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You'll never like Wolfsheim...

Last Indie Heroes

"Die Flut" brachte alles ins Rollen, nun können Peter Heppner und Markus Reinhardt alias WOLFSHEIM endlich die Früchte ihrer jahrelangen Arbeit ernten.

Diverse Konzerne der deutschen Plattenindustrie offerierten Wolfseim in den letzten Monaten Verträge, dennoch hielt die Band an ihrem alten Partner fest - und ist somit die letzte große deutsche Band bei einem unabhängigen Label- "Strange Ways" hat uns eine Chance gegeben, als alle anderen - z.B. einige der Labels, die uns nun haben wollen - nichts von uns wissen wollten. Im Laufe der Zeit sind wir fast zu einer Art Familie geworden. Natürlich gibt es schon mal Meinungsverschiedenheiten, aber man sucht sich ja bei einem echten Familienstreit auch nicht sofort ein paar neue Geschwister; Eltern, Kinder aus, oder? Wir haben einfach sehr viel zusammen durchgemacht - gute wie härtere Zeiten. Da spielt Geld bei einer solchen Entscheidung nicht unbedingt die größte Rolle" kommentiert Sänger Peter Heppner die Labeltreue lakonisch.
Zumal auch die andere Duohälfte, Keyboarder Markus Reinhardt, meint: "Ich bezweifle wirklich, ob wir bei einer größeren Firma jetzt auf einem anderen Level angekommn wären. Wir sind eigentlich auch sehr glücklich mit unserem jetzigen Status." Dennoch wird das vierte reguläre Studioalbum, "SPECTATORS", erheblich mehr Interessenten finden als all seine Vorläuder; obwohl diese für eine Band auf einem kleinen Lebel teilweise schon fast sensationelle Verkaufszahlen erreichen.
Die Geschichte von Wolfsheim (benannt nach einer Figur aus F. Scott Fitzgeralds Roman "The Great Gatsby") geht in das Jahr 1987 zurück, als Schulfreunde in einem Keller im Hamburger Arbeiterstadtteil Wilhelmsburg anfangen, mit bescheidenstem Equipment ihren Vorbildern Depeche Mode und Kraftwerk, aber auch OMD nachzueifern. Nach einigen ersten Songs stößt ein weiterer Schulkamerad, Peter Heppner, hinzu und wird der neue Sänger des Trios, das sonst noch aus Markus Reinhardt und dessen Bruder Olli besteht und mit Peter erstmals live auftritt. Wenig später verläßt Olli die Band, und die bis heute bestehende Zweierbesetzung ist geboren. "Wir waren damals - und sind heute noch - stilsichere Dilettenten" sagt Heppner. "Wir haben uns alles durch Ausprobieren selbst beigebracht, hatten keinerlei musikalische Ausbildung und lassen einfach unsere Instinkte arbeiten. Was uns gefällt, machen wir; alles andere wird fallengelassen."
1991 unterschreiben sie beim kleinen Hamburger Label Strange Ways. Bereits die erste Single "The Sparrows And The Nightingales" wird zu einem Indie-Hit, der in Elektro- und Wave- Clubs noch heute die Tanzflächen füllt. Im Jahr darauf folgt nach einer weiteren Maxi ("It`s Not Too Late") das Debütalbum "No Happy View". Den wachsenden Erfolg der Band festigen seltene, aber stets ausverkaufte Tourneen. Zuletzt im vergangenen Herbst, als Wolfsheim ohne neue Platte quer durch die Republik in 1.000 bis 2.000er Hallen spielten.
Vor etwa einem Jahr erschien mit "Die Flut" eine gesangliche und kompositorische Kooperation von Heppner mit NDW- Fossil Joachim Witt. Diese Single wurde ein riesiger Erfolg (800.000 verkaufte Exemplare) und brachte auch dem normalen Musikhörer die für den Appeal von Wolfsheim vielleicht wichtigste Komponente näher: Heppners Stimme, die wie keine andere in Deutschland allein durch ihren Klang Melancolie, Trauer, aber auch Hoffnung vermitteln kann.
Dann stieg im November '98 erstmals eine Wolfsheim-Single ("Once In A Lifetime") in das obere Drittel der deutschen Charts ein. Auf einmal lieben alle Wolfsheim. Ihr melodiöser, Eighties - orientierter Elektropop geht dem Radiohörer ins Ohr, ihre Videos werden nicht mehr nur in Gruft-Specials in der Nacht gezeigt, sie werden sogar gebeten, bei "Top Of The Pops" zwischen Bohlen und Lauterbach aufzutreten. Und Regisseur Detlev Buck bittet sie, die erste Single ("It's Hurting For The FIrst Time") zum Soundtrack seines neuen Films "Liene Deine Nächste" aufzunehmen.
Dennoch sind Wolfsheim integer geblieben - vielleicht auch gerade wegen der unangenehmen Erfahrungen, die Peter Heppner während der "Flut" - Erfolgsstory mit Managern und großen Labels gemacht hat.Das Duo folgt nicht dem Ruf der dicken Kohle, lebt und gibt sich bescheiden und will sich auf keinen Fall in seine Musik und seine Texte hereinreden lassen. Denn am Ende sind sie immer noch eine echte Indieband, nur mit einem nun eheblich größeren Publikum.

Oliver Kube
WOM Journal (Februar '99)