Das Freiburger Persönlichkeitsinventar in der revidierten Fassung
(FPI-R)
Art des Tests:
„faktorenanalytisch begründetes Verfahren zur mehrdimensionalen Erfassung
individueller Persönlichkeitsstrukturen“
Entstehungsgeschichte
-
1970: erstmals erschienen, bestehend aus den Bögen FPI-G (Hauptform,
212 Items), FPI-A und FPI-B (Halb-/Parallelformen, 114 Items), FPI-K (Kurzform,
76 Items), Eichstichprobe N=630
-
1983: Revision des FPI, bestehend aus den Bögen FPI-R (Revision des
FPI-G, 138 Items -> Kürzung) und FPI-A1 (Neunormierung des FPI-A,
114 Items), Normstichprobe N=2035
-
Vorzüge des FPI-R: erweiterte Gültigkeit, höhere testkonstruktive
Prägnanz, geringere Itemzahl pro Skala
Grundkonzept
-
Das FPI beruht auf keiner speziellen Persönlichkeitstheorie, sondern
auf Konstrukte, die für die Autoren wichtig und interessant waren.
-
relativ überdauernde Persönlichkeitsmerkmale werden erfaßt
-
breite, facettenreiche Konstrukte, die divergente Subkonstrukte enthalten
-
10 (+2) Faktoren wurden erfaßt, aus denen man wiederum drei sekundäre
Faktoren extrahieren kann: „Facetten eines gestörten Allgemeinbefindens“,
„aggressive Erregbarkeit mit egozentrischen Zügen“, „selbstsichere
Aktivität“
-
Strategien der Skalenkonstruktion: abwechselnd Faktoren- und Itemanlysen:
-
Items mit geringer Faktorenladung werden entfernt oder ausgetauscht
-
Items mit höher Trennschärfe und mittlere Itemschwierigkeit werden
unter Berücksichtigung von geeigneten Randverteilungen und näherungsweise
normalen Verteilung der Skalenwerte behalten.
-
Vermeidung von Pseudo-Homogenität(=redundante, pschologisch überflüssige
und den Pb störende Formulierungs- und Polungsvarianten): bestimmte
Items wurden vorgezogen, weil sie wichtige Facetten eines Konstrukts wiedergaben
Testaufbau/Testmaterial
-
Handanweisung, Fragebogen FPI-A und FPI-R, zwei Auswertungsschablonen,
Auswertungsbogen, Schreibgerät
-
Instruktionen auf dem Bogen, Items lassen sich mit „stimmt“ oder „stimmt
nicht“ beantworten, am Ende Fragen zu Geschlecht, Alter, Schulabschluß,
Familienstand, Haushalt, Beruf
-
Items der einzelnen Skalen wechseln sich ab und sind verstreut im Fragebogen
FPI-R: 10 Standardskalen (mit je 12 Items) + 2 Zusatzskalen (mit
je 14 Items), insgesamt 137 Items
-
Die 9 Standardskalen des alten FPI wurden faktorenanalytisch zu 5 Skalen
im FPI-R zusammengefaßt: Gehemmtheit, Erregbarkeit, Aggressivität,
Körperliche Beschwerden, Offenheit
-
5 neue Skalen kamen hinzu: Lebenszufriedenheit, Sozial Orientierung,
Leistungsorientierung, Beanspruchung, Gesundheitssorgen -> erweitertes
„FPI-Menschenbild“
-
Die Skala „Maskulinität“ wurde wegen Mißbrauchs weggelassen
(Diagnose: Homosexualität)
FPI-A1: Skalen des alten FPI-A, der meistbenutzten FPI-Form,
wurden übernommen, insgesamt 114 Items, (31 Items wurden umformuliert,
davon 23 sprachlich korrigiert, 7 inhaltlich abgeschwächt, bei einem
wurde eine doppelte Verneinung entfernt)
FPI-R 1: Lebenszufriedenheit |
FPI-A1 1: Nervosität |
FPI-R 2: Sozial Orientierung |
FPI-A1 2: Spontane Aggressivität |
FPI-R 3: Leistungsorientierung |
FPI-A1 3: Depressivität |
FPI-R 4: Gehemmtheit |
