"Welche Perspektive hat die Anti-Globalisierungsbewegung? Eine notwendige Kritik"

II.2 Das Weltsozialforum in Porto Alegre

Das Weltsozialforum im Januar 2002 war das bisher grösste mehrtägige Treffen von Globalisierungsgegnern. An ihm nahmen mehr als 60.000 Menschen aus vielen verschiedenen Gruppen und Ländern teil und es wurde von vielen linken Gruppen als Erfolg gefeiert. Die "Erklärung der sozialen Bewegungen beim 2. Weltsozialforum in Porto Alegre: Widerstand gegen Neoliberalismus, Militarismus und Krieg. Für Frieden und soziale Gerechtigkeit" glänzt nicht gerade durch klare politische und ökonomische Analyse oder eine klare Alternative. Sie ist ein Kompromiss der verschiedenen Gruppen, dokumentiert allerdings ebenso wie der Slogan "Eine andere Welt ist möglich" auch die politische und soziale Unklarheit und Beliebigkeit. In Porto Alegre waren u.a. viel Prominenz anwesend und viele Gewerkschafter und Politiker, die in ihren Heimatländern militaristische, rassistische und unsoziale Politik mittragen oder betreiben. So waren Abgeordnete des Europäischen Parlaments anwesend und Regierungspolitiker aus Frankreich und Belgien hatten sich angesagt. Die in Porto Alegre zusammengekommenen Gruppen sehen sich als "globale Bewegung für soziale Gerechtigkeit und Solidarität", "vereint in unserer Entschlossenheit gegen die Konzentration des Reichtums, die Verbreitung der Armut und der Ungleichheiten, gegen die Zerstörung unserer Erde". Ziele also, weil unverbindlich formuliert, die fast jeder mittragen kann (u.a. hat auch der Bundespräsident Rau die "Globalisierung" inzwischen offiziell in einer Rede kritisiert). Die "Gier" der "multinationalen Konzerne" wird abgelehnt. Die "Gier" der nationalen und lokalen Konzerne hingegen wird nicht nur in der Erklärung akzeptiert oder zumindest ignoriert und nicht thematisiert. In der Erklärung ist die Rede viel davon, dass das "neoliberale Wirtschaftsmodell (...) die Rechte und die Lebensbedingungen der Völker" zerstöre. Dass an dieser Zerstörung die jeweiligen nationalen Bourgeoisien beteiligt sind bzw. diese auf nationaler Ebene organisieren, wird ebenfalls akzeptiert oder ignoriert. Das Recht dazu gibt ihnen das Privateigentum an den Produktionsmitteln, das auch von dem Weltsozialforum wie von der AGB nicht in Frage gestellt wird (abgesehen von einigen kleinen Gruppen). "Akzeptable Lebensbedingungen" werden gefordert. Doch, was als akzeptabel gilt, ob nun ein gewisser allgemeiner Mindeststandard oder individuelle Vorstellungen davon, wird nicht definiert. Die Ausbeutung und der Kapitalismus als solche sollen nicht abgeschafft werden, stattdessen werden "neue internationale Rechte für die Beschäftigten der multinationalen Konzerne und ihrer Zulieferer, insbesondere im Bereich gewerkschaftlicher Organisation und kollektiver Verhandlungen" gefordert. Konkrete Forderung ist die nach einem "bedingungslosen Schuldenerlass". Dass die meisten Gruppen grosse Illusionen hegen, macht die "Agenda für weitere Aktionen" deutlich, wo es unter "Wir kämpfen", heisst: "Die Regierungen sind ihren Völkern gegenüber verantwortlich. Weil wir uns für die Errichtung einer Demokratie mit Wahl- und Beteiligungsrechten auf der ganzen Erde einsetzen, bestehen wir auf der Notwendigkeit der Demokratisierung von Staaten und Gesellschaften, und des Kampfes gegen Diktaturen." Von der Diktatur des Kapitals und davon, dass gerade die führenden Wirtschaftsnationen bürgerliche "Demokratien" sind, was sie nicht von der Unterdrückung anderer Länder, dem Führen von imperialistischen Kriegen und der Auspressung der eigenen Bevölkerung abhält, wird nicht gesprochen. So erscheint die AGB, die in Porto Alegre zusammengekommen ist, als eine handzahme Truppe, welche zwar die Auswüchse wie "Diktaturen", "Spekulationen" und "Kriege" kritisiert und ablehnt, aber dennoch den Mächtigen in Wirtschaft und Politik, also der herrschenden Klasse, nicht die Funktion und Legitimation abspricht Menschen zu regieren und zu befehlen - sei es auch im Namen von "Demokratie" und "Freiheit" - und die Geschicke der Erde zu lenken. Wie beim Grossteil der Kritiker der "Globalisierung" ist die "Globalisierung" und nicht der Kapitalismus, ist die "Spekulation" und nicht der kapitalistische Profit insgesamt, ist der "Krieg" und nicht auch der kapitalistische "Frieden", ist die "Diktatur" und nicht die Diktatur des Kapitals in welcher politischen Form auch immer das Problem.

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