gerichtshof für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien (ICTY) definiert jedes Grab als Massengrab, in dem sich mehr als eine Leiche befindet. Es wurden jedoch zuerst Teams zu den Orten entsendet, an denen die grössten Massengräber vermutet wurden, von denen einige angeblich auf den Fotos in den täglichen Briefings der Nato zu sehen waren. An diesen Schauplätzen waren mehr Zeugen für die angeblichen Greueltaten anzutreffen, und es wurde angenommen, dass die benötigten belastenden Beweise nur allzu offensichtlich wären. Bis heute wurden weniger als 500 Leichen gefunden und Hunderte davon waren einzeln begraben - nicht das, was man von einer Massenhinrichtung erwarten würde. Ausländische Teams haben ihren Unmut darüber ausgedrückt, dass sie bei der Nachforschung über konkrete Erzählungen von Greueltaten am angeblichen Tatort keinerlei Beweise dafür finden konnten. Zweifellos ist der Ort, an dem das bekannteste und schrecklichste angebliche Gemetzel stattgefunden haben soll, das berüchtigte Bergwerk bei Trepca, wo nach Berichten der westlichen Medien mehr als 700 ermordete Kosovo-Albaner den Schacht gestürzt und in Fässern mit Salzsäure zersetzt worden seien. Der ICTY untersuchte diesen Ort, fand aber keinerlei Beweis für diese Anschuldigungen. Es gibt Leute, die hoffen, noch 9.000 Tote zu finden, um den Rechtfertigungen der Nato für ihre Bombardements Rückhalt zu geben. Ich bin nicht einer davon. Ich bin froh darüber, dass nur wenige der anfänglich vermuteten Ermordeten gefunden wurde. Ich hoffe, das bedeutet, dass 9.000 weniger Mitmenschen gestorben sind, als man uns glauben machte. Ich würde mir wünschen, dass das auch der Wunsch der Nato ist. Das ist die gute Nachricht. überaus beunruhigend ist aber der Gedanke, dass die öffentlichkeit des Westens wissentlich irregeführt, belogen wurde, um den Zusammenhalt der Nato-Alliierten zu gewährleisten und den Angriff auf ein souveränes Land zu rechtfertigen. Dieses Fehlen von Beweisen ist keine grosse Geschichte in den Vereinigten Staaten, wo wir uns den Luxus leisten, das Kosovo hinter uns zu lassen und mit dem Leben weiterzumachen. Ganz anders ist es in Europa, wo viele Regierungen dem amerikanischen Nachrichtendienst vertrauten. Sollte herauskommen, dass sie ihre Bevölkerung wissentlich belogen haben oder von den USA an der Nase herumgeführt wurden, könnte die Solidarität der Nato-Partner ernsthaft gefährdet werden - samt allen Folgen. Wir sollten vielleicht bei dem bleiben, was die Allianz am besten kann - bei der Verteidigung!"
"Sag' mir, wo die Leichen sind! "von General a.D. Lewis MacKenzie, THE GLOBE AND MAIL, Dienstag, 9. November 1999, Comment S. A17 ( Der kanadische General a.D. Lewis MacKenzie berichtete vier Wochen aus Belgrad für Canadian Television während der Nato-Bombardements)
Im Frühjahr 1999 führte Deutschland zusammen mit seinen NATO-Verbündeten erstmals seit 1945 wieder aktiv Krieg. Es war der Krieg gegen Rest-Jugoslawien. Um mögliche Zweifel und Fragen nach dem Sinn des Krieges gegen Jugoslawien abzuwenden, wurde von Verteidigungsminister Scharping und Aussenminister Fischer behauptet, das Verhalten von Slobodan Milosevic sei nur mit dem "menschenverachtenden Verhalten von Adolf Hitler" vergleichbar. Vor Journalisten erklärte Fischer, das Vorgehen der serbischen Milizen gegenüber den erschöpften und ausgezehrten Flüchtlingen erinnere ihn an die schlimmsten Bilder vom Niederbrennen des Warschauer Gettos. "Zum ersten Mal in diesem Jahrhundert steht Deutschland auf der richtigen Seite", fügte Fischer hinzu, und Scharping wiederholte bei jeder Gelegenheit seine Formulierung, wonach die "unvorstellbaren Greuel im Kosovo auch ein Blick in die Fratze der deutschen Vergangenheit" bedeuteten. So wurden pauschal die Albaner zu "Opfern" und die Serben zu "Tätern" gemacht und es wurde von jeglichem materiellen Interesse seitens der NATO-Staaten abgelenkt.
