studiolo 2001
Materialien und Notizen

Heimliche Gemächer

Zu den alltäglichen Wichtigkeiten menschlichen Lebens gehört jener Ort, der manchmal mit dem etwas verschämt klingenden Worten "Heimliches Gemach" umschrieben wird. Vieles hat sich seit dem Mittelalter geändert, dennoch gibt es hie und da noch einzelne Örtlichkeiten dieser gar nicht so dunklen Zeit, die aus heutiger Sicht nahezu kurios angebracht sind.

Hallein, Unteres Griestor, Feldseite

Nebenstehend ist das sogenannte Untere Griestor in Hallein zu sehen. Wo sich jetzt Asphalt ausbreitet, befand sich einst der Stadtgraben. Rechts der Durchfahrt schließt ein Bürgerhaus an, das als Außenmauer die Stadtbefestigung einbezieht, und einen kleinen Erker, der über den so typischen, aus dem 16. Jahrhundert stammenden Konsolsteinen thront. Man denkt zunächst an einen Gußerker, wie er im Mittelalter bei fast jeder Befestigung dazu diente, einem allzu nahe herangetretenen Feind, mit Pech, Schwefel, siedendem Öl oder bloß kochendem Wasser das Erklettern der Mauer zu vermiesen. Andere Erker wieder, nützen dem seitlichen Beschuß aus kleinen Schießscharten, um jenen, die sich am Tor zu schaffen machen, ihr Vorhaben zu vereiteln. Auch schlichte Beobachtungserker dieser Art gab es.

Was sich allerdings hier einst kühn über dem Stadtgraben erhob und jedem gut ansichtig war, ist ein simpler Aborterker, der sich zwar heute im Inneren nur mehr als eine zum Stiegenhaus offene Nische darbietet, aber noch immer das steinerne Sitzbrett zeigt. Es muß schon ein seltsamer Anblick gewesen sein, als dieser Erker in Betrieb war und so - wohl nicht gerade zur Zierde der Stadt - dem Ankommenden einen ersten Willkommensgruß entgegen sandte.

Daß dies unter Umständen ein für heutige Begriffe gewaltiges Erlebnis sein konnte, zeigt eine altes Aquarell der sogenannten Kufferhäuser. Vorauszuschicken ist, daß die Ansicht dieser mittelalterlichen Bürgerhäuser nicht aus längst vergangenen Zeiten stammt, sondern anläßlich des Abbruch der Kufferhäuser im Jahre 1876 entstand.
 

Hallein, ehem. Kuffer- Häuser an der Salzach.

Aquarell, kurz vor 1876

Die Salzach fließt hier unmittelbar an den Rückfassaden der mittelalterlichen Häuserzeile vorbei. Die rückwärtigen Eingänge in die dreigeschossigen Häuser liegen fast ein Stockwerk über dem Niedrigwasserspiegel. Deutlich sind die gemauerten Aborterker zu erkennen, welche sich allerdings vom obersten Stockwerk nur bis ins erste Obergeschoß erstrecken. Neben den Eingängen werden sie in Holzbauweise fortgesetzt - eine spätere Erfindung, denn Ansichten aus der Barockzeit belegen, daß damals diese zusätzliche Holzverschalung noch nicht vorhanden war. Woraus die sich unter dem Abortschacht hervorquellenden, mächtigen Kegel bestehen, bedarf wohl keiner näheren Erklärung. Man muß sich dazu vorstellen, daß es sich früher um die Verladeplätze für die Salzschiffe handelte! Die Entsorgung überließ man den Hochwässern nach der Schneeschmelze, was man auch als eine Art Abort mit monatelang verzögerter Wasserspülung interpretieren könnte.