Am Eingang rotten sich aufmuckende Fans zusammen, auf deren Sitzplätzen schon andere Leute saßen, weil Veranstalter Bönisch offenbar viele Plätze doppelt besetzt hat. Es sind fröhliche Gestalten, die aussehen wie Lotto-Lothar oder Autohändler von der Wasserburger Landstraße. Sie machen der Security-Frau unmissverständlich klar, dass sie bald an ihrem doofen Backstage-Aufhänger an der Hallendecke baumelt, wenn sie nicht augenblicklich zu Herbie dürfen. Schon klar, sagt die Dame hüstelnd, und schickt alle in die knallvolle Arena.
Seit Monaten fiebern die Fans dem Konzert eines gewissen Herbert Arthur Wiglev Clamor Grönemeyer aus Bochum entgegen, dessen Lieder sie kollektiv auswendig können und mitzusingen wild entschlossen sind. Punkt halb neun Uhr fetzt, tanzt und wirbelt der westfälische Berserker über die Bühne der Olympiahalle, als würde er Kilometergeld kassieren. Dazu singt er Lieder, die neu sind und langweilig. Gute Stücke zum Warmjubeln also. Denn schon bald kommt eins, von dem Herbie behauptet, es sei alt und unbekannt und würde außerdem nur die Hälfte der Leute angehen: „Männer“. Er singt es in einer nervigen Version mit unnötigem Rumgekreische. Dazu erscheinen auf den Leinwänden zusammen gestöpselte Instant-Gedichtchen: „Das Schlitzohr baggert echt böse . . . der Hosenmatz knutscht auch sensibel . . . der Knecht schwitzt wie blöd.“
Überhaupt macht die Bühnenshow einen lieblosen Eindruck: Ein grüner Laser fasert in der Gegend herum, auf der Leinwand flimmern beliebige Bildchen. Doch das Schlimmste: Nach fast jedem Lied gehen 100 000-Watt-Strahler an und leuchten einem ins Gesicht, bloß weil Pro 7 das Konzert aufzeichnen will. „Ein Konzertmitschnitt ist, wie wenn man sich küsst und dabei beobachtet wird“, entschuldigt sich Grönemeyer. Das ist noch untertrieben: Es ist, wie wenn man den ersten Sex mit seiner Freundin hat und Papi sitzt auf der Bettkante. Doch die Fans feiern Grönemeyer, was der „sehr, sehr, lieb“ findet.
Herbie hat genug tolle Lieder, um zweieinhalb Stunden lang nachzulegen. Nach „Was soll das?“, „Bleibt alles anders“ und acht Zugaben kocht die Halle. Es war ein gutes Konzert. Klar. Aber Grönemeyer hat schon bessere gegeben. Vielleicht lag es an den Kameraleuten, die dauernd auf der Bühne herumgeturnt sind. Vielleicht lag es daran, dass er so krampfhaft auf gut gelaunt gemacht hat. Wahrscheinlich aber liegt es an einem selber, weil man sentimental und traurig wird, wenn Grönemeyer dem Publikum ständig wünscht, dass es gesund bleiben möge.
OLIVER KUHN
SZ