"Bin traurig, leide nicht"
Herbert Grönemeyer und 18000 Fans umarmen sich in der Berliner Waldbühne:
Bleibt alles anders Tour, 2. Teil
18000 Besucher feierten in der restlos ausverkauften Waldbühne einen gut aufgelegten und vom Zuspruch überwältigten Herbert Grönemeyer. Das Konzert in der zweiten Staffel der Bleibt-alles-anders-Tour, die durch den Tod seines Bruders Wilhelm und seiner Frau Anna unterbrochen worden war, geriet zur gegenseitigen Demonstration der Verbundenheit.
Denn es war mehr als ein Konzert, bei dem die Musiker auf der Bühne alles geben und das Publikum begeistert Zugabe um Zugabe erklatscht. Das zweite Berliner Konzert von Herbert Grönemeyers im Vorjahr gestarteter Tournee "Bleibt alles anders", am Montag in der überfüllten Waldbühne, war eine Umarmung. Das Publikum nahm seinen Star in den Arm, um ihn in seiner lange hinausgeschobenen Rückkehr auf die großen Bühnen zu bestärken. Und Herbert Grönemeyer machte keinen Bogen um des Thema, das in jedem der 18000 Hinterköpfe seit Monaten festsaß: Wird "Herbie" nach dem Krebstod seines älteren Bruders Wilhelm, für den er noch vergeblich Knochenmark gespendet hatte, und vor allem nach dem Tod seiner Frau Anna (42) überhaupt je wieder der alte sein? Wird er sich je wieder auf der Bühne häuten, sein Innerstes preisgeben und mit seinen eigenartigen Tanzfiguren seine einzigartigen Texte und Rhythmen untermalen?
Herbert Grönemeyer gab die Antwort sofort. Er begann das Konzert wie die CD mit "Nach mir", das er mit Anna zusammen getextet und komponiert hatte. "Sei traurig, leide nicht-dieser Satz ist von ihr, den versuche ich zu beherzigen", sagte er fast verlegen. Das Publikum unterbrach die Titelabfolge mehrmals durch minutenlangen, geradezu frenetischen Beifall und endlose Laola-Wellen vom Bereich direkt vor der Bühne bis hoch in die höchsten Sitzreihen.
Grönemeyer präsentierte weitgehend das in der ersten Tourstaffel - in Berlin am 10.Mai vorigen Jahres in der Max-Schmehling-Halle bewährte Programm. Fast vollständig die namensgebende CD, dazwischen immer wieder Ausflüge in die Grönemeyer-Geschichte: "Land unter", "Bochum", "Männer", "Was soll das", "Alkohol" und andere. Der Band gelang es weitgehend, die im Studio gemixten, teilweise recht komplizierten Klangerlebnisse der Bleib-alles-anders-CD live auf die Bühne zu bringen. Und Grönemeyer brachte auch "Die letzte Version vom Paradies", die er früherem Bekunden nach seit dem Tod Annas nie wieder auf der Bühne singen wollte.
"Herbie", wie ihn das Publikum in Sprechchören immer wieder feierte, gab alles. Er sang, röhrte, kreischte, wisperte. Er tanzte, warf sich bäuchlings auf dem an seinen Bühnen üblichen Laufsteg den jubelnden Fans entgegen, zuckte, wandt sich, rutschte auf Knien und groovte. Und er lieferte drei Zugaben, insgesamt 45 Minuten. Da kamen Hymnen wie "Flugzeuge in meinem Bauch", "Vollmond", "Sie mag Musik nur, wenn sie laut ist". Seine exzellenten Bandmusiker spielten sich nur bei Soli in den Vordergrund. Großartig Frank Kirchner am Saxophon. Streckenweise ließ die Textverständlichkeit, ein Grundproblem bei Grönemeyers Gesang seit jeher, Lücken offen, die vom Publikum mühelos gefüllt wurden. Es mag auch am Soundmix gelegen haben, wobei die Techniker Besonderes zu leisten hatten. Beispielsweise die Bühne mit Scheuerlappen trocken zu wischen, nachdem ein ausdauernder Gewitter-Wolkenbruch und anschließender Hagelschauer vor dem Konzert das Publikum zwar völlig einweichen und regelrecht verprügeln, aber nicht vertreiben konnte.