"Nieder mit der Klassengesellschaft und allen ihren politischen Lakaien!"

Seit Anfang 2000 erscheint das rätekommunistische Fanzine "Soziale Befreiung". Es wartet stets auf mit interessanten politischen Artikeln und Analysen. Die "Soziale Befreiung" ist im Gegensatz zu Pamphleten mancher linker Gruppen nicht mit den üblichen Solidaritätsartikeln mit XY oder der Befreiungsbewegung für den Mond durchsetzt. Hier werden keine stinkenden Mythen in den Duft süßen Geschwätzes eingelegt. Was hier geboten wird ist marxistische Analyse und Diskussion, die selbständig Positionen entwik-kelt, althergebrachte hinterfragt und wenn nötig überwindet. Zu allem trägt die "Soziale Befreiung" kein Dogma vor sich her oder hütet gar heilige Kühe in einem nicht existenten gelobten Land. Diskussion und Mitarbeit der Leser sind ausdrücklich gewünscht. Diese gute Arbeit gehört unserer Meinung nach mit diesem Interview belohnt. Uns bleibt an dieser Stelle nur den Lesern viel Spaß beim Lesen und der Redaktion der "Sozialen Befreiung" weiterhin Mut und Kraft auf ihrem steinigen Weg zu wünschen.

F: "Soziale Befreiung" -wer oder was ist das und wer oder was steckt dahinter (Anspruch, Macher, Projekt, etc.)?

Die "Soziale Befreiung" ist eine rätekommunistische Zeitung mit einem sehr hohen Anspruch: Zur Destabilisierung der zur Zeit sehr stabilen deutschen Klassengesellschaft beizutragen. Wir verstehen darunter eine schonungslose Kritik der kapitalistischen Ausbeutung von Lohnarbeit und der politischen Verwaltung dieser Ausbeutung. Wir sind konsequente Feinde der Lohnarbeit und des Staates. Die bürgerliche Demokratie nutzen wir um zu sagen: Nieder mit der bürgerlichen Demokratie! Spätestens jetzt wissen die Schnüffler vom Verfassungsschutz, daß wir Feinde ihres Ausbeutungssystems sind. Und wir sind verdammt stolz darauf! Weiterhin sind wir von der Fähigkeit der ArbeiterInnenklasse überzeugt diesen Laden auseinanderzunehmen und eine Gesellschaft ohne Warenproduktion, Lohnsklaverei und Staat aufzubauen. Eine Gesellschaft die auf Selbstorganisation und auf Produktion für die Bedürfnisse - und nicht für den Profit - beruht. Selbstverständlich sind wir entschiedene GegnerInnen des deutschen "Menschenrechts"-Imperialismus und seiner Kriegs-verbrechen (z.B. in Jugoslawien)

F: Wozu die "Soziale Befreiung"? Es gibt doch schon so viele Zeitungen politischer Gruppen, wozu dem ganzen noch eine weitere hinzufügen? Was unterscheidet von anderen linken Zeitungen und Gruppen? Was ist euer Anspruch und was hat euch dazu bewegt die "Soziale Befreiung" herauszugeben?

Bestellt euch die "Soziale Befreiung" und vergleicht selbst! Ein Großteil der linken Organisationen und Zeitungen sind Teil des Problems und nicht Teil der Lösung. Die NeosozialdemokratInnen der PDS sind Noskes im Wartestand. Wenn sie erst mal im Bund mitregieren, werden sie alle sozialen Phrasen fallen lassen und zu allen Schweinereien bereit sein. Wenn die ArbeiterInnenklasse sich zu erheben beginnt, wird sich die PDS als offene Feindin erweisen. Ihre Zeitung, das Neue Deutschland, ist nur ein Brechmittel! Überall wo LeninistInnen/StalinistInnen/MaoistInnen die Macht hatten oder haben, errichteten sie eine bürokratische Parteidiktatur, die jede Regung der proletarischen Selbstorganisation brutal unterdrückte und auslöschte. Die Parteidiktatur war/ist nur der staatliche Überbau einer besonderen Form der bürgerlichen Produktionsweise -dem Staatskapitalismus. Die Zeitungen dieser Gruppen verschleiern den bürgerlichen Charakter der russischen Revolution und den "sozialistischen" Staatskapitalismus. Außerdem leisten sie nicht eine schonungslose Kritik der bürgerlichen Demokratie und schüren Illusionen in sie. Die leninistischen BürokratInnen, die selbst kaum in der Lage sind etwas zu lernen, spielen sich in der linken Presse als LehrmeisterInnen auf. Wir brachen mit dem Leninismus. Wir sehen uns nicht als LehrmeisterInnen, sondern als Lernende. Unsere Schule ist das wirkliche Leben und die wirklichen Klassenkämpfe. Ideen und Theorien sind für uns nur insofern wichtig ob sie das praktische Leben richtig widerspiegeln oder nicht. Wir lehnen jeden Staat, aber auch die idealistische und moralisierende Methode der AnarchistInnen ab. Wir sind MarxistInnen aber zum Teil scharfe KritikerInnen von Marx/Engels. Außerdem zeichnet uns ein kräftiger Schuß Galgenhumor aus. Getreu dem Motto: Lachen, wenn einem zum Kotzen ist !