FPI-A1 4: Erregbarkeit |
FPI-R 5: Erregbarkeit |
FPI-A1 5: Geselligkeit |
FPI-R 6: Aggressivität |
FPI-A1 6: Gelassenheit |
FPI-R 7: Beanspruchung |
FPI-A1 7: Reaktive Aggressivität & Dominanzstreben |
FPI-R 8: Körperliche Beschwerden |
FPI-A1 8: Gehemmtheit |
3. FPI-R 9: Gesundheitssorgen |
FPI-A1 9: Offenheit |
FPI-R 10: Offenheit |
|
|
FPI-A1 E: Extraversion |
FPI-R E: Extraversion |
FPI-A1 N: Emotionale Labilität |
FPI-R N: Emotionalität |
FPI-A1 M: Maskulinität |
Korrelationen zwischen FPI-R und FPI-A1 (47 identische Items):
-
FPI-R Körperl. Beschwerden zu FPI-A1 Nervosität: .94
-
FPI-R Offenheit zu FPI-A1 Offenheit: .89
-
FPI-R Extraversion zu FPI-A1 Extraversion: .88
-
FPI-R Emotionalität zu FPI-A1 Emotionalität: .81
Anwendungsbereiche
-
vielfältige Anwendungsbereiche
-
bei breiter Datenerhebung für die Forschung
-
Beratung, Therapie
-
Als Teil eines Screenings, einer umfangreichen Routinediagnostik
-
nicht für die Eignungsdiagnostik (-> Verfälschbarkeit)
Durchführung
Voraussetzungen:
-
positive Einstellung des Pb gegenüber dem Test
-
Pb müssen 16 Jahren oder älter sein (vorher keine Normierung)
-
Personen, müssen zumindest einen Hauptschulabschluß oder anderen
Schulabschluß haben (ansonsten keine Normierung)
-
Pb dürfen keine psychopathologisch stark beeinträchtigt sein
(ansosten ist die Durchführung problematisch)
Schriftliche Darbietung:
-
übliche, von den Autoren vorgesehene Form
-
Instruktionen werden schriftlich vorgegeben, indem der Pb den FPI-Bogen
erhält und diese dort durchließt
-
als Gruppen- oder Einzeltest
-
10 bis 30 Minuten je nach Proband, durchschnittlich 18 Minuten
Mündliche Darbietung:
-
Instruktionen und Fragen werden mündlich formuliert.
-
Holterman, M. (1989):
-
Retests/Paralleltests mit dem FPI-A und FPI-B:
-
KG: schriftlich-schriftlich, EG: schriftlich-mündlich
-
Variationen: AA, BB, AB, BA und Gruppen im Alter von 20-30 Jahren, 50-60
Jahren
-
Ergebnisse:
-
signifikante Erhöhung der Rohwerte der Offenheitsskala, der beiden
Aggressionsskalen und der Geselligkeitsskalen, sowie höhere Streuung
bei Erregbarkeit
-
statistisch bedeutsame Erhöhung der Stanine-Werte bei Offenheit, Geselligkeit
und Extraversion
-
Fazit: erhöhte Bereitschaft zur Selbstkritik bei mündlicher Darbietung
=> zulässige Alternative zur schriftlichen Darbietung
Darbietung am Bildschirm:
-
Computerversion des FPI: sowohl Durchführung als auch Auswertung möglich
-
Warnung der Autoren: FPI-R ist nicht für die direkte Dateneingabe
entwickelt und normiert worden.
-
Brielmaier (1995): Durchführungsobjektivität bei Eingabe am Computer
gegeben
-
keine vergleichende Studie zur Papier- und Computerversion des FPI-R vorhanden
Typische Einwände:
-
„Die Fragen sind so allgemein nicht zu beantworten!“ -> empfohlene Erwiederung:
„Bitte kreuzen sie jene Antwort an, welche noch am ehesten auf sie zutrifft.“
-
„Es sind so viele Fragen!“ -> „ Versuchen sie ruhig, Ihre Antworten schnell
und ohne langes Nachdenken zu geben.“
Auswertung
Auswertung per Hand:
-
Auswertungsschablone über den Fragebogen legen. (Kreis/Quadrat/Dreieck
am unteren Rand müssen sich überdecken.)
