![]() |
Home | Index |
Geschichte/Baugeschichte
Auf dem Boden der heutigen St. Georgskirche stand ehemals die gleichnamige
Kapelle. Den genauen Zeitpunkt ihrer Erbauung wissen wir nicht. Die
erste
urkundliche Erwähnung erfolgte am 28. März 1344 in einem
Ablaßbrief,
den Papst Clemens VI. für die Pfarrkirche zu Rystelbach (= Rüsselbach)
und deren Filialkirchen ausstellte. Eine von diesen Filialkirchen war
die
Kapelle von Igensdorf, das in diesem Brief "Idungsdorf" genannt wird.
Durch die ständige Neubesiedlung wurde die Gründung einer
eigenen Pfarrei
notwendig. 1456 löste sich die Kapelle zu Igensdorf von ihrer
Mutterkirche
Kirchrüsselbach und wurde eine selbständige Pfarrkirche mit
einem eigenen
Sprengel, der zunächst aus den Orten Dachstadt, Letten, Lettenmühle,
Bodengrub und Eichenmühle bestand. Die reformatorische Bewegung
gelangte
in den Jahren 1524-1528 von Nürnberg aus nach Igensdorf und erfaßte
auch
die umliegenden Gemeinden. So schloß sich auch die benachbarte
Kirchengemeinde Stöckach der Reformation an, wurde aber bei einer
späteren
Neubesetzung der Pfarrei durch den Bischof von Bamberg wieder dem alten
Glauben zugeführt. Dadurch kamen die Pfarrangehörigen, hauptsächlich
die
Bewohner der "Sieben Dörfer" (Affalterbach, Etlaswind, Frohnhof,
Oberlindelbach, Pettensiedel, Unterlindelbach, Stöckach), in arge
Bedrängnis
und forderten von der freien Reichsstadt Nürnberg eine Regelung,
um ihrem
reformatorischen Glauben frei leben zu können. Die Stadt Nürnberg
wollte sich
mit Bamberg nicht anlegen und beschloß deshalb 1587, daß
die Bewohner der
"Sieben Dörfer" ihre "religiösen Bedürfnisse" anderswo
als in Stöckach suchen
sollten. So schlossen sich diese der Kirche in Igensdorf an und gehören
seit
1587 zur Pfarrei. Der Sprengel hat sich seitdem kaum verändert.Von
den
Schrecken des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) blieb
auch die Pfarrkirche
nicht verschont. "Durch Feindeswuth und Feuersglut" wurde die schmucke
St. Georgskirche 1632 vollends zerstört. Der Wiederaufbau ließ
lange auf sich
warten, und die Pfarrangehörigen von Igensdorf besuchten wie ihre
Vorfahren wieder die alte Mutterkirche zu Kirchrüsselbach, ohne
freilich das
Ziel, die Wiedererrichtung der St. Georgskirche, aus dem Auge zu verlieren.
In so manchen Eingaben an das Landalmosamt Nürnberg bekundeten
sie ihren
Schmerz über den Verlust der geliebten St. Georgskirche. Sie beklagten,
daß sie
"als Fremdlinge ihre Gottesdienste aufsuchen und auf den Stiegen sitzen
müssen."
Gleichzeitig wiesen sie darauf hin, daß sie bereits 305 gesammelte
Gulden und
80 Baumstämme für den Wiederaufbau zur Verfügung stellen
würden. Auch
Hand- und Spanndienste boten sie an. Der Rat der Stadt Nürnberg
konnte sich
des ungestümen Drängens kaum erwehren und beschloß
die Wiedererrichtung
der St. Georgskirche in Igensdorf, nachdem durch mehrere Kollekten
im Stadt-
und Landgebiet die finanziellen Voraussetzungen hiezu geschaffen waren.
1685-1687 wurde die St. Georgskirche nach demalten Plan durch Baumeister
Johann Trost (1639-1700) wiederaufgebaut. Die Einweihungspredigt hielt
am
20. Sonntag nach Trinitatis (9.10.1687) Prediger Conrad Feuerlein von
St. Sebald. Er wählte den Text: Psalm 84, Verse 1-5. Als am 2.