F:Was ist bisher alles von Euch erschienen? Und wie waren die Reaktionen der Leser bisher?

Bis jetzt sind drei Ausgaben erschienen, die vierte ist schwer in Arbeit. In der Nr. 1 ist unter anderem ein sehr guter Artikel über den Kronstädter Aufstand von Red Devil, ein Einführungsartikel in den Rätekommunismus von Cajo Brendel sowie eine Gysi-Kritik von Nelke zu lesen. Die Nr. 2 ist unser Werk "Leo Trotzki und der sowjetische Staatskapitalismus." Es ist unsere Kritik am Trotzkismus und unsere Analyse der russischen Revolution/sowjetischem Staatskapitalismus. Diese Broschüre fand bisher das meiste Interesse. Was uns natürlich sehr freut. Dank dieser Broschüre konnten wir schon die ersten Abonnenten gewinnen. Die Nr. 3 beschäftigt sich mit den "Charaktermasken des bürgerlichen Nationalismus" die bisher viel weniger Interesse fand. Das finden wir sehr schade, denn unsere Positionen unterscheiden sich auch in dieser Frage stark von der leninistischen und neosozialdemokratischen Herangehensweise. Bestellt euch die drei Ausgaben und erfahrt wie schöpferisch und humorvoll Marxismus sein kann!

F:Ihr vertretet in Euren Publikationen rätekommunistische Positionen. Wie habt ihr Euch zu diesen Positionen entwickelt und welche politischen Erfahrungen habt ihr mit der alten Arbeiterbewegung?

Wir waren früher Mitglieder der trotzkistischen Sekte SAV. Unsere Erfahrungen in diesem traurigen Verein haben uns immunisiert gegen alle Verlockungen dieser bürokratischen Rattenfänger. Die alte ArbeiterInnenbewegung ist durch und durch verfault. Sie reproduziert durch ihren bürokratischen Aufbau die Klassengesellschaft und wird unfähig diese zu bekämpfen. Unsere Befreiung aus dem trotzkistischen/linksbürgerlichen Sumpf war schwer und ging Schritt für Schritt vor sich. Eine Artikelserie in der Jungen Welt (1997) über den Kronstädter Aufstand war der erste schwere -aber heilsame -Schock. Auch irgendwann in diesem Jahr brachen wir mit der Partei als bürgerlicher Organisationsform. Die klaren Worte des deutschen Rätekommunisten Otto Rühle zu dieser Frage waren da sehr hilfreich. Dann lasen wir irgendwann die Texte des niederländischen Rätekommunisten Cajo Brendel im Internet. Seit dieser Zeit (1999) bekennen wir uns bewußt zum Rätekommunismus.

F:Was für Pläne habt Ihr für die Zukunft? Was sind eure weiteren Absichten? Ist mehr geplant als nur Broschüren herauszugeben?

Ja, wir haben schon einiges mehr vor. Die "Soziale Befreiung" strebt für die Bundestagswahlen 2002 ein Bündnis mit LinkskommunistInnen/AnarchistInnen an, um über den Klassencharakter der bürgerlichen Demokratie aufzuklären. Wir haben nur die Wahl zwischen Verwaltern unserer Ausbeutung! Mittelfristig stellen wir uns die Aufgabe bei der Neuformierung der kommunistischen Bewegung mitzuwirken. Doch hierzu gilt: Erst Klarheit, dann Einheit! Ein Großteil der Organisationen, die sich heute sozialistisch oder kommunistisch nennen, sind in Wirklichkeit nur der linke Flügel der bürgerlichen Demokratie. Aber wir hoffen, daß durch eine Belebung der Klassenkämpfe und der Zersetzung der linksbürgerlichen Organisationen, in Zukunft wieder mehr Menschen an rätekommunistischen Positionen interessiert sind. Zur Zeit würde der Aufbau einer rätekommunistischen Föderation in Sektenklüngel ausarten, aber mittelfristig stellen wir uns schon das Ziel. Langfristig wollen wir als Teil der Klasse an der sozialen Revolution teilnehmen und die kommunistische Gesellschaft gestalten.

F:Wo seht ihr Ansatzpunkte für politische Aktivisten im kapitalistischen Alltag? Wo seht ihr die Möglichkeit die alltägliche Isolierung (in der Szene/Subkultur, im Betrieb, im Ort) zu durchbrechen?

