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Franz Koglmann (tp, flh), Steve Lacy (ss), Bill Dixon (tp), Josef Traindl (tb); Cesarius Alvim Botelho (b), Aldo
Romano (dr), Steve Horenstein (ts), Alan Silva (b); Walter Mali (cymbals); Toni
Michlmayr (b), Gerd Geier (elec)
Rec. 26.4.1973, Dec 19.12.1975 und 6.8.1976
Die CD vereint drei frühe Sessions unter der Leitung von Franz Koglmann, die ursprünglich in kleiner Auflage auf zwei LPs in dessen Eigenverlag (Pipe Records) erschienen. Endlich kann man diese Treffen des jungen Wieners mit anerkannten Meistern des improvisierten Jazz nachhören.
In den Aufnahmen mit Steve Lacy (er trägt auch zwei Kompositionen bei) ist ein starkes gegenseitiges Verständnis der Musiker spürbar, sowohl in kompositorischer, als auch in improvisatorisch Hinsicht. Lacy sorgt in seinen Improvisationen wie immer für erstaunlich unkonventionellen Swing, gepaart mit einem gehörigen Maß Freiheit. In dieser Umgebung kann sich auch die typisch zurückhaltenden Art von Koglmann zaghaft entfalten.
Herausragend ist das von Bill Dixon beigesteuerte - und mit über 17 min bei weitem das längste - Stück For Franz. Mit dem Bassisten Alan Silva hatte sich Dixon hier die profunde Ausgestaltung der ihm so wichtigen tiefen Lagen gesichert; das getragene Thema sollte sich in späteren Aufnahmen von Dixon wiederfinden. Koglmann kommt hier über die Rolle des Bewunderers und Vollstreckers der Ideen Dixons allerdings nicht hinaus. Immerhin, es ist Koglmanns Verdienst, die einzige Plattenveröffentlichung mit Bill Dixon in den Jahren zwischen 1967 und 1980 erreicht zu haben!
Die Original-Tonbänder der Aufnahmen sind leider verloren
gegangen. Die Klangqualität der von offenbar stark geschädigtem Vinyl
„gemasterten“ Musik ist streckenweise so schlecht, dass der diesbezügliche
Ärger deutlich vom musikalischen Geschehen ablenkt. Dass Teile der
ursprünglichen LPs (mit Kompositionen österreichischer Kollegen), deren Liner
Notes und Fotos ersatz- und kommentarlos gestrichen wurden, ist ein weiteres
außermusikalisches Manko dieser Produktion. Während die klare Linie von BTL bei
Neuerscheinungen besticht, wäre eine andere Richtung bei historischen Reissues
diskussionswürdig.
(Stubenrauch)
Trotz des anhaltenden Weltmusik-Booms ist Guinnea-Bissau wohl eher noch immer eine Unbekannte in der musikalischen Landschaft. Nicht mehr, denn nun gibt es Bibinte! Er singt, spielt Gitarre und jede Menge von Percussion-Instrumenten. Die Musik wirkt recht fröhlich und so wird man auf den Boden der Realität zurück geholt, wenn man im hübschen Booklet die Liedtexte liest (in Englisch, Portugiesisch, und in der Landessprache). Oft geht es darin um Bürgerkrieg und Armut, die auch dieses afrikanische Land plagen. Einmal mehr also der Versuch von Musik als heilender Gegenpol.
Insgesamt eine sehr
reizvolle und natürlich wirkende Mischung von afrikanischer und
flamenco-beeinflusster spanischer Musik (mit viel akustischer Gitarre!), aber
auch mit Funk und Pop-Anklängen.
(Stubenrauch)
Der Baum der Erkenntnis hat Stacheln, seine Früchte hingegen scheinen Erdbeeren zu sein. Das aufwendig gestaltete Package ist vielseitig, vielsprachig, vielfärbig, die abgedruckte Erzählung vielschichtig. Die Band hingegen ist vielköpfig und enthält einen Sound Engineer. Sie spielt Musik mit vielen Noten (bewiesen im Booklet!) und viel Rhythmus (natürlich orientalischem). Manchmal kling es ein bisschen wie eine New Orleans Brass Band zum Marschieren oder wahrscheinlich eher zum Tanzen.
Wie
ist das Verhältnis von Erdbeeren zu Stacheln? Doch wohl günstiger als Eins zu
vielen Hundert! Viel-leicht muss man diese Musik vielmals hören, um das
Verhältnis noch zu verbessern.
(Stubenrauch)
James Emery: ac-g; Marty Ehrlich, Chris Speed: sax, cl; Drew Gress: b; Gerry Hemingway: dr, glockenspiel; Kevin Norton: marimba, vib, tympani, bowed tam-tam
Diese
Musik überzeugt in mehrfacher Hinsicht: da ist der wunderbare
kammermusikalische Ensembleklang dieser rein akustischen Besetzung (allein der
Reiz der Kombination von akustischer Gitarre, Vibraphon und Klarinette!). Dann
ist da die starke, sich ständig verschiebende rhythmische Grundierung von
Hemingway, verstärkt durch Norton. Und nicht zu vergessen die Reibung des
Zusammenklanges der zwei Holzbläser! Alle Kompositionen stammen vom Leader und
ergeben zusammen ein äußerst homogenes, dennoch sehr vielschichtiges Ganzes. Da
ist die Spannung zwischen den thematisch gebundenen Phasen (verwurzelt in der
Tradition des einleitenden Themas) und den oft parallelen Improvisationen, die
jedoch immer recht kontrolliert erscheinen. Jede Sekunde kann eine Überraschung
bringen; diese Musik ist unglaublich abwechslungsreich und lebendig. Obwohl ein
klares Konzept dahinter steht, ist eine große Freiheit spürbar. Postmoderner
Jazz, der uneingeschränkt Spaß macht und doch den Intellekt anspricht.
(Stubenrauch)
Franz Koglmann: tp; Chris Speed: ts, cl; Michael Rabinowitz: bassoon; Mat Maneri: viola; David Fiuczynski: g; Peter Herbert: b; John Mettam: cocktail dr, perc; Wolfram Igor Derntl: voc
In der für Koglmann typisch vielschichtigen Art ist Venus in Transit gleichzeitig die Musik für ein Theaterstück und eine Widmung an Marilyn Monroe. So erklärt sich die unterhaltsame Grundtendenz der Musik und die Interpretationen von I Wanna Be Loved By You und Some Like It Hot, die sich unter die Kompositionen Koglmanns mischen. Die kurzen Stücke von Venus leben vom abwechslungsreichen Ensembleklang und - auf die Gefahr hin, ein Klischee heraufzubeschwören – vom augenzwinkernden, trägen Wiener Schmäh, der immer wieder aufblitzt.
Die
andere Hälfte der CD nennt sich Wahlverwandtschaften
und bezieht sich auf Goethes Feststellung einer Analogie zwischen Musik und
Architektur. Dieser Idee folgend werden drei bekannte Gebäude musikalisch
vorgestellt. Es sind komplexe, suitenartige Stücke kammermusikalischer
Grundstimmung. Die Wiener Urania wird durch ein Duo Cello/Fagott-Duo
dargestellt, die Maison à Bordeaux und das Case Study House von Los Angeles
entwickeln in voller Besetzung durchaus auch jazzmäßig metrische Elemente. Die
Musik ist stark durchkomponiert und –arrangiert; auch in den atonal-freien
Passagen ist sie immer kontrolliert, sodass das Ausmaß von Improvisation schwer
abschätzbar bleibt. Eine CD für aufmerksame Hörer!
(Stubenrauch)