-
Anzahl der „stimmt“/“stimmt nicht“-Antworten pro Skala zählen und
als Skalenrohwerte auf dem Auswertungsbogen eintragen
-
Normtabellen: für Gesamtstichprobe und jeweils getrennt nach Geschlecht
(m/w) und Alter (16-24, 25-44, 45-59, ab 60)
-
Anhand der Normtabellen, die den Rohwerten entsprechenden Stanine-Werte
ermitteln und auf dem Auswertungsbogen markieren. Durch Verbinden der Stanine-Werte
ergibt sich ein
-
Profilverlauf, der der Ausgangspunkt für die Interpretation ist.
Auswertungsprobleme:
-
bei der Auswertung einzelner FPIs: keine missing-data-Behandlung
-
bei mehr als insgesamt 7 fehlenden Antworten: Test ist nicht auswertbar
-
bei mehr als 1 einem fehlender Antwort pro Skala: Skala wird auf m.d. gesetzt
d.h. die Skala ist sollte nicht ausgewertet werden
Auswertung mit dem Computer:
-
neben der FPI-Computerversion: FPI-Programm, das Steueranweisungen für
SPSS enthält, kann unentgeltlich von den Autoren bezogen werden.
Interpretation
Bedeutung der einzelnen Persönlichkeitskonstrukte und Beispiele:
FPI-R 1: Lebenszufriedenheit
lebenszufrieden, gute Laune, zuversichtlich vs. Unzufrieden, bedrückt,
negative Lebenseinstellung
-> Grundstimmung und eher positive oder negative Lebenseinstellung und
-erfahrung werden erfaßt, die einen Einfluß auf die Leistungsmotivation
und das körperliche Wohlbefinden haben
Bsp.:
-
3. Ich habe (hatte) einen Beruf, der mich voll befriedigt
-
88. Ich bin immer guter Laune
-
112. Ich grüble viel über mein bisheriges Leben nach
FPI-R 2: Sozial Orientierung
sozial verantwortlich, hilfsbereit, mitmenschlich vs. Eigenverantwortung
in Notlagen betonend, selbstbezogen, unsolidarisch
-> erfaßt wie ausgeprägt die Disposition zu mitmenschlicher
Hilfsbereitschaft ist. Ist unabhängig von allen anderen Skalen.
Bsp.:
-
14. Ich würde kaum zögern, auch alte und schwerbehinderte Menschen
zu pflegen
-
41. Wenn jemand weint, möchte ich ihn am liebsten umarmen und trösten
-
111. Ich gebe gelegentlich Geld und Spenden für Katastrophenhilfe,
Caritas, Brot für die Welt und andere Sammlungen
FPI-R 3: Leistungsorientierung
leistungsorientiert, aktiv, schnell handelnd, ehrgeizig, konkurrierend
vs. Weniger leistungsorientiert oder energisch, wenig ehrgeizig und konkurrierend
-> erfaßt individuelle Unterschiede der Leistungsorientierung
im beruflichen und außerberuflichen Bereich; aber keine Aussagen
über direkte, aufgabenbezogene Leistungsmotivation oder tatsächliche
Leistungsfähigkeit. Zusammenhänge mit höherer Lebenszufriedenheit
und geringerer Gehemmtheit.
Bsp.:
-
21. Ich bin leicht beim Ehrgeiz zu packen
-
74. Ich habe Spaß an schwierigen Aufgaben, die mich herausfordern
-
101. Ich ziehe das Handeln dem Pläneschmieden vor
-
129. Bei der Arbeit bin ich meist schneller als andere
FPI-R 4: Gehemmtheit
gehemmt, unsicher, kontaktscheu vs. Ungezwungen, selbstsicher, kontaktbereit
-> erfaßt vielfältig bedingte Gehemmtheit, welche als als
soziale Hemmung und Schüchternheit oder als Selbstunsicherheit und
Ängstlichkeit erlebt wird. Nur mit körperlichen Beschwerden korreliert.
Bsp.:
-
11. Ich bin ungern mit Menschen zusammen, die ich noch nicht kenne
-
63. Es fällt mir schwer, vor einer großen Gruppe von Menschen
zu sprechen oder vorzutragen
-
73. Ich bin im Grunde ein eher ängstlicher Mensch
-
120. Beim Reisen schaue ich lieber in die Landschaft als mich mit den Mitreisenden
zu unterhalten.
FPI-R 5: Erregbarkeit
erregbar, empfindlich, unbeherrscht vs. Ruhig, gelassen, selbstbeherrscht
-> empfindlich-reizbare Komponente des Temperaments, welche mit aggressiven
Zügen, dem Gefühl der Überforderung und allgemeiner Unzufriedenheit
verbunden sein kann.
