Auschwitz als Alibi
Kritik des bürgerlichen Antifaschismus

Der reduzierte gesellschaftliche Diskurs über den "Rechtsradikalismus"

Das Problem des Faschismus, das nicht erst seit den neuesten (bekannt gewordenen) Anschlägen und auch nicht erst seit den Anschlägen und Übergriffen von Hoyerswerda, Lübeck, Mölln, Rostock und Solingen existiert, wird von den Medien und der Politik meist reduziert. Glaubt man den Medien und den Politikern, so ist es ein ostdeutsches Problem. Seit Anfang der 90er konstruierte der Staat den Faschismus als ein originäres Ost-Problem: Es gab Szenarien wie Hoyerswerda und Rostock. In beiden Fällen hätte es durch ein Eingreifen des Staates oder anderer Kräfte eine andere Entwicklung geben können, so dass der Eindruck entsteht, dass beide Szenarien willkommen waren. Ein gewisses Bild vom Osten wurde erzeugt, soziale Bewegungen wurden umgeleitet und Ausländer erhielten die Funktion von Sündenböcken. Zwar weisen Medien und Politiker darauf hin, dass der Rassismus auch im Westen existiere, aber die Berichte und Bilder stammen zum Grossteil aus dem Osten, handeln über Nazi-Glatzen, deren Gewaltbereitschaft und die NPD bzw. ein etwaiges Verbot. Auch Kanzler Schröder reiste im August zwei Wochen lang durch den Osten und pflegte den Kontakt zu "Eingeborenen", forderte bei inszenierten Treffen die Jugend zum "Kampf" gegen rechtsextremistische Gewalt auf und las den Ostdeutschen pauschal die Leviten. Sie hätten sich nicht "von der kommunistischen Diktatur" befreit, um "jetzt die Strassen denen zu überlassen, die die Freiheit der anderen buchstäblich mit Füssen treten", verlautete er.

Darüberhinaus werden die Nazis als kahlköpfige Dummköpfe dargestellt. Dementsprechend richtet sich die Propaganda der Regierung gegen "Intoleranz" und "Gewalt" und nicht gegen das rechtsextreme Gedankengut und seine Ursachen. Rassismus ist das, was die Regierung dafür ausgibt. Im Schlepptau der Regierung initiierten viele Menschen Initiativen wie "Kreativ gegen Gewalt", veranstalteten Konzerte unter dem Motto "Rocken statt kloppen", etc. Dies verdeutlicht, dass es ihnen nicht darum geht, sich mit dem Problem des Faschismus (seine Ursachen inbegriffen) auseinanderzusetzen. Es geht darum Imagepflege zu betreiben und Scheindiskussionen zu führen, welche die Formen des Problems nicht verlassen und oberflächlich bleiben.

Mit dem Verweis auf das barbarische Treiben der Nazi-Schläger lenkt die Regierung gekonnt von ihrer rassistischen Ausländerpolitik, ihrer Abschiebepraxis und ihrer aggressiven Aussenpolitik ab. Aber die ist ja demokratisch-legitimiert und Rassismus kommt ja - nach Regierungssichtweise - nur im Gewande rechter Schläger und Stammtischparolen daher. Reduziert wird die Thematik auf die Frage der Gewalt. Dass diese Gewalt nicht einfach vom Himmel fällt, sondern einem rechtsextremen Gedankengut entspringt, das in einem gesellschaftlichen Klima entstanden ist, wird nicht thematisiert. Die Erklärungsmuster für diese Gewalt gleichen sich meist im Aufzählen der ewig gleichen Stereotypen der "frustrierten rechten Jugendlichen", die aus schlechten Elternhäusern kommen und denen dort kein Verständnis und keine Anerkennung zuteil wurde, etc. Dass das kapitalistische Gesellschaftssystem auf Ausgrenzung und Unterschieden beruht, diese zum Überleben benötigt und dass Debatten wie die anlässlich der Abschaffung des Asylrechts 1993, die um die "nützliche" und "unnütze" Ausländer oder um die "deutsche Leitkultur" nicht ohne Wirkung bleiben, gehört zu den unbequemen Wahrheiten und Tatsachen in diesem Land.

