Wie mache ich ein Fanzine

Davon wie man kreativ ist und trotzdem nicht überschuldet ...

"Wie mache ich ein Fanzine?" fragten uns ein paar Leute 1996. Damals machten wir uns einen Kopf und veröffentlichen hier nun das damals Geschriebene. Vielleicht kann es ja für den einen oder anderen von Nutzen sein. Vergammeln sollten unsere Geistesergüsse auf jeden Fall nicht.

Grundvoraussetzung - und das sollte wohl auch am Anfang stehen - ist erstmal eine gehörige Portion Bock auf ein eigenes Zine und der Fakt, daß man anderen - also den späteren Lesern - wirklich was mitzuteilen hat bzw. mitteilen will.
Dann ist wichtig, daß Ihr Euch klar macht, daß Ihr eine Menge an anderen Voraussetzungen haben bzw. einiges investieren müßt.
Das Beste wäre, Ihr macht für Euch mal' n "Brainstorming" (das ist 'ne Art spontan seine Ideen und Gedanken zu' nem Thema zu Papier zu bringen). Mir schweben da so Rubriken vor wie (sollten nicht bindend & sind individuell sehr unterschiedlich):

* Zielgruppe und Inhalt.
Vom geplanten Inhalt ist die Zielgruppe bzw. die spätere Leserschaft abhängig und umgekehrt (Ihr müßt Euch also entscheiden, an wen Ihr das Heft richten wollt, welcher Inhalt wen anspricht, etc.) Dabei finde ich wichtig, daß man nicht andere nachahmt. Es gibt schon genug mittelmäßige Zines, von den schlechten ganz zu schweigen. Macht Euch also klar, ob Ihr ein Kulturelles/ musikbezogenes (festgemacht an' ner Subkultur wie z.B. Punk oder Skinhead) oder ein literarisches oder gar politisches Heft machen wollt. Am besten finde ich eine möglichst breite Mischung, die das eigene Leben widerspiegelt. Und eine größere Bandbreite macht das Lesen des Heftes interessanter. Im Revolution Times z.B. werdet Ihr Berichte von Konzerten und Parties neben solchen von Demonstrationen finden, ebenso Interviews mit Bands, Bandhistories, Geschichtliches über Punks & Skins, Reviews von Videos, Zines, Büchern, Platten und Gedanken zu allem möglichen in- und außerhalb der "Szene". Ich habe ganz bewußt einen politischen Anspruch gewählt, um mich mit meinem Heft abzuheben und nicht ein weiteres überflüssiges Heft zu produzieren, wobei ich dennoch sagen muß, daß ich die Arbeit zu würdigen weiß, die in jedem zine steckt, sei es auch noch so überflüssig.

* Aufwand an Geld und Zeit.
Klar muß Euch auch sein, daß zwar viele meist interesse an neuen Zines und Mitarbeit daran zeigen, dies aber meist nur Lippenbekenntnisse sind. Wichtiger ist es da schon einen festen kreis zu haben, der einen noch festeren Willen hat und den Stein bzw. das Zine ins Rollen bringt. Am Anfang werdet Ihr also umso mehr Arbeit (ich hatte persönlich so manche schlaflose Nacht, mußte näxten Tag oft malochen, aber dennoch möchte ich keine dieser Nächte missen!) und Geld reinstecken (am Anfang kennt einen keiner und man muß viele Hefte zum Reviewen umsonst verschicken, um das Heft bekannter zu machen!) müssen. Später vielleicht werden sich Leute aus anderen Orten einklinken... Der Aufwand an Geld und Zeit hängt auch davon ab, wieviele sich denn nun einklinken bei der ersten Ausgabe, der Debutnummer. Und ob Ihr das Heft eben etwas regelmäßig rausbringen wollt oder eher so wie es Euch gefällt. Es gibt Zines, die erscheinen alle 3 Monate, andere alle 1 - 2 Jahre. Wobei im Abstand von 1 - 2 Jahren teilweise die Leserschaft sehr wechseln dürfte. Ein Mindestmaß an Kontinuität und Selbstdisziplin ist mir persönlich schon wichtig, so daß ich es zumindest geschafft habe in fast 16 Monaten 5 Ausgaben rauszubringen. Teilweise bin ich auch in Verzugzwang gekommen. Das bleibt aber nicht aus, weil man ja eben nicht nur für' s Zine lebt und schreibt. Nebenbei eben auch Maloche, Party, Freunde, Freundin, Konzerte, Demos, Zeit für sich selbst, etc. Der finanzielle Aufwand hängt vom Copyshop und seinen Preisen ab (da gibt es auch Copyschecks für Schüler, etc.). Meist hängt der Preis auch von der Zahl der Kopien ab. Ein Zine mit einer Auflage unter 50 Stück ist da meiner Meinung nach nur teurer Kleckerkram. Und 50 Exemplare wird man schneller los als Ihr denkt! Und die Kohle für die Hefte müßt Ihr dann erstmal auslegen, bis Hefte verkauft sind. Das kann also grob bedeuten bei einer Auflage von 50 Heften und einem Format von A 5 und 40 Seiten: etwa 100 DM + / -.[Ja, das waren noch Preise in 1996 - OTT]
* Über den Inhalt hatte ich schon einige Worte geäußert.
Den Inhalt bestimmt Ihr selbst! Hier bestimmt Ihr die Regeln! DO IT YOURSELF! Drum ran ans Schreibseln! Adressen von Bands zwecks Interviews sind meist auf Platten drauf. Ansonsten ruft einfach mal bei den Labels an, wo Bands unter Vertrag sind oder macht diese Interviews doch "live" auf Konzerten oder fragt nach Adressen der entsprechenden Bands (z.B. Labels).

