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Geschichte St. Georg


Erste urkundliche Erwähnung der Kapelle St. Georg vom Jahr 1344
Erste urkundliche Erwähnung der Kapelle St. Georg vom Jahr 1344
Evang.-Luth. Pfarrkirche
ST. GEORG IGENSDORF
 

Geschichte/Baugeschichte

Auf dem Boden der heutigen St. Georgskirche stand ehemals die gleichnamige
Kapelle. Den genauen Zeitpunkt ihrer Erbauung wissen wir nicht. Die erste
urkundliche Erwähnung erfolgte am 28. März 1344 in einem Ablaßbrief,
den Papst Clemens VI. für die Pfarrkirche zu Rystelbach (= Rüsselbach)
und deren Filialkirchen ausstellte. Eine von diesen Filialkirchen war die
Kapelle von Igensdorf, das in diesem Brief "Idungsdorf" genannt wird.
Durch die ständige Neubesiedlung wurde die Gründung einer eigenen Pfarrei
notwendig. 1456 löste sich die Kapelle zu Igensdorf von ihrer Mutterkirche
Kirchrüsselbach und wurde eine selbständige Pfarrkirche mit einem eigenen
Sprengel, der zunächst aus den Orten Dachstadt, Letten, Lettenmühle,
Bodengrub und Eichenmühle bestand. Die reformatorische Bewegung gelangte
in den Jahren 1524-1528 von Nürnberg aus nach Igensdorf und erfaßte auch
die umliegenden Gemeinden. So schloß sich auch die benachbarte
Kirchengemeinde Stöckach der Reformation an, wurde aber bei einer späteren
Neubesetzung der Pfarrei durch den Bischof von Bamberg wieder dem alten
Glauben zugeführt. Dadurch kamen die Pfarrangehörigen, hauptsächlich die
Bewohner der "Sieben Dörfer" (Affalterbach, Etlaswind, Frohnhof,
Oberlindelbach, Pettensiedel, Unterlindelbach, Stöckach), in arge Bedrängnis
und forderten von der freien Reichsstadt Nürnberg eine Regelung, um ihrem
reformatorischen Glauben frei leben zu können. Die Stadt Nürnberg wollte sich
mit Bamberg nicht anlegen und beschloß deshalb 1587, daß die Bewohner der
"Sieben Dörfer" ihre "religiösen Bedürfnisse" anderswo als in Stöckach suchen
sollten. So schlossen sich diese der Kirche in Igensdorf an und gehören seit
1587 zur Pfarrei. Der Sprengel hat sich seitdem kaum verändert.Von den
Schrecken des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) blieb auch die Pfarrkirche
nicht verschont. "Durch Feindeswuth und Feuersglut" wurde die schmucke
St. Georgskirche 1632 vollends zerstört. Der Wiederaufbau ließ lange auf sich
warten, und die Pfarrangehörigen von Igensdorf besuchten wie ihre
Vorfahren wieder die alte Mutterkirche zu Kirchrüsselbach, ohne freilich das
Ziel, die Wiedererrichtung der St. Georgskirche, aus dem Auge zu verlieren.
In so manchen Eingaben an das Landalmosamt Nürnberg bekundeten sie ihren
Schmerz über den Verlust der geliebten St. Georgskirche. Sie beklagten, daß sie
"als Fremdlinge ihre Gottesdienste aufsuchen und auf den Stiegen sitzen müssen."
Gleichzeitig wiesen sie darauf hin, daß sie bereits 305 gesammelte Gulden und
80 Baumstämme für den Wiederaufbau zur Verfügung stellen würden. Auch
Hand- und Spanndienste boten sie an. Der Rat der Stadt Nürnberg konnte sich
des ungestümen Drängens kaum erwehren und beschloß die Wiedererrichtung
der St. Georgskirche in Igensdorf, nachdem durch mehrere Kollekten im Stadt-
und Landgebiet die finanziellen Voraussetzungen hiezu geschaffen waren.
1685-1687 wurde die St. Georgskirche nach demalten Plan durch Baumeister
Johann Trost (1639-1700) wiederaufgebaut. Die Einweihungspredigt hielt am
20. Sonntag nach Trinitatis (9.10.1687) Prediger Conrad Feuerlein von
St. Sebald. Er wählte den Text: Psalm 84, Verse 1-5. Als am 2. August 1909 ein
Blitzstrahl einige Schäden anrichtete, wurde ein Jahr später eine umfassende
Renovierung der Kirche durchgeführt, wobei auch ein zweiter Emporenaufgang
und damit auch ein zweiter Ausgang geschaffen wurde. Das Äußere der Kirche
blieb von Anfang an bis zum heutigen Tag fast unverändert.