August 1909 ein
Blitzstrahl einige Schäden anrichtete, wurde ein Jahr später
eine umfassende
Renovierung der Kirche durchgeführt, wobei auch ein zweiter Emporenaufgang
und damit auch ein zweiter Ausgang geschaffen wurde. Das Äußere
der Kirche
blieb von Anfang an bis zum heutigen Tag fast unverändert.
Kirche mit Friedhof 1687, Stich von Alexander
Boener
Von 1528 (Datum der Einführung der Reformation in Igensdorf) bis
1806
gehörte das "nürnbergische Gotteshaus" zum Landalmosamt Nürnberg
und
damit zum Landgebiet dieser Stadt. Heute liegt die St. Georgskirche
im
Landkreis Forchheim und gehört zum Regierungsbezirk Oberfranken.
Grundriß der Pfarrkirche
Baubeschreibung
Äußeres der Kirche. Besonders
eindrucksvoll ist die Westfassade
(siehe Titelbild); Ihr mittlerer vorspringender Teil (Risalit genannt)
mit
aufsteigendem Turm ist durch geschweifte Giebel und senkrecht aus der
Mauer
zur Gliederung der Wand heraustretende Streifen (sog. Lisenen) mit
der
Westwand der Kirche verbunden. Die Seitenteile zieren Ecklisenen mit
Vasen.
Über dem rundbogigen Mittelportal befindet sich eine flache Nische
mit drei
Wappen: Das obere ist das Reichswappen (schwarzer Adler mit roten Krallen),
darunter links das nürnbergische Landgebietswappen (oder kleines
Nürnberger
Wappen), rechts das Nürnberger Stadtwappen (auch großes
Stadtsiegel genannt).
Reichsstädtische Wappen über der
Eingangspforte: oben Reichswappen,
darunter links: kleines Stadtwappen, darunrer
rechts: großes Stadtsiegel
oder großes Stadtwappen
Oberhalb dieser Wappen befindet sich ein niedriges rundbogiges Fenster,
darüber ein Dreiecksgiebel. Dazwischen prangt die Uhr mit römischen
Ziffern
(späterer Einbau durch die Fa. Rammensee, Gräfenberg).
Südaufgang zur Kirche
Das Turmobergeschoß stellt sich als vierseitiger Dachreiter
mit Sockelgeschoß
und nach allen Seiten rundbogigen Schallfenstern dar. Hier hängt
das
dreistimmige Geläute. Die älteste Glocke stammt aus
dem Jahr 1895 und ist
450 kg schwer: die beiden anderen wurden 1949 von der Fa. Grüninger
& Söhne gegossen. Die eine davon ist 254 kg schwer (h-Ton)
und trägt die
Inschrift "Unsere Hilfe stehet im Namen des Herren; die andere ist
139 kg
schwer (d-Ton) und weist die Inschrift auf: "Verleih' uns Frieden gnädiglich".
Die Kuppelhaube des Turms ist mit Kupferblech beschlagen. Auf ihr ruht
eine
Kugel mit einem Durchmesser von 0,65 m und einem Umfang von 2,00 m.
Auf einem darauf befestigten Gestänge ist ein Turmhahn angebracht.
Er erinnert
an die Verleugnung des Petrus und stellt die Frage: "Christ, bekennst
du dich zu
Jesus Christus, Deinen Herrn?"
Die Langhausseitenwände haben ebenso wie der dreiseitig
geschlossene Chor
Ecklisenen, sämtliche Fensterrahmungen sind gefast. An der Südseite
ist eine
Sonnenuhr angebracht, an der Nordseite über der seitlichen kleinen
Eingangstüre
sind an einer Geschichtstafel die wichtigsten Daten der örtlichen
Kirchengeschichte aufgezeichnet (Errichtung der Tafel 1978).
Die Sakristei ist ein eingeschossiger Anbau mit Walmdach und
Ecklisenen im
nördlichen Chorwinkel und hat gegen Norden und Osten je ein rundbogiges
Fenster mit gefaster Rahmung; unter dem Nordfenster befindet sich eine
Tür.