In der Regierungserklärung zum NATO-Krieg gegen Jugoslawien nannte Schröder den Kosovo-Krieg "eine drastische Zäsur in der deutschen Nachkriegsgeschichte". Dies war dieser Krieg sicherlich auch, da durch ihn eine bestimmte Art "Moral" in die Politik zurückkehrte. Denn nicht trotz, sondern wegen Auschwitz wurde nun Krieg gegen ein selbständiges Land geführt, in dem es sicherlich nationalistische Übergriffe gegeben hat, welche aber zu einem neuen "Völkermord" hochstilisiert wurden, um dem militärischen Eingreifen auch deutscher Truppen eine Legitimation geben zu können.
Aus dem Munde Tony Blairs hiess es zur Begründung des NATO-Krieges: "Wir müssen handeln, um Tausende von unschuldigen Männer, Frauen und Kindern vor der humanitären Katastrophe zu retten, vor dem Tod, vor der Barbarei und vor der ethnischen Säuberung durch eine brutale Diktatur." Es galt einen Massenmord zu verhindern, dessen Ausmass Europa seit dem Untergang Nazideutschlands nicht mehr gesehen hätte. Es ist die "Moral" eines Systems, das sich gegen die "menschenverachtende Diktatur" eines Milosevic ausspricht, während es selbst tagtäglich Menschen seinen Willen diktiert, diese verachtend behandelt, tötet, erniedrigt, beleidigt, betrügt, belügt, verplant und ausbeutet.
Immer deutlicher zogen sie den Vergleich zum nationalsozialistischen Holocaust. Jede Presseerklärung des deutschen Aussen- oder Verteidigungsministeriums war mit eindeutigem Vokabular durchsetzt: "Völkermord, Schlachthaus, Selektierung, Konzentrationslager, Leichenberge." Der "Spiegel" berichtete in der Ausgabe 14/99 über eine "Medien-Offensive" des Verteidigungsministeriums, um der wachsenden Kritik zu begegnen: "Luftaufnahmen sollen beweisen, dass im Kosovo Konzentrationslager eingerichtet werden. Scharping und das Kanzleramt haben die dringende Beschaffung solcher Belege angeordnet... Seit dem vergangenen Mittwoch lässt die Bundeswehr aus Mazedonien Aufklärungsdrohnen starten, auch die Tornados sind an der Suche beteiligt... Den fotografischen Beweis, sobald er denn vorliegt, will die Regierung zur Rechtfertigung des Kriegs unterbreiten. Auch die Russen sollen so öffentlich unter Druck gesetzt werden. Die Suche blieb bis Mitte der Woche ohne Erfolg. Zwar machte eine Drohne der Bundeswehr Aufnahmen von dem Stadion in Pristina, das als KZ genannt worden war - doch es war leer."
Der Vergleich zwischen Milosevics Soldateska und den faschistischen Mordbanden der SA und SS, die Gleichsetzung der Flüchtlingslager mit dem Warschauer Getto oder den Vernichtungslagern der Nazis ist eine monströse Geschichtsfälschung und ebenso eine Relativierung der Verbrechen des Faschismus. Sechs Millionen Juden haben die Nazis in den Konzentrationslagern systematisch und bestialisch ermordet (die anderen Millionen Opfer der Nazi-Herrschaft und des 2. Weltkrieges seien nicht vergessen!). Wer das gleichsetzt mit der Unterdrückung der Kosovaren in Rest-Jugoslawien, der verhöhnt die Opfer des Holocaust, der Nazi-Herrschaft und des 2. Weltkrieges. Eine derartige Herabminderung der Verbrechen der Nazis grenzt schon an eine Neufassung der Auschwitz-Lüge.
Dass die Regierung zu immer groteskerer Demagogie und Geschichtsfälschung griff, ist ein Ergebnis der Tatsache, dass sie einen Krieg verteidigte, der sich durch nichts verteidigen liess. Anfangs hiess es: "Für Humanität!", doch die Bomben schufen Zerstörung und Elend. Dann lautete die Parole: "Stoppt die Vertreibung!", doch die Luftangriffe wurden zum Deckmantel für die grösste Vertreibung. Zuletzt hiess es nur noch: "Für oder gegen Faschismus?" Welch ein politischer Bankrott!