Kirche mit Friedhof 1684, Stich von Alexander Boener
Kirche mit Friedhof 1687, Stich von Alexander Boener

Von 1528 (Datum der Einführung der Reformation in Igensdorf) bis 1806
gehörte das "nürnbergische Gotteshaus" zum Landalmosamt Nürnberg und
damit zum Landgebiet dieser Stadt. Heute liegt die St. Georgskirche im
Landkreis Forchheim und gehört zum Regierungsbezirk Oberfranken.

Grundriß der Pfarrkirche
Grundriß der Pfarrkirche

Baubeschreibung

Äußeres der Kirche. Besonders eindrucksvoll ist die Westfassade
(siehe Titelbild); Ihr mittlerer vorspringender Teil (Risalit genannt) mit
aufsteigendem Turm ist durch geschweifte Giebel und senkrecht aus der Mauer
zur Gliederung der Wand heraustretende Streifen (sog. Lisenen) mit der
Westwand der Kirche verbunden. Die Seitenteile zieren Ecklisenen mit Vasen.
Über dem rundbogigen Mittelportal befindet sich eine flache Nische mit drei
Wappen: Das obere ist das Reichswappen (schwarzer Adler mit roten Krallen),
darunter links das nürnbergische Landgebietswappen (oder kleines Nürnberger
Wappen), rechts das Nürnberger Stadtwappen (auch großes Stadtsiegel genannt).


Reichsstädtische Wappen über der Eingangspforte: oben Reichswappen,
darunter links: kleines Stadtwappen, darunrer rechts: großes Stadtsiegel
oder großes Stadtwappen

Oberhalb dieser Wappen befindet sich ein niedriges rundbogiges Fenster,
darüber ein Dreiecksgiebel. Dazwischen prangt die Uhr mit römischen Ziffern
(späterer Einbau durch die Fa. Rammensee, Gräfenberg).

Südaufgang zur Kirche
Südaufgang zur Kirche

Das Turmobergeschoß stellt sich als vierseitiger Dachreiter mit Sockelgeschoß
und nach allen Seiten rundbogigen Schallfenstern dar. Hier hängt das
dreistimmige Geläute. Die älteste Glocke stammt aus dem Jahr 1895 und ist
450 kg schwer: die beiden anderen wurden 1949 von der Fa. Grüninger
& Söhne gegossen. Die eine davon ist 254 kg schwer (h-Ton) und trägt die
Inschrift "Unsere Hilfe stehet im Namen des Herren; die andere ist 139 kg
schwer (d-Ton) und weist die Inschrift auf: "Verleih' uns Frieden gnädiglich".
Die Kuppelhaube des Turms ist mit Kupferblech beschlagen. Auf ihr ruht eine
Kugel mit einem Durchmesser von 0,65 m und einem Umfang von 2,00 m.
Auf einem darauf befestigten Gestänge ist ein Turmhahn angebracht. Er erinnert
an die Verleugnung des Petrus und stellt die Frage: "Christ, bekennst du dich zu
Jesus Christus, Deinen Herrn?"
Die Langhausseitenwände haben ebenso wie der dreiseitig geschlossene Chor
Ecklisenen, sämtliche Fensterrahmungen sind gefast. An der Südseite ist eine
Sonnenuhr angebracht, an der Nordseite über der seitlichen kleinen Eingangstüre
sind an einer Geschichtstafel die wichtigsten Daten der örtlichen
Kirchengeschichte aufgezeichnet (Errichtung der Tafel 1978).
Die Sakristei ist ein eingeschossiger Anbau mit Walmdach und Ecklisenen im
nördlichen Chorwinkel und hat gegen Norden und Osten je ein rundbogiges
Fenster mit gefaster Rahmung; unter dem Nordfenster befindet sich eine Tür.
Am Ostgiebel des Langhauses ist über dem Chor ein gotisches Kreuz sichtbar,
das hier nicht ursprünglich ist. Das Kirchengebäude ist von einer Mauer
umgeben, die im Laufe ihrer 300jährigen Geschichte des öfteren eingefallen ist,
aber immer wieder aufgerichtet wurde. Die letzte Wiedererrichtung der Mauer
und des Eingangstores fand im Jahre 1929 statt, wobei dieses in seinem oberen
Teil dem Dreiecksgiebel des mittleren Teiles der Westfassade nachempfunden
wurde. An den beiden Seitenteilen der Westfassade wurden 1921
Gefallenengedenktafeln angebracht, die anläßlich der umfassenden
Renovierung der Kirche im Jahr 1977 von dort in den Vorhof der Kiche versetzt
wurden. Dadurch wurde nicht nur der ursprüngliche Zustand der Westfassade
wiederhergestellt, sondern es entstand auch ein würdiger Gefallenenhain unter
Tannen in unmittelbarer Nähe des Haupteinganges. Um die Kirche breitete sich
früher ein Friedhof, der über die Grenzen der heutigen Mauer hinausging. Eine
Bestätigung hierfür fand sich, als vor Jahren die südliche St.-Georgs-Straße
aufgegraben wurde und dabei Skelette und Totenschädel gefunden wurden.
Anläßlich der Außenrenovierung der Kirche im Jahr 1977 wurde der
"geheimnisvolle unterirdische Gang mit schön und glatt gepflastertem Boden" an
der Südseite des Chorraumes freigelegt. Er führte ursprünglich in das benachbarte
ältere Pfarrhaus (St.-Georgs-Str. 4) und soll sich auch bis zum neueren, 1690
erbauten Pfarrhaus (Forchheimer Str. 28) erstreckt haben. Es ist anzunehmen,
daß er als Fluchtgang in Kriegszeiten diente. Der Gang wurde aus
Sicherheitsgründen wieder eingeebnet.