Bsp.:
-
30. Wenn mir einmal etwas schief geht, regt mich das nicht weiter auf
-
86. Mein Blut kocht, wenn man mich zum Narren hält
-
93. Es gibt nur wenige Dinge, die mich leicht erregen oder ärgern
FPI-R 6: Aggressivität
aggressives Verhalten, spontan und reaktiv, sich durchsetzend vs. wenig
aggressiv, kontrolliert, zurückhaltend
-> mißt aggressive Verhaltenstendenz. Zusammenhänge mit Erregbarkeit
und Offenheit.
Probleme: Niedrige Werte bei dieser Skala und zugleich
bei Offenheit können die Folge der Antworttendenz sein, einen guten
Eindruck machen zu wollen. Ein hoher Skalenwert muß noch nicht manifeste
Aggression bedeuten.
Bsp.:
-
24. Ich male mir manchmal aus, wie übel es denen eigentlich ergehen
müßte, die mir Unrecht tun
-
40. Es macht mir Spaß anderen Fehler nachzuweisen
-
137. Es gab Leute, die mich so ärgerten, daß es zu einer handfesten
Auseinandersetzung kam
FPI-R 7: Beanspruchung
angespannt, überfordert, sich oft „im Stress“ fühlend vs. wenig
beansprucht, nicht überfordert, belastbar
-> individuelle Unterschiede der subjektiv erlebten Beanspruchung oder
Überforderung. Es wird aber nicht über die tatsächliche
Belastung oder objektive Belastbarkeit ausgesagt. Korreliert deutlich mit
hoher Erregbarkeit.
Bsp.:
-
35. Die täglichen Belastungen sind so groß, daß ich davon
oft müde und erschöpft bin
-
96. Nur selten kann ich richtig abschalten
-
130. Ich habe häufig das Gefühl, im Stress zu sein
FPI-R 8: Körperliche Beschwerden
viele Beschwerden, psychosomatisch gestört vs. wenige Beschwerden,
psychosomatisch nicht gestört
-> relative Häufigkeit typischer körperlicher Beschwerden.
Zusammenhänge mit Lebensunzufriedenheit, Gehemmtheit und Beanspruchung.
Probleme: Sowohl die möglichen symtomatischen Bedeutungen
der bejahten Beschwerden als auch ein allgemeiner Hinweis auf eine psychosomatische
Störung sind zu beachten.
Bsp.:
-
16. Ich habe häufig Kopfschmerzen
-
92. Ich habe einen empfindlichen Magen
-
133. Ich habe manchmal ein Gefühl erstickender Enge in meiner Brust
FPI-R 9: Gesundheitssorgen
Furcht vor Erkrankungen, gesundheitsbewußt, sich schonend vs. wenig
Gesundheitssorgen, gesundheitlich unbekümmert, robust
-> relativ prägnante Tendenz, sich überdauernde Sorgen um
Gesundheit, Ansteckung und andere Risiken zu machen. Um zwischen realistischen
und hypochondrischen Gesundheitssorgen zu unterscheiden, müssen die
objektiven Befunde geklärt werden. Geringer Zusammenhang zur Skala
Körperliche Beschwerden.
Bsp.:
-
18. Ich achte aus Gesundheitsgründen auf regelmäßige Mahlzeiten
und reichlich Schlaf
-
68. Wenn jemand in meine Richtung hustet, versuche ich mich abzuwenden
-
127. Auch ohne ernste Beschwerden gehe ich regelmäßig zum Arzt,
nur zur Vorsicht
FPI-R 10: Offenheit
offenes Zugeben kleiner Schwächen und alltäglicher Normverletzungen,
ungeniert, unkonventionell vs. An Umgangsformen orientiert, auf guten Eindruck
bedacht, mangelnde Selbstkritik, verschlossen
-> erfaßt drei Facetten: Persönlichkeitsmerkmal, die Tendenz
im Sinne von sozialer Erwünschtheit zu antworten, Tendenz zur Selbstidealisierung.
Zusammenhänge zur Skala Aggressivität, zu geringer Lebenszufriedenheit
und höherer Erregbarkeit.