Von den Medien wird die rassistische Gewalt als "rechtsradikal" abgestempelt. Dabei setzen viele Nazi-Kids nur um, was etablierte Politiker gefordert haben. Sie sind also "konformistische Rebellen". Wenn von "rechtsradikal" die Rede ist, könnte der Eindruck entstehen, die Nazis wären in irgendeiner Art "radikal". Dem ist aber nicht so. Das Wort "radikal" kommt vom Lateinischen "radix", also Wurzel. Der Begriff "radikal" kann also auf Theorien und Menschen verwendet werden, welche den Dingen auf den Grund gehen und Probleme an der Wurzel beseitigen. Dass die Nazis keines der Probleme auch nur annähernd an der Wurzel anpacken, darüber werden wir an anderer Stelle einige Worte verlieren (so u.a. im Anhang im Artikel "Die Nazis und die soziale Frage").

Reduzierung des Problems auf das einer Jugendkultur und der Jugend

Wie in den Jahren zuvor, wenn das Thema "Rechtsradikalismus" in der öffentlichen, d.h. von den Politikern und den bürgerlichen Medien dominierten, Diskussion auftaucht, wird es gern reduziert auf das einer Jugendsubkultur - die der Skinheads. Es wird so getan, als wenn es ohne Skins oder solche, die sich dafür halten, keine Probleme mit "rechter" Gewalt und den Rassismus erst recht nicht geben würde. Es wird gerade so getan, als ob die Skinheads den Rassismus erfunden hätten bzw. es ohne Skins keinen Rassismus geben würde (waren etwa die 13 Prozent DVU-Wähler in Sachsen-Anhalt alles Skins?). Da wir selbst als Redskins im Skinoutfit herumlaufen, haben wir es oft erlebt, welche Auswirkungen der bürgerliche "Antifaschismus" hatte. Das Problem des Faschismus wird nicht nur auf das einer kleinen Gruppe der Gesellschaft reduziert, sondern auch noch an gewissen Kleidungsstücken und einer gewissen Frisur festgemacht. Als wenn Faschismus eine Frage des Outfits wäre und nicht die eines bestimmten Gedankenguts, das sich manchmal gewalttätig äussert und militaristisch auftritt, aber eben nicht immer. Durch diese Reduzierung, durch das Aufbereiten altbekannter Klischees wird eine wirkliche Auseinandersetzung mit den alten und neuen Nazis vermieden, von Ursachen oder gar dem Ergreifen wirklicher Gegenmassnahmen ganz zu schweigen. Nach den Verfolgungsszenen von Eisenach, als ein Farbiger von mehreren Nazis gejagt wurde, gab es die abstrusesten Vorschläge der betroffenen Politikprominenz. Da war von "Bahnhofsverboten für Skinheads" die Rede, da wurde "Führerscheinentzug" gefordert und es wurde davon gesprochen, dass nun keiner mehr Bomberjacke und Glatze tragen könne ohne sich zu rechtfertigen warum er dies täte. Diese Vorschläge und die dadurch entstandene, weit von der realen Bedrohung durch die Nazis stattfindende Diskussion hatten ihre Auswirkungen: Ohne Unterschied wird von all denen, die nun durch die Berichterstattung "informierten" Menschen Zivilcourage geübt und jeder Kurzhaarige böse angeschaut und als Nazi abgestempelt. Dabei wird der oft bei vielen selbst vorhandene Rassismus auf eine kleine, eh schlecht angesehene Gruppe in der Gesellschaft projiziert. So kommt es, dass es noch nie so leicht war Antifaschist zu sein wie heute. Und unser Kampf gegen rechte Idioten innerhalb der Skinheadszene und im Skinoutfit wird dadurch erneut zunichte gemacht. Ist denn der Nazi-Rocker Arnulf Priem aus Berlin ein Antifaschist, weil er lange Haare hat und sind wir Nazis, weil wir kurze Haare haben und Stiefel tragen?