Rückblick zu den Emporen
Rückblick zu den Emporen

Inneres der Kiche. Tritt man durch die Eingangspforte, so erkennt man an
der sich anschließenden zweigeteilten Glastüre 2 Bronzegriffe, von denen der
eine die Gestalt des Namenspatrons der Kirche, den Heiligen Georg, darstellt,
wie er gerade durch einen kühnen Lanzenstoß den bösen Drachen tötet. Der
andere Bronzegriff zeigt das St. Georgskreuz, das auch im Marktwappen von
Igensdorf abgebildet ist. Die kunstvoll gestalteten Griffe stammen aus der
Werkstatt des akademischen Bildhauers Harro Frey aus Pettensiedel und wurden
1981 angebracht.Im Inneren der Kirche ist klar getrennt zwischen dem breiten,
flachgedeckten Gemeindesaal (Langhaus) mit Emporen im Westen
(zweigeschossig) und Süden (eingeschossig) und dem eingezogenen, gewölbten
Chor. Der Chor des christlichen Kirchengebäudes war ursprünglich der für den
Sänger-Chor bestimmte Raum. Diese Bezeichnung ging dann auf den für den
Altardienst bestimmten Raum über.

Bronzegriffe an der Glastüre: links St. Georg, rechts sein Wappen
Bronzegriffe an der Glastüre: links St. Georg, rechts sein Wappen

Ausstattung

DieReitersitze auf den Emporen
Die"Reitersitze" auf den Emporen

Altar. Im Chorraum erhebt sich der barocke Altar mit marmorierten
korinthischen Holzsäulen in doppelter Anordnung zu beiden Seiten des Altarbildes;
die Säulen tragen ein gekröpftes Gesims mit einem Segmentgiebel darüber, der
von einer verzierten Urne bekrönt wird. Das Altarbild stellt ,,Christus am
Ölberg" dar und stammt von dem Maler Oetting aus dem Jahr 1731.

Altarbild Christus am Ölberg von Oetting 1731
Altarbild "Christus am Ölberg" von Oetting 1731

Beeindruckend ist die Darstellung des Gebetskampfes Jesu, wobei die
himmlischen Heerscharen an dem dramatischen Geschehen lebhaft Anteil nehmen.
Ein Engel nimmt Jesus in seine Hände und will ihn gleichsam seiner Angst entheben.
Ein anderes Ölbild, "Kreuzigung Christi", stammt von dem Nürnberger Maler
Gabriel Maas (1910) und wird auf der Empore seine Aufstellung finden. Zu
beiden Seiten des Altars befinden sich die sog. Chorstühle, die früher dem
jeweils amtierenden Propst von St. Sebald und den Pflegern des Landalmosamtes
für die Visitationen und Einsetzungen der Pfarrer als Ehrenplätze dienten. Heute
sind sie bei besonderen Anlässen den Kirchenvorstehern und Ehrengästen
vorbehalten. Einige Chorstühle wurden von einem mit einer kleinen Tür
versehenen hölzernem Vorbau eingezäunt und waren für die Angehörigen des
Pfarrhauses bestimmt. Da diese seit geraumer Zeit im Kirchenschiff ihre Plätze
einnehmen wie andere auch, wurde anläßlich der Innenrenovierung der Vorbau
entfernt.