Am Ostgiebel des Langhauses ist über dem Chor ein gotisches Kreuz
sichtbar,
das hier nicht ursprünglich ist. Das Kirchengebäude ist von
einer Mauer
umgeben, die im Laufe ihrer 300jährigen Geschichte des öfteren
eingefallen ist,
aber immer wieder aufgerichtet wurde. Die letzte Wiedererrichtung der
Mauer
und des Eingangstores fand im Jahre 1929 statt, wobei dieses in seinem
oberen
Teil dem Dreiecksgiebel des mittleren Teiles der Westfassade nachempfunden
wurde. An den beiden Seitenteilen der Westfassade wurden 1921
Gefallenengedenktafeln angebracht, die anläßlich
der umfassenden
Renovierung der Kirche im Jahr 1977 von dort in den Vorhof der Kiche
versetzt
wurden. Dadurch wurde nicht nur der ursprüngliche Zustand der
Westfassade
wiederhergestellt, sondern es entstand auch ein würdiger Gefallenenhain
unter
Tannen in unmittelbarer Nähe des Haupteinganges. Um die Kirche
breitete sich
früher ein Friedhof, der über die Grenzen der heutigen Mauer
hinausging. Eine
Bestätigung hierfür fand sich, als vor Jahren die südliche
St.-Georgs-Straße
aufgegraben wurde und dabei Skelette und Totenschädel gefunden
wurden.
Anläßlich der Außenrenovierung der Kirche im Jahr
1977 wurde der
"geheimnisvolle unterirdische Gang mit schön und glatt gepflastertem
Boden" an
der Südseite des Chorraumes freigelegt. Er führte ursprünglich
in das benachbarte
ältere Pfarrhaus (St.-Georgs-Str. 4) und soll sich auch bis zum
neueren, 1690
erbauten Pfarrhaus (Forchheimer Str. 28) erstreckt haben. Es ist anzunehmen,
daß er als Fluchtgang in Kriegszeiten diente. Der Gang wurde
aus
Sicherheitsgründen wieder eingeebnet.
Rückblick zu den Emporen
Inneres der Kiche. Tritt man durch
die Eingangspforte, so erkennt man an
der sich anschließenden zweigeteilten Glastüre 2 Bronzegriffe,
von denen der
eine die Gestalt des Namenspatrons der Kirche, den Heiligen Georg,
darstellt,
wie er gerade durch einen kühnen Lanzenstoß den bösen
Drachen tötet. Der
andere Bronzegriff zeigt das St. Georgskreuz, das auch im Marktwappen
von
Igensdorf abgebildet ist. Die kunstvoll gestalteten Griffe stammen
aus der
Werkstatt des akademischen Bildhauers Harro Frey aus Pettensiedel und
wurden
1981 angebracht.Im Inneren der Kirche ist klar getrennt zwischen dem
breiten,
flachgedeckten Gemeindesaal (Langhaus) mit Emporen im Westen
(zweigeschossig) und Süden (eingeschossig) und dem eingezogenen,
gewölbten
Chor. Der Chor des christlichen Kirchengebäudes war ursprünglich
der für den
Sänger-Chor bestimmte Raum. Diese Bezeichnung ging dann auf den
für den
Altardienst bestimmten Raum über.
Bronzegriffe an der Glastüre: links St.
Georg, rechts sein Wappen
Ausstattung
Die"Reitersitze" auf den Emporen
Altar. Im Chorraum erhebt sich der
barocke Altar mit marmorierten
korinthischen Holzsäulen in doppelter Anordnung zu beiden Seiten
des Altarbildes;
die Säulen tragen ein gekröpftes Gesims mit einem Segmentgiebel
darüber, der
von einer verzierten Urne bekrönt wird. Das Altarbild stellt ,,Christus
am
Ölberg" dar und stammt von dem Maler Oetting aus dem Jahr
1731.
Altarbild "Christus am Ölberg" von Oetting
1731
Beeindruckend ist die Darstellung des Gebetskampfes Jesu, wobei die
himmlischen Heerscharen an dem dramatischen Geschehen lebhaft Anteil
nehmen.
Ein Engel nimmt Jesus in seine Hände und will ihn gleichsam seiner
Angst entheben.
Ein anderes Ölbild, "Kreuzigung Christi", stammt von dem
Nürnberger Maler
Gabriel Maas (1910) und wird auf der Empore seine Aufstellung finden.