Der ehemalige Vizepräsident der "ärzte ohne Grenzen" beschrieb, was den NATO-Krieg rechtfertigte: "Der Hebel der NATO ist heute ... humanitär. Er benötigt Blut, ein Massaker, irgend etwas, das die öffentliche Meinung so sehr in Rage bringt, dass sie eine gewalttätige Reaktion willkommen heisst (...) der Westen braucht Leichen ... Im Kosovo warten wir auf sie, und wir werden sie bekommen." (jW, 30. März 1999) Dazu passt auch das Horrorszenario der 10.000 in 100 Massakern ermordeten Menschen. Von den 10.000 Opfern, von denen der Staatssekretär im britischen Aussenministerium geredet hatte, sind nur einige Hundert - und somit weniger Opfer als der NATO-Krieg gegen Rest-Jugoslawien forderte - übrig geblieben. Auch von den angeblich 700 ermordeten Kosovo-Albanern in den Gruben-Anlagen von Trepca wurde kein einziger gefunden.
übrigens erinnert diese Inszenierung an diejenigen Bilder, welche das kroatische Militär 1993 zugunsten kroatischer TV-Teams inszeniert hatte. Damals diente die - wie wir heute wissen - inszenierte "serbische Bombardierung" der Küstenstadt Sibenik als Alibi zum Eingreifen. Der Stabskommandeur der 113. Kroatischen Brigade bestätigte durch seine Reaktion auf diesbezügliche Enthüllungen, dass es auch damals nicht bei dieser einen Inszenierung geblieben ist: "Was soll das Theater? In Kroatien gibt es keine Stadt, in der man sich nicht solcher taktischen Tricks bedient hätte. Schliesslich sind sie integrierter Bestandteil strategischer Planung. Das ist nur eine von einer ganzen Reihe von Strategien, zu denen wir während des Krieges gegriffen haben." (jW, 30. März 1999) Der Präzedenzfall Jugoslawien lässt für die Zukunft einiges erahnen.
Wer sich versuchte mit rationalen Argumenten gegen diesen Angriffskrieg der NATO auszusprechen, dem wurde mit der moralischen Keule begegnet. Gegner dieses Krieges sahen sich sehr schnell mit dem Vorwurf konfrontiert, sie würden tatenlos einen Genozid zulassen. Gewalt sei "die einzige Sprache, die Milosevic" verstehe. Die Geschichte lehre, dass solch ein Treiben nicht geduldet werden dürfe. Mit dem Verweis auf die geschichtliche Verpflichtung erhielt die imperialistische Balkan-Politik der NATO-Alliierten ihre religiöse Weihe und wurde für den Grossteil der Menschen unantastbar. Ausserdem hiess es: Welche Alternativen hätte es denn gegeben?
Der Logik nach, galt es "ein neues Auschwitz" zu verhindern und dies führte zu einer Vorablegitimation des Einsatzes aller Mittel gegen das "menschenverachtende" Milosevic-Regime (worin genau das Besondere der Diktatur Milosevics - ausser im konstruierten Völkermord an den Kosovaren - bestand, wurde bis heute erläutert.). Dieser Logik konnten sich viele "Friedensbewegte" und z.B. auch der DGB nicht entziehen: Um "Massenmord und Massenvertreibung zu verhindern, gibt es zu einem Einsatz von Streitkräften keine Alternative". Deshalb unterstütze der DGB "das Ziel der Bundesregierung" hiess es aus dem Munde der Pressesprecherin des DGB, Frau Nehls.
Die Nazi-Vergangenheit spielt eine sehr entscheidende Rolle bei der Legitimierung der imperialistischen Politik der NATO-Länder (neuerdings auch für Deutschland). So hatte Scharping schon Mitte Januar 1999 - ausgerechnet bei einem Besuch des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz - angekündigt, dass "Soldaten des demokratischen Deutschlands" bei dem Versuch mithelfen würden, "im Kosovo das Schlimmste notfalls mit der Waffe zu verhindern". Als dann der Krieg angelaufen war, durfte natürlich der Hinweis nicht fehlen, dass dies eine Verpflichtung sei, die sich aus Auschwitz ergebe. Als erster kannte der Minister auch schon die neue Terminologie: Nicht mit "kriegerischen Auseinandersetzungen" habe man es hier zu tun, sondern mit "militärischen Aktionen der Nato", die sich "nicht gegen das serbische Volk, wohl aber gegen eine Diktatur" richteten, welche "verächtlich mit der Würde, der Freiheit und dem Leben von Menschen umgeht". Der Unterschied dürfte den Hinterbliebenen der etwa 2.000 zivilen Toten, die der Krieg gefordert hat, ziemlich egal sein.