Darstellung des Problems als "Ausländerfeindlichkeit"

Die Politiker ergiessen wahre Ströme von Betroffenheits- und Toleranzgefasel über uns. Sie reden von "Ausländerfeindlichkeit" statt von Rassismus, von "Intoleranz" statt von rechtsextremem Denken. Nur zu gut klingen uns noch peinliche, weil inhaltsleere und liberale, Sprüche wie "Mein Freund ist Ausländer" oder "Alle Menschen sind Ausländer - fast überall" in den Ohren. In Sprüchen wie "Ausländer lasst uns mit diesen Deutschen nicht allein", die eine Zeit auf antifaschistischen Demonstrationen zum Standard gehörten, spiegeln die offiziell gewollte und vermittelte Sichtweise wider. Es wird so dargestellt, als wenn Nazis "nur" Ausländer angreifen würden und es wird ein so in der Realität nicht vorhandener Gegensatz aufgebaut. Die Fronten sind klar: hier die "armen" ausländischen Opfer, dort die "bösen" deutschen Täter (hier wird den Ausländern wie auch den Juden die Rolle der wehr- und hilflosen Opfer zugewiesen; vom Widerstand selbst in den Lagern wird geschwiegen, das Bild der Juden, die ohne Widerstand und nichtsahnend wie Lämmer zur Schlachtbank geführt wurden, ist kultiviert.). Diese plakative Vereinfachung unterschlägt, dass die Grenzen anders verlaufen und sich die Tatsachen anders verhalten. Ein solches Denken ist auch in Teilen der Antifa vorhanden und spielt den Nazis in die Hände, zudem handelt es sich um eine Art negativen Rassismus, da man Ausländer in Schutz nimmt, nur weil sie Ausländer sind und von der sozialen Realität und ihrem konkreten Handeln abstrahiert (so ist z.B. vom Rassismus unter Ausländern fast nie die Rede.). Nur weil Flüchtlinge von der (rassistischen) Politik ebenso betroffen sind, macht sie dies nicht automatisch zu unseren Verbündeten. Viele von ihnen wollen wie viele Deutsche einfach "nur" vernünftig leben.

Die Zahlen belegen auch eine andere Realität: Von Nazi-Übergriffen sind nicht nur Ausländer betroffen und nicht nur Deutsche können Rassisten sein. Nur die Hälfte aller Gewalttaten der Nazis trifft Ausländer. Der Rest ihrer Opfer sind Deutsche: Behinderte, Homosexuelle, Obdachlose, Prostituierte und vor allem Linke, also vor allem die "Schwachen" der Gesellschaft, die eh schon am Rande der Gesellschaft stehen. Dennoch stellen Kapitalisten, Medien und Politiker das Problem des alltäglichen Faschismus als das Problem der Ausländer dar. Es liegt ihnen daran, dass sich Teile der Bevölkerung zwar empören, aber die wirkliche Tragweite nicht erfassen, dass nämlich Faschismus sich nicht "nur" gegen die Juden richtete, sondern gegen Millionen von Arbeitern und vor allem auch gegen die deutsche Arbeiterklasse selbst, die entrechtet wurde, deren Ausbeutung verschärft und die in einen imperialistischen Krieg für das Kapital geschickt wurde.

Die gesamte Dimension und der gesamte Horizont der Problematik wird extrem verkürzt dargestellt, so dass die Nazis nicht als wirkliche Bedrohung für den einzelnen, sondern nur für irgendwelche Minderheiten erscheinen. Rassismus erscheint als ein Problem der anderen: sowohl was die Täter als auch die Opfer anbetrifft. Täter sind gewaltbereite "dumpfe Glatzen", Opfer "Ausländer". Es geht beim Rassismus aber keineswegs um "Ausländerfeindlichkeit", weswegen wir auch betonen möchten, dass wir keine "Ausländerfeinde" wie wir ebenso keine "Ausländerfreunde" sind. Das hiesse die Augen zu verschliessen vor der sozialen Realität und einen negativen Rassismus zu üben, nämlich Ausländer nur deshalb in Schutz zu nehmen, weil sie Ausländer sind. Was ist dann allerdings mit einem englischen Chef, einem türkischen Faschisten der MHP oder einem farbigen Sexisten?

Kontakt: revtimes@gmx.net


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