[11/2000] |
Zwischenstand: Politische Notizen #7 |
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Literatur / BetriebVon Martin Krusche |
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Einst verfügte die Literatur mit dem Forum Stadtpark über einen hervorragend Ort. Staunenswert, was sich da anfangs, in einem schwierigen gesellschaftlichen Klima, in Graz entfalten konnte. Auch andere Plätze und Einrichtungen trugen dazu bei. Als die nächste Generation von Autoren, 50er-Jahrgänge, nachschoben, war alles verändert. In den 80er-Jahren prägten die heimische Literatur neue Bedingungen. Der politische Konsens, den Koren einst herbeigeführt hatte, war Geschichte. Markt und Feuilleton änderten sich natürlich auch. In den 90ern büßte das Forum seine Bedeutung für die aktuelle Literatur ein. Da konnte auch der steirische herbst nicht helfen. Wir Schreibende mochten zusehen, wie sich der ORF zurücknahm. Alles schien schwieriger zu werden. Österreich hat einige Literaturhäuser. Das ist nett. Aber ohne innovative Impulse. Was wünschen und brauchen Schreibende? Finanzielles Auslangen. Zugang zu Öffentlichkeit, Publikationsmöglichkeiten. Offenen Diskurs. Solide Entlohnung der Arbeit, ein besseres Sozialprestige etc. Wie sehr das marktfähig sein soll und staatlich finanziert werden muß, ist Gegenstand laufender Debatten. Manche Schreibende bleiben in einer Position, die Kunstschaffende nach der Leitikone des Bürgertums im vorigen Jahrhundert positioniert: Als Genie, das sich nur der künstlerischen Praxis zu widmen braucht, von Alltagsdingen ebenso suspendiert ist, wie von politischer Anwesenheit; im staatsbürgerlichen Sinn. Daran mag festhalten, wer es durchsteht. Andere sehen sich, gänzlich unromantisch, als Professionals, die einen schwierigen und anspruchsvollen Beruf ausüben. Ein Beruf, dessen Bedingungen sich sehr verhärtet haben. Die Verlagslandschaft hat sich radikal geändert. Der Trend zu großen Medienkonzernen, welche Verlage inhalieren und dabei den profitorientierten Mainstream fahren, ist evident. Knappe Staatshaushalte wirken auf die Verlagssituation ebenso belastend, wie der mögliche Fall der Buchpreisbindung. Worauf auch der Buchhandel reagieren muß. Wir fürchten, zum Nachteil der Schreibenden. Das online-Geschäft via Internet dringt vor. Novitäten wie "Books on demand" forcieren eine weitere Minderung klassischer Verlagsagenda. Da werden Bücher nur mehr nach Kundenbestellung gedruckt. Stückweise. Autor und Publikum rücken zwar potentiell zusammen. Dagegen dürften Lektorat, Öffentlichkeitsarbeit etc. weitgehend ausfallen. Außer sehr professionelle Autoren sorgen selbst dafür. Und bezahlen das selbst. Wir haben einer Zeit völlig neuer Medien und Medienzusammenhänge. Das meint nicht bloß: Internet. Alle Medientypen, die heute auf digitalisierte Dokumente gestützt sind, wirken auf bisher ungekannte Art ineinander; konvergieren. Ich kann - von Ausnahmen abgesehen - weder unter den Autorinnen und Autoren des Landes, noch bei verschiedenen Vermittlungsinstanzen ein nennenswert gesteigertes Interesse an diesen Themen- und Problemstellungen erkennen: Medienkonvergenz. Folglich ist da auch noch kein bemerkenswertes Interesse bei Verwaltung und Politik festzustellen, was sich in Summe als ein Anwachsen von Konzepten und Handlungsplänen bemerkbar machen könnte. Ich möchte - etwas polemisch - behaupten, eine einstmals mediale Elite wird von der Zeit überrollt. Ökonomische, gesellschaftliche, ergo kulturelle Veränderungsschübe, natürlich von technologischen Innovationen angetrieben, haben folglich in der Steiermark zu Defiziten des Literaturbetriebs geführt... wie man sie allerdings im übrigen Österreich auch findet. Kurioserweise obwohl es hier die bemerkenswerte "Telekommunikationsinitiative Steiermark" @telekis gibt. Allerdings muß ich - mich einschließend - betonen: Niemand ist bisher so richtig schlau, wo es in der "Neuen Medienwelt" mit der Literatur langgehen soll. Das Motto wird vermutlich "Learning by doing" lauten. Auf Diskurse und Theoriearbeit gestützt. Deshalb gibt es zur Zeit auch nur vorläufige Befunde, Annahmen. Anlässe zu Experimenten. Diese Prozesse müßten von allen Beteiligten getragen und gespeist werden. Sie müßten finanziert werden. Mit Budgets, die von der Politik verfügbar zu machen sind. All das braucht Orte und Moderation. Aber nicht unbedingt neue Häuser. Wenn man sich fragt, was geschehen soll, findet man viele Thesen, kaum gesicherte Fakten. Die neue Mediensituation schafft neue Räume. Ich lote dies momentan auf einer Teleworkingebene aus. In einem Vorhaben, wo der Roman dort bleibt, wohin er im Schreibakt gerichtet wurde. Auf Papier, in einem Buch. Aber dieses Buch erhält im Internet eine Extension. [kruschegrondhouse] Ein Kunstprojekt über das Fremde, mit dem in der Wachau lebenden Autor Walter Grond ("Der Erzähler und der Cyberspace") und mit dem in Frankreich lebenden Germanisten Klaus Zeyringer ("Überblicke, Einschnitte, Wegmarken - Österreichische Literatur seit 1945"). Wir machen diese Arbeit in Korrespondenz mit einem (konventionellen) Buchverlag, ohne die Intention, das auf Papier gestützte Medium Buch zu suspendieren. Teil dieses Projektes ist übrigens auch ein online-Forum, wo sich interessierte Menschen jederzeit einbringen können. Es wäre wünschenswert, daß weitere Modelle solcher Art initiiert und finanziert würden. Es geht dabei nicht nur um die Bearbeitung künstlerischer Agenda. Es geht auch um Generierung jener kulturellen Kompetenzen, durch die wir zu der "Informationsgesellschaft" werden können, die heute schon als gegeben behauptet wird. [Übrigens: Ich bin sehr neugierig, WANN in der Steiermark nenneswert bemerkbar wird, daß wir eine neue Regierung haben, die ja möglicherweise Konsequenzen für den Kunstbetrieb vrursacht, welche zur Diskussion stehen könnten.] Links zum Text: Weiterführend: |
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