Probleme: Mehrdeutigkeit: Persönlichkeitsskala und
gleichzeitig „Lügen“-Skala
Bsp.:
-
7. Manchmal bin ich zu spät zu einer Verabredung oder zur Schule gekommen
-
69. Ich bin hin und wieder ein wenig schadenfroh
-
83. Meine Tischmanieren sind zu Hause schlechter als im Restaurant
-
104. Wenn ich irgendwo zu Gast bin, ist mein Benehmen meistens besser als
zu Hause
-
107. Ab und zu erzähle ich auch mal eine Lüge
FPI-R E: Extraversion
extravertiert, gesellig, impulsiv, unternehmungslustig vs. introvertiert,
zurückhaltend, überlegt, ernst
-> erfaßt wesentliche Komponenten der Persönlichkeitsdimension
Extraversion/Introversion con Eysenck. Hohe Korrelationen zu geringer Gehemmtheit
(3 Items identisch) und hoher Leistungsorientierung (2 Items identisch)
und geringere Zusammenhänge zu Aggressivität (1 Item identisch).
Bsp.:
-
2. Ich gehe abends gerne aus
-
25. In einer vergnügten Gesellschaft kann ich mich meistens ungezwungen
und unbeschwert auslassen
-
81. Ich schließe nur langsam Freundschaften
FPI-R N: Emotionalität
emotional labil, empfindlich ängstlich, viele Probleme und körperliche
Beschwerden vs. emotional stabil, gelassen, selbstvertrauend, lebenszufrieden
-> erfaßt wesentliche Komponenten der Eysenckschen Presönlichkeitsdimension
Neurotizismus bzw. Emotionale Labilität/Emotionalität. Beziehungen
zu geringer Lebenszufriedenheit (1 Item identisch), höherer Erregbarkeit
(1 Item identisch), höherer Beanspruchung (3 Items identisch), mehr
körperlichen Beschwerden, mehr Gesundheitssorgen und größerer
Gehemmtheit.
Bsp.:
-
19. Ich habe manchmal ein Gefühl der Teilnahmslosigkeit und inneren
Leere
-
45. Ich fühle mich oft wie ein Pulverfaß kurz vor der Explosion
-
82. Manchmal habe ich ohne eigentlichen Grund ein Gefühl unbestimmter
Gefahr oder Angst
Testmethodische Interpretationshilfen:
Standardmeßfehler der Rohwerte & Standardfehler der interindividuellen
Differenz zweier Rohwerte -> daraus lassen sich die Vertrauensgrenzen der
Rohwerte und die kritische Differenz zweier Rohwerte ableiten
Interpretationsprobleme:
-
wenn „weder die Testmotivation noch die Testsituation oder die Testauswerung
erhebliche Bedenken aufkommen lassen“, dürfen die Skalenwerte interpretiert
werden
-
bei Verneinung von Item 1
-
wenn die einzelnen Skalenwerte nicht nennenswert vom statistischen Erwartungswert
abweichen
-
bei 0-2 Rohwertpunkten in der Offenheitsskala: Ergebnisse sollten mit Vorsicht
interpretiert werden
-
Mehrdeutigkeit der Offenheitsskala
Beziehungen zwischen Skalen und Statusmerkmalen:
-
Frauen: höhere Werte bei Sozialer Orientierung, Körperl. Beschwerden,
Emotionalität
-
Männer: höhere Werte bei Leistungsorientierung, Aggressivität
-
Ältere Menschen: höhere Werte bei Körperl. Beschwerden und
Gesundheitssorgen, niedrigere Werte bei Offenheit und Extraversion
-
Personen mit höherer Schulbildung: weniger körperliche Beschwerden,
niedrigere Werte bei Gehemmtheit
Die Interpretation sollte von diagnostisch qualifiziertem Diplom-Psychologen
vorgenommen werden. Außerdem wird das Studium der 3.ten Auflage des
FPI für eine gründliche Interpretation empfohlen.
Bei individueller Begutachtung sollten die Ergebnissen vom Psychologen
in einem persönlichem Gespräch mitgeteilt werden, und nicht durch
bloßes Vorführen des Persönlichkeitsprofils.