Eine sehr gute und wichtige Frage, die nur sehr schwer zu beantworten ist. Wir wollen einen Beitrag zu ihrer Beantwortung leisten. Nicht nur in diesem Interview und in unseren Broschüren, sondern in unserem praktischen Auftreten. Fakt ist, daß die Klassengesellschaft zur Zeit sehr stabil ist. Ebenfalls ein Fakt ist, daß durch opportunistische Anpassung sie nur noch gefestigt wird. Jeder Ansatz kommunistischer Politik muß den Kapitalismus schon heute destabilisieren. Sonst hat sie diesen Namen nicht verdient. Es ist ebenfalls eine Tatsache, daß sich KommunistInnen nicht von den Klassenkämpfen ihrer Zeit isolieren dürfen, auch wenn diese sich im reformistischen Rahmen bewegen. Wir sind als Teil der Klasse an jeder Verbesserung unserer Lebenslage interessiert. Wir kämpfen also mit unseren KollegInnen für höhere Löhne, betonen aber gleichzeitig, daß jede Lohnerhöhung im Rahmen des Lohnsystems nur zu einer Intensivierung der Ausbeutung führt. Deshalb müssen wir als KommunistInnen in reformistischen Kämpfen revolutionäre Agitation betreiben. Außerdem müssen wir in diesen Klassenkämpfen die Funktion der Gewerkschaften als Institutionen der "Sozialpartnerschaft" kritisieren. Die alltägliche Isolierung der Revolutionäre läßt sich nur durch konkrete Aktionen im realen Klassenkampf aufheben. In diesem Klassenkampf lernt die ArbeiterInnenklasse selbständig und nähert sich dadurch den Revolutionären an. Die linksbürgerlichen Organisationen verstehen dieses dialektische Verhältnis zwischen KommunistInnen und Klasse nicht. Sie passen sich opportunistisch an das bürgerliche Bewußtsein eines großen Teils der Klasse an und bremsen somit die Entwicklung des Klassenbewußtseins. Nehmen wir zwei konkrete Beispiele als Anknüpfungspunkte für KommunistInnen: Im Juni 2000 kam es zu einem wilden Streik bei Opel/Rüsselsheim. In solchen von der Gewerkschaftsbürokratie unabhängigen Kämpfen bereitet sich die morgige soziale Revolution schon heute vor. Ein weiteres Beispiel ist der antifaschistische Selbstschutz von Betroffenen gegen den Naziterror, der durch Gegengewalt beantwortet wird. Dadurch wird das staatliche Gewaltmonopol praktisch in Frage gestellt. Natürlich kann Antifaschismus auch in dieser Form für sich allein genommen nicht revolutionär sein.

F:Ihr seid ja auch nicht erst seit gestern Redskins. Wie steht Ihr zur Redskin- und Skinheadszene?

Wir kamen durch SHARP in die Skinheadszene. Es ist ja bei gewissen "Loiten" heute modern auf SHARP zu schimpfen, aber die meisten Meckerer sollen einfach nur die Fresse halten. In Gegensatz zu ihnen gab es durch SHARP einige vernünftige Ansätze zur Schaffung einer klassenkämpferischen Gegenkultur zur bürgerlichen Musikindustrie. Red & Anarchist Skinheads (RASH) knüpft daran auf ein viel höherem Niveau an. Das RASH-Konzert in Paris im Sommer 2000 werden wir nie vergessen. Einfach nur genial! Die heutige "unpolitische" Skinheadszene ist uns viel zu öde, um uns näher mit ihr zu beschäftigen. Sie bringt auf jeden Fall viel Stumpfsinn und Sexismus hervor.

F:Was haltet Ihr von Revolution Times und von unserer "Bibliothek des Widerstandes"?

Wir finden beides total Scheiße! Wir lesen lieber die Bildzeitung und ziehen uns Talkshows im Privatfernsehen rein! Nun aber mal im Ernst: Revolution Times ist wichtig für den roten Skinheadkult. Auch bei der Verbreitung revolutionärer Gedanken ist es nicht zu unterschätzen. Vielleicht kommen ja durch Euch kurzhaarige Menschen mit kommunistischen Positionen in Berührung, die nie das kommunistische Manifest lesen würden. Die "Bibliothek des Widerstandes" ist neben der "Sozialen Befreiung", "Aufbrechen" und der "Weltrevolution" ein sehr wichtiges Organ der kommunistischen Linken. Inhaltlich stimmen wir mit Euch voll überein. Eure Broschüre über den Kronstädter Aufstand hat uns bis jetzt am meisten beeindruckt. Ein Klassiker des revolutionären Marxismus!

F:Letzte Worte und Grüße?

Nieder mit der Klassengesellschaft und allen ihren politischen Lakaien! Solidarische Grüße gehen an alle Menschen, die das ähnlich wie wir sehen und mit uns gemeinsam für eine Neuorganisation der KommunistInnen und die soziale Revolution kämpfen wollen.

(Dieses Interview entstammt dem Revolution Times # 12)

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