Die Kanzel weist einen vieleckigen Korb auf; sein profilierter Unterbau
endet in einer stilisierten Sonnenblume. Die vergolderen Lorbeergirlanden sind
kennzeichnend für den barocken Stil und begegnen uns auch an den westlichen
Emporen. Auf der Unterseite des achteckigen Schalldeckels ist eine Taube
abgebildet, die den Heiligen Geist symbolisiert. In der strahlenförmigen Sonne
an der Spitze der Kanzelbekrönung sind die hebräischen Buchstaben des
Gottesnamens zu erkennen. Dieser mit vier Konsonanten ausgestattete Name
"Jahwe" (zu Deutsch: "Der ins Dasein Rufende") wird "Tetragramm" genannt.

Kanzel der St. Georgskirche
Kanzel der St. Georgskirche

Das Taufbecken war ursprünglich barock, wurde aber in der Mitte des 19.
Jahrhunderts durch ein neugotisches ersetzt. Es ist aus Holz geschnitzt und steht
an der Scheidelinie zwiscnen Chor und Langhaus. Unmittelbar über dem
Taufbecken befindet sich ein sechsarmiger metallener Kronleuchter.

Stuckarbeiten sind an der Langhausostwand zu besichtigen. Hierfür wurde
eine aus Gips, Kalk, Sand und teilweise auch Stroh zusammengesetzte, zunächst
teigige, knetbare Masse verwendet, die rasch erhärtet und deshalb eine schnelle
und sichere Bearbeitung erfordert. Seit der Antike bekannt, erlebte diese
Technik im Barock eine große Blüte. Bei den aus Stuck gefertigten Gegenständen
handelt es sich um die sechs farbig gefaßten Wappen der nürnbergischen
Oberpfleger und Pfleger, die zur Zeit der Wiedererrichtung der Kirche (1685-
1687) die geistliche und weltliche Macht durch das sog. Nürnberger
Landalmosamt ausübten. Es sind dies (von links nach rechts, vom Beschauer
aus betrachtet) die Wappen derer von Weiser, Imhof, Löffelholz, Imhof,
Paumgardner Ebner. An der Chorwestwand befindet sich das Stuck-
Wappen des Baumeisters Johann Trost, das einen Storch auf sandfarbenem
Grund zeigt. (Im Wappenbuch ist der Grund dunkelblau). Darüber die Inschrift:
"I. T. Baumeister". Johann Trosts (1639-1700) Hauptwerk war der Um- und
Neubau der St. Egidienkirche zu Nürnberg, der einzigen Barockkirche dieser
Stadt. Sein Sohn Gottlieb (1672-1726) vollendete sie.

Pflegerwappen an der Langhausostwand, von links nach rechts: Welser, Imhofer, Löffelholz, Imhof, Paumgartner, Ebner
Pflegerwappen an der Langhausostwand, von links nach rechts:
Welser, Imhofer, Löffelholz, Imhof, Paumgartner, Ebner
 

Baumeisterwappen des Johann Trost an der Chorwestwand
Baumeisterwappen des Johann Trost an der Chorwestwand

Die Orgel von 1883 stammt aus der berühmten Werkstatt Steinmeyer & Co. in
Oettingen. Die Vorderseite des Orgelgehäuses enthält 23 Orgelpfeifen und ist der
Barockausstattung der Kirche nachempfunden. Ähnlich wie beim Altar sind
Säulen mit gekröpftem Gesims und Rosetten zu sehen. Der Spieltisch weist ein
Manual von 54 Tasten und ein Pedal mit 25 Tasten auf.

