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You'll never like Wolfsheim...

WOLFSHEIM
über die Vor- und Nachteile der "FLUT", deutsche und englische Texte und einen schlimmen Verdacht

Markus, empfindest du als Unbeteiligter; aber doch Betroffener den Erfolg von "Die Flut" als Segen oder eher als Fluch?
REINHARDT:
Beides. Erstmal freue ich mich für Peter. Wolfsheim erreichen durch den Erfolg der Nummer sicher auch Leute, die vorher nichts von uns wußten, aber andererseits hat sich die Entstehung und die Veröffentlichung des neuen Albums durch den Rummel, die Verpflichtungen Peters und die Verwicklungen erheblich verzögert, was sehr an den Nerven gezerrt hat.

Habt ihr Angst, daß man euch - auch wenn es nicht euer Song ist - mit dieser Nummer nun auf ewig identifiziert und euer worheriges und weiteres Schaffen nicht mehr ernst nimmt?
HEPPNER:
Das glaube ich nicht. "Once In A Lifetime" entstand zum Beispiel weit vor "Die Flut". Außerdem hätte "Die Flut" durchaus auch ein Wolfsheim - Song sein können. Im Vergleich zu unserem eigenen Material war und ist der Song so ungewöhnlich nicht.

Auf jeder Platte habt ihr mindestens einen Song mit deutschen Text. Steckt ein Konzept dahinter?
HEPPNER: Nein.Ich schreibe alle Texte, quasi zur Kontrolle, parallel in deutsch. Manchmal paßt diese Versione dann besser, manchmal nehmen wir den deutschen Text aber auch nur aus einer Notlage heraus.
REINHARDT: "Künstliche Welten" war der letzte Song, den wir für das neue Album aufgenommen haben. Der englische Text war noch nicht fertig, und wir hatten kaum noch Studiozeit übrig.
HEPPNER: Der Freund, der uns bei der Korrektur der englischen Texten sonst hilft, war nicht zu erreichen, und anstatt die letzten Stunden mit mühseliger Übersetzerei zu verpulven, entschlossen wir uns, lieber den Gesang so gut wie möglich aufzunehmen. Im nachhinein erscheint mir das als ein Glücksfall, da ich die nun veröffentliche Version für einen unserer besten Songs halte.

Ihr seid durch die Verwendung der deutschsprachigen Zeile: "Wo ist der Führer, der mich führt?" Ich warte immer noch "im ansonsten komplett englischen Text eurer ersten Single in einen schlimmen Verdacht geraten...
HEPPNER: Ja, die unseligen Fascho - Diskussionen. Ein für allemal: Wir sind keine Nazi - Sympathisanten! Ich habe allerdings etwas gegen jede Art von Zensur: Warum soll man dieses Wort, das wie die ganze Sprache viel älter ist als das Dritte Reich, einfach kampflos abgeben, nur weil die Nazis es benutzt oder mißbraucht haben? Ich hatte damals zuerst den englischen Text geschrieben, wir üblich aber auch eine deutsche Version verfaßt, und sie nebeneinander liegen, als ich einfach aus genau diesem Grund die beiden Sätze in Deutsch einbaute.

Das Video zu "Die Flut" wurde aufgrund ähnlich gearteter Verdächtigungen von einigen TV-Sendern boykottiert.
HEPPNER: Was völliger Quatsch ist, denn wer sich ein wenig in der Filmgeschichte auskennt, wird sofort erkennen, daß wir sowohl in der Ästhetik als auch bei den oft beanstandeten Schrifteinblendungen den russischen Anti - Kriegsfilm "Panzerkreuzer Potemkin" aus dem Jahre 1923 vom weltweit anerkannten Regisseur Sergej Eisenstein zitiert haben. Außerdem kann ich nich verstehen, wie man aus der Story des Videos herauslesen will, daß es ein Pro- und nicht Anti - Selektionsthema hat. Die Leute heutzutage schreien unter anderem völlig zu Recht gegen die NS-Zeit, weil Bücher verbrannt und verboten wurden. Nach dem Zweiten Weltkrieg isnd jedoch noch ungleich mehr Bücher, Filme etc. verboten und indiziert worden als im Dritten Reich. Das halte ich für ziemlich bedenklich.

Interview: Oliver Kube
WOM Journal (Februar '99)