Vom Institut für gegenwärtige Vorgeschichte
Jean-Pierre Voyer
Einführung in die Wissenschaft der Publizität
Autorisierte Übersetzung
von Christiane Kügeler und Diana Siebert
Rheinischer Hilfsverlag
1. Auflage 1982
Satz: Isabella Terpkovitz
Orig. Ausg. Champ Libre, 1975
Rheinischer Hilfsverlag, Hauptstr. 137, 509 Leverkusen 1
[Bild]
MUSS ES SEIN ? (2)
dem Situationisten Guy Debord
dem Situationisten Karl Marx
allen Situationisten
Heil Hegel!
I.
Nach und nach habe ich mich vom Idealismus gelöst, und ich gehe dazu über, die Idee in der Realität selbst zu suchen.
(Karl Marx an seinen Vater, 10.11.1837)
Erschrecken Sie sich nicht, etwas von dieser Idee steckt in jeder Zeile.
1
Die Größe der Wissenschaft der Logik und deren Endresultat, die Dialektik der Negativität als motorisches und schöpferisches Prinzip, besteht in Folgendem: Hegel begreift die Realität als Einheit, als Einheit des Existierenden und der Erscheinung des Existierenden. Das Wirkliche enthält das Negative als Erscheinung, und manchmal sind die Menschen schon müde, bevor sie merken, daß sie es sind. Die Philosophie, die sich auf den Standpunkt der Realität stellt, wird durch das System Hegels repräsentiert. Die Philosophie Hegels ist die materialistische Theorie der Idee. Was das Widerlegen eines philosophischen Systems angeht, hieße es einen groben Fehler zu begehen, das System, das man widerlegen möchte, als durch und durch falsch darzustellen, und so, als ob es sich nur darum handle, das wahre System dem falschen gegenüberzustellen. Ein System ist erst dann falsch, wenn es für sich behauptet, der eigene Standpunkt sei endgültig der Erhabenste. Der wirkliche Standpunkt des hegelianischen Systems und die Antwort auf die Frage, ob es nun wahr oder falsch sei, ergeben sich ausschließlich aus der Gesamtheit aller Betrachtungen über dieses System. Man hätte Unrecht, in diesem Standpunkt eine einfache Meinung zu sehen, das subjektive Ergebnis eines Darstellungsprozesses oder Denkens irgendeines Menschen, sozusagen einer fehlgeleiteten Spekulation: Hegel stellt sich auf den Standpunkt der modernen politischen Ökonomie. Er begreift die Arbeit als Beziehung der Materie zu sich selbst, als Wesen und als Bestätigung des Wesens des Menschen.
2
Alles beginnt mit der Arbeit, jener allen Tieren gemeinsamen Aktivität. Die Arbeit bildet den Ausgangspunkt, denn sie ist eine ebenso reine Aktivität wie das Leben überhaupt, aber dieser erste Anfang kann nichts vermitteltes und näher präzisiertes sein. Die Arbeit verkörpert die unmittelbare Unabhängigkeit im Gegensatz zur reflektierten Totalität und hat den Grund ihres Daseins nicht in einem ganzen, sondern in sich selbst. Die erste Definition der Humanität ist somit die, daß sie reine Arbeit ist. Und die Geschichte muß eine Geschichte der Arbeit sein.
3
Die Arbeit ist der Bedarf, der sich aufhebt. Wie die berühmten Arbeiten Pavlovs klar gezeigt haben, beinhaltet der Bedarf das Negative als Erscheinung, er beinhaltet sich selbst als bereits scheinbar aufgehobenen Bedarf. Die Arbeit ist die unmittelbare Einheit des Negativen mit sich selbst. Das Gleichgewicht, das sich zwischen dem Bedarf und dem scheinbar aufgehobenen Bedarf einstellt, ist vor allem die Arbeit selbst. Aber es verschwindet auch, um eine ruhige Einheit zu bilden. Der Bedarf und der scheinbar aufgehobene Bedarf gelangen dorthin nur durch Verflüchtigung, aber die Arbeit als solche beinhaltet ihre Verschiedenheit. Die Verflüchtigung oder das Verschwinden des Bedarfs und des scheinbar aufgehobenen Bedarfs kommt einem Verschwinden der Arbeit gleich. Die Arbeit ist so unmittelbar die Einheit des Existierenden und der Erscheinung des Existierenden. Die Erscheinung ist das Prinzip des Lebenden.
4
Die Erscheinung ist weder etwas, was erscheint oder Erscheinung irgendeiner Sache, noch Erscheinung für etwas anderes. Die Erscheinung ist jene Umwälzung, die bewirkt, daß das, was erscheint, etwas wird. Die Erscheinung ist die reine Erscheinung des Existierenden. Die Erscheinung ist etwas, was existiert. Die Erscheinung ist die absolute Abstraktion, diese Negativität ist ihr nicht äußerlich, vielmehr ist die Erscheinung Erscheinung und nichts als Erscheinung. Die Erscheinung ist selbst unmittelbar bestimmt. Sie kann diesen oder jenen Inhalt haben, wie dem auch sei, sie begründet ihn nicht selbst, aber besitzt ihn unmittelbar.
5
Hegel kommt das große Verdienst zu, als erster die Wichtigkeit der Erscheinung verstanden zu haben und ihr in der Theorie jenen Platz zugewiesen zu haben, den sie auf jeden Fall in der Wirklichkeit einnimmt. Die Erscheinung ist die reine Negativität, die Negativität verstanden als Erscheinung. Sie wird solange als etwas totes erachtet, bis man ihr für sich selbst wirksame Fähigkeiten und Kräfte zuspricht, die sie haben muß. Sie ist also eine Sache, aus verschiedenen Bestimmungen entstanden, welche sich einander gegenüber gleichgültig bleiben. Die Erscheinung ist das gleiche wie Reflektion. Aber hier handelt es sich weder um die Reflektion des Bewußtseins noch um die bestimmtere Reflektion der Publizität, die zur Bestimmung das Individuum und die Gattung hat, sondern ganz einfach um die Reflektion. Im Gegensatz zu den Leninphilosophen, die in die Erscheinung allen Reichtum der Welt legen und dann alle Objektivität der Erscheinung leugnen, haben wir einzig die Absicht, die wesentliche Wichtigkeit der Erscheinung in den menschlichen Angelegenheiten zu bezeugen, die Wichtigkeit, die auf jeden Fall ihre eigene Bewegung zum Tragen bringt.
6
Die Arbeit ist das Ziel, die Gegenwart dessen, was nicht innerhalb dessen existiert, was existiert - die Bestimmung dessen, was existiert für das, was nicht existiert. Der Satz des Negaten oder der Teleologie, - des Ziels -, ist ganz einfach und lautet so: das Existierende ist durch die Erscheinung dessen, was existiert, bestimmt. Anders gesagt, das Negative besteht in der Erscheinung. Darwin hat in seinem Buch Die Entstehung der Arten perfekt aufgezeigt, daß der Entwicklung der Tierarten keine Spur von Teleologie anhaftet. Jedoch weist er gleichermaßen genial auf, daß diese Entwicklung notwendigerweise auf einer Teleologie beruht, nicht auf der der Art, sondern auf der des einzelnen Tieres, auf der des Bedarfs. Der Bedarf - das ist das Tier, das leben will. Die Entwicklung der Art betrifft nicht das einzelne Tier, sondern beruht auf einem genetischen Zufall. Die Rolle des Tieres beschränkt sich darauf, zu leben oder zu sterben. Wenn es stirbt, trägt es nicht zur Vermehrung bei. Wenn es lebt, zeugt es. Und der Tod ist das wesentliche Prinzip der Art. Die Entwicklung der Tierarten ist die negative Einheit, in der die Opposition des beschränkt Negativen und des beschränkt Positiven aufgeht. Das Tier ist kein Gattungswesen, da es zu der eigenen Gattung nur ein negatives Verhältnis unterhält, ein solches wie das, das die Größe einer Insel mit der Statur (1) der größten Art, die auf ihr existieren kann, verbindet.
7
Wenn die tierische und beschränkte Arbeit das Negative beinhaltet, so ist es nur das tierische und beschränkte Negative in dem Maße, wie es nichts verfeinert, nichts berechnet, nichts differenziert, nichts identifiziert. Es ist eine blinde, taube und stumme Erscheinung. Die Negativität der tierischen Arbeit, der unabhängigen Arbeit bleibt eingeschlossen in einer begrenzten Sphäre, dieses Negative führt nicht aus sich selbst heraus. Nur die Objektivierung der Erscheinung konnte die beschränkte Unabhängigkeit der reinen Arbeit aufheben. Die tierische Arbeit ist die Verschiedenheit ohne Bestand, die gleichgültige Verschiedenheit, die gestaltlose Totalität der Vielgestaltigkeit, d.h. die Totalität ausschließlich für ein anderes, die nicht-totalitäre Verschiedenheit. Die tierische Arbeit duldet jede Beschränkung, alles Äußerliche, alles Andere. Sie ist beschränkt. Soweit sie einen Anfang darstellt, ist es ein Anfang, der duldet, das man vor ihn beginnt. Sie ist nicht begründet.
8
Die einzige Arbeit, die Hegel kennt und anerkennt, ist die intellektuelle Arbeit, die abstrakte Arbeit. Marx, mit der abstrakten Arbeit nicht zufrieden, appelliert an die konkrete Arbeit, ans Schuften, aber er faßt die Realität nicht als Gattungsaktivität, d.h. als Bezug des Individuums zu seiner Gattung, - als eindeutig menschliche Aktivität. Marx will konkrete, von geistigen Arbeiten wirkliche unterschiedene Arbeiten: aber er faßt die menschliche Tätigkeit selbst nicht als Tätigkeit, die das Negative offenbart, als bewußte Tätigkeit. Er betrachtet von daher im größten Teil seines Werkes nur das arbeitsmäßige Verhalten als das echt menschliche, während die Praxis dort nur in ihrer schmutzigen, animalischen Manifestation begriffen und definiert wird. Er begreift daher nicht die volle Bedeutung der revolutionären, praktisch-kritischen Tätigkeit.
9
Marx ignoriert das abstrakte Moment des Austausches. Der Austausch ist die Gattungsbeziehung par excellance. Der Hauptmangel allen bisherigen Materialismus, - des hegelschen ausgenommen - ist, daß die konkrete Realität nur unter der Form der tierischen und beschränkten Arbeit gefaßt wird, aber nicht als eigentlich menschliche Tätigkeit, als Verhältnis der Arbeit zu sich selbst, nicht negativ, als ein Verhältnis. Daher wurde der rein menschliche Aspekt (im Gegensatz zum Materialismus) abstrakt entwickelt, und zwar durch die kommerzielle Pseudo-Publizität, jene Publizität einer Welt ohne Publizität, die von dem spricht, was sie nicht verkauft und das verkauft, von dem sie nicht spricht, und die, natürlich, die rein menschliche Tätigkeit als solche ignoriert.
10
Man kann die Menschen von den Tieren durch das Bewußtsein, die Religion, die Arbeit und alles Mögliche unterscheiden. Die Menschen beginnen sich von den Tieren zu unterscheiden, sobald sie beginnen, ihre Existenzmittel auszutauschen. Indem sie beginnen, ihre Existenzmittel auszutauschen, produzieren diese Menschen indirekt ihre Gattung, d.h. sie produzieren sich selbst als Menschen. Das Tier verschmilzt vollkommen und direkt mit seiner Lebensaktivität. Es ist diese Aktivität. Der Mensch macht aus seiner Aktivität ein Objekt des Austausches. Der Austausch der menschlichen Aktivität innerhalb der Produktion, wie auch der Austausch der menschlichen Produkte untereinander, ist die Gattungsaktivität und der Gattungsgeist. Folglich ist die wirklich erste Definition der Humanität die, daß sie der reine Austausch ist. Und die Geschichte muß eine Geschichte des Austausches sein.
11
Die Menschen sind diejenigen, die ihre Humanität kundtun. Das, was sie sind, deckt sich also mit dem Austausch, ebenso durch das, was sie tauschen, wie durch die Art und Weise, wie sie tauschen. Das, was die Menschen ausmacht, das, was die Humanität ausmacht, hängt folglich von den materiellen Bedingungen des Austausches ab. Die Geschichte des Austausches, die objektive Existenz des Austausches, ist das offene Buch der wesentlichen Kräfte des Menschen, die materialisierte menschliche Psychologie. Eine Psychologie, für die dieses Buch, - genauer gesagt der am materiellsten vorhandene Teil, der zugänglichste Teil der Geschichte, verschlossen bleibt, kann zu keiner realen, wirklich gehaltvollen Wissenschaft werden.
12
Die Humanität ist keine Substanz, die Zufällen ausgesetzt ist. Sie ist schon gar nicht eine Form, die von dieser Substanz Gebrauch macht. In der Humanität ist das formale Prinzip gleichzeitig das substanzielle. Der Austausch ist dieses Prinzip. Der Austausch ist die Grundlage der Humanität als Einheit der Identität und des Unterschiedes, er ist die Reflektion in sich, die ebenso Reflektion in etwas anderem ist, und umgekehrt.
Der Austausch ist das menschliche Wesen als Verhältnis dargestellt.
13
Der Austausch ist nicht nur ein Verhältnis unter möglichen anderen Verhältnissen. Der Austausch ist das Verhältnis, das Verhältnis, das streng genommen existiert, d.h. das Verhältnis, das nicht nur für ein anderes existiert, sondern dessen Ausdrücke ihre Bestimmungen besitzen, um mal mit der Bestimmung des Verhältnisses anzufangen. Jedes Verhältnis ist ein Austauschverhältnis. Es existiert kein anderes Verhältnis als das des Austausches. Das Verhältnis existiert nur wenn es für sich selbst in seinen Ausdrücken existiert, in einer Beziehung zu sich selbst, anders gesagt, wenn seine Ausdrücke das Negative als Erscheinung beinhalten. Ein Verhältnis, das nicht für sich selbst existiert, nicht in einer Beziehung zu sich selbst steht, besitzt nicht seine Bestimmung des Verhältnisses. Diese Bestimmung ist ihm äußerlich. Es ist nur ein Verhältnis für ein anderes.
14
Der Austausch ist das identische Verhältnis, das Verhältnis, das das Selbe und das Andere hervorbringt, das Gleiche und das Unterschiedliche, d.h. das Verhältnis selbst als Verhältnis, als Einheit des Gleichen und des Unterschiedlichen. Der Austausch ist unmittelbar Produktion der Identität. Der Austausch ist unmittelbar Produktion der Opposition, er ist Bestätigung des Unterschiedes, des Anderen. Die Bestätigung des Unterschiedes im Austausch ist unmittelbar Unterscheidung der Aktivität und der Produkte der Aktivität. In der gleichen Bewegung bringt der Austausch diesen Unterschied hervor und hebt ihn auf. Identität und Unterschied können nur im Austausch existieren. Die Identität, die nicht ebenso Opposition wäre, wäre nur eine unsaubere, rein äußerliche Identität, Identität für ein anderes. Ebenso wäre der Unterschied, der nicht auch Identität wäre, nur Verschiedenheit, Unterschied für ein anderes. Sofort zeigt sich im Austausch der Widerspruch zwischen den unmittelbaren und besonderen Eigenschaften der Arbeit und ihrer allgemeinen, echt menschlichen Eigenschaft, ihrer Fähigkeit, sich auszutauschen. Unmittelbar verschieden, muß der Austausch von sich selbst differenzieren, um sich als identisch zu erweisen.