* Layout.
Ihr müßt Euch dann auch klar werden, welches Layout Ihr haben wollt oder welche technischen Möglichkeiten Euch zur Verfügung stehen (z.B. also Schreibmaschine oder Computer). Mit dem Computer kann man Zines auch layouten über Programme wie "Pagemaker". Das ist mir persönlich aber zu "sauber" und "steril". Als Layoutmaterial könnt Ihr alles benutzen, was Euch gefällt bzw. Ihr wollt. Ihr müßt nur daran denken, daß natürlich Farbfotos vom Kopierer in Schwarz-Weiß umgesetzt werden! Und auch das Format ist wichtig: Die gewöhnlichsten sind A5 und A4. Beide haben ihre Vor- und Nachteile, was Ihr aber für Euch selbst rausfinden solltet. Dementsprechend müssen auch die Kopiervorlagen (Schriftgröße, etc.) beschaffen sein, so daß die Erkennbarkeit der Texte und Bilder oder Grafiken nicht allzusehr beeinträchtigt wird. Und für ein "Schnippellayout" braucht Ihr halt ganz viel Texte und Layoutmaterial z.B. für den Hintergrund, die "alte gute" Schere, den "guten alten" Pattex und 'ne Menge Kreativität (wenn' s nach was aussehen soll!). Von handschriftlichen Texten rate ich Euch aus zwei einleuchtenden und wichtigen Gründen ab: Erstmal sieht' s nicht so toll aus (auch beim Kopieren wird die Leserlichkeit nicht besser!), zweitens wer kann schon jede "Sauklaue" lesen?! Insgesamt muß Euch klar sein, daß bei vermehrtem Kopieren die Erkennbarkeit und Qualität eines Textes sinkt.

* Vervielfältigung ist so ein Thema!
Die meisten schwören auf Kopierer, manche drucken ihre Hefte. Aber Druck lohnt sich meist erst ab einer bestimmten Auflage (meist ab 500 Exemplare!)! Wichtig ist es da einen Copyshop seines Vertrauen zu haben, also Leute, denen man vertrauen kann und die einen auch beraten und denen es halt nicht nur um die Kohle geht. Beim Kopieren muß man sehr auf die spätere Les- und Erkennbarkeit achten!

* Nach dem Vervielfältigen kommt dann das "Tackern" oder "Heften" dazu (also das Zusammenheften der losen Seiten durch Heftklammern) und das Falten per Hand (das könnt Ihr natürlich auch machen lassen im Copyshop, kostet aber Euer Geld!).

