REVOLUTION TIMES HOMEPAGE

Als antirassistischer Skinhead im Knast

"Jeder Tag bestärkt mich mehr in meiner Einstellung!"

In den letzten Ausgaben hatten wir Berichte von bzw. über Genossen Thomas, der als linker Skinhead im Knast sitzt ("In den Fängen des Gesetzes" und "Ein Red-Skin auf Reisen" bzw. "One law for them, one law for us!"). Da wir es recht wichtig finden mehr über Thomas und den Alltag als linker Skinhead im Knast zu erfahren, haben wir ihn einfach mal gebeten, uns ein paar Fragen zu seiner Person und den Umständen in deutschen "Justizvollzugsanstalten" (JVAen) zu beantworten. Denkt immer dran: Es ist leichter als man denkt im Knast zu landen!


RT steht für unsere Wenigkeit, TMF für Thomas Meyer-Falk
RT: Stell' Dich und den Grund der Inhaftierung bitte mal kurz vor! Wie lange "darfst" Du noch im Knast verweilen?

TMF: Ich bin 27 und sitze zur Zeit eine Strafe von 13 ½ Jahren wegen Bedrohung, Beleidigung, Nötigung von Staatsbediensteten (2 Jahren) und wegen eines gescheiterten Banküberfalls (11 ½ Jahre) ab. Da ich in der Verhandlung weder Reue zeigte, zudem stets mit glattpolierter Glatze erschien und auch gegenüber Gericht und Staatsanwaltschaft meine Überzeugung nicht verriet, gab es als "Bonbon" die Sicherheitsverwahrung oben drauf. Die beginnt 2010. Der Beginn verzögert sich - geht es nach der Justiz - da noch Anklagen und Ermittlungsverfahren laufen wegen des Vorwurfs der Beleidigung, Bedrohung, Nötigung von Staatsdienern. 13 ½ Jahre und Sicherheitsverwahrung ist ihnen nicht genug!

RT: Was hat sich für Dich alles seitdem geändert?

TMF: Mein äußeres Leben hat sich radikal geändert. Mir wird vorgeschrieben, wann ich aufzustehen, zu schlafen, zu essen habe. Alle Post wird von Beamten gelesen (Ausnahme: Anwaltspost), so daß es keinerlei Intimsphäre gibt. Dafür hat sich meine Überzeugung verfestigt und jeder Tag mehr bestärkt mich in meiner Einstellung.

RT: Wie haben ehemalige Freunde, Verwandte und Genossen darauf reagiert? Halten sie (den Kontakt) zu Dir oder haben sie sich von Dir distanziert?

TMF: Kontakte zu Familie und zu Freunden habe ich nur sporadisch. Zudem einen lockeren Kontakt zur Antifa in Passau. Überwiegend habe ich Distanzieren erlebt, weil es eben ein Unterschied ist, ob wir theoretisieren oder handeln, ob wir heimlich einen Bullenwagen abfackeln oder ob wir offen auftreten. Einen Kritikpunkt kann ich aber durchaus akzeptieren. Bei dem Banküberfall gab es 6 Geiseln, die natürlich psychisch sehr belastet wurden. Es gab aber keine Toten. Dennoch identifizierte sich eine Bekannte so sehr mit deren Schicksal, daß sie den Kontakt zu mir abbrach.

RT: Wie sieht der Alltag im Knast für Dich aus?

TMF: Ich sitze in Isolationshaft mit dem Etikett "besonders gefährlicher Gefangener", d.h. 24 Stunden Zelle zu, keinen Kontakt zu Gefangenen, eine Stunde alleine Hofgang mit 3 Schließern. Meist stehe ich um 5.30 Uhr auf, höre im Radio Deutschlandfunk Nachrichten - denn ein TV darf ich nicht haben - , 6.30 Uhr gibt es Knasttee, so um 9.30 Uhr eine Stunde Gefängnishof, 11.30 Uhr Mittagessen, 15.30 Uhr Abendbrot. Ich lese viele Bücher aus der Knastbücherei, Zeitungen und höre Radio. Zeitweise übe ich mit einem Lehrbuch T'ai C'hi zur Entspannung. Wobei eine 8 Quadratmeter große Zelle - vollgestellt mit Tisch, Stuhl, Schrank, Bett, WC-Schüssel - kaum Bewegungsraum gibt. Gehe ich mal zum Doc, werden alle Gefangenen weggeschlossen. Besuche bekomme ich keine, wäre auch eh stressig, da nur mit Trennscheibe und Bewachung.