15
Im Austausch ist der Unterschied die Negativität, die ihre Aufhebung beinhaltet, das Nichts ausgedrückt in Sprache oder Begriffen der Identität. Die Identität und der Unterschied der Arbeit existieren nur in ihrer Einheit, dem Austausch und soweit sie gegenteilig sind. Sie existieren nur als aufgehobene, nur insofern sie in ihr Gegenteil übergegangen sind, in der Einheit ihres Verhältnisses. Die Identität ist etwas, was unterscheidet, und der Unterschied ist etwas identisches. Die Identität ist das wesentliche Moment des Unterschiedes und der Unterschied ist das wesentliche Moment der Identität, er beinhaltet die reine Bewegung der Aufhebung, des Übergangs in etwas anderes, die Bewegung des Negativen, vermittels derer sich das Andere als einfache Erscheinung präsentiert, die dem Verschwinden geweiht ist.
16
Wenn der Bedarf des Einen durch die Arbeit des Anderen aufgehoben wird und umgekehrt, ohne daß irgendwie Gewalt ausgeübt wird, dann ist der Eine fähig, das Objekt des Bedarfs des Anderen zu produzieren, und umgekehrt. Aber wenn meine Produktion im Hinblick auf deinen Bedarf berechnet ist, ist sie verfeinert, ich produziere nur scheinbar dieses Objekt, in Wahrheit aber produziere ich ein anderes Objekt, das Objekt deiner Produktion, ein Objekt, das ich zu tauschen gedenke gegen das Objekt meiner Produktion, den Austausch, den ich bereits in Gedanken ausgeführt habe. Der Austausch ist die Arbeit, die sich selbst als eine reine Erscheinung aufhebt.
17
Im deutschen Denken hat Aufheben eine doppelte Bedeutung: zum einen Bewahren, Aufrechterhalten (Aufheben bezeichnet im Deutschen sowohl Wiederaufheben, als auch in die Höhe heben, als auch Abschaffen), zum anderen ein Ende machen, ein Ende setzen. Bewahren, Aufrechterhalten beinhaltet Überdies eine negative Bedeutung, man entzieht nämlich einer Sache, um sie zu erhalten, ihre Unmittelbarkeit, ihre für äußere Einflüsse zugängliche Unabhängigkeit. So ist das, was aufgehoben wird, gleichzeitig das, was bewahrt wird, aber es hat keine Unabhängigkeit verloren, ohne deshalb vernichtet worden zu sein. Lexikologisch gesehen können diese beiden Bestimmungen von Aufhebung als zwei Bedeutungen dieses Wortes betrachtet werden. Man kann es jedoch überraschend finden, daß eine Sprache dahin gelangt ist, ein und dasselbe Wort zur Bezeichnung zweier entgegengesetzter Bestimmungen einzusetzen. Das dialektische Denken kann sich nur freuen, Worte in der Sprache zu finden, die für sich selbst eine dialektische Bedeutung haben, und das deutsche Denken besitzt mehrere solcher Wörter. Man hebt eine Sache nur auf, wenn man diese Sache eine Einheit mit ihrem Gegenteil bilden läßt, in dieser näheren Bestimmung kann man sie das Moment nennen. Beim Hebel nennt man das Gewicht und den Weg zu einem bestimmten Punkt das Moment, und zwar aufgrund der Identität ihrer Handlung, wie auch immer ansonsten die Unterschiede seien, die das Gewicht und der Weg mit sich bringen. Die Bedeutung und der genauere Ausdruck, den die Arbeit und die aufgehobene Arbeit als Momente somit erhalten, kommen zur Geltung, wenn wir die Publizität als Einheit, innerhalb der sie aufbewahrt sind, betrachten. Die Arbeit ist nur die Arbeit und die aufgehobene Arbeit ist nur die aufgehobene Arbeit insoweit, wie man nur den Unterschied, der sie trennt, im Blick hat, aber vom Gesichtspunkt ihrer Wahrhaftigkeit, ihrer Einheit aus betrachtet, sind sie als solche verschwunden und zu etwas anderen geworden. Die Arbeit und die aufgehobene Arbeit sind ein und dieselbe Sache, und weil sie ein und dieselbe Sache sind, sind sie nicht länger Arbeit und aufgehobene Arbeit und erhalten eine andere Bestimmung. Diese Einheit bleibt ihre Basis, die sie nicht mehr verlassen um erneut die abstrakte Bedeutung von Arbeit und aufgehobener Arbeit zu erhalten.
18
Aufhebung ist einer der wichtigsten Begriffe der Geschichte, eine fundamentale Bestimmung, die jederzeit wieder auftaucht, von der es wichtig ist die Bedeutung gut zu kennen, eine Bestimmung, die es vor allem vom Nichts zu unterscheiden gilt. Die aufgehobene Sache ist die nichtexistierende, aber als Erscheinung hat sie zum Ausgangspunkt und zum Ursprung das Existierende. Aus diesem Grund behält sie noch die spezielle Eigenart dieses Ursprungs bei. Somit ist der Austausch die aufgehobene Arbeit, aber die Arbeit ist das, was den Austausch beherrscht, das wirkliche Subjekt des Austausches. Indessen erhält die Arbeit eine Macht, von der sie außerhalb ihrer Aufhebung nicht träumen könnte.
19
Einer der Hauptvorteile des Reformismus besteht darin, in der Erscheinung eine weniger wesentliche und weniger immanente Bestimmung zu sehen als in der Existenz. Wenn es eine Frage der Hierarchie sein könnte und wenn es nötig wäre, diese beiden voneinander isolierten Bestimmungen beizubehalten, so wäre doch viel eher die Erscheinung die tiefste und wichtigste Bestimmung. Das, was die Existenz im Vergleich zur Erscheinung ist, ist Bestimmung des einfachen Unmittelbaren, aber die Erscheinung ist die Wurzel jeglichen historischen Wandels und jeglicher menschlicher Kundgebung, nur in dem Maße, wie eine Sache eine Erscheinung in sich birgt, ist sie fähig zum Wandel, zur historischen Aktivität, ist sie fähig, historischen Tendenzen Ausdruck zu geben. Die Erscheinung ist auch das, was man in erster Linie von den Sachen, von den Wirklichkeit und von der Wahrheit allgemein entfernt. Man verwechselt insbesondere die Erscheinung und den Fehler und man sagt von etwas falschem, es sei eine Erscheinung. Umgekehrt drängt man sie in zweiter Linie ins Bewußtsein ab, indem man sagt, das Bewußtsein sei es, das sich täuschen läßt und die Erscheinung erstellt. Ob es sich nun um die Wirklichkeit oder um das Bewußtsein handelt, die Erscheinung wird als reiner Zufall betrachtet, um nicht zu sagen als Anomalie oder als vorübergehender krankhafter Höhepunkt. Eine absolute Bestimmung der Humanität muß sich selbst in der ganzen Erfahrung finden, in all dem, was wirklich menschlich ist. Das, was allgemein aus dem hervorgeht, was wir über die Natur der Erscheinung sagen werden, ist folgendes: indem man sagt, eine Sache berge eine Erscheinung in sich, fällt man über sie kein herabsetzendes Urteil. Laut Reformismus wäre das Absolute, weil das Begrenzte ist. Aber die Wahrheit ist: das Absolute - das, was unbegrenzt ist, das, was frei von jeder Bindung ist, das, was keine Beschränkung duldet - existiert nur deshalb, weil das Begrenzte das widersprüchliche Gegenteil in sich ist, weil es nicht ist, weil es das Negative enthält. Nach der ersten Auffassung wäre das Dasein des Begrenzten das Dasein des Absoluten: Arbeit macht frei (2). Aber nach unserer Auffassung ist es das Nicht-Existieren des Begrenzten, welches das Dasein des Absoluten ausmacht. Das Begrenzte beinhaltet das Absolute als Negatives, es beinhaltet den Durst nach Publizität, den Durst nach Reichtum. Wenn die materialistische Dialektik Hegels mit der Triade Mißbrauch getrieben hat, dann einfach, weil die Dialektik, indem sie die Aktivität der Erscheinung ist, auch die Logik der Triade ist: das Existierende, die Erscheinung des Existierenden und die Einheit des Existierenden und der Erscheinung des Existierenden.
20
Der Austausch ist die Untrennbarkeit der Identität und des Unterschiedes; er ist keine Einheit, die eine Abstraktion aus der Identität und dem Unterschied macht, aber als Einheit der Identität und des Unterschiedes ist der Austausch diese definierte Einheit oder die Einheit, in der die Identität und der Unterschied existieren, während die Identität und der Unterschied als voneinander getrennte nicht existieren. Sie befinden sich also in dieser Einheit auf dem Weg des Verschwindens, als nur Beurlaubte. Von ihrer vermuteten Unabhängigkeit steigen sie herab auf die Stufe von Momenten, noch verschieden, aber schon gleichzeitig aufgehoben. Vom Standpunkt dieser Untersuchung aus betrachtet ist jedes von ihnen dort in einer Einheit mit dem anderen. Der Austausch beinhaltet somit die Identität und den Unterschied als zwei Einheiten dieser Art, wobei jede auf ihre Art Einheit der Identität und des Unterschiedes ist: Die Identität als direkte Einheit und in der Beziehung zum Unterschied, und der Unterschied als direkte Einheit und in der Beziehung zur Identität. Der Austausch ist also doppelt bestimmt: die Eine von seinen Bestimmungen wird direkt durch den Unterschied gebildet, anders gesagt, der Austausch beginnt mit dem Unterschied, der sich auf die Identität bezieht, oder noch genauer, der die Identität durchläuft, die Andere wird durch die Identität gebildet, der Austausch, der bei der Identität beginnt, die sich auf den Unterschied bezieht, oder, genauer, die den Unterschied durchläuft: Erscheinen und Verschwinden. Beides mal handelt es sich um dieselbe Sache: um den Austausch. Es gibt dort einerseits das Verschwinden: der Unterschied verwandelt sich in Identität durch das Verschwinden des Unterschiedes oder genauso die Identität verwandelt sich in den Unterschied durch das Verschwinden der Identität. Andererseits gibt es dort das Erscheinen: das Verschwinden des Unterschieds ist das Erscheinen der Identität, dessen, was es an Gleichem gibt, und das Verschwinden der Identität ist das Erscheinen des Unterschiedes, dessen, was es an Unterschiedlichem gibt. Diese Momente heben sich nicht gegenseitig auf, indem sie äußerlich aufeinander wirken, aber jedes hebt sich selbst auf und beinhaltet in sich selbst sein Gegenteil.
21
Der Austausch ist die Kundgebung der Erscheinung, der augenscheinlichen und kundgegebenen Erscheinung. Er ist das Erkennen des Nichtexistierenden durch das Nichtexistierende, das praktische Erkennen, das von jeder Spur Idealismus befreite hegelianische Erkennen. Die unmittelbare Kundgebung seiner Lebensaktivität unterscheidet den Menschen direkt vom Tier. Die Arbeit wird menschlich, wenn und weil sie menschlich ist für eine andere Arbeit, d.h. sie ist nur menschlich als anerkannte Arbeit, als aufgehobene Arbeit. Im Austausch ist die Lebensaktivität des Menschen keine Bestimmung, mit der er unmittelbar verschmilzt. Der Austausch ist das kundgegebene Wesen des Menschen, d.h. nicht nur das Wesen, sondern das Wesen, das notwendigerweise erscheinen muß.
22
Der Austausch ist das Verschwinden der Identität im Unterschied und des Unterschiedes in der Identität, er ist das Verschwinden der Identität und des Unterschiedes im Allgemeinen, aber er beruht gleichzeitig auf der Unterscheidung zwischen dem einen und dem anderen. Er ist somit im Widerspruch mit sich selbst, weil er Gegensätzliches wiedervereinigt, aber eine gleiche Einheit zerstört sich selbst. Der Austausch hat nicht die Unabhängigkeit der Arbeit oder des Dinges. Er besteht nicht an sich und für sich. Seine Grundlage ist ihm notwendigerweise äußerlich, und unmittelbar bleibt der Austausch etwas Unwesentliches angesichts einer wesentlichen Sache. Was macht eigentlich beim Menschen die Gattung, streng genommen, die Humanität aus? Der Austausch hat die Publizität zur Grundlage, d.h. den Austausch von allem mit allem. Der Satz der Publizität lautet: Jeder Austausch hat die Publizität als hinreichenden Daseinsgrund. Der Austausch besteht in der Publizität. Das, was den Menschen wirklich vom Tier unterscheidet, ist nicht nur der Austausch, sondern der verallgemeinerte Austausch. Die wirklich erste Definition der Humanität ist folglich die, daß sie die Publizität ist, und die Geschichte muß eine Geschichte der Publizität sein.
23
Erst in unseren Tagen hat man sich klargemacht, wie schwierig es war, den Anfang der Humanität festzulegen, und die Ursache dieser Schwierigkeit, sowie die Möglichkeit sie aufzulösen, war Gegenstand zahlreicher Diskussionen. Die Humanität beginnt mit der Publizität. Wir können dem was wir über diese einfachste Sache von allen, den Anfang der Humanität, sagen werden, noch die folgenden Überlegungen hinzufügen. Diese sind allerdings nicht dazu bestimmt, unsere Darlegung zu erhellen oder zu bestätigen, da sie das nicht nötig hat. Es geht um Vorstellungen und Überlegungen, denen wir auf unserem Weg begegnen können. Aber diese verschwinden im Schoß der Wissenschaft, wie alle Vorurteile, mit denen wir es zu tun gehabt haben, so daß man sich, was sie angeht, mit Geduld rüsten muß, und sie mit Ruhe tragen muß. Die Auffassung, nach der das absolut Wahre ein Ergebnis sein müsse, und daß umgekehrt ein Ergebnis seinerseits als Voraussetzung eine erste und vorhergehende Wahrheit haben müsse, die aber, als erste, nicht eine objektiv notwendige Wahrheit sei, - das ist die Auffassung des Reformismus, des Positivismus, der idealistischen Theorie der Materie. Unsere Auffassung ist ganz im Gegenteil die, daß der Fortschritt ebenso ein Rückschritt zur Grundlage, zum Ursprünglichen und Wahren hin ist, hin zu dem, von dem das abhängt, was als Anfang gedient hat. Indem sie sich von der Unmittelbarkeit löst, durch die die Erscheinung ihren Anfang findet, sieht sich somit die Erscheinung auf die Publizität als ihre intimste Wahrheit zurückgeführt. Es ist die Grundlage, von der sich der Anfang abhebt, der sich als das Unmittelbare präsentiert. Somit erweist sich die Publizität als konkrete Wahrheit, als letzte und höchste Wahrheit. Sie präsentiert sich in ihrer ganzen Freiheit im Begriff der Entwicklung in Gestalt von etwas Unmittelbarem. Die Publizität schreitet zur Schöpfung einer Welt, die all das enthalten wird, was in der Entwicklung angezeigt war, die diesem Ergebnis vorangegangen ist und die, entstanden aus dieser Umkehrung der Beziehungen zu ihrem Anfang, diesen Anfang hervorbringt, indem sie ihn vom Ergebnis abhängig macht, als ob dieses Ergebnis ihre Grundlage gewesen sei. Soweit sie ein Anfang gewesen ist, hängt die Publizität von sich selbst als Ergebnis ab. Das lautet folgendermaßen: Man hat den Anfang, den man verdient. Die Antinomie des Anfangs des Universums wird an dem Tag aus dem Weg geräumt, an dem unser leistungsfähiges mächtiges Geschlecht diesen Anfang produzieren wird. Die Frage nach der Wahrheit des menschlichen Denkens (des Denkens schlechthin) ist keine theoretische Frage, sondern eine praktische, auch wenn es sich um den Anfang handelt. Die Publizität ist der Anfang, der nicht duldet, daß man vor ihm beginnt, sie ist ein Anfang, der nie aufhört, anzufangen, sie ist der unendliche Anfang, die ewige Jugend.