Die Farbfenster in der Kirche waren ursprünglich nicht vorgesehen. Sie sind
Stiftungen des zu Ende gehenden 19. bzw. des 20. Jahrhunderts. An der
Nordseite des Langhauses erstrahlen zwei Jugendstilfenster, die Jesus Christus
als den guten Hirten und als den rechten Weingärtner abbilden, getreu der
Aussage: ,,Ich bin der gute Hirte" bzw. ,,Ich bin der rechte Weinstock, Ihr seid
die Reben!" An der Südseite des Chorraumes befindet sich die Darstellung
Jesu Christi als Überwinder des Todes, erinnernd an das Wort: ,,Ich bin die
Auferstehung und das Leben!" Dieses moderne Glasgemälde wurde von dem
Glasmaler Theodor Reichhart angefertigt.

Zwei Jugendstilfenster: Jesus Christus als der gute Hirte und als der rechte Weingärtner
Zwei Jugendstilfenster: Jesus Christus als der gute Hirte und als der rechte Weingärtner

Die Gedächtnisecke für die Gefallenen dreier Kriege, und zwar des
Deutsch/Französischen 1870/71, des Ersten und des Zweiten Weltkrieges
befindet sich in der südöstlichen Langhausecke. Auf einem hölzernen Schild
sind die Namen von 53 Gefallenen und Vermißten des Zweiten Weltkrieges
aus der Kirchengemeinde verzeichnet, wobei auch von den in der Nacht vom
30. auf den 31. März 1944 sechs umgekommenen Luftopfern in Pettensiedel
drei mit eingezeichnet sind, darunter 2 Kinder im Alter von 5 und 13 Jahren
(Entwurf des Schildes: Architekt Adalbert Bischof, Bad Berneck 1953).
Unmittelbar unter dem Schild liegt auf einem Pult das von Gustav Lüttger im
Jahr 1970 angefertigte und von den Konfirmanden gestiftete Gefallenenbuch
der Kriegsopfer des Ersten Weltkrieges. In diesem Buch sind die Gefallenen
und Vermißten mit Bild in alphabetischer Reihenfolge verzeichnet, unter ihnen
auch ehemalige Angehörige des 14. Infanterieregimentes Hartmann, einem
Traditionstruppenteil des Nürnberger Transportbataillons 270, das
oekumenische Gottesdienste anläßlich der Gelöbnisfeiern in der St. Georgskirche
abhält. Im genannten, künstlerisch gestalteten Gefallenenbuch sind auch die
zwei Opfer des 70er Krieges verzeichnet, jedoch ohne Bilder.

Die Sakristei (Inneres) ist ein Nebenraum der Kirche, der zum Umkleiden
für die Geistlichen und zur Vorbereitung auf den Gottesdienst bestimmt ist. Die
tonnengewölbte Sakristei der St. Georgskirche ist zugleich auch ein Ort der
Erinnerung an die reich bewegte Pfarr- und Kirchengeschichte. Dazu trägt die
künstlerisch gestaltete Holztafel bei, auf der alle seit der Reformation in Igensdorf
tätigen Geistlichen aufgezeichnet sind. Ihre Namen werden bei Pfarrwechsel
laufend ergänzt und mit der Dauer ihrer Wirkungszeit und der Zahl ihrer
Dienstjahre versehen.