* "Vertrieb" und Verkauf.
Verkaufen tut man sein Heft an alle, die es interessiert, kennenlernen oder lesen wollen. Angefangen also im eigenen Freundeskreis, der "Szene" der eigenen Stadt bis hin zu Leuten auf Konzerten, Demos, etc. Wenn Ihr Hefte an andere Fanzines zum Besprechen schickt, werden nach und nach auch immer mehr Bestellungen von außerhalb kommen, wenn Eure Themen auch andere reizen/ interessieren sollten. Eventuell werden dann später auch Mailorder Interesse zeigen, aber das liegt jetzt wohl noch etwas in weiter Ferne!

* Reviewmaterial.
Darunter versteht man z.B. Platten, Videos oder andere Zines. Zines schicken Euch andere Macher zu, wenn sie Interesse an Eurem Heft haben solltet. Auch Ihr könnt Euer Heft anderen Zines (z.B. Skin Up, Plastic Bomb oder meinem göttlichen Revolution Times) zwecks Review (= Werbung) zuschicken. So werden andere Leute auf Euch und Euer Tun aufmerksam. Ob gleich zuerst schon Labels Euch Ihr Material zuschicken ist fraglich. Meist tun das nur Leute, die einen sowieso schon kennen... Nach und nach werden dann andere Labels folgen, wenn sie Interesse finden. Und genau da ist ein Knackepunkt: Viele Labels versuchen natürlich die kostenlose "Werbung" per Review gut auszunutzen. Manche Labels können Kritik nicht ab und ziehen von dannen sobald Du ihr Zeug ehrlich besprichst (in meinem Falle bei Teenage Rebel Records so der Fall!). Klar Massen von Platten sind schon verlockend, man sollte aber dennoch sich selbst und die Leser nicht belügen und Scheiße auch beim Namen nennen! Das ist das Stück Ehrlichkeit, was wir brauchen in diesem Meer aus Heuchelei!

* Finanzen.
Die hatte ich oben schonmal angesprochen. 'n Zine zu machen bedeutet nicht grad 'ne Goldgrube gefunden zu haben. Bevor das Heft richtig "groß" und "bekannt" ist, müßt Ihr ordentlich was reinstecken. Geld kostet nämlich nicht nur die Vervielfältigung der Vorlage für das spätere Heft, sondern auch Vorkopien, das Beschaffen von Layoutmaterial, Infos, das Porto und Telefongeld für Interviews, etc. Bei meinen ersten Ausgaben habe ich insgsamt einige Hundert Mark Minus gemacht! Das lag aber auch an der von der ersten Stunde großen Auflage ab.

Insgesamt läßt sich sagen, daß man (so war es zumindest auch in meinem Fall!) von Ausgabe zu Ausgabe was dazulernt. Sei es im Schreibstil, im Layout oder was Ihr sonst noch so wollt.
Laßt Euch jetzt nicht von meinen Ausführungen schocken oder niederschlagen. Sie sind subjekrtiv und auf jeden Fall ungenügend, aber vielleicht ein kleiner Wegweiser für Euch. An Adressen dürften für Euch doch nur wichtig sein: die der Bands und anderer Zines und die müßt Ihr selbst rausfinden. Zu erwähnen wäre noch, daß es bei den Plastic Bomb-Leuten ein Heft gibt namens "Buch dein beficktes Leben" oder so ähnlich, wo einige Zine- und Labeladressen aus dem Punkbereich drinstehen. Das wird Euch aber auch nicht Eure Arbeit abnehmen.

Aber: Die perfekte Anleitung oder ein "Patentrezept" gibt es da nicht. Was rauskommt, hängt von Euren Ansprüchen ab, von dem, was ihr an Geld, Zeit und Ideen investiert - kurz: also dem, was ihr draus macht! Aber jeder muß für sich selbst seinen eigenen Stil finden, der das Zine dann prägen wird bzw. soll.
Auf jeden Fall ist es aufregend mal was eigenes zu machen und später zu sehen, wie das eigene Wort andere Hirne und Herzen bewegt,... Wie Reaktionen kommen, Bestellungen, Interesse wächst, etc. Aber davor liegt halt der erste Schritt: das Zinemachen.
Bei weiteren Fragen: Traut Euch einfach! Und nun rein ins Zinevergnügen!!!

Viel Spaß & Erfolg! Hoffen von Euch zu hören!

Revolution Times Zine
20.12.96

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