24
Die Publizität ist die Beziehung von jeder Arbeit zu jeder Arbeit. Sie ist die Totalität der Arbeit, die existiert, die Arbeit, die als Totalität existiert, d.h. das Gegenteil der Arbeit, die total aufgehobene Arbeit. Die Publizität ist die Erscheinung jeglicher Arbeit in jeglicher Arbeit, d.h. die Erscheinung jeglicher Arbeit in sich selbst. Sie ist die Arbeit, die sich als eine Totalität der Erscheinung aufhebt. Die Publizität enthält das Negative als Erscheinung, aber als Absolutes, als Beziehung alles Negativen zu allem Negativen. Die Publizität ist nichts anderes als die materiellen Bedingungen des Austausches, und diese Bedingungen sind die Bedingungen des Negativen.
25
Die Publizität ist schließlich alles, was existiert. Jedes fremde Element ist in der Totalität aufgehoben, und diese existiert über sich selbst hinaus und in sich selbst. Die notwendige Existenzform der Totalität ist die, daß sie in sich selbst erscheint, und das Konzept der Totalität, so wie es in seiner Existenz impliziert ist, lautet: Alles erscheint in allem. Also hat sich das, was nur ein dürftiger reformistischer Scherz war, als ein angemessenes Konzept der Publizität offenbart, das selbst ein absoluter Scherz ist: Alles ist in allem und umgekehrt. Die Publizität ist die absolute Identität, absolut verschieden, sie ist das, wovon das Konzept die Existenz ist, da es das Konzept ist, das sich selbst begreift. Die Publizität ist die Totalität, die die perfekte Egalität mit sich selbst erreicht hat, die Totalität, die ihr eigener Gehalt ist und die sich selbst begreift. In der Publizität ist das Bewußtsein gleich der neuen Weise der Produktion und dem neuen Objekt der Produktion, und die Humanität entdeckt somit, daß sie stets den Traum von etwas besessen hat, wovon es genügt hätte, das Bewußtsein zu besitzen, um es wirklich zu besitzen.
26
Die Publizität ist die Reflektion über sich selbst in sich selbst. Die Publizität beinhaltet die Erscheinung als unendliche Bewegung ihrer selbst im Inneren ihrer selbst. Die Negation, die die Grundlage der Publizität ausmacht, ist nichts anderes als die positive Begegnung der Ursache mit sich selbst, also der Erscheinung mit sich selbst. Die Erscheinung ist die Grundlage, der Daseinsgrund der Publizität. Die Publizität ist die Leidenschaft der Erscheinung für sich.
27
Die Gattung Mensch ist nichts anderes als die Publizität. Indem die Menschen ihr Dasein bejahen, schaffen und produzieren sie die Publizität als ihre Gattung, die nicht eine abstrakte, universelle Gewalt ist, die gegen bestimmte Individuen gerichtet ist, sondern ihr ureigenstes Dasein, ihre ureigenste Aktivität, ihr ureigenstes Leben, ihr ureigenster Geist, ihr ureigenster Reichtum. Der Austausch erwirbt sich als Gattungsaktivität und Gattungsgeist eine reale und wahre Substanz nur durch die Publizität. Die Publizität ist die Wahrheit des Austausches, die Wahrheit davon, wieso die Identität und der Unterschied entstanden sind. Die Publizität ist die absolute, einzige, erhabene, unbegrenzte Kraft, der kein Objekt widerstehen würde, sie ist die Tendenz der Humanität, sich selbst in allem zu produzieren, sie ist die Einheit der Methode und des Systems.
28
Die Publizität ist das menschliche Wesen ausgedrückt als Totalität, als Gattung, als Substanz. Sie ist eine Angelegenheit der Reflektion, etwas Negatives, alles ist dort nur insoweit produziert, wie es aufgehoben ist. Die Publizität ist wesentlich der Prozeß ihrer selbst in sich selbst, und ihre Teile existieren nur insoweit, als sie in etwas anderes übergehen. In der Publizität verschwindet die Unabhängigkeit, die noch der Austauschbeziehung anhaftet. Die Publizität ist der Austausch von allem mit allem. In diesem ganz universellen Unterschied verschwindet der Austausch selbst, und es ist die Substanz oder das Wirkliche, das den ersten Platz einnimmt als absolute Einheit des Individuums mit der Gattung, als absolute Einheit der reflektierten Unabhängigkeit und der unmittelbaren Unabhängigkeit. Die neue Unabhängigkeit, die sich nun von den Trümmern der alten abhebt, ist, in der absoluten Publizität, die Unabhängigkeit des Individuums, die gleich der Unabhängigkeit der Gattung ist. Das Individuum wird zur absoluten Vermittlung dieses absoluten Ziels, indem die Publizität besteht, denn in der Publizität sind Abhängigkeit und Unabhängigkeit in einer reinen Erscheinung vermischt.
29
So ist für uns das Konzept des Geistes oder der Publizität schon gegenwärtig. Die Theorie ist noch nicht die Publizität, aber ihr subjektives Konzept. Die Theorie ist das Selbstbewußtsein des Menschen. Das, was später für die Humanität hinzukommt, ist die Erfahrung dessen, was die Publizität ist, nämlich diese soziale Substanz, die in der perfekten Freiheit und Unabhägigkeit der Individuen ihre Einheit bildet. Das Konzept der Publizität ist eines der schwierigsten, da es genau das der existierenden Humanität ist, das Konzept der Geschichte. Das wichtigste und wahrste Konzept der Epoche ist genau an der Organisation der größten Verwirrung und schlimmsten Widersinnigkeiten gemessen. Dieses lebendige Konzept kennt gleichzeitig die wahrsten und verlogensten Anwendungen, denn der Kampf zwischen der kritischen Wirklichkeit und dem apologetischen Spektakel führt zu einem Kampf über Wörter. Es ist nicht die autoritäre Säuberung, sondern die Kohärenz seiner Anwendung, in der Theorie und im praktischen Leben, die die Wahrheit dieses Konzeptes enthüllt.
30
Das Konzept der Publizität hat gegenüber dem Konzept der Gemeinschaft, der Gesellschaft, der Gattung, der Totalität folgenden Vorteil: es gibt kund, daß die Totalität der Individuen das Negative als eine Totalität der Erscheinung enthält und gerade dadurch eine Totalität im strengen Sinne ist, und nicht nur eine Totalität für etwas anderes. Das Konzept der Publizität ist ein aktiver Ausdruck. Die Publizität ist die Einheit des Ensembles der Erscheinung und der Erscheinung des Ensembles. Es ist das paradoxe Ensemble, das sich selbst als Erscheinung beinhaltet.
31
Das Konzept der Publizität ist der höhere Standpunkt, der die beiden vorhergegangenen Momente begreift. Für dieses Konzept beinhaltet die Wirklichkeit, die Wahrheit das Negative als Erscheinung, das Wirkliche ist die Einheit des Existierenden und der Erscheinung des Existierenden, die Einheit der Arbeit und der Aufhebung der Arbeit, die Einheit der Arbeit und des Austausches. Für dieses Konzept ist alles Wirkliche wahr, aber nur was wahr ist, ist wirklich. Die Wissenschaft der Publizität rehabilitiert die Erscheinung, da sie das wesentliche Moment der Wirklichkeit ausmacht, das Moment, durch das die Wirklichkeit wirklich wird, das Moment des Negativen. Gewiß, die Wirklichkeit hat immer existiert, aber nicht immer als Wirklichkeit. Die Reformisten und die Stalinisten haben für unseren Geschmack die Welt nur zu sehr verändert. Es handelt sich von jetzt an um das Verändern im Interpretieren und das Interpretieren in Verändern. Wir gebrauchen, aller Verbote zum Trotz, die rächende Waffe der Idee gegen die ganze Dummheit des beschränkten Materialismus, gegen die ganze Dürftigkeit des Idealismus der Materie.
32
Das Bewußtsein, das in der Sphäre des Reformismus verweilt, und nur Gedanken hat, die noch mit Unterwerfung verflochten sind, ist es gewohnt, von den existierenden Dingen auszugehen, und, wenn es sich dazu aufschwingt, an deren Publizität zu denken, die Beziehung zwischen der Publizität und dem, was nur repräsentiert ist, herzustellen - so als ob das Spektakel das Wirkliche und die Publizität nur eine subjektive Abstraktion wäre, die ihren Gehalt aus dem Spektakel bezieht. Danach wird dann die Publizität als Publizität, die überhaupt keinen vorbestimmten Inhalt und kein Spektakel als Ausgangs- und Stützpunkt habe, als eine logische einfache formale Angelegenheit angesehen. Aber es kann hier keine Frage solcher Beziehungen sein: Das existierende und all seine jenseitigen Bestimmungen sind als nicht wahr dargelegt worden, und sie sind auf die Publizität als ihre allerletzte Grundlage zurückgeführt worden. Die Publizität ist dadurch als das, was an und für sich wahr und wirklich ist, erwiesen, und jeder Inhalt, den sie außerdem hat, kann ihr nur von ihr selbst verliehen worden sein.
33
Für den Reformismus ist es leicht, all das, was über die Publizität gesagt wurde, als in sich widersprüchlich darzustellen. Gleichwohl, dies fällt auf ihn zurück, oder vielmehr, es hat sich in der Geschichte schon ereignet: ein Hund kratzt sich da, wo es ihn juckt, ein Reformist kratzt sich woanders. Wenn also der Reformismus zeigt, daß, wie er behauptet, sich die Publizität selbst widerspricht, weil beispielsweise das Subjektive nur subjektiv, und ihm das Objektive vielmehr entgegengesetzt sei, daß das Dasein etwas ganz anderes als der Geist sei und von daher nicht als solcher verstanden werden könne, daß ebenso das Begrenzte nur begrenzt sei und ganz direkt das Gegenteil des Unbegrenzten, ihm also nicht identisch sei, und so weiter alle Bestimmungen abhandelnd, - so zeigt die Theorie vielmehr das Gegenteil, nämlich daß das Subjektive, wenn es nur subjektiv wäre, das Begrenzte, wenn es nur begrenzt wäre, das Unbegrenzte, wenn es nur unbegrenzt wäre, überhaupt keine Wahrheit hätten, sie widersprechen sich und gehen in ihr Gegenteil über, wodurch sich dieser Übergang und die Einheit, in der sich die Extreme als aufgehobene Extreme befinden, als Erscheinung befinden (d.h. als Momente) als Wahrheit dieser Extreme offenbaren. Der Reformismus, der sich auf den Menschen bezieht, ist der Vorgang des doppelt verkehrten Verstehens, in dem Sinne, daß er 1. die Extreme des Menschen, wie auch immer man sie ausdrücken will, soweit sie in ihrer Einheit sind, noch in einem solchen Sinne begreift, daß sie nicht in ihrer konkreten Einheit seien, sondern Abstraktionen außerhalb dieser. Er verliert beispielsweise schon die Natur dessen, was in der Trennung vereinigt, aus den Augen, das, was ausmacht, daß das Individuum nicht bloß ein Individuum ist, sondern die Gattung, das Allgemeine.
2. Daß der mit sich selbst identische Mensch das Negative seiner selbst, den Widerspruch, enthält, diese Überlegung hält der Reformismus für eine äußerliche Reflektion, die nicht dem Menschen selbst zufallen würde. In Wirklichkeit jedoch ist dies nicht eine ureigene Weisheit des Reformismus, sondern der Mensch ist, weil er diese Negativität ist, an sich die Dialektik, die auf ewig das an sich Identische vom Verschiedenen trennt, das Subjektive vom Objektiven, das Begrenzte vom Unbegrenzten, und nur in diesem Maße ist der Mensch ewige Schöpfung, ewige Lebenskraft und ewiger Geist. Indem der Mensch im abstrakten Reformismus somit selbst die Tatsache des Übergehens ist, ist er auch insofern wahrhaft ewige Publizität, als die Dialektik diesem entfremdeten vom Reformismus wieder aufgerichteten Wesen seine Natur und die falsche Erscheinung der Selbsterhaltung seiner Produktionen erneut zu verstehen gibt und ihn in die Einheit zurückführt. Der Mensch ist die ewige Anschauung seiner selbst im anderen, das Konzept, das sich in seiner Objektivität selbst verwirklicht hat, das Objekt, das innere Zweckbestimmtheit ist und das wesentliche Subjektivität ist. Die verschiedenen Arten, den Menschen als Einheit des Idealen und Wirklichen, des Begrenzten und Unbegrenzten, der Identität und des Unterschiedes etc. zu erfassen, sind mehr oder weniger formal insoweit sie irgendeinen Grad des vorbestimmten Individuums bezeichnen. In der Publizität ist nur das Individuum selbst frei und wirklich universell. In der Publizität ist nur das Individuum das soziale Wesen, da die Publizität die reine Negativität ist. Die Publizität ist das unbegrenzte Urteil, das zudem absolut identisch mit seinen Seiten, nämlich Individuum und Gattung ist, von denen jede Seite die Totalität für sich ist, und gerade in der Tatsache, daß jede Seite sich in ihr vollendet, ist sie in jeweils andere übergegangen. Kein anderes sonstwie vorbestimmtes Individuum ist diese nach ihren beiden Seiten hin vollendete Totalität, außer dem Individuum selbst und der Publizität.
34
Die Produktion der Humanität ist die konkreteste aller Produktionen und folglich ist sie die allerhöchste und allerschwierigste. Produziere dich selbst, dieses absolute Gebot hat weder in sich noch in den historischen Umständen, in denen geprägt wurde, die einfache Bedeutung einer Selbstproduktion gemäß den Fähigkeiten, dem Charakter, den Neigungen und besonderen Schwächen des Individuums, sondern bedeutet die Produktion dessen, was wirklich im Menschen ist, und auch dessen, was an sich und für sich wahr ist, das Wesen selbst (das die Wahrheit des Daseins ist) als Publizität.
35
Die Publizität ist die Untrennbarkeit von Individuum und Gattung, sie ist keine Einheit, die eine Abstraktion aus dem Individuum und der Gattung macht, aber als Einheit des Individuums und der Gattung ist sie diese definierte Einheit, oder die Einheit, in der das Individuum und die Gattung existieren, während sie als Individuum und Gattung nicht existieren, sobald sie voneinander getrennt sind. Sie befinden sich also in dieser Einheit, aber auf dem Weg des Verschwindens, als nur Beurlaubte. Von ihrer vermuteten Unabhängigkeit steigen sie herab auf die Stufe von Momenten, noch verschieden, aber schon gleichzeitig aufgehoben. In der absoluten Publizität sind das Individuum und die Gattung das Gleiche. Das, was wahr ist, ist weder das Individuum noch die Gattung, sondern der Übergang und der bereits vollzogene Übergang (die beendete Vorgeschichte, die die Geschichte des Übergangs in die Wirksamkeit ist) des Individuums in die Gattung und von dem da in das da. Was aber auch wahr ist: weit entfernt vom Unverschiedensein, vom Gleichsein, unterscheiden sich das Individuum und die Gattung eins vom anderen absolut, ganz ungetrennt und untrennbar, erscheinen sie beide direkt in ihrem Gegenteil. Ihre Wahrheit besteht also in dieser Bewegung der direkten Erscheinung des einen im anderen: in der Publizität, eine Bewegung, die gleichzeitig mit dem Herausheben ihres Unterschiedes ihn reduziert und aufhebt.
