"Welche Perspektive hat die Anti-Globalisierungsbewegung? Eine notwendige Kritik"

I. Was ist "Globalisierung"?

"Die Tendenz den Weltmarkt zu schaffen ist unmittelbar im Begriff des Kapitals gegeben. Jede Grenze erscheint als zu überwindende Schranke." Karl Marx, Grundrisse

"Die Bourgeoisie reisst durch die rasche Verbesserung aller Produktionsinstrumente, durch die unendlich erleichterten Kommunikationen alle, auch die barbarischsten Nationen in die Zivilisation. Die wohlfeilen Preise ihrer Waren sind die schwere Artillerie, mit der sie alle chinesischen Mauern in den Grund schiesst, mit der sie den hartnäckigsten Fremdenhass der Barbaren zur Kapitulation zwingt. Sie zwingt alle Nationen, die Produktionsweise der Bourgeoisie sich anzueignen, wenn sie nicht zugrunde gehn wollen; sie zwingt sie, die sogenannte Zivilisation bei sich selbst einzuführen, d.h. Bourgeois zu werden. Mit einem Worte, sie schafft sich eine Welt nach ihrem eigenen Bilde." Karl Marx und Friedrich Engels, "Kommunistisches Manifest"

"Ich definiere Globalisierung als die Freiheit unserer Firmengruppe, zu investieren, wo und wann sie will, zu produzieren, was sie will, zu kaufen und zu verkaufen, wo sie will, und alle Einschränkungen durch Arbeitsgesetze oder andere gesellschaftliche Regulierungen so gering wie möglich zu halten." Percy Barnevik, Präsident der Asea-Brown-Bovery-Gruppe, einer der mächtigsten Konzerngruppen der Welt

Diese Bewegung richtet sich, wie ihr Name schon sagt, gegen die "Globalisierung". Es wird so dargestellt, als wenn die "Globalisie-rung" für den weltweiten Siegeszug von "Ungerechtigkeit" und "Unmoral" verantwortlich ist, als wenn dieses Phänomen als anonyme Macht über die Welt gekommen ist. Dabei ist der globale Kapitalismus keine neue Erscheinung. Das, was als "Globa-lisierung" bezeichnet wird, ist jedoch nur der dem Kapitalismus eigene, ständige Prozess der Zentralisierung und Konzentrati-on des Kapitals und dieser Prozess existiert bereits solange wie der Kapitalismus selbst. Der Kapitalismus hat stets im weltweiten Mass-stab mit Arbeitskräften, Geld, Produkten und Rohstoffen ge-handelt und in diesem Rahmen - und auf Kosten der anderen Länder und der eigenen Arbeiterklasse - haben sich Europa, Japan und Nordamerika als Zentren und hochindustrialisierte Länder herausgebildet. Dass die Erscheinungen, die der "Glo-balisierung" zugeschrieben werden, gar nicht so neu sind, wird da-durch deutlich, dass Marx und Engels bereits im 19. Jahrhundert im "Kommunistischen Manifest" die Grundtendenz des Kapitals zur Konzentration und Zentralisierung treffend analysierten und be-schrieben: "Die Bourgeoisie hat durch ihre Exploitation des Welt-markts die Produktion und Konsumption aller Länder kosmo-politisch gestaltet. Sie hat zum grossen Bedauern der Reakti-onäre den nationalen Boden der Industrie unter den Füssen weggezogen. Die uralten nationalen Industrien sind vernichtet worden und werden noch täglich vernichtet. Sie werden verdrängt durch neue Industrien, deren Einführung eine Lebensfrage für alle zivilisierten Na-tionen wird, durch Industrien, die nicht mehr einheimische Rohstof-fe, sondern den entlegensten Zonen angehörige Rohstoffe verarbeiten und deren Fabrikate nicht nur im Lande selbst, sondern in allen Weltteilen zugleich verbraucht werden. An die Stelle der alten, durch Landeserzeugnisse befriedigten Bedürfnisse treten neue, welche die Produkte der entferntesten Länder und Klimate zu ihrer Befriedigung erheischen. An die Stelle der alten lokalen und nationalen Selbstgenügsamkeit und Abgeschlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr, eine allseitige Abhängigkeit der Nationen voneinander."

Der Rätekommunist Paul Mattick schrieb 1969 - also Jahre bevor die AGB das Licht der Welt erblickte und die "Globalisierung" entdeckte und Jahre bevor inflationär von "Multis" geredet wurde wie heute - in seinem vortrefflichen Buch "Marx und Keynes. Die Grenzen des ‚gemischten Wirtschaftssystems'" folgende Zeilen und führte noch weitere gute Quellen an: "Jedes kapitalistische Unternehmen und jedes kapitalistische Land versucht sein eigenes Kapital auszudehnen - wenn nötig auf Kosten anderer Unternehmen und Länder." 1966 berichtete die New York Times über einen "sich fortsetzenden Trend der wachsenden Internationalisierung [lies: "Globalisierung" - R.D.] der Wirtschaft". Ebenfalls 1966 hatte G.A. Steiner geschrieben: "Jedes Unternehmen von einiger Bedeutung, das überleben will, muss international und multinational sein, denn Unternehmen, die weltweit operieren, können leichter als rein nationale dadurch ihre Kosten reduzieren, dass sie Rohstoffe, Produktions- und Distributionseinrichtungen und Arbeitskräfte nach den Kriterien der Optimalität bewegen." (alles Zitate aus Paul Mattick, "Marx und Keynes. Die Grenzen des ‚gemischten Wirtschaftssystems'"). Was wir im Falle der "Globalisierung" und der mit ihr verbundenen Auswirkungen erleben, ist also nicht durch falsches Verhalten einiger Kapitalisten oder die "Gier" einiger "Spekulanten" zu erklären, sondern auf eine normale kapitalistische Entwicklung zurückzuführen. Diese Entwicklung abzulehnen, aber am Kapitalismus selbst festhalten zu wollen, ist somit ein Unding und eine Inkonsequenz. Diese Entwicklung abzulehnen (ohne den Kapitalismus als ganzes abzulehnen), bedeutet die kapitalistische Entwicklung stoppen bzw. die Zeit zurückdrehen zu wollen.

Die Bildung von multinationalen Konzernen liegt im Wesen des Kapitals selbst, als Kapitalkonzentration auf internationaler Basis, die der auf nationaler Basis folgt. Beides folgt dem gleichen Prinzip, wobei die multinationalen Konzerne der moderne Ausdruck dieses Trends des Kapitals sind. Der Kapitalismus setzt sich weltweit als dominante Produktionsweise durch und unterwirft immer neue Bereiche und Gegenden seiner Herrschaft. Dabei kommt es zu einem Export von Arbeitsbedingungen aus Europa in die 3. Welt, die im Europa des 19. Jahrhunderts Alltag waren. Der Kapitalismus schafft sich nun verstärkt auch in der 3. Welt seine eigenen Totengräber, ein junges Proletariat, das gezwungen ist zu kämpfen, um bessere Arbeitsbedingungen und genügend Lohn zu erhalten, um sein Überleben und die Reproduktion seiner Arbeitskraft sichern zu können. Es ist eine Tatsache, dass das Kapital nicht innerhalb eines festgelegten Territoriums oder einer Bevölkerung wirkt, sondern die Grenzen überschreitet und sich stets neue Gebiete und Märkte einverleibt.

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