Spass und Politik - Der 1. Rote SkinheadBlock

Das ist die Mischung, die wir mögen

Viele hatten sich schon lange vor dem 14.1.1996 auf den Weg an die Spree gemacht. Schon Donnerstag und Freitag abend wurde fröhlich gezecht und so mancher hatte eine stundenlange Fahrt auf sich genommen, um mal wieder fröhlich bei einem Bierchen oder zwei beisammen zu sein und Neuigkeiten auszutauschen.
Am Samstag war dann Konzert angesagt im SO 36 mit Faza 40+4 aus Polen, Monkey Shop aus Köln, den Lokalmatadoren Mother' s Pride und die berühmt-berüchtigten Selecter. Die polnische "SKA"Band regte zum allgemeinen leichten Lächeln an. Sie fühlten sich wohl als Stars und so hüpften sie alle wie blöde rum und der tolle Sänger(Scheiß Hippie!) erst mit seiner Sonnenbrille(man, war das sonnig in der dunklen Halle!). Kurz sie entpuppten sich als Dilettanten. Boh, waren die schlecht!
Also ging' s rüber in den Imbiß, 'n paar Humpen stemmen, ablachen und quatschen. Monkey Shop überzeugten dann durch gute Coverversionen der Specials, etc. und dann kamen die Jünglinge, auf die ihre Mutter wahrlich stolz sein kann. Sie spielten auf zum Tanze und stellten auch einige neue Stücke vor, die allerdings zumindest mich nicht so überzeugten. Ansonsten Party und Skanken bis zum Schweißausbruch.
Dann als peinlicher Abschluß kamen Selecter, die ich das erste Mal sehen "durfte". Ihren alten Glanz und die Ehrfurcht, die ich mal vor ihnen verspürt hatte, haben sie mit ihrer Offbeat-Show vollends verspielt Wie kann man sich nur so verschlechtern! Jungs + Mädels, hört einfach auf, mit Selecter ist' s ein für allemal aus!
Noch kurz 'n Schnack mit den Prenzelbergern gehabt, von denen ich so einiges Nettes über OiBe erfuhr(Gruß an dieser Stelle an Dich!)Danach bzw. während Selecter noch spielte, lösten wir uns auf & ein Teil verzog sich inne Kneipe, wo wir zechten, bis wir rausflogen(Gruß nochmal an dieser Stelle an den Burschen mit der Mütze, Storch, IWAN, Bulldozer und Bäuchlein!), weil Feierabend war. Dann noch' n Döner verspeist & mit 'm Nachtbus ins traute Bett.
Am näxten Morgen war dann das Hochkommen 'ne wahre Qual, doch vor neune war' s nach nicht einmal drei Stunden Schlaf geschafft. Nach Wachwerden und Feinmachen für die Karl + Rosa-Demo ging' s zur U-Bahn, in die ständig neue Leute zustiegen, denen anzusehen war, daß sie auch dorthin wollten, wo wir unseren Block treffen wollten. Irgendwann klingelte mein Wecker noch und dann waren wir auch schon da & wurden positiv überrascht. Denn zu so früher Stunde und oft nach langer Fahrt hatte sich schon eine beachtliche Zahl Glatzen am Leninplatz eingefunden und wir wurden ständig mehr. Was ja nich so selbstverständlich für' n Sonntagmorgen nach vorabendlichen Konzert und Suff und den meist weit zurückgelegten Entfernungen(Gruß an dieser Stelle an die M' gladbacher!) nach Berlin ist.