Angaben zur Normierung
-
Zeitraum: 1980 bis 1983
-
für Westdeutschland und West-Berlin repräsentative Stichprobe
(N=2035) im Alter von über 16 Jahren,
-
Rahmen einer Mehr-Themen-Umfrage durch das Institut für Demoskopie
Allensbach
-
510 über das ganze Bundesgebiet verstreute Interviewer wurden mit
einer Quotenanweisung versehen, die vorschrieb, wieviel Personen mit welchem
Geschlecht, Alter und Berufsgruppe interviewt werden sollten.
-
Normen sind getrennt nach Geschlecht und Alter (16-24, 25-44, 45-59, 60
Jahre und älter)
-
Ergebnisse der Metafragen über den Itempool von 240 Items:
-
76% der Items wurden als subjektiv sicher beantwortbar eingestuft
-
86% als verständlich
-
57% als auf die eigenen Charaktereigenschaften zutreffend
-
22% als zu persönlich oder eindringlich
Gütekriterien
Objektivität
-
Durchführungsobjektivität: sehr hoch, kaum mit Testleiter-Effekten
zu rechen, Empfehlungen für Reaktionen auf die häufigsten Einwände
von Probanden sind vorhanden
-
Auswertungsobjektivität: hoch, da Auswertungsschablonen oder
comptergestützte Auswertung
-
Interpretationsobjektivität: zweckmäßige Skalenbeschreibungen,
jedoch müssen ein paar Punkte beachtet werden (siehe Interpretationsprobleme!)
Reliabilität
-
Innere Konsistenz: Cronbach-a von .71 bis .84, im Mittel .77, gut
angesichts der Kürze der Skalen
-
Retest- & Testhalbierungsreliabilität: nicht dokumentiert
Validität
FPI-A1:
-
die vielen Validitätshinweise des alten FPI lassen sich darauf übertragen
FPI-R:
-
Validitätshinweise zum alten FPI lassen sich auf die Skalen 4,5,6,8,10,E,N
übertragen, da sie zu dessen Skalen äquivalent sind.
-
Inhaltsvalidität: Metafragen: 49% der Normstichprobe fand den
Itempool für sehr gut geeignet, um Menschen besser zu verstehen
-
Kriteriumsvalidität: einige Validitätshinweise aus dem
Datenmaterial der Normstichprobe
-
Korrelationen
-
von Interviewern eingestufte Selbstsicherheit <-> FPI-R 4 Gehemmtheit/FPI-R
E Extraversion: -.27/.27
-
Kirchenbesuch <-> FPI-R 2 Soziale Orientierung: .22
-
ausgeübte Berufstätigkeit <-> FPI-R 1 Lebenszufriedenheit:
.43
-
Konsum von Beruhigungstabletten <-> FPI-R 5 Erregbarkeit: .20
-
Extremgruppen-Vergleiche: Bilden von Extrem- und Kontrollgruppen
-
z.B. signifikant höhere Mittelwerte der Skala Beanspruchung bei Männern
mit chronischer Krankheit, hohem Alkohol- & Tabakkonsum, bei Frauen
mit häufigem Artztbesuch und höherem Tablettenkonsum
-
etc.
-
versch. Studien ...
-
Strecker (1985):
-
selbst ausgefüllter FPI-R und vom Ehepartner stellvertretend ausgefüllter
FPI-R stimmen hinsichtlich den Skalen Leistungsorientierung, Extraversion,
Lebenszufriedenheit, Emotionalität und Gesundheitssorgen überein
(.48 < r < .67)
-
Korrelationen von r >= .50 mit dem Gießen-Test in 6 Skalen
-
Schmitt & König (1986):
-
geglückte Replikation der Skalenkonstruktions- und -analyseschritte
des FPI-R anhand einer kleineren Stichprobe N=235
-> die 10 Standard- und 2 Zusatzskalen ließen sich klar identifizieren
-> mit dem FPI-R gut vergleichbare Item- und Skalenkennwerte
-
Selbstbeurteilung und Fremdbeurteilungen anhand der FPI-Skalenbeschreibungen:
-
Korrelation zw. Selbstrating und FPI-R: .55
-
Korrelation zw. Fremdrating und FPI-R: .38
-
Pfingstmann & Baumann (1986):
-
Mit dem FPI-R konnte eine klinische Gruppe von psychisch beeinträchtigten
Studenten von einer Kotrollgruppe unterschieden werden, anhand der Skalen
1,4,5,8,N und zum Teil E.