Zu
beiden Seiten des Altars befinden sich die sog. Chorstühle,
die früher dem
jeweils amtierenden Propst von St. Sebald und den Pflegern des Landalmosamtes
für die Visitationen und Einsetzungen der Pfarrer als Ehrenplätze
dienten. Heute
sind sie bei besonderen Anlässen den Kirchenvorstehern und Ehrengästen
vorbehalten. Einige Chorstühle wurden von einem mit einer kleinen
Tür
versehenen hölzernem Vorbau eingezäunt und waren für
die Angehörigen des
Pfarrhauses bestimmt. Da diese seit geraumer Zeit im Kirchenschiff
ihre Plätze
einnehmen wie andere auch, wurde anläßlich der Innenrenovierung
der Vorbau
entfernt.
Die Kanzel weist einen vieleckigen
Korb auf; sein profilierter Unterbau
endet in einer stilisierten Sonnenblume. Die vergolderen Lorbeergirlanden
sind
kennzeichnend für den barocken Stil und begegnen uns auch an den
westlichen
Emporen. Auf der Unterseite des achteckigen Schalldeckels ist eine
Taube
abgebildet, die den Heiligen Geist symbolisiert. In der strahlenförmigen
Sonne
an der Spitze der Kanzelbekrönung sind die hebräischen Buchstaben
des
Gottesnamens zu erkennen. Dieser mit vier Konsonanten ausgestattete
Name
"Jahwe" (zu Deutsch: "Der ins Dasein Rufende") wird "Tetragramm" genannt.
Kanzel der St. Georgskirche
Das Taufbecken war ursprünglich
barock, wurde aber in der Mitte des 19.
Jahrhunderts durch ein neugotisches ersetzt. Es ist aus Holz geschnitzt
und steht
an der Scheidelinie zwiscnen Chor und Langhaus. Unmittelbar über
dem
Taufbecken befindet sich ein sechsarmiger metallener Kronleuchter.
Stuckarbeiten sind an der Langhausostwand
zu besichtigen. Hierfür wurde
eine aus Gips, Kalk, Sand und teilweise auch Stroh zusammengesetzte,
zunächst
teigige, knetbare Masse verwendet, die rasch erhärtet und deshalb
eine schnelle
und sichere Bearbeitung erfordert. Seit der Antike bekannt, erlebte
diese
Technik im Barock eine große Blüte. Bei den aus Stuck gefertigten
Gegenständen
handelt es sich um die sechs farbig gefaßten Wappen der
nürnbergischen
Oberpfleger und Pfleger, die zur Zeit der Wiedererrichtung der Kirche
(1685-
1687) die geistliche und weltliche Macht durch das sog. Nürnberger
Landalmosamt ausübten. Es sind dies (von links nach rechts, vom
Beschauer
aus betrachtet) die Wappen derer von Weiser, Imhof, Löffelholz,
Imhof,
Paumgardner Ebner. An der Chorwestwand befindet sich das Stuck-
Wappen des Baumeisters Johann Trost, das einen Storch auf sandfarbenem
Grund zeigt. (Im Wappenbuch ist der Grund dunkelblau). Darüber
die Inschrift:
"I. T. Baumeister". Johann Trosts (1639-1700) Hauptwerk war der Um-
und
Neubau der St. Egidienkirche zu Nürnberg, der einzigen Barockkirche
dieser
Stadt. Sein Sohn Gottlieb (1672-1726) vollendete sie.
Pflegerwappen an der Langhausostwand, von
links nach rechts:
Welser, Imhofer, Löffelholz, Imhof, Paumgartner,
Ebner
Baumeisterwappen des Johann Trost an der Chorwestwand
Die Orgel von 1883 stammt aus der
berühmten Werkstatt Steinmeyer & Co. in
Oettingen. Die Vorderseite des Orgelgehäuses enthält 23 Orgelpfeifen
und ist der
Barockausstattung der Kirche nachempfunden. Ähnlich wie beim Altar
sind
Säulen mit gekröpftem Gesims und Rosetten zu sehen. Der Spieltisch
weist ein
Manual von 54 Tasten und ein Pedal mit 25 Tasten auf.
Die Farbfenster in der Kirche waren
ursprünglich nicht vorgesehen. Sie sind
Stiftungen des zu Ende gehenden 19. bzw. des 20. Jahrhunderts. An der
Nordseite des Langhauses erstrahlen zwei Jugendstilfenster, die Jesus
Christus
als den guten Hirten und als den rechten Weingärtner abbilden,
getreu der
Aussage: ,,Ich bin der gute Hirte" bzw. ,,Ich bin der rechte Weinstock,
Ihr seid
die Reben!" An der Südseite des Chorraumes befindet sich die Darstellung
Jesu Christi als Überwinder des Todes, erinnernd an das Wort:
,,Ich bin die
Auferstehung und das Leben!" Dieses moderne Glasgemälde wurde
von dem
Glasmaler Theodor Reichhart angefertigt.
