Uebersetzung - ist das Kunst?



Wenn man das Wort Kuenstler hoert, hat man die Vorstellung, dass es sich um eine kreative Taetigkeit handelt. Maler, Bildhauer, Schriftsteller und Komponisten zaehlen dazu. Hier moechte ich mich aber vor allem mit solchen Taetigkeiten beschaeftigen, in denen man keine originalen Werke schoepft, sondern fremde Werke interpretiert wie Schauspieler, Saenger und vor allem Musiker, die ein Instrument spielen. Anhand des folgenden Beispiels moechte ich erlaeutern, was unter der Uebersetzungstaetigkeit zu verstehen ist.

Musiker spielen ausschliesslich Werke, die von renommierten Komponisten also von Fremden geschoepft wurden. Dennoch spielt jeder diese, als waeren sie sein Original. In CD-Shops waehlen die meisten Musikliebhaber CDs nach Interpreten aus. Ihnen ist nicht gleichgueltig, sondern entscheidend, wer der Interpret ist. (Sogar manchmal viel wichtiger als, wer komponiert hat.) Denn jeder Musiker interpretiert anders, auch wenn alle die Anweisungen der Dynamik, des Tempos und Ausdrucks genau beachten.

Es ist auch bei Uebersetzungen nicht anders. Wir Uebersetzer beschaeftigen uns mit Manuskripten oder Reden, die von jemand anderem geschrieben oder gehalten wurden. Dabei bemuehen wir uns, moeglichst originaltreu zu bleiben. Trotzdem hoeren sich daraus entstehende Uebersetzungen je nach Uebersetzer sehr unterschiedlich an.

Eigentlich sollten wir Uebersetzer wie Luft wirken. Wir sollten uns benehmen, als existierten wir nicht, obwohl wir gleichzeitig als unentbehrlich gelten. Diese Branche ist von Frauen dominiert. Uebersetzerin muss neben Aerztin oder Rechtsanwaeltin bestimmt zu den Traumberufen von Frauen gehoeren, da es ein spezialisierter, selbstaendiger und hochbezahlter Job ist. Aber man kann sicher sein, dass Filmregisseure niemals auf die Idee kaemen, eine Uebersetzerin zur Hauptdarstellerin zu machen, da sie im allgemeinen einen unpersoenlichen Eindruck hinterlaesst: Bei dieser Taetigkeit muss das eigene Ich strikt unterdrueckt werden, da wir Aeusserungen der Kunden vertreten.

Sollten Uebersetzer aber tatsaechlich unpersoenlich wirken?

Einmal habe ich die Performance einer erfahrenen Dolmetscherin gehoert. Ihre Uebersetzung war lebendig, ansprechend und sogar ruehrend, als haette sie ueber ihre eigene Angelegenheit erzaehlt. Unsere Aufgabe ist zwar, den Inhalt richtig zu uebermitteln. Aber auch das Gefuehl und die Stimmung der Redner sollten mit uebertragen werden.

Wenn man Noten sieht, hoert man keine Musik. Man braucht einen Vermittler, naemlich einen Instrumentalisten, der sie interpretiert, den Sinn herausfindet und ihn im Klang wiedergibt, damit die Musik endlich eine Gestalt gewinnt. Wir Uebersetzer sind ebenfalls der Vermittler, der den Willen des Redners oder den Sinn des Manuskriptes herausfindet, sprachlich umgestaltet oder sogar neu konstruiert, damit er in einer anderen Sprache wiedergeboren wird. In diesem Sinne ist die Uebersetzung meiner Meinung nach eine schoepferische und deshalb eine Art kuenstlerische Taetigkeit, in der man Zuhoerer eventuell beruehren kann.

Allerdings darf man die Regeln nicht vergessen: Man muss ein Werk in seinem Sinne interpretieren ohne Gefuehlsueberschwang, ohne romantische Verzerrung, mit dem angemessenen inneren Ausdruck und ohne sinnlose Bravour. Nur wer dem Werk dient und sich selber zurueckstellt, kann es richtig interpretieren.

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