RT: Was tust Du so, wenn Du freie Zeit zur Verfügung hast?

TMF: Siehe hierzu auch die vorige Frage. Im Übrigen schreibe ich Leserbriefe und manchmal werden sie auch in etablierten, bürgerlichen Zeitungen abgedruckt. Zumindest ein Mini-Forum!

RT: Darfst Du alle Bücher und Zeitungen bestellen, die Du lesen möchtest bzw. bezahlen kannst?

TMF: Ich beziehe einige Freiabos. Aber die JVA begrenzt die Zahl der (Tages)Zeitungen auf 3. Bücher kann ich bestellen, darf aber nur 10 in der Zelle haben. Da dies mit juristischer Literatur + 1 Duden schon erfüllt ist, habe ich nichts von neuen Büchern. Ich beantragte schon wenigstens 15 oder 20 Bücher in die Zelle zu bekommen und erntete nur ein striktes "Nein!".

RT: Denkst Du, daß es Unterschiede in der Behandlung politischer Gefangener und "normaler Krimineller" gibt? Gibt es Unterschiede in der Behandlung deutscher und nichtdeutscher, rechter und linker Gefangener? Gibt es Schikanen?

TMF: Es gibt sicherlich Unterschiede in der Behandlung durch die Anstalten, aber auch Gerichte, die z.B. über eine vorzeitige Entlassung entscheiden. Ich sehe mich nicht primär als politischen Gefangenen, aber auch nicht als "normaler Krimineller", mehr so in der Mitte. Politische Gefangene von links haben "das Problem", daß wenn sie zu ihrer Überzeugung stehen, Schikanen ausgesetzt sind. Denn nichts ist der Justiz suspekter als - politisch - denkende Gefangene. Der Kinderschänder (als Beispiel) versteht es sich bei Beamten beliebt zu machen, er denunziert Gefangene, ist immer unterwürfig und bekommt dadurch Erleichterungen und Vorteile. Ein Linker, der sich z.B. auch noch um Mitgefangene kümmert, sie berät, Briefe schreibt, ausländischen Gefangenen hilft, und evtl. noch für seine Ideologie wirbt, der gefährdet das system. Ausländische Gefangene werden oftmals durchweg "geduzt". Sie werden wie Menschen 5. oder 6. Klasse behandelt. In Straubing verbot man einem Kurden mit seiner ihn besuchenden Familie Kurdisch zu sprechen! Deutsch oder Türkisch sprechen, aber am besten nur Deutsch! Rechte Gefangene haben es wieder leichter. Denn seitens der Beamten treffen sie dabei oft auf ähnliches Gedankengut. Als Beispiel dient die Bundestagswahl 1998! Wessen Name sah ich da auf meinem Stimmzettel? Einen JVA-Beamten! Mitglied bei den REPs! Zudem treten Rechte für "Zucht & Ordnung" ein und sind Rassisten. Das bringt ihnen oft viel Sympathie durch die Beamten. Schikanen brauchen Rechte deshalb nicht zu fürchten.

RT: Wie ist das Verhältnis zu Mitgefangenen? Gibt es so etwas wie Solidarität im Knast unter den Gefangenen?

TMF: Wenn ich mal nicht in Iso bin, ist es sehr gut. Denn ich schreibe ihnen Anträge, Eingaben, Briefe und da ich mich juristisch etwas auskenne, kann ich da auch Hilfestellung geben. Was die Solidarität angeht, so ist dies schwierig. Die JVA tut ihr möglichstes diese zu verhindern. So werden die einzelnen Wohngruppen psychologisch ausgefeilt zusammengesetzt! Der Eine bekommt etwas gewährt (z.B. TV), was dem Anderen verwehrt wird, um so Neid zu erzeugen. Außerdem lockt man mit vorzeitiger Entlassung, einem "guten" Knastjob. Dennoch findet man immer wieder Solidarität. Insbesondere bei ausländischen Gefangenen!

RT: Was ist für Dich im Knast wichtiger, was unwichtiger geworden?

TMF: Im Knast sind mir Äußerlichkeiten, Besitz unwichtiger geworden. Ich habe gemerkt auf wieviele Wohlstandsgüter ich verzichten kann und trotzdem leben und Mensch sein kann. Wichtiger geworden sind mir innere Werte, politische Überzeugung, mein Verstand!

