"Ich wünsche euch einen sorgenfreien Herbst, eine gute nächste Woche und einen schönen Abend." Schon in der Begrüßung der Fans Sonntag Abend in der Welser Boschhalle lag es in der Luft, ohne von Herbert Grönemeyer ausgesprochen zu werden. Der Verlust seiner Frau und seines Bruders vor einem Jahr hat ihm zugesetzt, Prioritäten in seinem Leben verschoben.
Grönemeyer lässt sein Publikum an seinem Seelenzustand teilhaben. Textzeilen wie "Keiner weiss, wohin die Reise geht" (aus "Chaos") stehen plötzlich in einem anderen Licht und ganz bewusst stellt er an den Beginn des zweieinhalbstündigen Konzertes die Nachdenklichkeit. "Leben nach dir", "Neue Welt", "Chaos" - Songs, die für Grönemeyer Symbolkraft besitzen. Indirekte Spiegelbilder seiner Seele.
Grönemeyer lebt. Er lebt in seiner Musik, deren kreatives Potential er immer deutlicher auszuschöpfen sucht.
"Männer" funktioniert er zu einem erdigen Stück Rockmusik um. "Flugzeuge im Bauch" wird in der Drum'n Bass Variation plötzlich zu einem völlig neuen Klangerlebnis. Er entgeht der Leier, die immer gleich klingt, durch mitunter mutige Schritte in musikalisches Neuland. Neuland, in das ihm noch nicht alle folgen können. Und doch ist auffällig, wie sich das eine oder andere Lied vom "Bleibt alles anders"-Album bereits in die Reihe der Mitsing-Hymnen einordnet. Langsam, unüberhörbar, in den Gehörgängen festgesetzt, findet etwa "Ich dreh mich um dich" bereits einen Chor aus hunderten Stimmen.
Grönemeyer ist politisch geblieben, spricht davon, dass "uns ein Mann wie Haider gerade noch fehlt" und setzt darauf das Anti-Rassismus-Lied "Die Härte". Unverblümt spricht er aus, was andere denken.
Und als das Eis nach knapp zwei Stunden langsam zu schmelzen begonnen hat, tut die Trennung weh. "Heimat" singt Grönemeyer am Ende, nachdem sich alle endlich liebgewonnen haben und gemeinsam "Ich hab dich lieb" in den grauen Beton-Meiler singen und schreien.
"Heimat ist kein Ort, Heimat ist ein Gefühl", so der Deutsche am Ende ganz allein. Das Welser Publikum hat Grönemeyer ein kleinwenig Heimat vermittelt - und unausgesprochen Trost gespendet.