PSYCHISCH INSTABIL

"Unpolitisch - nicht mit uns!"

So, hier nun ein Inti mit einer der wohl z.Zt. in der "Szene" umstrittensten Bands (das hört sich richtig geil reißerisch an, was?). Diverse Fanzines verrissen ihre EP "Unpolitisch macht hirntot", auf der sie sich gegen "Unpolitische" wenden, die dahinter ihr rechtes Süppchen gekocht.
Meine Fragen beantworteten die vier recht fix und ich hätte ein Extraheft machen können bei der fülle der Antworten, aber das würde zu weit führen. Alle verstehen sich mehr oder weniger als Punks und sind schon mehrere Jahre dabei. Ballo (20) strapaziert das Schlagwerk, Höhnie (31) ist fest bei Nasty Vinyl bzw. Höhnie Rec. involviert, Imgard ist dafür verantwortlich, daß das Durchschnittsalter der Bandmitglieder bei 30 Jahre liegt und Triebi (28) quält uns mit seinem Geschrei.

(RT) = Revolution Times, B = Ballo, H = Höhnie, I = Irmgard und T = Triebi

RT: Ihr sorgt ja ganz schön für Furore mit Eurer Single "Unpolitisch macht hirntot". Wie kam es zu der Single, was war der Anlaß?

H: Wir sind im Januar '96 ins Studio gegangen, um eine EP aufzunehmen. Einstimmig wurde beschlossen, den Song "Hauptsache unpolitisch" auf die EP zu pressen. Der Anlaß für den Titel der single war natürlich die Entwicklung unserer Szene in den vergangenen Jahren.!

RT: Was haltet Ihr von sogenannten "Unpolitischen" (etwas daß es meiner Meinung nach überhaupt nicht gibt!)?

T: JEDER IST POLITISCH. Die, die sich als "unpolitisch" bezeichnen, sind entweder zu feige, klar Stellung zu beziehen oder haben eine weite Toleranzgrenze nach rechts (wobei das eine meist auch das andere einschließt!). Ich habe noch niemanden getroffen, der/die "unpolitisch" (das Un-Wort überhaupt) und nach links tolerant war.

RT: Einige Leute, so z.B. das Pride Fanzine werfen Euch vor, die Szene zu spalten. Und man solle die Politik den Politikern überlassen und sich als Kid von der Straße da raushalten. Ist das nicht viel zu einfach gesagt und so wie es die Herren in Politik und Wirtschaft gerne hätten?

T: Fakt ist, daß "wir" Politik direkt miterleben, ausbaden und immer bezahlen müssen (siehe Chaostage '96). Und daß es den "Herrn da oben" lieber ist, wenn alle funktionieren und sich um nix kümmern, außer ums Saufen und Spaßhaben (natürlich am Wochenende, aber Montag wieder brav zur Arbeit!).

RT: Ich verstehe Eure Kritik an sogenannten "Unpolitischen" so, daß Ihr diejenigen nicht wollt, die in Wirklichkeit hinter Ihrer "unpolitischen" Maskerade rechtes Gedankengut hegen, tolerieren und Faschomucke hören. Ich denke mal gegen einen "Unpolitischen", der was gegen die etablierte personen- und parteienbezogene Politik der Bonzenrepublik Deutschland und ebenso gegen Faschos hat, dürftet Ihr auch nichts haben, oder?

B: Alk und Unity ist nicht alles auf der Welt und man sollte schon mit offenen Augen durch die Gegend gehen. H: Ich streite nicht ab, daß es "unpolitische" Leute gibt, die wirklich politisch neutral sind und totalitäre Systeme links wie rechts gleichermaßen verurteilen. Gegen diese Leute habe ich nicht das geringste! I: Wer was gegen Faschos hat und sich trotzdem als unpolitisch bezeichnet (obwohl er es nicht ist), gegen den habe ich natürlich nichts.

RT: Habt Ihr es schon mal gehabt, daß irgendwelche Glatzen oder Punks auf Euren Konzerten waren und wie blöd bei "Unpolitisch macht hirntot" Oi!Oi!Oi! mitgegrölt haben und gar nicht gescheckt haben, worum es in dem Lied eigentlich geht?

B: Da merkt man mal wieder, wie verblödet die Punkbewegung zum großen Teil ist! T: Trotz klarer Ansagen von mir ist das uns bisher zweimal passiert. In Celle haben sie dann auch noch "Pöbel&Gesocks" gebrüllt. Unglaublich eigentlich, was ein dreimal gebölktes Oi! in einigen Köpfen bewirkt.