RT: Wie wichtig ist für Dich als Gefangener der Kontakt nach draußen?

TMF: Kontakt ist und wäre mir sehr wichtig. Denn da draußen ist die Wirklichkeit. So ein Knastsystem hat nur in bestimmten Dingen mit draußen zu tun. Deshalb dient der Kontakt nach außen dazu den Realitätsbezug nicht zu verlieren UND der Kontakt bietet einen gewissen Schutz! Getreu dem Motto: "Allein machen sie dich ein."

RT: Von wem bekommst Du z.Zt. Unterstützung?

TMF: Nun, Revolution Times versorgt mich mit ihren aktuellen Ausgaben und schreibt hin & wieder. Dann wie gesagt noch Kontakt zur Antifa. Mir geht es auch mehr um ideelle Unterstützung: Oft habe ich den Eindruck, lieber ein paar Briefmarken oder 20 DM geschickt & dann Ruhe. So wie viele Wohlstandsbürger zu Weihnachten 100 DM an die Welthungerhilfe spenden, um die nächsten 12 Monate ein ruhiges Gewissen zu haben.

RT: Gerade wenn man politisch aktiv und daher unbequem ist, ist die Gefahr groß, daß man mit dem Gesetz in Konflikt und eventuell auch in den Knast kommt. Kann und sollte man sich darauf vorbereiten? Hast Du irgendwelche Ratschläge für unsere Leserschaft?

Ein uneingeschränktes: JA! Vorbereitung ist das A & O! Das fängt bei der Vernehmung durch die Bullen an! Wir haben alle, wenn man uns verdächtigt ein Schweigerecht! Nur unsere Anwälte können uns sagen, ob und wie wir eine Aussage machen, wenn wir einmal festgenommen sind. Also am besten schon bevor wir irgendetwas tun, was den repressiven Staatsapparat auf uns lenkt, einen Anwalt/ eine Anwältin suchen, die wir im Notfall einmal einschalten können. Also: Nie etwas ohne einen Anwalt sagen bei den Bullen.

Auf die Gefängnissituation kann man sich schwer vorbereiten. Aber wenn wir hören, z.B. von Bullen, um uns unter Druck zu setzen, dort werde reihenweise vergewaltigt, verprügelt: das sind in der Regel Märchen! Allem, was uns Bullen weismachen wollen, ist mit Mißtrauen begenen! Im Knast sollten wir uns auf das völlige fehlen jeglicher Intimsphäre vorbereiten: nackt ausziehen beim Empfang, Toilette mitten in der Zelle! Sollte es mal soweit sein, daß jemand von uns festgenommen wurde: Anwalt verlangen, schweigen, allenfalls verlangen, daß Freundin/Freund/Eltern informiert werden und Ruhe bewahren!

RT: Bereust Du was Du getan hast? Würdest Du heute anders handeln?

TMF: Ich bereue nichts von dem, was ich getan habe. Allenfalls würde ich manche Aktionen noch besser vorbereiten und planen. Denn ich bin von einem überzeugt: es muß "friedliche" Menschen geben, die auch durchaus ihre friedlichen Demos machen, Briefe schreiben, aber es muß im Sinne der Revolutionstheorie von Lenin eben auch Menschen geben, die bereit sind, zu anderen Mitteln zu greifen. Beide Parteien sind notwendig.

RT: Was für Ziele und Träume hast Du?

TMF: Mein Traum ist eine Gesellschaft ohne Ausbeutung, ohne Rassismus! Eine Gesellschaft ohne Bourgeoisie, mit gleichem Recht für alle: Frauen, Männer, Kinder, Homo/Hetero,...Eine Gesellschaft, in der der Mensch Mensch sein kann. Meine konkreten Ziele: hier raus und aktiv weiter kämpfen.

RT: Letzte Worte und Grüße an die Leserschaft des Revolution Times Wer seinen eigenen Weg geht, begegnet immer Widerspruch, die Schablone gilt! Aber man muß es eben riskieren. Wer nicht wagt, gewinnt nicht! FUCK THE NAZIS AND IMPERIALISM!


Behind the walls...