Zwei Jugendstilfenster: Jesus Christus als
der gute Hirte und als der rechte Weingärtner
Die Gedächtnisecke für
die Gefallenen dreier Kriege, und zwar des
Deutsch/Französischen 1870/71, des Ersten und des Zweiten Weltkrieges
befindet sich in der südöstlichen Langhausecke. Auf einem
hölzernen Schild
sind die Namen von 53 Gefallenen und Vermißten des Zweiten Weltkrieges
aus der Kirchengemeinde verzeichnet, wobei auch von den in der Nacht
vom
30. auf den 31. März 1944 sechs umgekommenen Luftopfern in Pettensiedel
drei mit eingezeichnet sind, darunter 2 Kinder im Alter von 5 und 13
Jahren
(Entwurf des Schildes: Architekt Adalbert Bischof, Bad Berneck 1953).
Unmittelbar unter dem Schild liegt auf einem Pult das von Gustav Lüttger
im
Jahr 1970 angefertigte und von den Konfirmanden gestiftete Gefallenenbuch
der Kriegsopfer des Ersten Weltkrieges. In diesem Buch sind die Gefallenen
und Vermißten mit Bild in alphabetischer Reihenfolge verzeichnet,
unter ihnen
auch ehemalige Angehörige des 14. Infanterieregimentes Hartmann,
einem
Traditionstruppenteil des Nürnberger Transportbataillons 270,
das
oekumenische Gottesdienste anläßlich der Gelöbnisfeiern
in der St. Georgskirche
abhält. Im genannten, künstlerisch gestalteten Gefallenenbuch
sind auch die
zwei Opfer des 70er Krieges verzeichnet, jedoch ohne Bilder.
Die Sakristei (Inneres) ist ein
Nebenraum der Kirche, der zum Umkleiden
für die Geistlichen und zur Vorbereitung auf den Gottesdienst
bestimmt ist. Die
tonnengewölbte Sakristei der St. Georgskirche ist zugleich auch
ein Ort der
Erinnerung an die reich bewegte Pfarr- und Kirchengeschichte. Dazu
trägt die
künstlerisch gestaltete Holztafel bei, auf der alle seit der Reformation
in Igensdorf
tätigen Geistlichen aufgezeichnet sind. Ihre Namen werden bei
Pfarrwechsel
laufend ergänzt und mit der Dauer ihrer Wirkungszeit und der Zahl
ihrer
Dienstjahre versehen.
Die Tafel ("tabula pastorum") ist
aus Anlaß eines bedeutenden
kirchengeschichtlichen Ereignisses angefertigt worden. 1530 wurde das
Glaubensbekenntnis der Evangelischen in 28 Artikeln von Philipp Melanchthon
formuliert und vor Kaiser und Reich in Augsburg vorgetragen. Diese
sogenannte
"Confessio Augustana" wurde von zahlreichen deutschen evangelischen
Fürsten
unterzeichnet, für das Stadt- und Landgebiet Nürnberg unterschrieb
Freiherr
Kreß von Kressenstein aus Kraftshof. Anläßlich des
200jährigen Gedenkens
dieses Ereignisses fertigte Lehrer und Schreinermeister Benedikt Wilhelm
Kunst
die genannte Tafel an, die seit 1730 den Raum der Sakristei schmückt.
Die
Überschrift läßt den Anlaß der Tafelaufstellung
erkennen; sie lautet: ,,Im zweiten
Jahrhundert Augspurgischer Confession". Darunter das Bibelwort: ,,Gedenket
an
eure Lehrer, die euch das Wort Gottes gesagt haben". Hebr 13,7.
Aller auf der Tafel aufgezeichneten Geistlichen zu gedenken, würde
den Rahmen
des Kunstführers überschreiten. So beschränken wir uns
auf einzelne. Die am
längsten dienenden Prediger waren Joh.-Karl Neitzsch (1875-1909),
Leo
Goes (1935 - 1965), Georg Cuntzmann (1544 - 1573), Johann
Ayrschöttel
(1573 - 1601). Die durchschnittliche Dienstzeit beträgt 12 Jahre.