-
mittlere bis hohe Korrelation dieser Skalen mit der SSP-Skala zur Messung
studentischer Probleme
-
Zusammenhänge von .39 - .59 zwischen FPI-R E & N und Skalen des
Streßverarbeitungsfragebogen SVF.
-
Konstruktvalidität: anspruchsvolle Experimente fehlen weitgehend
Kritik:
+ Weite Verbreitung (FPI ist zweithäufigst verwendeter Test in Deutschland)
+ Neunormierung und ständige Wartung des FPI lobenswert
+ Pflege der Informationsdatenbank, die Statistiken zu speziellen Gruppen
und auch
individuelle anonymisierte Itembeantwortungen enthält
+ wissenschaftlich fundierte Konstruktion (-> Faktorenanalyse, Itemanalyse
etc.)
+ weiter Anwendungsbereich -> unzählige Publikationen
+ sehr wirtschaftlich, ökonomische Informationsgewinnung
+ gut geeignet für die reine Deskription der 12 Persönlichkeitsdimensionen
+ gute Akzeptanz bei den Probanden, probandenfreundlicher Test
- selbst heute noch gibt es nur wenig Hinweise zur Validität und
Reliabilität des FPI-R
- Normen gelten nur für Westdeutschland und West-Berlin und sind
schon 15 Jahre alt
- keine Parallelformen
- hohe Verfälschbarkeit
- sowohl unipolare als auch bipolare Skalen z.B. Emotionalität
- FPI-R hat nur einen Meßbereich mittlerer Bandbreite verglichen
mit ähnlichen Tests, mißt weniger Konstrukte
- einige Items waren mit dem logistischen Modell von Rasch nicht konform;
Gegenargument der Autoren: mit dem klassischen Testtheorie lassen sich
facettenreichere Persönlichkeits-inventars konstruieren
- Offenheitsskala: neben ihrer Mehrdeutigkeit
- Das, was die Skala „Offenheit“ mißt, korreliert
negativ (-.07) mit allgemeinem
Verständnis von Offenheit (-> Schmidt und König)
- Fortführung der Offenheitsskala unökonomisch,
da Erwünschtheitsskalen eine zweifelhafte
Validität besitzen und eine positive
Einstellung zum Test Voraussetzung ist (-> Ostendorfer)
- FPI-A1: unnötig, da schlechtere Gütekriterien und eingeschränkter
Meßbereich; Gegenargument: wird benötigt für Längsschnittstudien
- wenig Angaben über Vergleichbarkeit des FPI-Rs zu ähnlichen
Verfahren
Literatur:
-
Brickenkamp, R. (1997). Handbuch psychologischer und pädagogischer
Tests (2. Auflage). Göttingen: Hogrefe.
-
Fahrenberg, J., Hampel, R. & Selig, H. (1985). Die revidierte Form
des Freiburger Persönlichkeitsinventars (FPI-R). Diagnostica,
312, 1-12.
-
Fahrenberg, J., Hampel, R. & Selig, H. (1994). Das Freiburger Persönlichkeitsinventars
- FPI. 6. Auflage, Göttingen: Hogrefe. (FPI-R: revidierte
Fassung des FPI)
-
Fahrenberg, J., Hampel, R. & Selig, H. (1979). Das Freiburger Persönlichkeitsinventars
- FPI. 3. Auflage, Göttingen: Hogrefe. (alte Fassung des FPI)
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Darbietung des von Persönlichkeitsfragebogen - Zur Durchführungsobjektivität
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Jäger, R. S. (1985). Testinformationen: Das Freiburger Persönlichkeitsinventar
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Diagnostika, 31, 246-250.
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Ostendorf, F. (1997). Testrezension zum Freiburger Persönlichkeitsinventar
- Revidierte Fassung (FPI-R). Zeitschrift für Differentielle und Diagnostische
Psychologie, 18, 81-86.
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Pfingstmann, G. & Baumann, U. (1986). Zur Validierung der FPI-R-Version
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Seidenstücker, G. (1985). Testbesprechung: Das Freiburger Persönlichkeitsinventar
in der vierten Auflage. Was ist neu? Was bringt es dem klinischen Psychologen?
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Schwenkmezger, P. (1987), Freiburger Persönlichkeitsinventar (FPI).
Revidierte Fassung FPI-R. Zeitschrift für Differentielle und Diagnostische
Psychologie, 2, 152-153