Der Krieg gegen Jugoslawien wurde nicht trotz, sondern wegen Auschwitz geführt. Auschwitz ist also zum Alibi des deutschen Imperialismus und seiner neuen aggressiven Politik verkommen. Und so mancher unterstützte getreu der Logik des kleineren übels (die "Falschen" tun das "Richtige") den Krieg gegen den "Diktator" Milosevic wie auch die Sanktionen gegen österreich oder die Repression gegen die Nazis.
Laut Scharping sei "jedes problematische Tun (...) besser als jedes Nichtstun". Und schliesslich fand der Minister auch noch eine gute Begründung, warum 58 Jahre nach dem ersten Bombardement wieder deutsche Bomben auf Belgrad fallen müssen: "Wir" seien nämlich "verpflichtet, dem ganzen Balkan eine europäische Perspektive zu geben - einer Region in Europa, die in ihrer ganzen Geschichte sehr viele Erfahrungen mit Terror, Unterdrückung und Gewalt sammeln musste, aber keine Erfahrungen mit dem zivilen Austragen von Konflikten, mit Rechtsstaatlichkeit und Demokratie sammeln konnte". Wer keine Erfahrung sammeln konnte, der bekommt Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und zivile Konfliktbewältigung halt aus den Bombenschächten der NATO-Flugzeuge geliefert.
Anstatt eine "menschliche Tragödie" zu verhindern, wurde durch die NATO-Intervention und ihre "Kollateralschäden" (als wenn nicht gerade die Zerstörung und die Zermürbung der Zivilbevölkerung das Ziel der Kriege sind) erst eine erzeugt: Tausende Wohnungen, Betriebe und Fabriken und somit Arbeitsplätze wurden zerstört. Etwa 2.000 Menschen wurden durch NATO-Bomben ermordet. Eine Fluchtwelle wurde erzeugt, welche der NATO als Beweis für die "ethnischen Säuberungen" herhalten musste. Die Umwelt wurde durch zerstörte Infrastruktur und Fabriken und durch radioaktiv verstrahlte Munition verseucht (rund 50.000 solcher Geschosse wurden von der NATO benutzt; nun gibt es Vermutungen, dass es bei Soldaten der NATO hierdurch zu Leukämie-Erkrankungen gekommen sei; die Gesundheit der serbischen und albanischen Bevölkerung interessiert dagegen die Medien nicht) und neuer nationalistischer Hass wurde erzeugt und vorhandene Gräben zwischen Serben und Kosovo-Albanern vertieft statt beseitigt. Nun hat Fischer schon öffentlich über eine längerfristige Okkupation des Kosovos nachgedacht und besoffene deutsche Soldaten haben vor laufenden Kameras erzählt, dass die Bundeswehr dort Gelände für 25 Jahre gemietet hätte.
Dass es beim NATO-Feldzug mehr um strategische überlegungen als um Menschenrechte ging, verdeutlicht auch die Rede von James Hooper, dem leitenden Direktor des "Balkan Action Coucil", die er am 23. Februar 1999 im Holocaust Museum in Washington hielt. Dort war sein erster Punkt einer Liste von "Sachen, die als nächstes getan werden müssen" folgender: "Akzeptieren Sie, dass der Balkan eine Region von strategischem Interesse für die USA ist, das neue Berlin, wenn Sie so wollen, der Prüfstand für die Entschlossenheit der NATO und die Führungskraft der USA ... Die Regierung sollte dem amerikanischen Volk erklären, dass wir voraussichtlich auf unbestimmte Zeit im Balkan militärisch anwesend sein werden, zumindest solange, bis es eine demokratische Regierung in Belgrad gibt." (jW, 30. März 1999)
Worum es eigentlich geht, verdeutlicht der Ausspruch des ehemaligen Bundeswehr-Generalinspekteurs Naumann, der meinte: "Einsatz von Gewalt ist gegen diejenigen erlaubt, die sich nicht an die Spielregeln halten." Und die Spielregeln bestimmt auch der aus dem Schatten von Auschwitz herausgetretene deutsche Imperialismus und seine Bourgeoisie.
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