36
Daß das Ergebnis, laut dem die Gattung und das Individuum das Gleiche sind, dazu da ist, um einige zu überraschen oder ihnen paradox zu erscheinen, macht ja nichts; was eher Anlaß zum Erstaunen bietet, ist das Erstaunen, das sich seit einiger Zeit in der Publizität kundtut und daher rührt, daß man vergißt, daß diese Wissenschaft ganz andere Bestimmungen umfaßt als die des normalen Bewußtseins, ganz andere als die, die man allgemein reformistisches Verständnis nennt, welches nicht gerade ein proletarisches Verständnis ist, sondern ein auf die Ansicht von Abstraktionen oder Glauben ausgerichtetes Verständnis, - wir sagen sogar auf den Aberglauben der Abstraktionen. Man denkt, daß die Gattung eher etwas ganz anderes als das Individuum sei und daß nichts augenscheinlicher sei als ihr absoluter Unterschied und daß nichts leichter sei, als diesen Unterschied zu entdecken und zu erkennen. Aber es ist auch nichts leichter, als festzustellen, daß das unmöglich ist, daß dieser Unterschied nicht ausdrückbar ist. Diejenigen, die auf dem Unterschied zwischen Individuum und Gattung beharren, täten gut daran, uns zu sagen, worin er besteht. Die präzise Angabe des Unterschiedes zwischen Gattung und Individuum zu fordern, heißt gleichzeitig, die Definition des einen und des anderen zu fordern. Diejenigen, die sich weigern, anzuerkennen, daß die Gattung und das Individuum dazu bestimmt sind, ineinander überzugehen, und die diese oder jene Dinger des einen oder anderen beteuern, sollten uns exakt sagen, wovon sie sprechen, anders gesagt, sie sollten nicht nur eine Definition der Gattung und des Individuums geben, sondern auch zeigen, daß diese Definition richtig ist. Solange sie nicht dieser ersten Forderung der alten Wissenschaft genügen, auf deren logische Regeln sie indessen Wert legen, und die sie anwenden, bleiben alle diese Beteuerungen bezüglich der Gattung und des Individuums nichts als Beteuerungen ohne wissenschaftlichen Wert. Der Unterschied führt also nicht auf das was die Gattung und das Individuum an sich sind: es ist ein gedachter Unterschied, anders gesagt, eine rein subjektive Angabe, die hier nicht in Betracht kommt. Es handelt sich also um etwas, was gleichzeitig die Gattung und das Individuum umfaßt und das gut in diese Serie reinpaßt, und dieses existiert in der Gestalt der Publizität. Gerade in der Publizität existiert die Unterscheidung zwischen der Gattung und dem Individuum und die Publizität ist nur aufgrund dieser Unterscheidung möglich. Aber die Publizität ihrerseits verschmilzt weder mit der Gattung noch mit dem Individuum. Sie existiert in ihnen, was darauf hinausläuft, zu sagen, daß sie nicht für sich existiert. Indessen umfaßt die Publizität sowohl die Gattung als auch das Individuum, sie existieren nur insoweit, als sie sich in der Einheit der Publizität befinden und das ist es, was ihren Unterschied auslöscht. Man geht von der Gattung zu den Individuen und von den Individuen zu der Gattung über, und in dem einen dieser Begriffe vergißt man die Opposition des anderen insoweit, als daß jede Seite für sich als eine Existenz begriffen wird, die durch sich selbst Bestand hat. Oder insoweit die Individuen ihre Festigkeit in der Gattung haben sollen und jene sie aus diesem zieht, ist einmal das eine das andere mal das andere der feste Begriff. Man muß vor allem vermeiden, die Gesellschaft als eine Abstraktion im Gegensatz zum Individuum zu fixieren: das Individuum ist das soziale Sein. Obwohl umgekehrt die Gattung nur aus den Individuen bestehen kann, kann sie sich nicht als deren leblose Vervielfältigung definieren, als leblose Koexistenz gleicher und durch einfache äußere Beziehungen verbundener Prozesse, d.h. durch eine Abwesenheit der Beziehung, durch Beziehungen für ein anderes. Sie wäre dann nur eine Gattung für ein anderes, so wie die Gattung der Elefanten für den Forscher Grzimek oder den kühnen Jäger. Das Individuum ist die absolute Form. Die Gattung ist die konkrete Substanz. Die Publizität ist die wirksame Einheit der absoluten Form und der konkreten Substanz.
37
Die Publizität ist die Schlußfolgerung der Humanität, die perfekte Gegenwart der Humanität in jedem ihrer Momente, - Individuum, Gattung, Beziehung zwischen Individuum und Gattung. Die Gattung ist die Totalität des Individuums. Die Gattung besteht in den Individuen, dem Gegenteil ihrer selbst. Die Individuen sind das, was durch sich selbst Bestand hat, aber nur in ihrer gleichen Beziehung zueinander sind sie Individuen und zusammengenommen bilden sie die Gattung. Das Individuum beinhaltet die Gattung, die seine Substanz bildet, die Gattung bleibt unverändert in den Individuen, die Individuen unterscheiden sich nicht von der Gattung, sondern voneinander. Das Individuum hat mit den anderen Individuen, mit denen es Beziehungen unterhält, eine einzige und selbe Gattung. Gleichzeitig ist, gemäß der Identität, die zwischen den Individuen und der Gattung existiert, der Unterschied, der sie trennt, als solcher ein allgemeiner, er ist Totalität. Das Individuum beinhaltet nicht nur die Gattung, es repräsentiert sie als Allgemeinheit. Die Gattung bildet somit eine Sphäre, die das Individuum ausschöpfen muß. Das Individuum ist der totale Mensch, der Mensch, dessen Bedarf sich auf alles erstreckt. Die Gattung ist die konkrete Substanz des Individuums, und das Individuum ist der Gattung substanzielle Kraft, welche für sich als Person existiert. In der Publizität ist es das Individuum, das frei ist: 1. Soweit es die reine Negativität der Reflektion der Gattung an sich ist 2. soweit es die Totalität dieser an und für sich bestimmten Negativität ist.
38
Die Publizität ist das Wahre an und für sich, die absolute Einheit des Individuums mit der Objektivität. Die Definition der Humanität, nach der sie die Publizität ist, ist nun selbst publik. Alle vorhergegangenen Definitionen lassen sich auf diese zurückführen. Jedes echte Individuum, sofern es ein wahres Individuum ist, hat seine Wahrheit nur durch die Publizität und Kraft ihrer. Das einzelne Individuum ist eine beliebige Seite der Publizität, darum bedarf es für sich noch andere Individualitäten, die ebenso als diejenigen erscheinen, die besonders für die Publizität selbst Bestand haben, nur in ihnen allen zusammen und nur in ihrem Verhältnis ist das Individuum verwirklicht. Das Individuum für sich entspricht nicht seinem Konzept, dieser beschränkte Wesenszug seines getrennten Daseins stellt seine Endlichkeit und seine Niederlage dar.
39
Die Publizität ist die absolute Wissenschaft, die Verwirklichung des Schönen und Guten, das Wirkliche an sich und für sich; an sich als einfache Identität des Wirklichen und des Möglichen, als absolutes Wesen, das alles Mögliche und Wirkliche enthält, für sich als absolute Kraft oder einfach als Negativität, die sich auf sich selbst bezieht. Das ist es, worin die Bewegung der Publizität besteht, ausgedrückt durch ihre Momente. Als adäquates Element der Humanität ist die Publizität mehr das wirkliche Wesen, d.h. das Existierende gereinigt mit der Erscheinung des Existierenden.
40
Die Publizität ist die schönste Sache der Welt, noch schöner als eine Million Dollar, denn sie ist es, die das Schöne an der Million Dollar ausmacht. Die Publizität ist eine höhere Offenbarung als die Kunst und die Philosophie, denn sie ist das, was Kunst und Philosophie offenbaren. Die Publizität ist der Sieg über die Hirngespinste, die ewige Jugend, die Regel, in der das Chaos stöhnt, der Gegenstand der Aussöhnung, der beherrschte Austausch, die konstruierte Situation. Sie entscheidet über alles. Sie ist angehäuft mit Sicherheit, der Ruhm des Universums. Die Publizität ist ein majestätischer und fruchtbarer Strom. Die Theorie ist der Sturm, der Hegelsturm (2). Die Theorie muß zum Ziel die Publizität haben.
41
All das ist in der Tat eine Definition der absoluten Publizität oder eine absolute Definition der Publizität. Es ist schwierig, eine direkte Definition der Natur der Publizität zu geben, die nicht absolut ist, denn die Publizität erscheint zunächst als das dritte Element an der Seite der beiden anderen, die die Arbeit und der Austausch, das Unmittelbare und das Verhältnis sind. Genausogut kann man sagen, daß die Arbeit und der Austausch die Momente des Entstehens der Publizität sind, aber sie ist deren Grundlage und
deren Wahrheit, als Identität, in die sie getaucht sind und in der sie weiterbestehen. Sie sind in der Publizität, weil jene ihr Resultat ist, aber sie sind dort nicht länger als Arbeit und als Austausch, sie sind nur solange Arbeit und Austausch, wie sie sich nicht zu dieser Einheit zusammengezogen haben. Noch mehr: das Entstehen der Publizität ist die Geschichte der Opposition von Arbeit und Austausch. Die Momente dieses Entstehens sind die Ausbeutung und die Entfremdung. Eine nicht-absolute Definition der Publizität wäre: die Publizität ist zunächst die lebendige Opposition von Arbeit und Austausch, dann die Versöhnung von Arbeit und Austausch in einer höheren Einheit. Nur: die Opposition von Arbeit und Austausch, die die Geschichte Publizität ist, ist ganz das Gegenteil der Publizität. Die Arbeit und der Austausch stehen nur in Opposition, weil die Publizität fehlt. Aber zu sagen, daß die Arbeit und Austausch in Opposition stehen, weil die Publizität nicht existiert, das hieße, daß die Ursache dieser Opposition, das, was handelt in dieser Opposition, die Abwesenheit der Publizität ist, oder noch mehr, daß die Publizität, die nicht existiert, etwas existierendes sei, und daß die Abwesenheit der Publizität sich nicht von der Notwendigkeit der Publizität unterscheidet, d.h. von der Publizität als Notwendigkeit.
42
Es hieße einen Fehler zu begehen, wenn man die Entwicklungsfolge geschichtlicher Kategorien in der Rangfolge ihres heutigen Einflusses festsetzen würde. Ganz im Gegenteil ist ihre Rangfolge durch ihre Beziehung innerhalb der Gesellschaft des modernen Spektakels bestimmt. Man gelangt also genau zur Umkehrung ihrer geschichtlichen Entwicklungsfolge. Die Reflektion über die Formen des sozialen Lebens und somit ihre wissenschaftliche Analyse, folgt einem der wirklichen Bewegung völlig entgegengesetzten Weg. Sie beginnt hinterher, mit den schon etablierten Gegebenheiten, mit den Ergebnissen der Entwicklung.
43
Die Publizität hat zur unmittelbaren Einleitung ihre Abwesenheit. Es gibt nichts sinnloseres und falscheres, als eine Hoffnung auf Publizität auf eine Unmittelbarkeit zu stützen, wo doch der Austausch unmittelbar das Gegenteil der Publizität ist. Die Publizität kann nicht unmittelbar sein, denn indem sie das absolute Negative ist, das Negative, das sich auf sich selbst bezieht, ist sie wesentlich ihr eigenes Ergebnis. Das Entstehen der Publizität ist somit die Bewegung des Erscheinens der Totalität in sich. Die Geschichte verschmilzt mit dem Fortschreiten der Erscheinung.
44
Heute ist die Publizität rein abstrakter Ausdruck ihrer selbst geworden, rein abstrakter Ausdruck der allgemeinsten und ältesten Beziehung der menschlichen Produktion, der in allen Gesellschaftsarten gültigen Kategorie. Hegel hat mit Recht das Wirkliche als das Ergebnis der Publizität, die sich auf sich selbst konzentriert, begriffen, die sich vertieft und sich über sich selbst erhebt, und der allgemeine Charakter aller neuen revolutionären Versuche ist der, daß der Geist als Prinzip anerkannt wird. Wenn die Methode, die darin besteht, sich vom Konkreten zum Abstrakten zu erheben, für das Denken, für die Art sich des Konkreten zu bemächtigen, gut ist, es in Gestalt des gedachten Konkreten zu reproduzieren, so ist es auf keinen Fall der Schöpfungsprozeß des Konkreten selbst. Das Abstrakte ist das wesentliche Moment des Konkreten und es verlangt in dieser Eigenschaft selbst produziert zu sein.
45
Der Prozeß der Produktion des Konkreten ist hauptsächlich Produktion einer wachsenden Abstraktion. Mit der Vollendung dieses Prozesses in der Gesellschaft des Spektakels ist es die Totalität des Existierenden, die in Richtung Abstraktion gegangen ist, und das Konkrete ist nicht mehr als ein Moment des Abstrakten. Somit kommen die allgemeinsten Abstraktionen nur mit der reichsten konkreten Entwicklung zum Vorschein und deshalb sind alle unsere Konzepte dem Feind entnommene Konzepte. Die Publizität ist diese allgemeinste Abstraktion geworden, - um die Wahrheit zu sagen, die Allgemeinheit als Abstraktion -welche durch das Spektakel auf den ersten Platz plaziert worden ist, und welche die überlieferte für alle Formen der Gesellschaft gültige Beziehung ausdrückt, diese Abstraktion ist nicht praktisch wahr in ihrer ganzen Abstraktion, d.h. gleichzeitig wirksam und abstrakt, wie sie es als Kategorie der modernsten Gesellschaft ist, wo sich präzise die totale Abwesenheit der Publizität entwickelt hat, d.h. die Existenz der Publizität vereinigt mit der Inexistenz der Publizität. Diese Abwesenheit ist eine Produktion dieser am weitesten entwickelten Gesellschaft, und die Mittel dieser Produktion sind keine anderen als die Mittel der Publizität. Auch ist die Abwesenheit der Publizität schließlich ihre verwirklichte Abstraktion, ihre materialisierte Idee geworden. Anders gesagt, wir kennen diesen abstrakten Ausdruck nur, weil er als Abstraktion verwirklicht ist. Indessen hat die Publizität als Kategorie eine vorsintflutliche Existenz. Die abstrakten Kategorien, obgleich aufgrund ihrer Abstraktion gültig für alle Epochen, sind nicht weniger das Produkt historischer Bedingungen. Die Geschichte ist die Geschichte der Abstraktion, und wenn die modernen Abstraktionen immer existiert haben, so nicht immer in Form von Abstraktionen.
46
Ebenso ist die absolute Abstraktion die Erscheinung, welche durch die Hegelianische Philosophie auf den ersten Platz plaziert ist und welche das wesentliche Moment der menschlich überlieferten, für alle Formen der Gesellschaft gültigen Beziehung ausdrückt. Diese absolute Abstraktion ist nicht praktisch wahr in ihrer ganzen Abstraktion, d.h. gleichzeitig wirksam und abstrakt, wie sie es als Wirklichkeit der modernsten Gesellschaft ist, wo, genau gesagt, das Leben als eine ungeheure Ansammlung von Spektakeln erscheint und wo alles, was unmittelbar erlebt wurde, sich in eine Vorstellung entfernt hat. Die wissenschaftliche Entdeckung des sozialen Charakters der Erscheinung markiert eine Epoche in der Geschichte der Entwicklung der Humanität und ihre Publizität wird die Phantasmagorie auslöschen, laut der die Erscheinung das Eigentum der Dinge selbst ist.
47
Für gewisse Praktizierer grotesker Wissenschaften hält die Vergangenheit dafür her, die Gegenwart zu erklären. Dies ist nur das verschleierte Geständnis ihrer Unfähigkeit, die Gegenwart zu verstehen. Man besucht nicht ungestraft die Universität. Das Geheimnis der modernen Gesellschaft liegt nicht in archaischen oder tierischen Gesellschaften, sondern die modernste Gesellschaft ist das offenbarte Geheimnis der archaischen oder tierischen Gesellschaft. Ebenso bezeichnet die Tatsache, daß das Tier Austausch betreibt, nicht, daß der Mensch tierisch ist, sondern im Gegenteil, daß das Tier menschlich ist. Im Gegensatz zu der weit verbreiteten und falschen Ansicht bezeichnet die Tatsache, de der Mensch den sexuellen Austausch kennt, nicht, daß der Mensch tierisch ist, sondern im Gegenteil, daß das Tier in dieser Beziehung menschlich ist. Die Bestimmungen, die das Tier vom Menschen unterscheiden, sind die Bestimmungen des Menschen selbst. Der Mensch ist die Wahrheit des Tieres, das wahre Tier. Die menschliche Gattung ist die Gattung aller Tiere. Somit ist der Mensch tierischer als das Tier, weil er das wahre Tier ist, und die Publizität ist universeller als das Universum, weil sie die Wahrheit des Universums ist, das wahrgemachte Universum, das aufgehobene Universum.
