Böblinger Kreiszeitung
Montag, 23.11.1998
NEUE TÖNE / Turbulenzen beim ersten Gärtringer Bizarr Festival
Technik-Drama mit Happy-HipHop-End
GÄRTRINGEN Zuerst wähnten sich die Musiker beim ersten Gärtringer Bizarr Festival im falschen Film: Die Technik war zu billig, die Zeit zu knapp, die Ludwig-Uhland-Halle gähnend leer und dann hatte sich auch noch eine Band aufgelöst. Doch am Ende reichte es doch zum Happy End am Samstagnacht.


EDMUND LANGNER
Am Anfang sah alles nach einer bizarren Pleite aus. Dabei hatte Gärtringens Jugendreferent Jürgen Kunst und Endorphin-Keyboarder Gerhard Rempp alias G. mit dem Bizarr Festival ein echtes Highlight im Sinn. In Anlehnung an den gleichnamigen Cross-Over-Klassiker aus Holland sollten fünf Bands unterschiedlichster Prägung auftreten.

Nur eine Handvoll Kids hockte gelangweilt in der Ecke, als die Techniker dreißig Minuten nach dem offiziellen Start noch immer fieberhaft an der desolaten Anlage tüftelten. Die Musiker wurden sichtlich nervös. Kunst, der sich mit seinem Jugend-Cafe-Team stark für die Musik-Szene in Gärtringen einsetzt, war bald in heftige Diskussionen mit den Künstlern verstrickt. Noch vor dem Start war das Festival vom technischen K.O. bedroht.

"So was habe Ich noch nie erlebt", regte sich Andreas Jäger, Basser der Holzgerlinger Metal-Gruppe Silent Lucidity auf. "Seit 14 Uhr machen die an der Anlage `rum, und um 23 Uhr müssen wir schon mit dem Programm durch sein, sonst gibt's Anzeigen", erklärte er das Dilemma.

Da war es fast schon ein "Glücksfall", daß sich die Böblinger Punk-Band No Talent wenige Tage vor dem Konzert aufgelöst hatte. So blieb den vier übrigen Formationien etwas mehr Zeit. Den Anfang machte Transfer R.N.A. Die noch recht jungen Böblinger sorgten mit wütendem Cross-Over für einen fulminaten Auftakt. Trotz vehementem Nachdruck folgte aber kaum jemand der Aufforderung, zu den erfrischend rotzigen Stücken "voll abzugehen".

Die Würzburger Jazz-Hip-Hopper von OnCue brachten auch ohne derartige Appelle das Eis zum schmelzen. Das mittlerweile 120köpfige Publikum erlag schon nach wenigen Takten ihren süchtig-machenden Beats.

"Klein, stark, schwarz" - der schmissige Spruch aus der Espresso-Reklame mag politisch unkorrekt klingen, aber in Bezug auf die beiden Frontmänner Danny und Cecil drängt er sich förmlich auf.

Den beiden Amerikaner fehlen zwar die nötigen Zentimeter fürs Basketballspiel, aber in Sachen Rap können sie auch den ganz Großen noch etwas vormachen. Flüssig, treibend und schnell waren Ihre Reime, die mal deutsch und meistens Englisch kompromißlos in die Beine gingen.

Problemlos hielt auch Endorphin die Party am laufen. Die ehrgeizigen HipHopper um Sänger beXs und Vokalistin Yvo begeisterten mit Raps, die Spaß machen und einer Frauenstimme mit hohem Gänsehaut-Faktor. Besonders lässig kamen die Freestyles `rüber. Aus dem Stegreif strickten beXs und die befreundeten OnCue-Rapper Reime am laufenden Band. Unterbrechen ließ sich beXs nicht einmal von einem stark alkoholisierten Vertreter der Punkfraktion. Erfolglos versuchte dieser Ihm aus Enttäuschung über die ausgefallene Punk-Gruppe das Mikrofon wegzunehmen.

Am Ende wurde aber auch er versöhnt, denn trotz drohender Sperrstunde setzten Silent Lucidity noch einmal auf Kontrast. "Ihr merkt schon, bei uns geht es etwas weniger fröhlich zu", feixte Sänger Joachim Reichl. Die Holzgerlinger gefielen dennoch mit düsterer-atmosphärischen Stücken, Schlagzeug-Gewittern und gegen den Strich gebügeltem Metal.