RT: Meiner Meinung nach geht der Trend sowohl in der Skin- als auch in der Punkszene immer mehr in Richtung "unpolitisch" (was für ein Scheiß Un- und Modewort!). Damit machen sich immer mehr zum Spielball der herrschenden Interessen. Vielleicht kennt Ihr die Ami-Oi! Band Those Unknown, die diesen Trend auch in den USA beobachtet haben. Der Richy von denen meinte, damit würde unsere "Kultur" ein Stück der großen und Punk/ Oi! würde zu einer Art Discomucke mit "rebellischem" Gehabe. Und überhaupt, wenn man sich als Band, Zine oder Label "unpolitisch" gibt, kann man halt auf mehreren Parties tanzen, mehr verkaufen, eckt weniger an... Was meint Ihr dazu, richtig oder nicht verkehrt?

T: Dieser "unpolitische" Quatsch fing meines Erachtens mit dem erneuten Aufkommen von Oi! erst an. Da habe ich auch zum ersten Mal in Punkzines gelesen, daß Punk in seiner Grundintention "unpolitisch" gewesen sein soll. Davon habe ich Anfang der 80iger, als ich Punk für mich entdeckte, nix mitbekommen. Auch wenn Punks und Skins zusammen abhingen, bekamen Nazis auf die Fresse. B: Diese armseligen Lichter stehen jetzt ziemlich alleine da. Welcher Punk würde denn noch Scheiben von RABAUKEN oder SMEGMA kaufen? Der Trend geht gottseidank zurück! H: Ich kenne Those Unknown. Was der Richy da sagt, kann ich nur voll unterstreichen. Es gibt einige Bands und Labels, die sich aus verkaufstechnischen Gründen "unpolitisch" geben, um an links und rechts zu verkaufen und so möglichst viele Platten abzusetzen.

RT: Bei der Frage nach musikalischen Vorbildern wurde von jedem eine ganze Palette genannt, anfangen von Asta Kask, Slime, Dead Kennedys, Crass, OIPolloi über Razzia, Ideal, Fehlfarben bis hin zu Stiff Little Fingers.

RT: Ach ja, wie kommt es zu Eurem Namen "Psychisch Instabil" (Ihr habt da ja auch' n gleichnamigen Song auf der EP)?

H: Der Name - eine Übersetzung des Asta Kask Songs "Psykist instabil" - wurde von Ballo und mir ersonnen, als es an der Zeit war, aus unserem Party-Projekt eine richtige Band zu machen. Der Name ist bei uns einfach Programm! Auf die Frage, was sie außer Mucke machen treiben würden kam heraus, daß Triebi Geschichte und Politik studiert, 'n eigenes Zine namens PLASTIC POPULATION macht, ab und an auch fürs PLASTIC BOMB kritzelt und dem Isleif bei seinem Vertrieb hilft. Der Ballo gibt das Zine STEPPING BONDAGE raus und macht "nebenher" noch das Label HARMONY REC. Irmgard liest gerne Bücher und alle möglichen Zines und der Höhnie ist auch einer dieser bösen Journalistik Studies. RT: Was bedeutet für Euch Punk - nur eine nette Partymode und Saufmucke?

H: Punk ist für mich im Laufe der Jahre zur Lebenseinstellung geworden. Ich versuche mich so wenig wie möglich von der Spießbürgergesellschaft reglementieren zu lassen und mein eigenes Leben mit meinen eigenen Wünschen, Träumen, Vorstellungen zu leben. Der Weg ist nicht einfach und dabei muß ich auch immer wieder Kompromisse eingehen. Das kotzt einen mitunter ganz schön an. Saufen tun auch andere Prolls. Punk - eine nette Partymode und Saufmucke? Sorry, aber dafür sind wir zu lange dabei! I: Punk gab mir wieder das, was ich brauchte: Rebellion, Provokation, Wut, Zusammenge-hörigkeitsgefühl und natürlich auch die geniale Musik, Party und Spaß. T: Um es mal mit Crass zu sagen: "Punk is an attitude and not a fashion!"

RT: Was haltet Ihr von den Chaostagen in Hannover?

B: Großer Medienrummel und Kohlemacherei (siehe T-Shirts und diverse Chaotagesampler). I: Chaostage in Hannover können wir uns wohl z.Zt. abschminken.

RT: Letze Worte und Grüße? B: Grüßen tue ich alle, die ich mag. Haltet die Ohren steif und werdet aktiv! H: Wir grüßen alle 100% Anti - Unpolitischen Punks und Skins - außer die Faschos natürlich! I + T grüßen die halbe Welt von Isleif über Plastic Bomb bis hin zu Versaute Stiefkinder.

(aus Revolution Times # 5)

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