Viele von uns verteilten RASH-Flugis, verkauften Revolution Times, trugen rote Fahnen, etc. So reihten wir uns ein und setzten uns in Bewegung. Es war schon recht stattlich, auch wenn teilweise auch nicht gerade sehr diszipliniert. Teilweise hatten wir bis zu vier Blocks. Einer vorne(diese Vorrenner!), einer hinten(diese Lahmärsche!), einer Bier kaufen und einer am Zigarettenautomaten(Alles Scheiß Süchtige! Prost!)Aber allein das geballte & im Vergleich zum Vorjahre geschlossenere Auftreten waren ein erster Erfolg. Später stießen die Oldenburger mit ihrem geilen Transparent zu uns, wo draufstand "Dem Freund die Hand, dem Feind die Faust!". Super Idee! Näxtes Jahr und am 1.Mai dieses Jahres in M' gladbach sollten wir ein großes Leittransparent haben, dann erzeugen wir auch mehr Außenwirkung(Und darum geht es doch!) und erzielen mehr Geschlossenheit und Anziehungskraft für andere Glatzen! Aber für den 1.Mai schnacken wir das noch ab. Nur soviel: Jeder sollte mitbringen, was er kann. Lieber ein Transparent zuviel als nur ein kleines oder gar keines!
Dann kam der Schock für den Großteil der Demo: In den Vorjahren war die Karl + Rosa-Demo immer eine Art lustiger und politischer Sonntagsspaziergang gewesen. Nun passierte an diesem 14.1.1996 das wohl für alle Unerwartete. Die Bullen griffen die Demo mit äußerster Härte und Brutalität an. In den Vorjahren waren hier und dort einige Bullen in Uniform gewesen, dieses Mal marschierten an beiden Seiten mindestens 30 Bullen mit Helmen und Panzerung, zunächst noch ohne Schilde oder Knüppel. Zuerst boxten sie sich in den Block der Kurden/Türken unter dem Vorwand einer PKK-Fahne, später noch mehrmals. Und dann das gleiche Spiel im Block der autonomen Antifa(wegen dem Verbrechen der Vermummung), was aber jedesmal zurückgeschlagen werden konnte, aber zu Verletzten wohl auf allen Seiten führte, wobei die Bullen jedesmal im Vorteil waren, weil geschützt und vorbereitet.
Bei ihren Angriffen und Prügelorgien nahmen sie auf niemanden Rücksicht. Wie wild boxten sie um sich, rannten Demo-Teilnehmer um, und nahmen teils wahllos, teils gezielt Leute fest (laut OiBe waren es "nur" 14 Festnahmen).
Die Zahl der Opfer der Bullen-Prügelorgie in faschistischer Freikorps-Manier und in Tradition der Bullenübergriffe der Staatsmacht der Weimarer Republik auf damalige Demonstrationen der Arbeiterbewegung ist bisher nicht bekannt. Ich sah, wie Bullen Jugendliche blutig, alte Leute und Mütter mit Kindern umprügelten und umrannten. Da niemand auf diesen Angriff bzw. diese Provokation eingestellt war und die Grundstimmung eher so war, daß man die von Reaktionären ermordeten Sozialisten Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg ehren und keine Straßenschlacht anzetteln wollte, fiel der Widerstand relativ gering aus, trotz alledem war er vorhanden.
Neben den Kurden/Türken und der autonomen Antifa hatten es die Bullen auf uns Glatzen abgesehen, schließlich passen wir auf dieser knallharten linken Demo nicht in ihr Medien-Bild und Lügen-Märchen der Skins als Nazi-Glatzen. Also nahmen sie einige von uns hops(unter fadenscheinigen Begründungen!), einige bekamen Schläge ab, die allerdings auch gut abgewehrt und erwidert wurden. Trotz weiterer Angriffe auf die Demo, die teilweise abgewehrt, teils schockiert beobachtet wurden, traf der Demo-Zug mit diesmal 10.000 Leuten(letztes Jahr sollen es laut bürgerlicher Medien 5.000 gewesen sein) nach etwa 3 Stunden am Zentralfriedhof Lichtenberg und der Gedenkstätte der Sozialisten ein. Dort zogen am ganzen Tag laut bürgerlicher Medien 80.000(Berliner Zeitung) Menschen vorbei. Nicht nur "Szene"Leute, sondern viele "normale" Arbeiter und Rentner!