48
Die Ethnographie kann denjenigen keine Ideen eingeben, die keine haben. Wie konnten die Elenden, die auf alle Hoffnung auf Reichtum verzichtet haben, die in ihrem Leben keinen einzigen Aspekt unserer trivialen Welt kritisiert haben und sich allem angepaßt haben, den Reichtum begreifen. Wenn die moderne Gesellschaft unfähig ist, eine alte Gesellschaft zu begreifen, dann einfach deshalb, weil sie selber archaisch ist und keinen befriedigenden Grad von Abstraktion, von Abwesenheit, von Seltenheit hervorgebracht hat. Die Ethnographie kann für die Wissenschaft der Publizität nur der Prüfstein sein und kann auf keinen Fall das Prinzip dieser Wissenschaft begründen. Wenn eine Gesellschaft für die Wissenschaft der Publizität unverständlich bleibt, dann einfach, weil diese Wissenschaft in einer ungenügend entwickelten Gesellschaft ungenügend entwickelt ist und weil sie ihre Grundlage noch nicht kennt. Mit der vollendeten Abwesenheit der Publizität als Spektakel der Publizität trifft die Abwesenheit der Publizität wieder auf das Konzept der Publizität. Die absolute Gleichgültigkeit jedem besonderen Inhalt des Austausches gegenüber zeigt ganz klar, daß die Grundlage des Austausches etwas anderes ist als der Austausch, und daß diese Grundlage dem Austausch äußerlich ist.
49
Solange man darin verharrt, im archaischen Wilden ein unbesorgtes und faules Kind der Natur zu sehen, welches es, soweit es geht, vermeidet, sich für eine Aufgabe einzusetzen und sich abzumühen, und welches erwartet, daß ihm die Früchte, die eine tropisch fruchtbare Natur ihm verschwenderisch schenkt, reif in den Mund fallen, solange irrt man sich, solange wird man unfähig bleiben, die Motive, die ihn antreiben und die Ziele, die er verfolgt, zu begreifen, wenn er sich in eine kula-Expedition oder ein anderes Unternehmen stürzt. Ganz im Gegenteil ist die Wahrheit die: der archaische Wilde kann arbeiten und arbeitet bei gewissen Gelegenheiten wirklich sehr hart und systematisch, mit Ausdauer und Willen, und um das zu tun, wartet er nicht darauf, durch dringenden Bedarf dazu gezwungen zu sein. Es genügt, einige Seiten Malinowski zu lesen. Dann begreift man unmittelbar die Größe jener Papuas, die sich ausdrücklich unter Einsatz ihres Lebens der Praxis der Humanität hingeben, und versteht, daß der einzige Beweggrund ihrer Arbeit, -unerläßliche Voraussetzung des Glücks -, das reine Vergnügen an der Aufhebung der Arbeit, die Praxis des Austausches und der Publizität ist. Man kann nur Respekt haben vor der Wissenschaft dieser Wilden, die wissen, daß die Arbeit menschlich wird, wenn sie aufgehoben ist, daß die menschliche Arbeit die aufgehobene Arbeit ist und daß die Publizität die einzige menschenwürdige Arbeit ist. Im Gegensatz zum tiefen Elend des modernen Reichen bewundert man die Größe des reichen Papuachefs, der alle seine Mittel in der Publizität verausgabt.
50
Die gängigen Ansichten über den ökonomisch primitiven Menschen beschreiben ihn als gleichgültiges, individualistisches, unbesorgtes Wesen, gleichzeitig aber als ein in seinen Verhaltensweisen logisches und konsequentes, ausschließlich durch strikt reformistische und nutzorientierte Antriebe geleitetes Wesen. Ein anderer diesen Gedanken inhärenter Sophismus ist, daß der Wilde nur sehr einfache Formen der Arbeit ohne Methode und Organisation begreifen könnte. Ein weiterer, in allen Schriften über die Ökonomie in jener Zeit mehr oder minder ausdrücklich formulierter Irrtum besteht darin: man glaubt, daß die Primitiven nur über rudimentäre Fomen des Handels und des Austausches verfügen, daß diese Formen keine wesentliche Rolle in der Existenz des Stammes spielen, daß sie nur plötzlich eintreten, ab und zu, wenn die Notwendigkeit dazu zwingt, und daß der Austausch ebenso plötzlich verschwindet, wie er erschienen ist. Ob es sich nun um die weit verbreitete Illusion eines primitiven goldenen Zeitalters handelt, das vor allem durch die Abwesenheit jeder Unterscheidung zwischen dein und mein charakterisiert ist, oder ob man dann die scheinbar wahrere Idee annimmt, daß Stadien existieren, in denen der Mensch ganz allein seine Nahrung suchte oder wo die Familien sich einzeln um ihren Bedarf kümmerten, oder ob wir die zahlreichen Theorien betrachten, die in der primitiven Ökonomie nichts anderes sehen als eine einfache Suche nach Lebensmitteln, all das wird durch die Ethnographie zerschlagen, die um die Wette beweist, daß jedes Stammesleben auf einem kontinuierlichen System des Austausches materieller Dinge beruht, und durch die moderne Archäologie, die, indem sie sich mehr an der Ethnographie ausrichtet, zeigt, wie der Handel, vom einfachen Güteraustausch zu einem klaren komplexeren System übergehend, ein wichtiger Träger sozialer Veränderung gewesen ist und wie er den Weg zu den zentralisierten Ökonomien von Knossos und Mykene, den Wiegen der modernen Publizität, geöffnet hat.
51
Diese falschen Auffassungen rühren von zwei fundamentalen Irrtümern her. Der erste besteht darin: man glaubt, der Primitive betrachte materielle Güter in einem nur reformistische Geist und es gebe unter diesen Bedingungen keinen Platz für den Begriff des Reichtums. Der zweite geht darauf zurück, mit Engels und Marx zu sagen, es sei kein Bedarf nach Austausch vorhanden, wenn ein jeder Mensch durch seine Arbeit und seine Fähigkeit alles produzieren kann, was den Lebensunterhalt des Menschen ausmacht. D.h. zu verkennen, daß der Bedarf nach Austausch seinen Daseinsgrund nicht in sich selbst oder in der Arbeit hat, sondern in der Publizität.
52
Die Idee, daß der Mensch der gegenwärtigen Jungsteinzeit im Stadium der individuellen Nahrungssuche oder dem der isolierten familiären Versorgung leben kann, geht davon aus, anzunehmen, daß man es mit einem reformistischen, asozialen und kalt kalkulierenden Wesen zu tun hat, sowie davon, daß der Mensch nur einer auf die Sachen selbst beschränkten Freude fähig ist. Eine solche Vorstellung ignoriert das tiefe Empfinden der Publizität, das die Menschen dazu treibt, das, was sie besitzen, zur Schau zu stellen, zu teilen, zu vergeben. Abgesehen von der Betrachtung, ob die Austäusche nun nötig oder gar nützlich sind, stellt das Austauschen um der Freude des Austauschens willen eine von der Ethnologie enthüllten wesentlichen Eigenschaften dar und dessen universelle und grundlegende Natur erlaubt es, anzuführen, daß es sich um einen allen archaischen Gesellschaften gemeinsamen Zug handelt.
53
Ein letzter Sophismus, demzufolge der archaische Wilde alles das, was er braucht, für sich behält und sich dessen nie freiwillig zugunsten eines anderen entäußert, - wie der moderne Wilde -, sollte rückhaltlos verworfen werden. Was nicht heißen soll, daß die archaischen Wilden nicht geneigt gewesen wären, das, was sie besitzen, zu behalten. Sich vorzustellen, daß sie sich darin von anderen Menschen unterscheiden, hieße in den entgegengesetzten Irrtum verfallen, - und zwar besteht der darin, an eine Art primitiven Kommunismus zu glauben, eine Idee, die Marx teuer war, aber heute ungültig ist. Im Gegenteil gerade, weil sie so viel Wert auf die Tatsache des Gebens legen, wird die Unterscheidung zwischen dein und mein viel eher verstärkt als ausgelöscht. Die Meinung, daß die archaische Menschheit individuelles Eigentum nicht kannte, ist ein altes, von vielen modernen Autoren geteiltes Vorurteil, das besonders dazu dient, kommunistische Theorien und materialistisch genannte Geschichtsauffassungen zu stützen. Diese Vorstellung besteht darin, daß in manchen primitiven Gemeinschaften die wirksame Nahrungssuche, sowie die sich daraus direkt ergebenden Aktivitäten, bei weitem den größten Teil der Energie und der Zeit der Bevölkerung in Anspruch nehmen und nur wenig Gelegenheit zur Befriedigung jedes anderen weniger dringenden Bedürfnisses lassen, wo doch in einer primitiven Gesellschaft alles Anlaß zu Publizität ist, alles als Vorwand zu Publizität gut ist. Diese Vorstellung bildet augenscheinlich die Forderung aller naiv evolutionistischen Theorien, die darauf abzielen, die aufeinanderfolgenden Phasen einer auf reformistische Weise begriffenen ökonomischen Entwicklung nachzuvollziehen, und die nur das Pendant des Reformismus sind, der, wie jeder weiß, einen tiefen Widerwillen gegen die Gewalt des Negativen hat.
54
Die Theorie (*) muß verteidigt, d.h. kritisiert werden. Die einen wie die anderen schlechten Kritiker des Hegelschen, Marxschen oder Debordschen Denkens fügen dem Geist gleich viel Unrecht zu. Eine gute Einschätzung dieser Werke ist diesen Werken selbst vorzuziehen. Die Kritik muß die Form angreifen, niemals den Boden dieser Ideen. Einigt euch. Unter dem Vorwand, daß die hegelianische Geschichtsauffassung einen abstrakten oder absoluten Geist annehme, der sich so entwickelt, daß die Humanität nur eine Masse sei, die mehr oder minder vom Geiste durchtränkt sei, hat das, was gerne als Materialismus betrachtet werden will, aus der menschlichen Masse eine absolute oder abstrakte Materie gemacht, - des Geistes beraubt -, die sich trotzdem nach Art des hegelianischen Geistes entwickele. Die Geschichte der Humanität wird zur Geschichte der abstrakten Materie der Humanität und folglich dem wirklichen Menschen fremd. Das ist die kybernetische Version der Geschichte, wie man sie sich in Moskau, in Peking oder bei der Rand Corporation vorstellt. Dieser Materialismus hat die hegelianische Dialektik nicht auf die Füße gestellt, sondern auf den Arsch gesetzt. Hier haben wir sie nun, diese behelmte und gestiefelte Dialektik, bereit für jede Eventualität. Das wesentliche Moment des Konkreten ist die Abstraktion, insofern sie selbst eine konkrete Produktion ist. Der Geist ist von dieser Welt, denn die Abstraktion ist nicht nur das gedachte Konkrete, sondern das wesentlich Moment des Konkreten. Der Triumph der Abstraktion in der Gesellschaft des Spektakels deckt sich mit dem totalen Scheitern des Denkens des Konkreten (**). Bis heute hat die Welt für uns gedacht.
(*) Theorie: vom mittelalterlichen theoria, griechisches Wort, eigentlich: Handlung des Beobachters (Dauzat/Larousse)
(**) Der totale Mißerfolg der Totalität, in sich spektakulär zu erscheinen, gibt mir einen doppelten Grund zur Genugtuung: diese Welt wird mich nicht überleben. Entweder sie wird sich ändern, wie ich es verstehe. Oder aber sie verschwindet unter der Scheiße mit ihren Legionen von ökologischen Sklaven und deren unterwürfigen Empörungsschreien, mit Ihren ehrerbietigen Studentenhorden, die vor Unterwerfung zappeln, mit diesen Kohorten von Gewerkschaftlern, die für ihre Bestimmung zu produzieren eintreten, - was immer es kostet -, immer mehr Kravatten, immer mehr Hunde- und Katzenfutter, immer mehr Citroën, bis daß der Tod sie scheidet. Jeder, der reformiert, wird, von dem ihm eigenen Element verschlungen, scheitern.
55
Die Geschichte der Publizität ist die Geschichte der Verallgemeinerung des Austausches. Der Austausch, diese Beziehung, die die Unabhängigkeit der Arbeit aufhebt, muß verallgemeinert werden. Der Austausch ist das der Publizität angemessene Element, aber unmittelbar hat der Austausch seine Begründung außerhalb seiner selbst, in einer Totalität, und er bleibt etwas Unwesentliches angesichts etwas Wesentlichem. Der Austausch ist die Publizität selbst, aber die Publizität in einer gewissen Bestimmung, nämlich der, nur ihr Moment zu sein. Die Bestimmungen, die den Austausch von der Publizität unterscheiden, sind die Bestimmungen der Publizität selbst. Unmittelbar ist der Austausch das Gegenteil der Publizität und das Individuum das Gegenteil der Gattung. Die Menschen produzieren ihre Publizität als eine fremde und ihnen selbst äußerliche Sache, und die Geschichte der Publizität ist eine Geschichte ihrer Abwesenheit, eine Odyssee.
56
Die Menschen müssen ihre Verhältnisse notwendigerweise produzieren, bevor sie sie aufheben können. Die Publizität muß notwendigerweise erscheinen. Ihr Phänomen (*) ist die Aufhebung ihrer selbst in Richtung auf die Unmittelbarkeit des Austausches, der indessen nicht mehr die Unmittelbarkeit der tierischen Arbeit, sondern die Publizität zur Grundlage hat. Der Austausch ist, als nicht an sich und für sich seiend gesetzt, sondern als in etwas anderem begründet, zunächst eine Kundgebung einer Totalität von Austäuschen. Der Austausch wird unmittelbar von etwas anderem als ihm selbst regiert, er kennt ein Gesetz. Die allgemeine Aufhebung der Arbeit ist das Gesetz dieses Phänomens. Der Austausch ist unmittelbar das Phänomen der Publizität, dasjenige, dem die Grundlage fehlt.
(*) Es wäre eine Art Pleonasmus, von einer Phänomenologie der Abwesenheit des Geistes zu sprechen, weil die Abwesenheit des Geistes gerade sein Phänomen ist, seine Produktion als Phänomen. Die Geschichte des Geistes - kurz die Geschichte - ist wirklich eine Phänomenologie des Geistes, wie Hegel sie wollte. Diese dialektische Bewegung, die von der Publizität in sich selbst insoweit ausgeführt wird, wie vor jener das neue wahre Objekt entspringt, d.h. sie selbst als Objekt, ist genau das, was man Erfahrung nennt. Die Humanität ist zunächst die Erfahrung der Publizität. Die Abwesenheit der Publizität ist diese Erfahrung. Glücklich, wer wie Odysseus eine lange Reise gemacht hat.
57
Als Abwesenheit besteht die Publizität in ihrem Phänomen und ihr Phänomen ist Kundgebung ihrer Beständigkeit. Sie ist gleichermaßen Beständigkeit und Aufhebung dieser Beständigkeit. Als Abwesenheit ist die Publizität eine rein phänomenale Sache, aber in genau dieser Eigenschaft handelt sie. Betrachten wir das Geld, das zur Zeit das einzige Mittel der Publizität ist, es hat die Qualität, alles zu kaufen, und aus diesem Grund ist es die begehrteste Sache der Welt. Die Zelebrität seiner Qualität macht die Allmacht seines Wesens aus, während seine Qualität nur in dieser Zelebrität besteht. Die Zelebrität ist die Kundgebung einer Totalität, - diese doppelte Bewegung der Beständigkeit und Aufhebung der Beständigkeit. Die Zelebrität ist die Publizität als Abwesenheit, die negative Einheit der Existenz und der Inexistenz der Publizität.