In den letzten Ausgaben berichteten wir ja schon mehrmals über den inhaftierten Genossen Thomas. Die Schikane, die ihm widerfährt, hat unserer Meinung nach System. Für uns hier draußen ist das, was dort hinter den Mauern und Gittern passiert eine fremde Welt, zu der nur wenige von uns Kontakt haben. Schenkt man den Medien Glauben, so ist das Leben im Knast ein einziges Zuckerschlecken. So ist es halt mit vielem. Nur wenige verfügen über Informationen aus erster Hand, der Großteil ist auf das angewiesen, was die ihm zur Verfügung stehenden Medien berichten, beschönigen, verschweigen oder erfinden. Aber wer es schafft mal hinter die Kulissen zu blicken, der kann ein ganz anderes Liedchen davon singen, wie es im Knast vor sich geht. Deshalb haben wir uns entschlossen das Interview mit Thomas zu machen und abzudrucken, um euch darüber zu informieren, was wirklich abgeht. Genosse Thomas schrieb uns auch von so mancher neuen Schikane, die hier auch nicht unerwähnt bleiben soll. Aber lassen wir ihn selbst zu Wort kommen: "Einige kleine Possen gefällig? Eine Bekannte wagte es, mir einen Weihnachtskeks zu schicken. Der wurde von der JVA weggeworfen, da er Sicherheit & Ordnung gefährde, schließlich sei er eine - wie es im Juristendeutsch heißt - "ungenehmigte Briefbeilage". Ich habe ein Freiabo von der Zeitung "Neues Deutschland" und als mir der Vertriebsleiter als Präsent einen Taschenkalender schickte, wurde er sofort (Sicherheit & Ordnung) eingezogen. Aber Null Problemo ... ich erhalte ihn (doch so schnell, ha, ha ,da hilft nur Zynismus) bei der Entlassung, so um 2010 / 2015! Toll, da freue ich mich doch schon drauf... Verbot durch die JVA, als Gasthörer an der Fernuni Hagen Kurse zu belegen! Denn ich könnte meine "Probleme durch intellektuelle Bildungsinhalte verdecken" (Zitat!). Schließlich hätte ich "schwerwiegende Verhaltensauffälligkeiten" im Vollzug gezeigt. Man verweigert mir folglich den Zugang zu geistiger Bildung - ich warte darauf, bis man mir als Zwangslektüre die BILD-Zeitung "verordnet". Und so geht es hier am laufenden Band. So muß ich die meiste Zeit in einer kalten Zelle sitzen, da weniger als 8 Stunden pro Tag geheizt wird! Mehr als 16 Stunden am Tag ist die Heizung nämlich kalt (es wird zentral an / aus gestellt und entweder sie ist heiß oder kalt, einen Zwischenstand gibt es nicht!). Da meine Zelle (Sicherheitszelle) einen nackten Stahlboden hat, kühlt die Zelle besonders rasch aus. Ab 20 Uhr ist die Heizung aus. D.h. am Tisch sitzen & lesen / schreiben ist unmöglich, da es rasch kalt wird. Vormittags ist sie von 9 - 11.30 an, von 13 - 15.30 Uhr ebenfalls! Dazu kommt, daß faktisch meine Zelle 30 - 60 Minuten später als andere wegen der besonderen Lage der Zelle warm wird! Tja, so wird einem hier nicht langweilig!" Soviel zur überall gepriesenen Freiheit und Demokratie und der vorherrschenden Meinung das Leben im Knast wäre ein Zuckerschlecken! Informiert euch aus erster Hand und laßt Thomas und alle anderen politischen Gefangenen eure Solidarität spüren, denn Solidarität ist nicht ein Lippenbekenntnis, sondern fängt mit Informationen, Aufklärung und Hilfe im Kleinen an. Und dazu kann z.B. ein Brief mit ein paar aufmunternde Zeilen, ein paar Briefmarken (drei darf man höchstens in den Knast mitschicken als Rückporto) oder auch eine Spende an die Rote Hilfe gehören. Das hilft einen im Knast ein bißchen den grauen Alltag und die Schikanen zu vergessen, hilft einem den überlebenswichtigen Kontakt nach draußen nicht zu verlieren und läßt einen merken, daß man nicht umsonst weiterkämpft und vor allem nicht alleine da steht (selbst wenn uns heute noch Mauern und Gitter trennen, in Gedanken haben wir sie längst eingerissen und beschreiten als freie Menschen den Weg in eine neue Welt ohne Armut, Ausbeutung, Heuchelei, Krieg und Rassismus!). Also beherzigt unseren Aufruf und unterstützt Gefangene wie Thomas, denn jeder von uns kann der nächste sein! They' ll NEVER get us all! RED DEVIL (aus Revolution Times # 10)

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