Dort angekommen glaubte der Großteil der Demo-Teilnehmer die Polizeiprovokation überstanden zu haben. Aber weit gefehlt! Nun sollte es erst richtig losgehen. Am Rande der Gedenkstätte standen erneut Bullen mit Helmen bereit, die zuerst einen Stand der Göttinger Antifa(M) abräumten, was zurückgeschlagen wurde und die Bullen dazu bewegte Verstärkung herbeizurufen. Diese kam schnell, bewaffnet mit Schilden und Knüppeln, so daß noch deutlicher wurde, daß diese gesamte Aktion gewollt und eine geplante Provokation war. Die Bullen rannten durch den Rest der Demo, rannten alles und jeden um, knüppelten sich den Weg frei. Dabei wurden sie von älteren Arbeitern aufgehalten, die ihnen Beine stellten, etc. Die Bullen prügelten wild um sich, zerlegten Infostände, knüppelten mit den dort abgesplitterten Holzlatten in die Menschenmenge. Viele, die ein solches Vorgehen nicht erwartet hatten, flüchteten teilweise in Panik. Allerdings gab es auch Widerstand. So wurden einige Bullen-Fahrzeuge entglast, ein Zivi-Bulle wurde durch die entglaste Fenster seines Autos gezerrt und machte mit dem Kantstein mehrere Male Bekanntschaft, Steine flogen und Tritte wurden an die Bullen zurückerteilt...Mein Haß auf unsere Staatsmacht hat sich ins Unermeßliche gesteigert. Und beinahe hätte ich... Wie OiBe richtig zu mir sagte: "Man hätte mehr machen können!". Laut Medien gab es eine verletzte Bullette. Es kam zu Einkesselungen und Verhaftungen, zeitweise wurde die Gedenkstätte abgesperrt und geschlossen durch Bullenketten.
Erfolgreich konnten die Bullen zurückgedrängt werden, als Ketten gebildet und vorgerückt wurde. Das alles unter dem Schmettern der Internationale und anderer Arbeiterlieder. Das zeigte den Bullen unsere Entschlossenheit nicht zu weichen!
Bezeichnend ist auch, daß dies der erste Angriff seit 1988 war. Damals war es die DDR-Staatsmacht und Kohl benutzte das Zitat der lieben Rosa: "Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden.". Diesmal war' s halt wieder die Knüppelfreiheit gegen Andersdenkende! Scheiß-Pack!
Die Medien, mit Ausnahme weniger(so u.a. der junge Welt), ließen sich darüber aus, daß es zu Auseinandersetzungen zwischen "Autonomen" und der "Polizei" gekommen sei. Von der Bullenprovokation kein einziges Wort! Im Ausland berichteten die linken Zeitungen über die Provokation, während der Großteil der bürgerlichen Zeitungen nichts von Auseinandersetzungen erwähnten (so z.B. auch in Schweden).
Irgendwann setzten wir uns ab, als sich die Wogen geglättet hatten.
Wichtig finde ich es, daß diese Ereignisse von Berlin nun zu einer Diskussion führen!
Ich möchte einen ersten Versuch der Bewertung vornehmen und Euch auffordern, Euch einzubringen und an der Diskussion zu beteiligen(evtl. eingesandte Diskussionsbeiträge werden wir abdrucken!).