58
In der Zelebrität ist Beziehung des Austausches den ausgetauschten Dingen vorher und unabhängig von ihnen gegeben (3). Die Zelebrität ist der scheinbar vollzogene Austausch, unabhängig von jedem besonderen Austausch und jeder besonderen Arbeit. Die Zelebrität ist die Unabhängigkeit der Erscheinung, der Erscheinung, die sich aus sich selbst heraus bewegt. Die Zelebrität ist die eigentliche Form der gesellschaftlichen Trennung, der Gesellschaft als Trennung. Überall, wo es eine Opposition von Individuen und ihrer Totalität gibt, nimmt Opposition die Form der Zelebrität an. Die Zelebrität ist die soziale Beziehung, die die Abwesenheit der sozialen Beziehung ist, die einleuchtet und nicht einleuchtet. Die Zelebrität ist das Gegenteil der Publizität, die Publizität von irgendjemand oder irgendwas angesichts der Dunkelheit von allem und, im Grenzfall, im modernen Spektakel, die Zelebrität von allem angesichts der Dunkelheit von einzelnen. Handelt es sich nun um die Zelebrität einer Person oder um die Zelebrität einer Sache und im Grenzfall um die Zelebrität von allem Existierenden, es ist das, was allgemein ist,
- die Totalität der Erscheinung -, was sich in einer besonderen Sache kundtut und sich dort behauptet. Als besondere Wissenschaft ist die Wissenschaft der Publizität die Kritik der Zelebrität.
59
Hic Rhodos. Wir sind jetzt nahe am Ball. Wir müssen alles über diese Kraft sagen, die einleuchtet und nicht einleuchtet, die will, ohne zu wollen und handelt, ohne zu handeln, die die Totalität der Geburten und Sterbefälle ist, die selbst niemals geboren wird und niemals stirbt, über diese Kraft, die genau gesagt die Abwesenheit der Publizität als Aktivität ist, die Dialektik der Antidialektik, und die indessen in dieser Bestimmung der nahen Abwesenheit das Gleiche wie die Publizität, das Gleiche wie die Dialektik ist. Die Theorie der Publizität sollte sich auf die initiierenden Elemente und grundlegenden Konzepte beschränken, deren Zahl zu reduzieren sie sich anstrengen sollte. Angesichts des unermüdlichen Wortschwalles der vollendeten Zelebrität muß die Kritik gegenüber der Einheit und der Einfachheit des aufgehobenen Diversen kurz und sanft sein. Schließlich wird die Theorie der Publizität in dem Maße eine Enzyklopädie sein, wie die Trennung und die Zusammenfügung ihrer Teile, der Notwendigkeit der Geschichte folgend, dargelegt werden. Die hier durch die Enzyklopädie der Erscheinungen aufgezeigte Trennung, wie die ganze vorhergehende Diskussion über die Zelebrität, ist als eine einfache Vorwegnahme zu betrachten, und ihre Rechtfertigung oder ihr Beweis kann nur die von der Wirklichkeit selbst bis zu Ende geführte Prüfung erbringen, denn beweisen bedeutet für die Theorie, die die Geschichte zum Objekt hat, das Gleiche, wie zu zeigen, wie dieses Objekt aus sich selbst heraus das macht, was es ist. Der Beweis selbst ist ein bestimmendes Moment dieses
Objektes. So denkte ich. In Kürze werde ich mehr darüber sagen. Die Größe ihres Objektes soll der Unvollkommenheit dieser Arbeit als Entschuldigung dienen.
II
Es muß sein. Es muß sein.
Ludwig van, Sept. 1826.
60
Wir müssen davon überzeugt sein, daß die Natur der Wahrheit dann zutage tritt, wenn ihre Zeit gekommen ist, und daß sie sich nur dann kundgibt, wenn diese Zeit gekommen ist, darum gibt die Wahrheit sich nicht zu früh kund und findet eine Öffentlichkeit vor, die reif ist, sie zu empfangen, wir müssen auch davon überzeugt sein, daß das Individuum dieses Ergebnis braucht, um es öffentlich als das zu bekräftigen, was bisher nur Überzeugung des Einzelnen ist, und um die Überzeugung, die zunächst nur dem Besonderen zugehört, als etwas Allgemeines zu erfahren. Das ganze soziale Leben ist wesentlich öffentlich. Es beinhaltet das Negative als Erscheinung. Es ist die Einheit des Existierenden und der Erscheinung des Existierenden. Alle Geheimnisse, die das Individuum zur spektakulären Mystik verführen, finden ihre rationelle Lösung in der Publizität. Unter einem entfremdeten und abstrakten Gesichtspunkt ist die Publizität auf der Erde eine Gewohnheit geworden, denn sie scheint die existierenden Sachen zu glorifizieren. Unter ihrem rationellen Gesichtspunkt ist sie ein Skandal und ein Greuel für die herrschenden Klassen und die doktrinären Ideologen, denn in der positiven Konzeption der existierenden Sachen beinhaltet sie im gleichen Streich die Intelligenz ihrer Negation, denn indem sie die Bewegung der menschlichen Geschichte ist, gäbe es nichts, was ihr nicht imponieren könnte, denn sie ist wesentlich kritisch und revolutionär, denn die Publizität des Elends unterscheidet sich nicht von der Idee seiner Aufhebung.
61
Dieser Sachverhalt erreicht seine größte Entwicklung in der modernsten Gestalt der bürgerlichen Gesellschaft: der Gesellschaft des Spektakels. Nur dort ist es nämlich so, daß die abstrakte Kategorie des allgemeinen Austausches, des Austausches als Allgemeinheit in der Praxis wahr wird. Die Individuen betrachten den speziellen Gehalt des Austausches, die besondere Form des Bedarfs als zufällig, um sich nur an seine Allgemeinheit zu klammern. Das Spektakel ist das Feuer der Abstraktion oder manchmal die Abstraktion, die Führer macht (4). Die Gleichgültigkeit jedem besonderen Inhalt des Austausches gegenüber unterstellt, daß es eine breite Vielfalt konkreter Inhalte des Austausches gebe und daß keiner von ihnen über die anderen vorherrsche. Die Abstraktion des öffentlichen Austausches, des allgemeinen Austausches ist nicht nur ein intellektuelles Ergebnis einer konkreten Totalität der Vielfalt: die Gleichgültigkeit jedem besonderen Inhalt des Austausches gegenüber entspricht einer Gesellschaftsform, wo die Vielfalt der Produkte und Bedürfnisse und die Verallgemeinerung des Austausches verwirklicht sind. Hier ist also die große Masse der Vielfalt auf eine selbe allgemeine Einheit reduziert und man hört auf, sie in einer besonderen Form zu begreifen. Nur die Form des Reichtums (die Allgemeinheit) wird in Betracht gezogen, ungeachtet seines Inhalts (die Vielfalt). Es ist das, was der Blödmann Mc Luhan ärmlich ausdrückt: Das Medium ist die Botschaft. Was schert einen schon das Besoffensein, wenn bloß Wein da ist.
62
Die Gesellschaft des Spektakels ist das vollendete Phänomen der Publizität, wo die abwesende Publizität kraft ihrer Abwesenheit wieder auf ihr Konzept stößt. Wenn das Phänomen die Ursache ist, ist es auch die Wirkung. Zudem ist das Spektakel dieses Konzept außerhalb dieses Konzeptes, rein äußerlich. Das Spektakel ist das objektive Konzept der Publizität, der objektive Geist, die Publizität als Natur. Das Hegel'sche Denken wird wahr. Die Natur ist eine Imitation der Idee. Das Spektakel ist die Publizität in Gestalt der Änderungsigkeit, absolut gesprochen, der gleichgültigen, äußerlichen Objektalität und der konkreten, individualisierten Wirkisierung ihrer Momente - d.h. es ist die Publizität unter ihrer Bestimmung der Unmittelbarkeitheit, absolut gesprochen in der Beziehung zu ihrer Vermittlung. Das Werden des Spektakels ist ein Werden in Richtung auf die Publizität.
63
Debord geht von der Tatsache aus, daß das Spektakel sich den Menschen selbst entfremdet und er verdoppelt die Welt in eine öffentliche Welt, die Objekt der Betrachtung ist, und eine alltägliche Welt. Seine Arbeit besteht darin, die öffentliche Welt in ihr alltägliches Elend auszulösen. Er sieht nicht, daß, wenn diese Arbeit beendet ist, das Wesentliche noch zu tun bleibt. Wohl gemerkt kann man die Tatsache, daß die öffentliche Welt sich vom alltäglichen Leben abhebt und ein autonomes Königreich der Publizität bildet, nur durch die Identität des Spektakels mit der Objektivität der Publizität erklären. Debord nennt nicht das, wodurch das Spektakel zum Spektakel wird. Er nennt nicht das, was sich in eine Vorstellung entfernt hat und was niemals so nahe dran war, als Entfernung vollendet zu sein, und was direkt besiegt werden kann. Just not data. Reality! Das Spektakel ist das Spektakel der Publizität, die als abstraktes Objekt verwirklichte Publizität, und der einzige Bedarf, der durch das Spektakel erzeugt wird, ist der Bedarf nach Publizität. Die Publizität umfaßt drei Momente:
1. Das Moment der allgemeinen Bekanntheit, das, was in Gegenwart der Öffentlichkeit gemacht wird.
2. Das Moment des Besitzes, das, was der Öffentlichkeit gehört.
3. Das Moment der Einheit der beiden vorhergenannten, das, was durch die Öffentlichkeit in Gegenwart der Öffentlichkeit gemacht wird, die absolute Publizität. Im Spektakel gibt es nichts allgemein bekanntes außer dem Spektakel der Publizität, es gibt keinen Besitz außer dem eines allgemeinen Fehlens von Publizität. Das, was allgemein bekannt ist, ist nicht öffentlich. Das was öffentlich ist, ist nicht allgemein bekannt. Das tägliche Leben ist das von der Publizität vollkommen beraubte Leben.
64
Das individuelle Interesse ist durch die Publizität bestimmt. Es kann nur unter den durch die Publizität gegebenen Bedingungen erzielt werden, dank der Mittel, die sie zur Verfügung stellt. Heute hat sich das Spektakel der Publizität - die verallgemeinerte und auf alles ausgedehnte Zelebrität - in allen Produktionsverhältnissen durchgesetzt. Die gegenseitige Abhängigkeit der Individuen, die somit vollendet ist, - während sie früher gegeneinander positiv feindlich blieben -, tut sich durch die immer wiederkehrende Notwendigkeit des Austausches kund. Nur durch den Austausch wird daher von nun an die Aktivität oder das Produkt eines jeden Individuums zu einer Aktivität oder einem Produkt für das Individuum. Aber nun, da die Bedingungen der Publizität vereinigt sind, und sich die Totalität der Arbeit durch die Vermittlung des Spektakels auf sich selbst bezieht, hat die Publizität den besonderen Austausch total verlassen (5), um sich ihm gegenüber zu erheben. Der universelle Austausch der Aktivitäten und der Produkte, welcher zur Lebensbedingung und zur gegenseitigen Beziehung aller einzelnen Individuen geworden ist, präsentiert sich ihnen als eine fremde und unabhängige Sache. Das Spektakel ist die Diktatur der Publizität und der moderne Wilde ist dieser Diktatur in einem Maße unterworfen, wie es der archaische Wilde nicht kennen konnte. Durch die ethnographische Literatur erkennen wir in der Praxis der Publizität des archaischen Wilden eine Größe, die uns abgeht. Aber: gerade weil wir völlig frei von dieser Größe sind, erkennen wir sie.
65
Der Austausch ist das Element der Publizität. Nur: die Publizität hat sich niemals darin aufgehalten. Von jeher war der Austausch eine Anrufung der Publizität, heute mehr denn je. Entsprechend der Entwicklung des Spektakels als Produktionsverhältnis sind alle Arbeiter dazu bestimmt, Angestellte zu werden. Der Kontrast zwischen den Mitteln der Publizität und dem absoluten Rückzug der Publizität aus ihrem Element macht die magischen Handlungsweisen der Angestellten, und aller die es werden wollen, lächerlich, albern und grotesk. Der Angestellte ist der, der immer arbeitet. Also der, der nie arbeitet, oder eher der, der sich darin erschöpft, nie zu arbeiten. Er ist sein eigener Kapitalist, sein eigenes Unternehmen zur Aufhebung der Arbeit. All seine Aktivität, all seine Ambitionen sind auf ein einziges Ziel gerichtet: zu beweisen, daß er nicht arbeitet. Aber was er auch macht, die Publizität lehnt ihn ab. Nach dem Koitus ist der Angestellte traurig.
66
Die Lohnerhöhung erweckt in Angestellten der Durst des Kapitalisten nach Bereicherung, aber der kann grundsätzlich nicht gestillt werden. Das Spektakel ist überdies die Reduzierung des Lohn auf nichts, denn alles, was der Pseudoarbeiter konsumiert, ist für ihn überflüssig und nur der Erhaltung des Spektakels dienlich, auf daß sich die Ausbreitung des Spektakels unbegrenzt auf alles erstrecke, denn alles wird nur noch im Hinblick auf den spektakulären Konsum durch den Pseudoarbeiter produziert, ein spektakulärer Konsum, der in der Tat produktiver Konsum des Spektakels ist, Pseudoarbeit und Pseudoleben, absoluter Äquator der Entfremdung. Für das Kapital ist die einzige Arbeit die Arbeit des anderen. Die Ökonomie ist die Ökonomie der Arbeit des anderen. Zudem ist die Arbeit des Kapitalisten keine Arbeit. Es ist fiktive Arbeit, Zeit, die damit verbracht wird, die Unabhängigkeit der Arbeit des anderen aufzuheben. Die soziale Funktion des Austausches ist im Kapitalisten konzentriert. Im Spektakel zielt das ganze Leben darauf ab, die Arbeit des Kapitalisten, Pseudoarbeit zu werden. Machen Sie etwas aus Ihrem Leben. Genauso wie der Polizist ist der Angestellte ein Pseudoarbeiter. Das Spektakel hat zum wesentlichen Ziel, Pseudoarbeiter zu produzieren. Schon tun in den USA 70 % der als aktiv bezeichneten Bevölkerung so, als ob sie woanders arbeiten als in der Landwirtschaft, dem Bergbau, der verarbeitenden Industrie, dem Transport und den Medien. Das Kapital erscheint mehr und mehr als eine soziale Kraft, durch die der Angestellte zum Beamten wird. Somit ist der Angestellte die Wahrheit des Kapitalismus. Der Angestellte ist der Sklave der Publizität. Der Angestellte ist die eklatante Enthüllung des Geheimnisses des Elends des mysteriösen positiven Pols der Entfremdung, das Geheimnis des Sklaven ohne Herrn.