Die Tafel ("tabula pastorum") ist aus Anlaß eines bedeutenden
kirchengeschichtlichen Ereignisses angefertigt worden. 1530 wurde das Glaubensbekenntnis der Evangelischen in 28 Artikeln von Philipp Melanchthon
formuliert und vor Kaiser und Reich in Augsburg vorgetragen. Diese sogenannte
"Confessio Augustana" wurde von zahlreichen deutschen evangelischen Fürsten
unterzeichnet, für das Stadt- und Landgebiet Nürnberg unterschrieb Freiherr
Kreß von Kressenstein aus Kraftshof. Anläßlich des 200jährigen Gedenkens
dieses Ereignisses fertigte Lehrer und Schreinermeister Benedikt Wilhelm Kunst
die genannte Tafel an, die seit 1730 den Raum der Sakristei schmückt. Die
Überschrift läßt den Anlaß der Tafelaufstellung erkennen; sie lautet: ,,Im zweiten
Jahrhundert Augspurgischer Confession". Darunter das Bibelwort: ,,Gedenket an
eure Lehrer, die euch das Wort Gottes gesagt haben". Hebr 13,7.
Aller auf der Tafel aufgezeichneten Geistlichen zu gedenken, würde den Rahmen
des Kunstführers überschreiten. So beschränken wir uns auf einzelne. Die am
längsten dienenden Prediger waren Joh.-Karl Neitzsch (1875-1909), Leo
Goes (1935 - 1965), Georg Cuntzmann (1544 - 1573), Johann Ayrschöttel
(1573 - 1601). Die durchschnittliche Dienstzeit beträgt 12 Jahre. Einige Prediger
erwarben an der ehem. Nürnbergischen Universität Altdorf den Magistertitel
und durften ein großes lateinisches "M." vor ihren Namen führen. Zu diesen
gehört auch der erste evangelische Pfarrer in Igensdorf, Caspar Schultheiß,
der von 1528 bis 1544 hier diente. Der bedeutendste von allen Amtsträgern war
ohne Zweifel Witschel (1769-1847), der l6 Jahre hier wirkte. Er war Führer
des Rationalismus in Bayern, wurde später Dekan und Distriktsschulinspektor
(heute einem Schulamtsdirektor vergleichbar) in Gräfenberg. Er war auch eine
zeitlang Abgeordneter der Ständekammer, einer Vorläuferin des Bayerischen
Landtages. Bekannt wurde Witschel vor allem durch sein Andachtsbuch:
"Morgen- und Abendopfer in Gesängen", das viele Auflagen erlebte und bis
Anfang des 20. Jahrhunderts in ganz Deutschland gelesen wurde. Auch seine
"Moralischen Blätter" fanden begeisterte Leser. Durch seine oekumenische
Einstellung war er seinen Zeitgenossen weit voraus. Mit dem Dichterfürsten Joh.
Wolfgang Goethe fühlte er sich eng verbunden. Anläßlich einer Begegnung mit
ihm las er einige Grübelische Gedichte vor, die bei Goethe großen Anklang
fanden. So wurde Johann Konrad Grübel (1736-1809), Flaschnermeister
und Volksdichten nicht nur in Nürnberg berühmt. Das Andenken an Witschel
halten die Nürnberger durch eine Straße, die nach ihm benannt ist, bis zum
heutigen Tage aufrecht. Ein künstlerisch hochbegabter Pfarrherr war Christoph
Michael Kellner dessen Leben und Schaffen erst 1982 durch Dr. Schledermair
vom Bayerischen Kultusministerium erhellt wurde. Kellner (1748-1761 hier
wirkend) war ein bedeutender "Papierschneider" (= Anfertiger von
Scherenschnitten), was leider aus keiner Aufzeichnung im Archiv hervorging.
Einige herausragende Werke, wie z.B. "Die Hirschjagd" und die "Hl. Familie
auf der Flucht" sind im Bayer. Nationalmuseum in München zu bewundern.
Ein ungewöhnliches Schicksal ereilte Zacharias Hessei, der von 1731 bis
1748 hier eingesetzt war Er erlitt eines Tages einen Blutsturz auf der Kanzel
und wurde unter den Stufen des Altars beigesetzt. Auf der Pfarrertafel sind
auch fünf Kirchrüsselbacher Pfarrer verzeichnet, die während der langen
Vakanz der hiesigen Pfarrstelle nach dem 30jährigen Krieg stellvertretend ihre
Dienste für Igensdorf verrichteten. Sie wurden deshalb auf der Tafel "pastores
vicarii" genannt. Über dem Sakristeitisch hängt ein gestiftetes Ölbild, das
Martin Luther darstellt, mit dem Zeigefinger der rechten Hand auf die
Bibelstelle Römer 3, Vers 24, weisend: "Und werden ohne Verdienst gerecht
aus seiner Gnade, durch die Erlösung,so durch Christum Jesum geschehen ist"
(Ableitung der reformatorischen Rechtfertigungslehre). An der Südwand der
Sakristei befindet sich eine "series pastorum", d.h. eine Reihe der letzten 6 hier
eingesetzten ehemaligen Pfarrer in Photographien. Darunter sind zwei
Originalstiche von Johann Alexander Boener (1647-1720) anzutreffen.
Der eine zeigt die St. Georgskirche unmittelbar nach ihrer Wiedererrichtung im
Jahr 1687, der andere, ebenfalls aus dem zu Ende gehenden 17. Jahrhundert
stammend, stellt das ehem. Augustinerkloster zu Nürnberg (1816 eingerissen)
vor Augen. Von dort aus wurde das Landgebiet Nürnberg bis 1806 regiert.

Pfarrertafel in der Sakristei von Benedikt Wilhelm Kunst 1730
Pfarrertafel in der Sakristei von Benedikt Wilhelm Kunst 1730

Karl Buck

Maintained by Christof Westhues, Igensdorf  Last updated 13.07.98