1. Die Demo zu Ehren von Karl und Rosa war trotz alledem ein Erfolg! Diesmal haben 10.000 (!) Menschen gegen das vergessen und für ihr Werk demonstriert! Über 80.000 waren am ganzen Tag an den Gräbern der Sozialisten! Das zeigt, wie groß das Potential für sozialistische Ideen und zur Veränderung der Gesellschaft ist. Das sollten wir, jeder in seiner Gruppe/Organisation nutzen! Und die Faschisten können zu diesem Zeitpunkt niemals eine Demo/Ehrung dieser Größenordnung und mit dieser Klarheit durchziehen. Dessen sollten wir uns bewußt sein! Das zeigt unsere Stärke, nur darf Berlin nicht zum Ritual werden, sondern es muß der aktuelle Bezugspunkt vorhanden sein, denn Wir sind keine Ewiggestrigen, wollen nicht zurück zur DDR, sondern vorwärts zum Sozialismus, zu einer veränderten BRD!!!

2. Der Bullenangriff ist als geplante Provokation und gewollte Aktion anzusehen und zu werten, und dies in faschistischer Freikorps-Manier/Tradition. er ist ein Glied in der Kette der neuen Repression und Diskreditierung linken Widerstandes in diesem Landes, der mit den Verhaftungen wegen Radikal am 13.6.1995begann. Er ist ein Gradmesser des politischen Klimas in der neuen, größeren BRD. Der Staat will aber gleichfalls sehen, wie weit er gehen kann und wie wir reagieren. Die Demo und Ehrung von Karl und Rosa ist lange kein Zwang mehr wie zu DDR-Zeiten. Sie ist auch gut besucht und keineswegs "szene"isoliert, was ein Dorn im Auge der Herrschenden ist. Der Versuch der Diskreditierung und Kriminalisierung ist teilweise gelungen, Teile der Medien berichteten in Staates Sinne von "Chaoten" und "Autonomen". Aber es kommt darauf an, was wir daraus für die Zukunft lernen!

3. Und es kommt darauf an, wie wir nun mit der ganzen Sache umgehen. Das erfordert eine breite Diskussion.! Wir müssen nun in unseren Zusammenhängen diskutieren:
a)Wie bewerten wir diese Vorgänge/Provokation?,
b)Welche Schlußfolgerungen ziehen wir?,
c)Wie gehen wir näxtes Jahr mit einem Bullenangriff um?,
d)Wie wehren wir uns effizient?,
e)Wie machen wir dem Vorhaben der Bullen einen Strich durch die Rechnung?,
f)Wie machen wir ihnen einen Strich durch ihre Rechnung, so daß sie nicht für sie aufgeht?,
g)Wie verhindern wir das Abdriften der Demo/Ehrung in eine "szene"isolierte und Schwarze-Block-Veranstaltung?,...

4. Eines ist gewiß: Viele, mit denen ich sprach, wollen näxtes Jahr erst recht kommen. Wir werden und dürfen uns nicht einschüchtern und kriminalisieren lassen! Unser Widerstand ist berechtigt und muß ausgeweitet werden! Eine Provokation wie 1996 in Berlin werden wir uns nicht wieder bieten lassen (dürfen)! Und das gilt nicht nur für die Berliner Demo zu Ehren der beiden großen deutschen Revolutionäre, sondern für jede andere Demo und Veranstaltung. Auf irgendeiner Antifa-Demo meinten die Bullen, wir müßten uns in Zukunft auf gewalttätige Demonstrationen einstellen. In Zürich/ Schweiz haben die Hammerskins unter Bullenschutz eine Antifa-Demo angegriffen. Das sollte uns zu denken geben. Über die Gründung von Ordnerdiensten, besser trainiert als bisher, sollte nachgedacht werden. Diese Ordnerdienste müßten z.B. fähig sein, Demos zu disziplinieren, gegen Angriffe von Bullen und Faschisten zu schützen und zu verteidigen, Verletzte zu verarzten, etc. Beginnt auch diese notwendige Diskussion! Bei der Berliner Demo im Januar 1997 sind wir auf jeden Fall auf alles gefaßt, werden uns nichts mehr bieten lassen und mehr als jemals zuvor mobilisieren. Denn: Öffentlichkeit, Entschlossenheit und Massenmobilisierung werden 1997 unsere Stärke sein! Bis 1997, RED DEVIL.

(aus Revolution Times # 3)

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