67
Der Mensch, der die Daseinsangst des Angestellten nicht erfahren hat, weiß nicht, daß die Welt der spektakulären Publizität ihm feindlich ist, daß sie darauf ausgerichtet ist, ihn zu töten, ihn zu vernichten, daß sie wesentlich unfähig ist, ihn wirklich zu befriedigen. Dieser Mensch bleibt nun im Grunde mit der Welt des Spektakels solidarisch. Er will sie zudem noch reformieren, d.h. ihre Details ändern, besondere Veränderungen vornehmen, ohne ihre wesentlichen Eigenschaften zu verändern. Dieser Mensch handelt als geschickter Reformist, sogar als Konformist, aber niemals als Revolutionär. Nunmehr gehört die Welt, in der er lebt, weder einem menschlichen noch einem göttlichen Herrn, und auf dieser Welt ist er notwendigerweise ein Sklave ohne Herr. Es ist also nicht die Reform oder der Wechsel des Herrn, sondern die dialektische, revolutionäre Aufhebung der Welt, die ihn befreien und folglich befriedigen kann. Diese revolutionäre Veränderung der Welt setzt die Negation, das Nichtakzeptieren der Welt des Spektakels in ihrer Gesamtheit voraus. Und der Ursprung dieser absoluten Negation kann nur der absolute Schrecken sein, der von der Welt des Spektakels eingegeben ist. Die Welt des Spektakels ist genau die Welt, die sich in ihrer Gesamtheit gibt, und in dieser Gesamtheit gehört sie keinem besonderen Herrn. Nur der Angestellte kann die Welt, die ihn formt und auf das Dienen festnagelt, ändern und eine Welt schaffen, die durch ihn geprägt ist, und wo es vollkommen unmöglich ist, zu leben. Und der Angestellte gelangt nur dahin durch die Pseudoarbeit, die er forciert und geängstigt im Dienst des Spektakels ausübt. Gewiß, diese Arbeit befreit ihn nicht und sie ist das Gegenteil der Befreiung. Aber indem er die Welt durch diese sinnlose Arbeit zu einer unmenschlichen Welt hin verändert, schafft der Angestellte so die objektiven, neuen Bedingungen, die es erlauben, den Befreiungskampf wieder aufzunehmen, um wieder zu erkennen, was er von Anfang an aus Angst vor dem Tod zurückgewiesen hat. Und so verwirklicht die ganze spektakuläre Arbeit, der ganze spektakuläre Konsum nicht die Welt des Spektakels, sondern zuerst unbewußt den Geist, der letztlich dort siegt, wo das Spektakel versagt.
68
Die Theorie des Mehrwerts und das dementsprechende reformistische Gejammer beruhen auf der Idee, die will, daß ein Mensch von Kartoffeln leben kann. Diese Idee ist genauso falsch wie die Epoche, die sie hervorgebracht hat. Nur ein Linker oder ein Tier kann von Kartoffeln leben. Der Mensch lebt grundsätzlich von der Publizität. Das Spektakel ist die wirkungsvolle Ruine dieser Theorie, die durch ein bestimmtes Moment der Ausbeutung hervorgebracht wurde und mit ihm verschwindet. Alles erweist sich gleichermaßen als notwendig und überflüssig, wobei die Grundlage den ersten Rang einnimmt, aber außerhalb der Reichweite zuschauender Zwerge, als ein abstraktes Objekt, als eine objektive Idee. Die Gesellschaft des Spektakels ist die Abschaffung jeden Unterschieds zwischen notwendiger und überflüssiger Arbeit, zwischen Lohn und Profit, zwischen Leben und Arbeit. Die Ausbeutung schafft sich in der absoluten Entfremdung ab, in der Fremdheit der Totalität der Individuen für die Totalität der Individuen. Die Ausbeutung ist der Mittelsatz der Entfremdung. Die Ausbeutung hat von jeher die Publizität zum einzigen Ziel gehabt. So hat sich seit der Erfindung der Exogamie (6), die klar gesagt die Publizität ist, eine Hälfte unserer mächtigen Rasse von der Publizität entfernt. Von Anfang an haben sich die Frauen der Praxis der Publizität geopfert und durch diese Tatsache wurden sie von dieser Praxis ausgeschlossen, wurden sie Austauschobjekte neben Armbändern, Ketten, Kupfer und Booten. Der Austausch, den die exogame Ehe einführt, vollzieht sich nicht zwischen einem Mann und einer Frau: er vollzieht sich zwischen zwei Gruppen von Männern, und die Frau tritt dort als eins der Austauschobjekte auf und nicht als einer der Punkte, zwischen denen der Austausch stattfindet. Und der sexuelle Austausch zwischen der Frau und dem Mann bleibt gezwungenermaßen eine private (7) Kommunikation, frei von Publizität. Das Fehlen der Publizität des sexuellen Austausches, welcher in diesem Punkt tierisch bleibt, ist nur das Gegenstück einer universellen Tatsache: das Band der Publizität, das die exogame Ehe begründet, ist nicht zwischen Männern und Frauen geknüpft worden, sondern zwischen Männern vermittels Frauen, die dabei nur der grundsätzliche Anlaß sind. Für den männlichen Menschen ist der sexuelle Austausch genau wie jeder Austausch nur ein Mittel, um eine höhere Aktivität zu praktizieren. Die exogame Ehe ist für den männlichen Menschen befreiend: er tritt in den Kreis derer ein, die Autorität, zeremonielle Gewalt und überlegenes, öffentliches Wissen innehaben, für den weiblichen Menschen ist sie Unterwerfung, er sieht sich auf einen unterlegenen Rang verbannt, eingeschlossen im häuslichen Umkreis, der Publizität beraubt. Dieser Standpunkt muß in seiner ganzen Härte aufrechterhalten werden, was unsere Gesellschaft angeht, in der diese Situation strikt unverändert ist, abgesehen davon, daß es nunmehr die Totalität der Humanität ist, die der Publizität beraubt ist. Die Gesellschaft des Spektakels ist die Vollendung des absoluten Unrechts, das sich der Ausbeuter selbst zufügt mittels des relativen Unrechts, das er der Humanität zufügt. Die absolute Entfremdung ist die Wahrheit der Ausbeutung. Die Ausbeutung der Frau durch den Mann war nur die ursprüngliche Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. In der absoluten Entfremdung, die gleichsam absolute Ausbeutung ist, nämlich die Ausbeutung aller durch alle, die absolute Doofheit, existiert schließlich alles, aber alles existiert woanders. Die Formel der Entfremdung lautet: Alles ist allem weit entfernt und umgekehrt.
69
Das Spektakel hat seine Gunst vom Produzenten zurückgezogen, um sie dem Konsumenten zu gewähren. Es hat einen heiligen Horror vor den blutigen Greueln des einfachen Kapitals deutlich gezeigt, es hat erklärt, daß die Publizität ein freundschaftliches und verbindendes Band zwischen den Nationen und den Individuen ist. Das alles ist nichts als Ehrwürdigkeit und Großzügigkeit. Hingegen gibt es in dieser Gesellschaft des Überflusses und Konsums keinen Überfluß und keinen Konsum außer dem Überfluß an Kapital und dem Konsum des Kapitals. Also Überfluß an Lohnarbeit, denn Lohnarbeit ist per Definition Konsum des Kapitals. Die kapitalistische Produktion wird absolut zu dem, was sie wesentlich war: Konsum des Kapitals, wo das Ziel zum Mittel wird und umgekehrt. Der Konsum des Kapitals ist Produktion des Kapitals, d.h. Produktion der Publizität als Unabhängigkeit, als Mittel, das nicht selbst ein Vermitteltes ist. Der Austausch ist zum Ziel der Publizität geworden und die Publizität ist das Mittel des Austausches geworden. Voilà, das ist das Konzept der wirklich verkehrten Welt, in der das Wahre ein Moment des Falschen ist.
70
Bis heute waren die Revolutionen Herrschaftsveränderungen. Mit dem Scheitern der Ausbeutung ist es die Totalität der Humanität, die ihrer Humanität enteignet wird. Die Totalität krankt an sich selbst. Die Humanität als negative Einheit, als Einheit des Unmenschlichen ist vollendet. Mit dem erwiesenen Scheitern der Herrscher hat sich die Humanität jede teilweise Befriedigung verdorben. Als objektive Idee vollendet, hat sich die Publizität aus allen Lebensbereichen zurückgezogen. Dies ist die entstehende Welt des Geldes, die entstehende Welt des Mangels, des absoluten Mangels. Nur wenn alles existiert, kann der Mensch von allem beraubt sein. In der Gesellschaft des Spektakels ist der Zuschauer eine bloße Subjektivität, ein absoluter Armleuchter ohne Hände, ohne Augen, ohne Ohren, nichts, aber was ihm vorschwebt ist die Idee der absoluten Gemeinschaft: er versucht sie zu zerstören, aber sie ist es, die ihn zerstört. Die Gesellschaft des Spektakels ist die reine Subjektivität und die reine Objektivität, die sich gegenüberstehen.
71
Die herrschenden Klassen der Vergangenheit beschränkten sich darauf, die Notwendigkeit des Elends zu behaupten. Sie erweisen durch ihr Verschwinden, daß sich ihre Publizität nicht von ihrer Aufhebung unterscheidet. Belehrt durch diese Desaster und erstmals in der Geschichte bestehen die, die sich einbildeten, diese Welt zu lenken, nicht mehr auf der Notwendigkeit des Elends. Nun ist es ein- und dasselbe, die Inexistenz des Elends zu behaupten oder zu behaupten, die Publizität sei verwirklicht, denn es gibt kein Elend außer dem der Publizität. Die Strategie der Bürokratie ist die: obwohl die Truppe nur aus Holzbeinen besteht, so tun, als ob man es nicht sähe. Unsere Strategie ist: dieses sichtbar machen. Gewiß, jeder ist über sein eigenes Elend bestens unterrichtet. Es handelt sich für uns nicht darum, die Anmaßung jener Leute zu haben, die, weil sie angeblich besser als irgendjemand anders Bescheid zu wissen geeignet sind, behaupten, jedem zu zeigen, daß er unglücklich ist. Diese Machart falscher terroristischer Indiskretion ist die eigentliche Einschüchterungstaktik der publizitären Polizei. Sie haben noch keine Scheckkarte. Dahinter verbirgt sich etwas! Ganz im Gegenteil, das, was wirklich verborgen ist, das, was jeder dank der aufwendigen Anstrengungen der Führer glänzend ignoriert, das ist das Elend der anderen, der Führer inklusive. Sie haben die Scheckkarte! Dahinter verbirgt sich etwas! Im diffusen Spektakulären sind es die Zuschauer selbst, die sich ein Spektakel geben. In diesem Sinne ist also jeder auch über sein eigenes Elend schlecht unterrichtet, denn das eigene Elend besteht nur in der Ignoranz des Elends des anderen. Das Ziel der Wissenschaft ist also festgelegt. Es geht darum, den Beweis des Elends der anderen zu erbringen - vor allem der Führer.
1. Zunächst muß man solches Elend in seinem Ursprung verstehen, was wieder darauf hinausläuft, den Beweis zu erstellen. Die Theorie der Publizität ist die Kritik der Abwesenheit der Publizität von einem überlegenen, jedoch der Publizität nicht äußerlichen Standpunkt aus. Der Beweis des Elends besteht darin, das, was es an Besonderem, an eigentlich Modernem hat, herauszuheben, also die aktuelle Gestalt des Elends, das, worin es vollendet ist, gleichzeitig uralt und neu. Der Beweis des Elends, der Beweis seiner Ungeheuerlichkeit liegt darin, die Ungeheuerlichkeit des Verlangens festzustellen, das durch das Spektakel angeregt wurde, d.h. die Ungeheuerlichkeit des Verlangens, das regelmäßig vom Spektakel unterdrückt wird. Das Verlangen, das durch das Spektakel gleichermaßen angeregt wie unterdrückt wird, ist das Verlangen nach Publizität. Die moderne Form des Elends ist vor allem der Entzug von Publizität, die Unbefriedigtheit des Bedarfs nach Publizität. Das ist das Gleiche wie die vollendete Produktion dieses Bedarfs. Somit ist der Beweis durch die Publizität ein Beweis, der nicht äußerlich ist, ein Beweis ad hominem, ein Beweis der Art, von der die Massen so gerne Gebrauch machen. Die Publizität ist eine Idee, die in allen Köpfen ist, und wir waren es nicht, die sie dort hineingebracht haben.
Desweiteren muß man die allgemeine Bekanntheit dieses Beweises versichern. Das, was sich dann ergibt, ist unwählbar. Die Geschichte liefert uns einige berühmte Beispiele. Die allgemeine Bekanntheit dieses Beweises stellt heutzutage überhaupt keine ernsthafte Schwierigkeit mehr dar. Dies ist die Kehrseite der Führerstrategie: indem sie auf der Verwirklichung der Publizität bestehen, geben sie jedem einzelnen den Geschmack nach Publizität ein. Diese Gesellschaft ist einer Indiskretion ausgeliefert. Diese Art Indiskretion, die auf die Grundlage hinausläuft, muß man systematisch pflegen, nicht aber die reformistischen Pseudoindiskretionen, diese Kleinkrämerei (2) der Indiskretion, die auf den Butterpreis hinausläuft! Das ist unsere Strategie. Das ist die Strategie des Weltschlages: erst steigend und dann unerwartet plötzlich. Das ist die Strategie der Staatsfeinde. Das ist die Strategie der Feinde der Strategie, der Feinde der Manipulateure. Denn die Publizität ist immer revolutionär. Die Rehabilitierung der Erscheinung beschränkt sich nicht auf ihre theoretische Rehabilitierung. Vor allem ist es die praktische Wiederherstellung der Erscheinung in ihrer Reinheit, in ihrer Nichtexistenz, in ihrer reinen Negativität, als das, was einzig fähig ist, die Erscheinung, die ist, das Phänomen, das Spektakel aufzulösen.
72
Der Bedarf nach Publizität ist die vollendete Zivilisation des tierischen und beschränkten Bedarfs, welcher bellt, wenn man ihm den Knochen wegnimmt, und der Jahrtausende während seines ganzen Verfeinerungsprozesses sein Gesetz aufrechterhalten hat. Der Bedarf nach Publizität ist der verfeinerte und zivilisierte Bedarf, der Bedarf im spezifisch Menschlichen, der Bedarf in vollendeter menschlicher Gestalt. Eine Sache ist allerdings sicher: der Bedarf nach Publizität ist zum hauptsächlichen Bedarf des Menschen geworden. Die Leidenschaft der Publizität ist immer die vorrangige Leidenschaft des Menschen gewesen, aber nur mit der vollendeten Verwirklichung der Publizität als Abstraktion ist der Bedarf nach Publizität zum obersten Bedarf des Menschen geworden. Die Produktion des Bedarfs nach Publizität ist das Gleiche -in der Bewegung der Abstraktion und der Entfremdung, die die Bewegung ihrer Verwirklichung ist - wie die Produktion ihrer Unbefriedigtheit. Die Unbefriedigtheit des Bedarfs nach Publizität ist die spezifisch moderne Form des Elends in dem, was sie an Vollendetem, an Neuem und Uraltem hat. Die allgemeine Form des Elends hat sich all ihrer zufälligen Formen beraubt, um wesentlich zu werden, weil der Reichtum sich selbst all seiner zufälligen Formen beraubt hat, um wesentlich zu werden. Die spezifisch moderne Form des Reichtums ist nichts anderes als Publizität, diese echt menschliche Substanz, aber als Spektakel und als Abstraktion. Nie war das Elend dermaßen groß und dermaßen geheim, denn nie war der Reichtum größer und offenkundiger. Aber dieser Reichtum ist eine reine Illusion geworden - im Gegensatz zum vergangenen Reichtum, halb Wirklichkeit, halb Illusion - ein Reichtum für niemand und ein Elend für alle. Der Reichtum ist nur noch der Reichtum der menschlichen Gattung. Er ist nicht der Reichtum eines besonderen Individuums. Die Opposition von Individuum und Gattung ist vollendet, was bedeutet, daß die Produktion der Gattung selbst vollendet und die des Individuums in Kürze zu erwarten ist. Die Ausbreitung des Elends unterscheidet sich nicht mehr von der Ausbreitung des Reichtums. In der Tat hat die alte Opposition von Elend und Reichtum auf dem Äquator der Entfremdung schon aufgehört. Wenn die Publizität das erhabene Gute ist, dann ist die abstrakte Publizität das absolute Übel, die Wahrheit, die gegen die Humanität sündigt. Die Frucht ist reif, die Reichen sind nur noch dreckige Arme und die Armen sind nur noch dreckige Reiche.