Einige Prediger
erwarben an der ehem. Nürnbergischen Universität Altdorf
den Magistertitel
und durften ein großes lateinisches "M." vor ihren Namen führen.
Zu diesen
gehört auch der erste evangelische Pfarrer in Igensdorf, Caspar
Schultheiß,
der von 1528 bis 1544 hier diente. Der bedeutendste von allen Amtsträgern
war
ohne Zweifel Witschel (1769-1847), der l6 Jahre hier wirkte.
Er war Führer
des Rationalismus in Bayern, wurde später Dekan und Distriktsschulinspektor
(heute einem Schulamtsdirektor vergleichbar) in Gräfenberg. Er
war auch eine
zeitlang Abgeordneter der Ständekammer, einer Vorläuferin
des Bayerischen
Landtages. Bekannt wurde Witschel vor allem durch sein Andachtsbuch:
"Morgen- und Abendopfer in Gesängen", das viele Auflagen erlebte
und bis
Anfang des 20. Jahrhunderts in ganz Deutschland gelesen wurde. Auch
seine
"Moralischen Blätter" fanden begeisterte Leser. Durch seine oekumenische
Einstellung war er seinen Zeitgenossen weit voraus. Mit dem Dichterfürsten
Joh.
Wolfgang Goethe fühlte er sich eng verbunden. Anläßlich
einer Begegnung mit
ihm las er einige Grübelische Gedichte vor, die bei Goethe großen
Anklang
fanden. So wurde Johann Konrad Grübel (1736-1809), Flaschnermeister
und Volksdichten nicht nur in Nürnberg berühmt. Das Andenken
an Witschel
halten die Nürnberger durch eine Straße, die nach ihm benannt
ist, bis zum
heutigen Tage aufrecht. Ein künstlerisch hochbegabter Pfarrherr
war Christoph
Michael Kellner dessen Leben und Schaffen erst 1982 durch Dr.
Schledermair
vom Bayerischen Kultusministerium erhellt wurde. Kellner (1748-1761
hier
wirkend) war ein bedeutender "Papierschneider" (= Anfertiger von
Scherenschnitten), was leider aus keiner Aufzeichnung im Archiv hervorging.
Einige herausragende Werke, wie z.B. "Die Hirschjagd" und die "Hl.
Familie
auf der Flucht" sind im Bayer. Nationalmuseum in München zu bewundern.
Ein ungewöhnliches Schicksal ereilte Zacharias Hessei,
der von 1731 bis
1748 hier eingesetzt war Er erlitt eines Tages einen Blutsturz auf
der Kanzel
und wurde unter den Stufen des Altars beigesetzt. Auf der Pfarrertafel
sind
auch fünf Kirchrüsselbacher Pfarrer verzeichnet, die während
der langen
Vakanz der hiesigen Pfarrstelle nach dem 30jährigen Krieg stellvertretend
ihre
Dienste für Igensdorf verrichteten. Sie wurden deshalb auf der
Tafel "pastores
vicarii" genannt. Über dem Sakristeitisch hängt ein gestiftetes
Ölbild, das
Martin Luther darstellt, mit dem Zeigefinger der rechten Hand
auf die
Bibelstelle Römer 3, Vers 24, weisend: "Und werden ohne Verdienst
gerecht
aus seiner Gnade, durch die Erlösung,so durch Christum Jesum geschehen
ist"
(Ableitung der reformatorischen Rechtfertigungslehre). An der Südwand
der
Sakristei befindet sich eine "series pastorum", d.h. eine Reihe der
letzten 6 hier
eingesetzten ehemaligen Pfarrer in Photographien. Darunter sind zwei
Originalstiche von Johann Alexander Boener (1647-1720) anzutreffen.
Der eine zeigt die St. Georgskirche unmittelbar nach ihrer Wiedererrichtung
im
Jahr 1687, der andere, ebenfalls aus dem zu Ende gehenden 17. Jahrhundert
stammend, stellt das ehem. Augustinerkloster zu Nürnberg (1816
eingerissen)
vor Augen. Von dort aus wurde das Landgebiet Nürnberg bis 1806
regiert.
Pfarrertafel in der Sakristei von Benedikt
Wilhelm Kunst 1730