73
Der Bedarf nach Publizität würde von der Abstraktion der Publizität, die das Gegenteil der Publizität ist, nämlich die Opposition von Besonderem und Allgemeinen, nicht befriedigt werden. Von dieser Tatsache ausgehend endet eine Untersuchung über das Elend der Menschen in einer einzigen Frage: was treibt zum Kaufen, was ist die dunkle Kraft der Ware? Denn die ganz einfache Antwort birgt einen einzigen Satz: das, was zum Kauf treibt, die dunkle Kraft der Ware, ist der Bedarf nach Publizität. Ja, die Langeweile ist der Preis der absoluten Individualität! Ja, die Langeweile ist die Nostalgie eines substanziellen Inhalts! Wenn die Leute kaufen, wenn die Leute heftig austauschen, so nicht aus irgendwelchen bestimmten Gründen, sondern aus einen einzigen allgemeinen Grund. Die Kenntnis dieses Grundes unterscheidet sich nicht von der Kenntnis der Ungeheuerlichkeit des modernen Elends. Sie ist ihr unbestreitbarer Beweis.
74
Der tendenzielle Fall der besonderen Nützlichkeit in der spektakulären Inflation unterscheidet sich nicht von dem anschließenden Ansteigen eines allgemeinen Nutzens, der im Gegensatz zu jedem besonderen Nutzen steht: der Gebrauch des Austausches um des Austausches willen, der Gebrauch der Ware als Ware; d.h. als Ware, die der Repräsentant des Geldes ist. Die Gesellschaft des Spektakels ist die Demokratisierung des Geldes. Die entstehende Welt des Geldes ist die Entwertung des Geldes, heißa, der große Korrupte ist korrumpiert. Wenn der alte Reiche von seinem Geld Gebrauch machte für sich selbst und in der Verschwendung oder im Geiz eine gewisse Größe kannte, so kennt der Zuschauer nur noch die unvollkommene Form des Geldes, das Geld ist eine besondere Ware. Wenn für den einzelnen Zuschauer das Geld in der heiligen Kommunion des Kaufens besteht, ist es, als Liturgie (*), das dreiheilige Geheimnis der Inkarnation. Durch seine Entwertung nimmt das Geld, das man nur betrachtet, in der Substanz des Reichtums Gestalt an, das Geld wird sichtbar in diesem fleischlichen Äußeren. Somit ist der erstaunten Humanität die Gegenwart der göttlichen Gestalt in der bescheidenen käuflichen Substanz als menschlich offenbart worden. Jeder besondere Bedarf wird zum einfachen Vorwand, das Geld anzuwenden, jeder Zuschauer möchte sich überzeugen, indem er sich davon überzeugt, ein dicker Austauscher zu sein. Lächerlicherweise sucht er die Allgemeinheit in einer vielgestaltigen Verschiedenheit. Diese Praxis ist nur eine Pseudopraxis der Allgemeinheit und bleibt etwas verzweifeltes Besonderes.
(*) Liturgie: aus den Kirchenlatein liturgia, entlehnt dem griechischen leitourgia: öffentlicher Dienst (Dauzat/Larousse).
75
Man muß hier das Allgemeine und das Besondere nach ihren eigentlichen Bestimmungen unterscheiden, das Allgemeine, formal genommen und neben das Besondere gestellt, wird auch selbst etwas Besonderes. Im Fall der Angelegenheit des laufenden Lebens enlarvt sich eine solche Position selbst als unangemessen und ungeschickt, wie wenn z.B. jemand, der Früchte verlangt, Kirschen, Birnen, Trauben usw. unter dem Vorwand zurückweist, daß es ja Kirschen, Birnen und Trauben seien und keine Früchte. Und was machen die modernen Elenden anderes, die, indem sie behaupten, ohne Austausch auszukommen, die Früchte der Industrie unter dem Vorwand zurückweisen, daß es keine allgemeine Humanität sei? Die umgekehrte Position, die darin besteht, Kirschen, Birnen und Trauben unter dem Vorwand zu kosten, es seien echt Kirschen, Birnen und Trauben, aber darin heftig die Frucht suchen, ohne dazu fähig zu sein, auf ihren besonderen Geschmack zu achten, ist genauso unangemessen und ungeschickt. Nun, was machen die modernen Elenden anderes, die die Früchte der Industrie fieberhaft konsumieren in der einzigen uneingestandenen Hoffnung, allgemeine Humanität zu betreiben? Indem man das macht, und zwar der, der danach strebt, ein magerer Austauscher zu sein genauso wie der, der danach strebt, ein dicker Austauscher zu sein, beraubt man sich sowohl des Besonderen als auch des Allgemeinen. Das Objekt, das im Spektakel wertvoll war, wird in dem Moment vulgär, in dem es beim Zuschauer Einzug erhält, aber die, die behaupten auf solche Objekte zu verzichten, müssen tatsächlich auch auf die Humanität verzichten. Das Allgemeine läßt sich nur aus dem Besonderen wirklich herausschmecken, aber das Besondere ist fade außerhalb des Allgemeinen. Die Form des Reichtums ist die Allgemeinheit. Die Substanz des Reichtuns ist die Besonderheit. Die Publizität ist die Identität der Form und der Substanz des Reichtums, sie ist die Einheit des Besonderen und des Allgemeinen, sie ist der durch die Aufhebung der Opposition von Reichtum und Elend wiederhergestellte Reichtum.
76
Der Bedarf nach Publizität, der Bedarf nach Allgemeinheit ist das aufgelöste Rätsel der berühmten Frage nach den Pseudobedürfnissen. Ein einziger fundamentaler Bedarf tut sich im Gewimmel der besonderen Bedürfnisse kund, im Wettlauf neidisch durch das Spektakel verfeinert: der Bedarf nach Austausch, der Bedarf, Publizität zu praktizieren, der Bedarf, Humanität zu praktizieren. Daraus folgt, daß jeder Bedarf genauso wahr wie falsch ist. Er ist wahr, denn er ist Bedarf nach Publizität, er ist von wirklich menschlicher Substanz. Er ist falsch, denn er ist unwirksam, frei von Wirkung, er führt die Opposition des Allgemeinen und des Besonderen zu ihrem Höhepunkt. Man kann sich mit Hilfe der Wissenschaft leicht die äußerste Enttäuschung des elenden Zuschauers in der Geschäftsliturgie vorstellen, wenn man die Höhe des Einsatzes und die Lächerlichkeit der Mittel kennt. Jedoch: der zuschauende Sklave - und vor allem der Angestellte, dieser Modellfunktionär des Kapitals, ernannt zum künftigen allgemeinen Typen der spektakulären Humanität - würde sich lieber in Stücke schneiden lassen, als das Ausmaß seines Unglücks durchschauen zu lassen. Nun, da sich die Wissenschaft dieser Sache bemächtigt hat, und der niederträchtige Schrecken, in dem der Zuschauer lebt, bald bekannt wird, wie wird er es wagen können, auf die Straße zu gehen, wo er doch gegenwärtig mit einer geheuchelten Euphorie um sich schmeißt? Das, was wir behaupten und beweisen werden, ist extrem einfach: wir behaupten, daß gerade die, die heute eine imposante Erscheinung zur Schau tragen, in einem Schrecken ohne Grenzen leben. Wir behaupten, daß sie pausenlos Beute einer unhaltbaren Zwangsvorstellung sind, die zum Stumpfsinn führt. Und wir wissen inzwischen, welches diese Zwangsvorstellung ist, von der Krafft-Ebing und Reich schon besondere Fälle aufgezählt haben, und die wir selbst in unserem Reich, Gebrauchsanleitung ausforschen. Diese Zwangsvorstellung ist die Zwangsvorstellung von der Publizität. Bürger, diese Leute, die so sehr wünschten, uns zu beeindrucken, wenn wir sie auf der Straße treffen oder sonstwo, sind in Wahrheit nur Elende, besessen vom Bedarf nach Publizität, in den Fängen eines erdrückenden Unglücks, das ihnen keine Ruhe läßt, und es sind nur Hirngespinste, mal abgesehen von den Zwangsvorstellungen, die durch die Unbefriedigtheit der sexuellen Bedürfnisse - dieser besonderen Form des Bedarfs nach Publizität - entstanden. Wer hätte das gedacht! Nie war die Publizität so abwesend. Nie war die Publizität so gegenwärtig. Jeden Tag wird es schwerer und schwerer, schmerzhafter und schmerzhafter, ein Dummkopp zu sein. Die Dummheit hat aufgehört, ein einträgliches Geschäft zu sein, die bekehrte, moderne Dummheit macht sich selbst zu schaffen. Zum ersten Mal in der Geschichte hört die Dummheit auf, ein Rätsel für die Intelligenz zu sein und Intelligenz wird zu einem Glücksversprechen. Oh, einsichtige Zuschauer, ich bin es nicht, der auf Ihre riesige Degradierung Flüche schleudert, ich bin es nicht, der Mißachtung auf Ihr formloses Leben wirft. Es reicht, daß die beschämende und schier unheilbare Langeweile, die Sie belagert, ihre unvermeidliche Züchtigung mit sich bringt. Das ist keine Frage die ich Ihnen stelle, denn seit ich die herrliche Erbärmlichkeit Ihrer beschränkten Intelligenz als Beobachter frequentiere, weiß ich, woran ich mich zu halten habe. Ich brauche Leute, die mir gleichen, auf deren Stirn die menschliche Würde klarer und unauslöschlicher gezeichnet ist. Sind Sie sicher, daß der, der betrachtet, von der gleichen Art ist wie ich? Ich glaube es nicht, ich stehe voll hinter meiner Meinung. Zuschauer aller Länder, hebt euch auf.
77
Wir haben also im Geheimen unserer Laboratorien den Sesam-Öffne-Dich gefunden, der die Träume aller Werbefachleute bevölkert. Zum ersten Mal in der Weltgeschichte wissen wir, was zum Verkaufen treibt, was zum Kaufen treibt. Der heutige Durst ist ein Durst nach Publizität, ein Durst nach dem, was wahr ist. Wie können die Werbefachleute einer solchen Entdeckung gegenüber unempfindlich bleiben? Die Kühnsten unter ihnen müßten sofort unsere Thesen anwenden, um sich auf die Spitze in ihrem elenden Beruf hochzuarbeiten. Sie wären unsere besten Propagandisten! Man muß die Stärke des Feindes durchdringen, sagte Hegel! Diese Gesellschaft ist einer Indiskretion ausgeliefert und dennoch sollte sich jeder Werbefachmann noch indiskreter denn je zeigen. In dem Bestreben, immer ein bißchen mehr davon zu sprechen, um immer ein bißchen mehr zu Kaufen zu animieren, werden die Werbefachleute schließlich alles sagen! Ihre Anwendung unserer wissenschaftlichen Prinzipien würde noch einige Zeit ein bißchen besser zum Kaufen anregen. Aber auf jeden Fall wird sie dafür sorgen, daß in naher Zukunft mit Verkaufen aufgehört wird. In der Schlacht der Publizität, in der Schlacht des bereits engagierten Bewußtseins liegt eine Taktik, die angenehm komisch ist! Diese Welt löst sich täglich mehr von der Wirklichkeit. Die Wirklichkeit wird sich bald von dieser Welt lösen können.
78
Die Form, die wir diesem Bericht gegeben haben, stellt nicht nur die wissenschaftliche und ästhetische Überlegenheit einer perfekt beherrschten Intelligenz dar. Sie paßt auch vorzüglich zu einer Wissenschaft, die nicht auf den Erhalt und die erwartete Entwicklung der jetzigen spektakulären, ökonomischen und sozialen Ordnung gerichtet ist, sondern auf ihre revolutionäre Umkehrung. Sie erlaubt dem bürgerlichen Leser keinen einzigen Augenblick lang, in der Betrachtung direkt faßbarer Wirklichkeiten und ihren aus der Luft gegriffenen Verknüpfungen aufzugehen, sondern geht direkt auf die innere Notlage in allem Existierenden ein.
Nieder mit der Arbeit!
Nieder mit dem täglichen Leben!
Nieder mit Frankreich!
A.d.Ü.
(1) franz. Wortspiel: taille - taille. Größe, Statur, Taille
(2) im Original deutsch
(3) vgl. Fußnote 2 des § 21 von Voyers Elend der Menschen
(4) franz. Wortspiel: führer - fureur (sprich: führöhr) = Feuer, Zorn, Wut
(5) vgl. Fußnote des § 27 von Voyers Elend der Menschen
(6) Inzuchtverbot
(7) privee = a) privat b) beraubt, frei - als ob es nur im deutschen Denken revolutionäre Wörter gebe (vgl. §17)
Weitere Veröffentlichungen des Institut de Préhistoire Contemporaine (Boîte Postale 20-05, Paris)
Reich, mode d'emploi. Champ Libre, 1971.
Reich, Gebrauchsanleitung. Edition Nautilus.
L'internationale situationniste. Champ Libre, 1972.
Une enquete sur la nature et les causes de la misere des gens. Champ Libre, 1976.
Untersuchung über die Natur und die Ursachen des Elends der Menschen. Edition Nautilus.
Rapport sur l'état des illusions dans notre parti suivi de révélations sur le principe du monde. Selbstverlag, 1979.
Fin du situationnisme paisible. Faltblatt, 1981.
WAS WILL DER RHEINISCHE HILFSVERLAG ?
Heutzutage nervt es sehr, daß es so unübersichtlich viele kleine Verlage gibt. Leser und Händler müssen zu Krämern werden, wollen sie ein gutes Buch finden. Aber was will man machen, wenn kein Verlag Interesse, Zeit und Geld hat? Wenn man nicht alles, aber auch alles selber macht, kommt überhaupt nichts mehr zustande. Am Ende muß man sogar einen Verlag gründen.
Der Rheinische Hilfsverlag hat zum Ziel, sowenig wie möglich Bücher herausbringen zu müssen; ideal wäre, wenn der Rheinische Hilfsverlag von einem anderen Verlag aufgekauft würde. Aber schon mit der Übernahme einzelner Ausgaben wären wir zufrieden. Interessenten melden!
[Klappentext hinten:]
Nach einem Jahrhundert dreckiger Diktatur des vulgären, ökonomischen und mechanischen Materialismus, dieses Idealismus der Materie, dieses Stalinismus des Denkens, wird es Zeit, daß die Idee wieder zu ihrem Recht kommt und sich der Schwur erfüllt, den der junge Marx seinem Vater in einem Brief vom 10.11.1837 leistete: Nach und nach habe ich mich vom Idealismus gelöst und gehe dazu über, die Idee in der Wirklichkeit selbst zu suchen. Man muß die Idee suchen, wo sie sich aufhält: in der Wirklichkeit, deren wesentliches Moment sie darstellt. Und genau da findet sie der Autor, ohne eine einzige Bezugnahme auf den subjektiven Idealismus, im reinsten Stil der Objektivität, indem er die Methode Hegels bis zu ihren letzten Konsequenzen führt, des Hegels, von dem der große Astronom Anton Pannekoek sagt, daß es der materialistische Theoretiker der Idee sei. Voilà, ein Schicksalsschlag, mit dem niemand gerechnet hat, der reformiert, der stöhnt und der glaubt, sich schamlos der Arbeiten von Marx bemächtigen zu können, um seine eigene Dummheit, seine eigene Unfähigkeit, sein eigenes Interesse am status quo zu rechtfertigen. Der Autor wartete geduldig, bis all das, was den Geist nach dem günstigen Glücksfall von 1968 beanspruchte, in seinem Magenknurren erstickte, um letztlich den Satz anzunehmen: nur Stille ist angemessen, solange der Geist spricht. Alle, die hoffen konnten, daß die S.I. und ihre Epoche nur ein schlechter vorübergehender Moment waren, werden gezwungen sein, zuzugeben, daß alles weitergeht.
HEIL HEGEL
LA RETOUR DE PENSEE ALLEMAGNE